Rede von
Dr.
Gerhard
Schröder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik haben zu der Benzinfrage insgesamt vier Anträge vorgelegen, und ich bin heute in der glücklichen Lage, Ihnen ein endgültiges Ergebnis der Ausschußberatung über alle vier Anträge vortragen zu dürfen.
Das erste angeschnittene Problem war die Frage der Freigabe der Bewirtschaftung von Vergaser- und Dieselkraftstoff überhaupt. Sie wissen, daß wir neulich um eine weitere Berichtsfrist gebeten hatten, weil in den Verhandlungen mit der Hohen Kommission deren Stellungnahme zu der Freigabe der Bewirtschaftung noch nicht endgültig geklärt war. Wir haben auch heute noch keine abschließende Stellungnahme von dort. Der Ausschuß hat nun aber beschlossen, Ihnen den Antrag, den die Abgeordneten Dr. Solleder, Strauß, Dr. Jaeger und Genossen am 27. Oktober 1949 gestellt haben, zur Annahme zu empfehlen, soweit die Ziffer 1 in Betracht kommt.
Ziffer 2 des Antrags auf Drucksache Nr. 146 hat sich inzwischen durch den Ablauf der Kraftfahrzeugbenutzungsverordnung erledigt. Der Ausschuß hat diesen Antrag etwas ergänzt, und zwar hat er die begünstigten Kategorien, die dort aufgeführt waren, nämlich die Landwirtschaft, die Seefischerei und die Energiewirtschaft, im Sinne der Anordnung 90/49 erweitert. Diese Anordnung Nr. 90 - ich darf Ihnen, da Sie sonst den Sachverhalt wohl nicht ganz würdigen könnten, dies sagen — sieht folgende Kategorien vor: Es gibt verbilligte Treibstoffe für technische Zwecke, für die Landwirtschaft, für Notstromaggregate der öffentlichen Elektrizitätsversorgung, für die Binnen- und Küstenfischerei, für die Hochseefischerei, die Binnenschiffahrt, für in See gehende und von See kommende Schiffe und schließlich für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Diese Kategorien sind in Ziffer 1 des Antrags Drucksache Nr. 531 gemeint. Ich sagte bereits, daß sich der zweite Teil dieses Antrags durch den Ablauf der Kraftfahrzeugbenutzungsverordnung erledigt hat.
Die Abstimmungsergebnisse zu dieser Frage sind vielleicht berichtenswert. Der Ausschuß hat diesen Antrag mit 14 Ja-Stimmen bei 9 Enthaltungen und ohne eine Nein-Stimme angenommen. Der Vertreter der WAV hat Wert darauf gelegt, daß hier vorgetragen wird, daß er sich der Stimme mit der Begründung enthalten hat, die Freigabe führe zu einer Preissteigerung für den letzten Verbraucher.
Nachdem damit das Freigabeproblem ,abgeschlossen ist, hatten wir zwei weitere Fragenbereiche zu
behandeln. Der erste Fragenbereich bezieht sich darauf, ob die eben schon zitierte Anordnung 90/49 rechtsgültig ist. Der zweite Fragenbereich betrifft die Fragen nach dem richtigen Benzinpreis überhaupt, solange wir keinen freien Benzinpreis haben.
Zur Klärung des ersten Fragenbereiches ist der Ausschuß für Rechtswesen eingeschaltet worden. Dieser Ausschuß hat sich gutachtlich dazu geäußert. Es geht dabei um die Frage, ob der Bundeswirtschaftsminister zum Erlaß der Anordnung 90 der Zustimmung des Bundestags bedurfte oder nicht. Dieses Problem ist vom Rechtsausschuß sozusagen in zwei Fragestellungen aufgegliedert worden. § 1 des Preisgesetzes, der hier einschlägig ist, setzt voraus, daß die Preisänderung „grundlegende Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung" hat. Der Rechtsausschuß hat sich dahin entschieden, daß die Beurteilung dieser Frage unter Zugrundelegung der konkreten wirtschaftlichen Lage zu erfolgen hat, in der die betreffende Preisänderung wirksam werden soll. Er hat die Beurteilung der konkreten Lage, nämlich ob die hier vorgenommene Treibstoffpreiserhöhung „eine grundlegende Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung" hat, dem wirtschaftspolitischen Ausschuß überlassen. Der wirtschaftspolitische Ausschuß hat sich mit dieser Frage dann sehr eingehend befaßt. Ihm lag ein schriftlicher Vermerk vor, den der Bundesminister für Wirtschaft unter dem 7. Februar 1950 herausgegeben hat. Der Vermerk ist Ihnen inzwischen wohl allen im Abdruck zugegangen. Über den Inhalt dieser Stellungnahme hat in der gestrigen Sitzung des Ausschusses ein Vertreter des Herrn Bundeswirtschaftsministers eingehend referiert. Wir haben im Ausschuß Gelegenheit genommen, dem Vertreter des Bundeswirtschaftsministers für diese in relativ kurzer Zeit angefertigte und gründliche Arbeit besonders zu danken. Ich stehe nicht an, das auch hier zu wiederholen. Wenn Sie den Vermerk vor sich liegen haben, ersehen Sie daraus, daß die Auswirkungen der Treibstoffpreiserhöhung in den verschiedenen Bereichen untersucht sind, daß zunächst einmal der Anteil des Güter- und Personenkraftverkehrs am gesamten Verkehrsvolumen sowie die stationären Anlagen, sodann die Auswirkungen auf den Werkverkehr, auf den gewerblichen Güterkraftverkehr, auf den Personenkraftverkehr und die Auswirkungen für die Binnen- und Seeschifffahrt behandelt werden.
