Rede von
Dr.
Robert
Tillmanns
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Entwurf entspricht in seinem Inhalt den Erklärungen, die die Bundesregierung durch den Bundesfinanzminister Schäffer am 21. Oktober vorigen Jahres vor diesem Hause abgegeben hat. Das Gesetz stellt die Verwirklichung eines Teiles des Programms der Bundesregierung hinsichtlich der Berlin-Hilfe dar. Es ist im Ausschuß in guter Zusammenarbeit beraten worden, und wir stimmen der Vorlage zu.
Das Gesetz bedeutet einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der Berliner Wirtschaft. Insbesondere dient es der Belebung der Auftragserteilung seitens der westdeutschen Wirtschaft an die Berliner Industrie. Ich darf von dieser Stelle einen Appell an die westdeutsche Wirtschaft richten, die Möglichkeiten, die das Gesetz bietet, voll auszunutzen und auch ihrerseits die Verantwortung wahrzunehmen, die in der großen gesamtdeutschen Frage, um die es bei Berlin geht, auch die deutsche Wirtschaft trägt.
Der Garantiefonds, der durch dieses Gesetz geschaffen wird, ist nicht etwa deswegen vorgeschlagen, weil es, wie hier gelegentlich bemerkt wurde, an Vertrauen in die Berliner Situation mangelt, sondern deswegen, weil von seiten der Behörden der Sowjetzone immer wieder mit kleinlichen Verkehrsschikanen versucht wird, Unsicherheit in dem Warenaustausch mit Berlin zu erzeugen. Dieses Gefühl der Unsicherheit soll dadurch überwunden werden, daß dieser Garantiefonds geschaffen wird. Ich denke, das ist eine gute und nützliche Maßnahme.
Man wird, wenn man über die Frage Berlin spricht, immer wieder darauf hinweisen müssen,
daß es sich hier nicht nur um die Sicherung des Lebens und der Existenz der Berliner Bevölkerung handelt. Die Bedeutung des Problems, vor dem wir stehen, geht weit darüber hinaus. Es handelt sich bei Berlin um die Schicksalsfrage unseres Volkes und Europas. Berlin hat nämlich innerhalb der Sowjetzone eine stellvertretende Funktion für die endliche Wiederherstellung und Verwirklichung unserer politischen und staatlichen Einheit.
Das Gesetz, das uns vorliegt, ist nichts anderes als die Bekundung dieses Einheitswillens. Es zeigt aufs neue die Verantwortung, die der Bundestag für das ganze Deutschland,
auch für die 18 Millionen Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone trägt. Sie stehen gegenwärtig noch stärker als bisher unter der Einheitspropaganda der „Nationalen Front", die nichts anderes bedeutet als die Vorbereitung der totalen Machteroberung des Kommunismus.
Dieser verfälschten Einheitspropaganda setzen wir den Willen zur echten Einheit, zur Wiedervereinigung Deutschlands im demokratischen und sozialen Volksstaat nach den Grundlagen unseres Grundgesetzes entgegen. So gesehen ist Berlin und die Frage Berlin nicht eine defensive Angelegenheit, sondern hier handelt es sich um eine dynamische, aktive Aufgabe, die auch in die sowjetische Besatzungszone hineinstrahlt und hineinwirkt. Wir müssen überhaupt alles, was vom Bundestag und von der deutschen Bundesrepublik an politischen Maßnahmen ausgeht, immer stärker und immer mehr unter diesem Gesichtspunkt der Wiederherstellung der deutschen politischen Einheit sehen. Jedes Wort, das hier im Bundestag gesprochen wird, sollte daraufhin geprüft werden, ob es für die 18 Millionen Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone eine Ermutigung, eine Stärkung ihres politischen Willens oder ob es das Gegenteil bedeutet.
