Herr Präsident, ich bedauere es sehr, daß sich die Mehrheit des Hauses nicht auf den Standpunkt meiner Fraktion stellen kann,
aber ich begrüße es, daß gekämpft wird.
Meine Damen und Herren! Damit Sie nun nicht annehmen, daß wir Kommunisten uns mit unserer Ansicht über die Lösung des Problems Berlin allein befinden, möchte ich einen Herrn zitieren, der erst in der Debatte zur ersten Lesung von der Frau Kollegin Schroeder so lobend erwähnt wurde. Es handelt sich um den Leiter des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts in Berlin, um Herrn Dr. Friedensburg. Auf einer Tagung der Wirtschaftsinstitute in Berlin erklärte Herr Dr. Friedensburg nach der „Allgemeinen Kölnischen Rundschau" vom 4. 2. 1950 folgendes über die gegenwärtige Situation Berlins:
Die Produktion bleibt hinter der der Westzonen noch stark zurück. Der östliche Markt ging verloren. Der Absatz Berlins selbst leidet unter der außerordentlichen Kapitalknappheit
und der mangelnden Kaufkraft der Berliner Bevölkerung.
Das Währungsgefälle vom Westsektor in den Ostsektor bringt neue erhebliche Einbußen für West-Berlin.
Und dann heißt es in dieser Zeitung weiter:
Friedensburg wies noch einmal auf das politische Problem Berlin hin, das eine gesamtdeutsche Aufgabe sei. Wirtschaftliche Maßnahmen seien nur eine Überbrückung. Zur alten Leistung könne Berlin nur dann zurückkehren, wenn es wieder Hauptstadt sei und Verkehrsmittelpunkt zwischen dem Osten und Westen.
Haben Sie etwas dagegen einzuwenden?
— Wir auch nicht! Wir sind der Meinung, daß in diesen Worten zu gleicher Zeit die Lösung, zumindest der erste Schritt zur Lösung des so folgenschweren Problems Berlin enthalten ist.
— Das merken Sie leider erst heute. Späte Erkenntnis, Herr Kollege Schmid!
Meine Damen und Herren! Selbst die westdeutsche Schwerindustrie, die ja, wenn es um Berlin geht, nicht immer mit ganzem Herzen dabei ist, weil ihre Interessen heute schon über Berlin bis nach Moskau und nach Peking reichen, selbst diese Kreise, die auch hier, wenn ich nicht irre, politisch sehr stark vertreten sind, machen sich Gedanken über die Lösung des Problems Berlin. In einer vertraulichen Mitteilung, die nur den Direktoren der großen Stahlwerke zuging, heißt es unter E, Berlin:
Die schwersten Auswirkungen dieser Wirtschafts- und Währungsverhältnisse ergeben sich in West-Berlin. Man erwartet bis Anfang 1950 eine ansteigende Arbeitslosenziffer.
Und dann kommt es:
Es rächt sich bitter, daß man übereilt die Westwährung für einen Teil Berlins in Kraft gesetzt hat. Alle steuerpolitischen Maßnahmen des West-Berliner Magistrats sowie alle Kredite sind zum Scheitern verurteilt, wenn innerhalb von Berlin die Arbeitskraft mit einem so unterschiedlichen Lohn angeboten wird, wie ihn der 1-zu-6-Kurs mit sich bringt.
Diese Leute sind wesentlich nüchterner. Wenn sie sich einmal über wirtschaftspolitische Dinge unterhalten, dann haben sie auch ihre guten Gründe, und dann bemühen sie sich auch einmal, die Dinge anders und grundsätzlicher zu sehen.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, ich habe anfangs von den großen politischen Irrtümern gesprochen, die in bezug auf das Berlin-Problem bestehen. Es gibt da eine Legende, daß angeblich die Politik der SED den Status Berlins verschuldet hätte. Wenn Sie sich genau vergegenwärtigen, wie die westdeutsche Separatwährung hier im Westen durch die Besatzungsmächte, ich möchte sagen, unter Mitwirkung der westdeutschen Politiker verkündet wurde und wie man im Wirtschaftsrat verlangt hat, daß diese Westwährung, diese Separatwährung auch für West-Berlin gelten soll, dann
haben Sie eine der Ursachen für die bestehenden Schwierigkeiten in West-Berlin.
Auch wir Kommunisten sind. der Auffassung, daß man allmählich mit diesem Kampf um Berlin Schluß machen muß.
Durch diesen Kampf werden die Kräfte des deutschen Volkes gelähmt. Das deutsche Volk hat andere politische Aufgaben. Das deutsche Volk muß sich endlich seinen Platz als demokratisches, friedliebendes Volk in der Weltwirtschaft und in der Weltpolitik zurückerobern,
und der Kampf um Berlin hindert uns daran. Der Kampf um Berlin hindert uns daran, die große Einheit des deutschen Volkes im Hinblick auf große nationale Ziele zu verwirklichen.
- Jawohl, Herr Kollege, diese Einheit des deutschen Volkes wird heute schon weitestgehend in den Organen der Nationalen Front repräsentiert, ob Sie die anerkennen wollen oder nicht!
Diese Nationale Front des deutschen Volkes wächst. Diese Nationale Front des deutschen Volkes wird auch die politischen Kräfte, die gesunden demokratischen und friedliebenden Kräfte des deutschen Volkes sammeln.
Im Kampf um die berechtigten Interessen des deutschen Volkes werden sie ein einheitliches, freiheitliches deutsches Vaterland verwirklichen!
Aber wir haben das Problem Berlin, und Berlin kann bekanntlich nicht mit großen politischen Reden geholfen werden.
Wir sind der Meinung, daß man zur endgültigen Lösung des Berlin-Problems heute schon einen ersten Schritt tun kann. Der für Gesamt-Berlin vorgeschlagene Wirtschaftsausschuß kann als eine solche erste Maßnahme zur Lösung aller wirtschaftlichen Probleme in der deutschen Hauptstadt betrachtet werden. Es hängt vom guten Willen der Politiker in West-Berlin ab, daß dieser Wirtschaftsausschuß zur Lösung der wirtschaftspolitischen Probleme der deutschen Hauptstadt zustandekommt. Wir wissen allerdings, daß es sehr starke Kräfte gibt, die von außen her gedrängt werden, die kein Interesse daran haben, daß unter der Berliner Bevölkerung Ruhe eintritt, daß sie in Frieden arbeiten und ihrer Beschäftigung nachgehen kann. Wir wissen aber ganz genau, daß auch die SPD in Berlin, die ja in West-Berlin politisch führend ist, ebensogut weiß, daß heute die Deutsche Demokratische Republik ein wirtschaftspolitischer und politischer Anziehungspunkt für die West-Berliner Bevölkerung geworden ist.
Alle Versuche, durch Finanztransaktionen hier Abhilfe zu schaffen, werden scheitern.