Der Bericht kommt zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:
Nennenswerte Auswirkungen ergeben sich lediglich für Wirtschaftsgebiete, die im Rahmen der gesamten Volkswirtschaft von untergeordneter Bedeutung sind, wie z. B. im oben dargelegten Falle der Holzmehlproduktion und der Kraftomnibusse. Selbst wenn bei Kraftomnibussen die Überprüfung der Kostenlage die vom Verkehrsgewerbe behaupteten Unkostensteigerungen bestätigen würde, kann das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 des Preisgesetzes nicht angenommen werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium verkennt nicht, daß die vorstehenden Berechnungen möglicherweise einer Korrektur bedürfen, wenn in den verschiedenen Produktions- und Handelsstufen eine Kumulierung der Auswirkungen der Treibstoffpreiserhöhung in Erscheinung tritt. Angesichts der fast ausnahmslos dargelegten Geringfügigkeit der Auswirkungen auf die Kostenstruktur würde aber
auch bei einer Kumulierung keinesfalls die im § 1 des Preisgesetzes für die Zustimmung des Bundestages erforderliche „grundlegende Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung" vorliegen.
Meine Damen und Herren, man konnte selbstverständlich nicht erwarten, daß in einer noch sehr viel umfangreicheren und tiefergehenden Analyse als dieser, die uns vorliegt, das Problem in dieser Zeit behandelt werden konnte. In dem Ausschuß herrschte die Meinung vor, daß in diesem Vermerk die wesentlichen Grundlagen für die Entscheidung dahin vorlagen, daß eine grundlegende Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung, nicht gegeben ist.
Nachdem dieser Fragenkomplex erledigt war, ergab sich, wie ich schon sagte, die Frage nach dem richtigen Benzinpreis überhaupt. Das war in der Tat ein sehr schwieriges Problem. Ich darf Ihnen einmal die Zusammenstellung der Selbstkosten für Vergaser- und Dieselkraftstoff, wie diese im Ausschuß bekanntgegeben worden ist, vorlesen. Dabei muß ich um Verzeihung bitten, wenn darin einige Zahlen enthalten sind, die man sich vielleicht nachträglich nur durch schriftliches Festhalten vergegenwärtigen kann. Die Zusammenstellung des Vergaserkraftstoffpreises für den 1. Januar 1950 sieht wie folgt aus: Importpreis 14,6 Pfennig, staatliche Abgaben, also der Zoll, 21,3 Pfennig; Importpreis und staatliche Abgaben zusammen 35,9 Pfennig; dazu treten Fracht mit 3,5 Pfennig, ZB-Verteilerspanne mit 11 Pfennig, Benzolpreiszuschlag mit 2 Pfennig, Umschlagskosten mit 1 Pfennig, so daß sich insgesamt Selbstkosten von 53,4 Pfennig ergeben, bei einem durch die Anordnung Nr. 90 festgesetzten Preis von 60 Pfennig. Auf die Differenz komme ich sofort zu sprechen.
Bei Dieselkraftstoff sieht die entsprechende Zusammenstellung folgendermaßen aus: Importpreis 13 Pfennig, staatliche Abgaben 15 Pfennig, Importpreis und staatliche Abgaben zusammen 28 Pfennig; dazu treten Fracht mit 2,3 Pfennig, ZB-Verteilerspanne mit 6 Pfennig, Umschlagskosten mit 1 Pfennig, so daß sich ein Gesamtpreis von 37,3 Pfennig ergibt, der einem Zapfstellenpreis von 38 Pfennig entspricht. Auf die Differenz zu 45 Pfennig komme ich ebenfalls im Anschluß zu sprechen.