Das heißt nicht, daß es sich hier um die Stellungnahme gegen irgendeine ausländische Macht handelt; es bedeutet nur die Bekundung unseres Willens zur eigenen politischen und sozialen Ordnung unseres nationalen Lebens. Und je mehr drüben der Zwang zur Einheitspartei fortschreitet, je mehr wir drüben die Auslöschung jeder anderen politischen und geistigen Kraft erleben, um so lauter werden wir von hier aus unsere Stimme zu dieser echten Einheit erheben, die nur durch wirklich gleiche, von jedem Zwang befreite Wahlen und Bekundung des politischen Willens der Bevölkerung in allen Ländern Deutschlands wiederhergestellt werden kann.
Wir halten es für gut, daß der Herr Bundesfinanzminister Schäffer vorgestern dem Hause ein Gesamtbild all der Leistungen gegeben hat, die die deutsche Bundesrepublik für Berlin erbracht hat. Dieses Bild zeigt in eindrucksvoller Weise die großen Anstrengungen, die seitens der Bevölkerung der deutschen Bundesrepublik für diese große Aufgabe bereits vollbracht worden sind. Ich sage: Es ist gut, daß dieses Gesamtbild gegeben worden ist, weil gelegentlich — vor allen Dingen auch in Berlin — manchmal in einer gewissen parteipolitischen Verengung diese große Hilfe und ihr Ausmaß übersehen und nicht genügend geschätzt wird. Wir
hoffen, daß das, was die deutsche Bundesrepublik bisher getan hat und was ja nur ein erster, wichtiger Teil der Aufgabe ist, die vor uns liegt, weiter stetig entwickelt wird. Jetzt kommt es darauf an, immer mehr das Schwergewicht der Bundeshilfe für Berlin auf die wirtschaftlichen Maßnahmen, auf die Entwicklung und Stützung des wirtschaftlichen Lebens Berlins zu legen. Die Aufwertung der Uraltkonten, die jetzt in Angriff genommen wird, die vermehrte Einbeziehung der Berliner Zentralbank in das System der Bank deutscher Länder, die Beteiligung Berlins an der MarshallHilfe, das sind die weiteren Wegpunkte, die vor uns liegen in der Erfüllung der Aufgabe, die der Bund auf sich genommen hat. Damit wird die Arbeitslosigkeit in Berlin, die ja ein Vielfaches der schweren Not der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik beträgt, bis auf ein Mindestmaß verringert und damit der Berliner Bevölkerung Kraft zu ihrem Leben und zur Erfüllung ihrer deutschen Aufgabe gegeben werden.
Meine Damen und Herren! Die Frau Abgeordnete Schroeder hat vorgestern bei der ersten Beratung dieses Gesetzentwurfs die Gelegenheit wahrgenommen, sich mit einem Artikel auseinanderzusetzen. der im „Rheinischen Merkur" über die politischen Verhältnisse in Berlin erschienen ist und der neben Angriffen vor allem auch auf Frau Bürgermeister Schroeder selbst die Behauptung aufstellt, daß die Geldmittel, die seitens der Bundesrepublik für Berlin gegeben werden, nicht für die elementare Aufgabe der Lebenssicherung der Berliner Bevölkerung verwendet würden, sondern für irgendwelche dieser Aufgabe entfremdete Zwecke. Dieser Artikel - ich stehe nicht an, das zu erklären - bedeutet eine Verzerrung der Tatsachen.
Ich halte ihn in seinem Gesamttenor für bedauerlich.
Die Verwendung der Mittel für Berlin — das ist vom Berliner Magistrat und von Oberbürgermeister Reuter wiederholt erklärt worden - steht jeder Kontrolle offen. Ich bin sicher, daß in enger Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und Berlin alle Zweifel, die etwa in dieser Hinsicht bestehen oder auftauchen mögen, beseitigt werden.
