Rede von
Walter
Vesper
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Entgegen den Interessen der 90 000 Gewerbetreibenden im Kraftverkehr, die um ihre Existenz kämpfen, ist in den zuständigen Ausschüssen des Bundestags alles getan worden, um die berechtigten Forderungen dieses Gewerbes möglichst zu hintertreiben. Zwischen den beteiligten Ausschüssen fand ein Tauziehen um die widerstreitenden Interessen des Fiskus einerseits und der Volksvertretung und dem Verkehrsgewerbe andererseits statt, urn der rechtswidrigen Anordnung Nr. 90/49 der Regierung zu entsprechen. Diese Anordnung zeigt erneut, in welcher Art die Regierung ihre Politik der Beschaffung von Mitteln für den leeren Staatssäckel durchzuführen gedenkt.
Nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums wird sich die Erhöhung der Brennstoffpreise auf das Preisgefüge nicht auswirken. Wir können diese eigenartige Ansicht nicht teilen. Wie verhält es sich tatsächlich mit den wirtschaftlichen und preislichen Auswirkungen der nicht rechtsgültigen Regierungsanordnung ? Gestatten Sie mir, daß ich einige Beispiele anführe. Allein im Kohlenbergbau tritt durch die neue Kraftstoff-Preiserhöhung bei dem gegenwärtigen Förderstand eine Belastung von 9- Millionen DM ein. Der schon subventionierte Bergbau wird infolgedessen weitere öffentliche Subventionierungen auf Kosten der Steuerzahler fordern.
Durch die diktatorische Treibstoffpreispolitik der Bundesregierung sollen insgesamt 320 Millionen DM zusätzlich für den bankrotten Haushalt der Bundesregierung eingetrieben werden. Diese Summe, umgelegt auf die Gesamtbevölkerung Westdeutschlands, entspricht einer Belastung von 7 D-Mark pro Kopf. Die erhöhten Kraftstoffpreise wirken sich besonders, wie das hier bereits zum Ausdruck gekommen ist, auf den Arbeiter-, Berufs- und Schülerverkehr aus. Sie führen zwangsläufig zur Erhöhung der Fahrtarife bei allen öffentlichen Verkehrsbetrieben der Landkreise und Städte. 50 Prozent der preisbegünstigten Fahrten entfallen hier auf den Berufsverkehr. Die Treibstoffpreiserhöhung zeigt bereits Auswirkungen durch Stillegung von Fahrzeugen, durch Massenentlassungen, wie das Herr Kollege Loritz bereits an einigen Beispielen bewiesen hat. Jawohl, es ist eine Tatsache, die ich nur bestätigen kann, daß in Düsseldorf vom 1. Januar 1950 bis heute über 1000 Kraftfahrzeuge stillgelegt worden sind. Wenn Sie berücksichtigen, daß dem Fiskus durch die Stillegung dieser Fahrzeuge an Kraftfahrzeugsteuer und Beförderungssteuer 1/2 Million Mark verlorengegangen sind, so kann man doch diese Politik des Herrn Wirtschaftsministers nur dahin kennzeichnen, daß man einer gutlegenden Henne, die goldene Eier legt, den Kopf abschlägt.
Die Bundesregierung versucht nun, mit Zahlen über das Kostengefüge des Kraftfahrzeuggewerbes die derzeitige Preiskalkulation für die Vergasertreibstoffe zu rechtfertigen. Ohne auf die einzelnen Positionen dieser undurchsichtigen Kostenrechnung einzugehen, möchte ich doch auf folgende Tatsache hinweisen. Die Entwicklung der Zölle, Steuern und Sonderabgaben auf Treibstoffe hat Formen angenommen, die selbst vom Standpunkt der freien Marktwirtschaft nicht mehr vertretbar sind. Ich möchte darauf hinweisen, daß seit dem Jahre 1936 die Benzin- und Dieselölpreise um das Acht- bis Zehnfache gestiegen sind.
Meine Damen und Herren! Seit Monaten protestiert das Verkehrsgewerbe Westdeutschlands gegen die Regierungsanordnung Nr. 90/49. Am heutigen Tage fanden in allen großen Städten des Westens Kundgebungen des Kraftfahrgewerbes statt, verbunden mit der Protestfahrt nach Bonn. Wie aus der Presse hervorgeht, hat die Polizei den Auftrag erhalten, die Nummern der an dieser Demonstration teilnehmenden Lastfahrzeuge zu notieren
und gleichzeitig festzustellen, daß diese Fahrzeuge halter künftig eine Kürzung der ihnen bisher zugeteilten Treibstoffkontingente erhalten.
Im Namen meiner Fraktion ersuche ich die Bundesregierung, dem Bundestag bekanntzugeben, ob eine Stelle der Bundesregierung diese verfassungswidrige polizeiliche Maßnahme angeordnet hat.
— Herr Kollege Rademacher, Sie können beruhigt sein: es trifft nicht zu, was Sie hier zu behaupten versuchen. Mein Kollege Rische hatte die Möglichkeit, auf der Protestkundgebung in Bonn zu sprechen und die Rolle aufzuzeigen, die Sie heute morgen hier gespielt haben.
— Herr Kollege Rademacher, ich kann Ihnen
mitteilen, daß der Herr Vorsitzende des Ver-
kehrsgewerbes Nordrhein-Westfalen Raukamp meinen Genossen Rische
gebeten hat, einige Worte an die demonstrierenden Kraftfahrer zu richten.
Meine Damen und Herren! Der Bericht des wirtschaftspolitischen Ausschusses und der von diesem Ausschuß empfohlene Antrag ist nach unserer Auffassung ein Ausweichen, eine klare Ablehnung, und zielt offen darauf hin, die jetzigen Vergaser- und Dieselölpreise zu belassen. Die von der Bundesregierung durch die Anordnung Nr. 90/49 geschaffene Lage darf nicht die Unterstützung des Bundestags finden. Denken Sie an die im Verkehrsgewerbe tätigen Arbeiter und Angestellten. Beachten Sie die Notlage, in der sich zur Zeit die kleinen und mittleren Unternehmer des Transportgewerbes befinden.