Sie sehen aus dieser Darstellung zunächst einmal, daß die Erhöhung der Treibstoffpreise in einer engen Verbindung mit der Wiedereinführung des Zolls ab 1. Januar dieses Jahres steht, der bei Vergaserkraftstoff 21,3 Pfennig und bei Dieselkraftstoff 15 Pfennig beträgt. Der Ausschuß mußte sich nun erstens mit der Frage beschäftigen, ob diese Selbstkostengrundlagen als richtig angesehen werden konnten, zweitens damit, was mit den verbilligten Kategorien geschehen soll, wenn ein niedrigerer Treibstoffpreis festgesetzt wird. Der Ausschuß war aber nicht in der Lage, diese Frage von sich aus abschließend zu beurteilen, sondern hat sich vielmehr bemüht, zur Beurteilung dieser Frage auch den Finanzausschuß und den Haushaltsausschuß heranzuziehen. Dabei ist er beim Finanz- und Steuerausschuß nicht auf Gegenliebe gestoßen, da sich dieser — wenn ich recht unterrichtet bin — nicht für zuständig erklärt hat, während der Haushaltsausschuß, der sich gestern mit dieser Frage beschäftigen sollte, nicht mehr dazu gekommen ist.
— Dann ist mir das Ergebnis noch nicht bekannt.
Ich darf aber berichten, welche Fragen dem Haushaltsausschuß vorgelegt worden sind. Aus den Dif-
ferenzbeträgen von 7,7 Pfennig bei Dieselkraftstoff und 6,6 Pfennig bei Vergaserkraftstoff, die ich vorhin erwähnte, ergab sich nach der Berechnung des Bundeswirtschaftsministeriums eine Einnahme von 78 Millionen D-Mark für Vergaserkraftstoff und 44 Millionen D-Mark für Dieselkraftstoff, zusammen also 122 Millionen D-Mark für das Jahr 1950.
Nun sollten in diesem Jahre an bevorrechtigte Verbraucher folgende Subventionen gezahlt werden: Landwirtschaft 29,1 Millionen D-Mark, Binnenwirtschaft 31,85 Millionen D-Mark, Binnenfischerei rund 0,9 Millionen D-Mark, Seeschiffahrt rund 9,2 Millionen D-Mark, Hochseefischerei 12,7 Millionen D-Mark, während der Verbrauch zu technischen Zwecken 2,6 Millionen D-Mark und für Notstromaggregate 4,9 Millionen D-Mark an Subventionen erforderte. Das sind zusammen 91,3 Millionen D-Mark an Subventionen.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat nun gesagt, daß sich diese Summe wegen unrichtiger Ausgangspunkte auf 106 Millionen D-Mark erhöhe. Zu dieser Zahl kam ein weiterer Betrag von 16,5 Millionen D-Mark für deutsche Hydrierung, woraus sich insgesamt ein Betrag von 122,5 Millionen D-Mark ergab. Sie sehen, dieser Betrag von 122 Millionen D-Mark entspricht gerade dem Betrag, der sich aus der Spanne zwischen 53 bzw. 38 Pfennig und 60 bzw. 45 Pfennig ergibt.
Der wirtschaftspolitische Ausschuß hat — auch der Finanzausschuß und der Haushaltsausschuß sind in dieser Beziehung herangezogen worden — folgende Fragen aufgeworfen:
1. Welcher Betrag an Zollaufkommen wird für das Jahr 1950 aus den Zöllen für Treibstoff erwartet, und zwar aufgeschlüsselt nach Mengen, Zoll auf Rohprodukte und Fertigprodukte, getrennt nach Zöllen für Vergaserkraftstoff und Dieselkraftstoff, und welche Mengen sind diesen Schätzungen zugrunde gelegt?
2. Welche Beträge werden aus der Mineralölsteuer erwartet? Seit wann wird diese erhoben? Auch hier wird um Aufgliederung nach Vergaser- und Dieselkraftstoff gebeten. Es wird ebenfalls um Angabe der Mengen gebeten, die der Schätzung zugrunde gelegt werden.
3. Welcher Verwendungszweck ist für die oben aufgeführten Mittel haushaltsmäßig vorgesehen?
4. Wenn statt eines Preises von 60 Pfennig pro Liter Vergaserkraftstoff ein Preis von 53,4 Pfennig und an Stelle von 45 Pfennig pro Kilo Dieselkraftstoff ein Preis von 37,3 Pfennig erhoben wird, fällt nach der Behauptung des Bundeswirtschaftsministeriums ein Betrag von 122 Millionen D-Mark aus. Stehen haushaltsmäßige Mittel zur Verfügung, die aus diesen Beträgen geplanten .Subventionen anderweitig aufzubringen?