Der Artikel im „Rheinischen Merkur" — ich will auf Einzelheiten nicht näher eingehen — enthält auch sonst eine Reihe von schiefen Urteilen. Dort wird von einer Versandung des Kultur- und Kunstlebens in West-Berlin gesprochen. Es wird so hingestellt, als sei das ausschließlich die Schuld irgendwelcher Behörden. Meine Damen und Herren! Jeder, der die Verhältnisse in Berlin einigermaßen kennt, sollte sich ohne lange Prüfung sagen können, daß die außerordentliche wirtschaftliche Not, unter der die Berliner Bevölkerung leidet, die Ursache für den zweifellos zu beobachtenden Rückgang auch des kulturellen und künstlerischen Lebens ist. Wir brauchen uns ja nur klarzumachen, daß, in Westgeld gerechnet, der Besuch eines östlichen Theaters oder Kinos höchstens 50 Pfennig kostet oder noch weniger, während der Besuch des Theaters in den Westsektoren das Sechs- bis Achtfache kostet. Schon daraus sieht man, unter welch schweren Verhältnissen die Theater in Berlin ihre Arbeit zu führen haben.
Im übrigen habe ich den Eindruck, daß dieser Artikel von einem aus persönlichen Gründen Verärgerten geschrieben ist. Man sollte ihn deshalb nicht allzu wichtig nehmen. Andererseits ist es für uns alle kein Geheimnis, daß Berlin und die politische Situation Berlins nun einmal durch das beherrschende politische Übergewicht der SPD gekennzeichnet ist.
Meine Damen und Herren! So rosig, wie Frau Abgeordnete Schroeder die Dinge hingestellt hat, sind sie in Wirklichkeit doch nicht. Wir beklagen manche Fehlentwicklung, insbesondere auf dem Gebiet der Kulturpolitik. Es bleibt unsere Auffassung, daß das Schulgesetz, das von einer Mehrheit einschließlich der SED seinerzeit in Berlin angenommen worden ist, eine kulturpolitische Entfremdung zwischen Berlin und den Ländern der deutschen Bundesrepublik herbeiführt.
Das ist auch die wachsende Erkenntnis der Elternkreise in Berlin.
Wir werden nicht aufhören, zu fordern, daß die Angleichung zwischen Berlin und der deutschen Bundesrepublik, die um des Lebens Berlins willen nötig ist, auch auf kultur- und schulpolitischem Gebiet vollzogen wird.
Aber es ist hier meines Erachtens nicht der Ort, diese Fragen weiter zu vertiefen.
Ich meine — wenn ich hier als Berliner sprechen
darf —, das wollen wir bei uns zu Hause abmachen.
und ich bin der Meinung, daß die Berliner Bevölkerung darauf wartet, von diesem demokratischen Mittel ihrer Willensbekundung Gebrauch machen zu können. Es bleibt — damit möchte ich meine Bemerkungen zu diesem Artikel des „Rheinischen Merkur" abschließen — die Mahnung auch an die verantwortlichen Stellen Berlins, sich immer wieder klarzumachen, daß die Aufgabe, vor die wir gestellt sind, nicht gelöst werden kann, wenn die politischen Gegensätze, die nun einmal da sind, überspannt werden, sondern nur dann, wenn wir uns bemühen, über diese Gegensätze hinweg zusammenzuwirken. Der überwiegende Teil der Bevölkerung der Bundesrepublik sieht nun einmal nicht in der SPD seine politische Vertretung. Keine Partei hat in der Erfüllung der Aufgabe Berlin und deutsche Einheit einen Sonderanspruch für sich zu erheben. Wir alle stehen hier in einer gemeinsamen großen Arbeit. Die CDU ist hier und in Berlin zu dieser Zusammenarbeit bereit. Insbesondere betrachten wir es als unsere Aufgabe, daran mitzuarbeiten, daß der Bund und Berlin immer enger zusammenwachsen. Wir haben das Vertrauen zur Bundesregierung, daß sie diese auf Gesamtdeutschland gerichtete Aufgabe mit aller Entschlossenheit weiterführt.