Wie ich gerade vorhin durch einen Zuruf des Kollegen Seuffert erfahren habe, hat der Haushaltsausschuß sich also doch mit dieser Frage beschäftigt. Ein Ergebnis habe ich bisher noch nicht erfahren. Das ist aber, wie ich weiter ausführen werde, für den Vorschlag, den Ihnen der wirtschaftspolitische Ausschuß macht, mindestens in diesem Stadium nicht mehr von großer Bedeutung. Der wirtschaftspolitische Ausschuß hat sich nämlich nach längerer Debatte entschlossen, auf eine detaillierte Prüfung — die er zwar eingeleitet hatte, die sich dann aber als sehr schwierig und tief in die Verwaltung hineinreichend erwies — zu verzichten und Ihnen vorzuschlagen, die Bundesregierung nach erneuter gründlicher Überprüfung um den Erlaß einer neuen Anordnung zu ersuchen, in der der Treibstoffpreis für Vergaserkraftstoff auf 53 Pfennig je Liter und für Dieselkraftstoff auf 38 Pfennig je Kilogramm festgesetzt wird. Der Ausschuß hat besonders hervorgehoben, daß er dies zu tun bittet nach einer erneuten gründlichen Überprüfung unter besonderer Berücksichtigung aller Kostenfaktoren, insbesondere auch der Verteilerkosten, wie sie sich aus der Ihnen vorhin mündlich mitgeteilten Zusammenstellung ergaben.
Daraus ergibt sich nunmehr zur Behandlung der Anträge folgende Situation:
Der früheste Antrag, der Antrag Dr. Solleder und Genossen, wird Ihnen vom Ausschuß zur Annahme empfohlen, nämlich dahin, daß die Bundesregierung 'ersucht wird - ich lasse alles andere weg —, die Bewirtschaftung von Vergaserkraftstoff und Dieselkraftstoff aufzuheben.
Zweitens wird der Antrag der FDP in Buchstabe a für erledigt zu erklären sein, nachdem der schriftliche Bericht des Bundeswirtschaftsministers und ein mündlicher Bericht vorlagen, auf dessen Vorlegung der Antrag der FDP abgestellt war.
In diesem Stadium waren aber auch die Anträge der KPD und der WAV entscheidungsreif geworden, und zwar hat der Ausschuß — das wird sich vielleicht auch hier empfehlen — getrennt über Satz 1 und 2 des Antrags der KPD abgestimmt. Zu beiden Sätzen hat der Ausschuß die Ablehnung empfohlen.
Der Antrag der WAV — bereits am 14. Dezember 1949 gestellt — ist in der Ausschußsitzung von dem Herrn Vertreter der WAV dahin umformuliert worden, daß der alte Treibstoffpreis vom 1. Dezember 1949 aufrechterhalten werden sollte. Der Ausschuß empfiehlt, auch diesen Antrag abzulehnen.
Er schlägt Ihnen dann letzlich vor, den von uns abgeänderten Antrag der FDP anzunehmen. Er lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht, nach erneuter gründlicher Überprüfung — unter besonderer Berücksichtigung aller Kostenfaktoren, insbesondere der Verteilerkosten — die gegenwärtigen Preise für Vergaserkraftstoffe und Dieselkraftstoffe unter Aufrechterhaltung der in der Anordnung 90/49 gewährten Ausnahmen herabzusetzen und auf nicht mehr als 0,53 D-Mark je Liter Vergaserkraftstoff und 0,38 D-Mark je Kilogramm Dieselkraftstoff festzusetzen.
Ich darf dem hinzufügen, daß es zahlreichen Ausschußmitgliedern zweifelhaft war, ob eine solche Empfehlung bzw. das daraus hergeleitete Ersuchen an die Regierung nach den Unterlagen, die wir hatten, schon jetzt verabschiedet werden konnte. Wie gesagt, schien es uns aber nicht angängig, in eine detailliertere Untersuchung einzutreten, weil wir uns dabei sehr stark auf das Gebiet der Verwaltung begeben haben würden. Der Ausschuß hat sich also in seiner Mehrheit in der Lage gesehen, diesen von ihm so formulierten Antrag der FDP zur Annahme zu empfehlen.
Vizepräsident Dr. Schäfer. Ich danke dein Herrn Berichterstatter.
Die Aussprache wird eröffnet. Das Wort hat der Herr Finanzminister.