Meine Damen und Herren! Wir haben heute eine Menge guter Ratschläge er-
teilt bekommen. Es wird Sie nicht überraschen, daß sich meine Freunde nicht entschließen können, sich der „Sachkunde" des Herrn Loritz anzuvertrauen. Sie tragen auch Bedenken, sich in die Gefolgschaft der Frau Wessel zu begeben, was Sie auch nicht wundern wird. Ich glaube, daß wir für die Regierungsparteien nicht unbescheiden oder üppig sind, wenn wir sagen, daß wir zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit reale, klare und festumrissene Pläne von der Bundesregierung gehört haben.
Ich glaube, daß sich die Bundesregierung die Arbeit nicht leicht gemacht hat und daß sie überhaupt nicht so bequem ist, wie das einige Herren eingangs hier gesagt haben: sie hat auch hier, selbst wenn dies durch eines ihrer Mitglieder vor einiger Zeit geschehen sein sollte, die Dinge nicht, wie Frau Wessel meint, bagatellisiert; sie ist auch dem Problem, das wir als das schwerste, das wir zur Zeit haben, ansehen, nicht aus dem Weg gegangen. Sie hätte, glaube ich, keine große Mühe gehabt — und damit auch wir nicht —, den Großteil der Arbeitslosigkeit als strukturell mit allen möglichen Gründen zu erklären. Auch das hat sie nicht getan. Sie hat es auch nicht für richtig befunden, wegen der offensichtlichen Erfolge der Wirtschaftspolitik — zu denen ja selbst die Sozialdemokratie zwischendurch viele Monate geschwiegen hat —, die seit der Währungsreform — also nun immerhin seit gut 11/2 Jahren — erzielt worden sind, sich hier einen Lorbeerkranz zu winden. sondern sie hat — und damit meine ich in erster Linie die konkreten Angaben des Herrn Bundeskanzlers — neue Wege aufgezeigt.
Sie hat sich nicht auf das schon bekannte Wohnungsbauprogramm beschränkt, sondern sie hat eine ganze Reihe anderer produktiver Dinge vorgebracht. und meine Freunde halten das, was hier im einzelnen — ich erwähne besonders die Bundesbahn — vorgetragen worden ist, für wirklichkeitnah und — das dürfte eine sehr wichtige Voraussetzung für alle Dinge sein für unbürokratisch. Es wird Ihnen aufgefallen sein, daß keine neue Behörde irgendwo errichtet werden soll, daß keine Kommissare bestellt werden sollen usw.
Und meine Freunde halten das Programm für schnell und leicht durchführbar. Es gibt eine ganze Reihe von Dingen — ich wende mich an den Herrn Bundesverkehrsminister —, die morgen, nachdem die Finanzierung bereits gesichert ist, in Auftrag gegeben werden können. Mehr kann man schließlich von einem Programm nicht verlangen.
Wir sind uns aber völlig darüber klar, daß wir
Hilfe nötig haben und in erster Linie möchte ich
in dieser Beziehung die Länder nennen, gerade
deshalb, weil ein so unerfreulicher Zwischenfall
die Situation in dieser Beziehung verdunkelt hat.
Wie soll nach dem Grundgesetz die Bundesregierung ihre Arbeiten und ihre guten Pläne durchführen, wenn Auffassungen über die Motive der
Bundesregierung, wie sie heute hier vorgetragen
worden sind, bei auch nur einem Lande und
meinetwegen auch nur einem Minister eines Landes vorhanden sind? Das wäre katastrophal. Ich
glaube, daß wir auf dem Wege der Verständigung
mit den Ländern schnelle Fortschritte machen
müßten, und das erfordert natürlich Konzessionen
auf beiden Seiten. Bitte stellen Sie sich vor, wie wir den Wohnungsbau in der Form, wie er gedacht ist, durchführen wollen, wenn bei den Ländern nicht mehr als der gute Wille — das ist zu wenig -- und keine tatkräftige Unterstützung vorhanden ist?
Wie soll der Zustand — und darüber müßten sich die Länder von Herzen freuen — weiter von den Ländern getragen werden, daß einzelne Industrien je nach dem Druck oder nach der Überredungskunst, die sie an wenden, mit Länderkrediten von Monat zu Monat über Wasser gehalten werden, wie das zum Beispiel zur Zeit mit der Lokomotivindustrie geschieht? Sollten die Länder nicht froh sein, wenn durch die Tätigkeit und die Initiative des Bundes hier neue Wege aufgeschlossen werden?
Um diese Hilfe der Länder möchte ich Sie, meine verehrten Herren vom Bundesrat, herzlich bitten, besonders herzlich nach dem, was heute vorgefallen ist.
Die zweite Hilfe, die wir brauchen, besteht in dem Verständnis und der Unterstützung durch die Stellen, die in Deutschland zur Zeit berufen sind, die Währung in Ordnung zu halten und das Geldwesen zu kontrollieren. Ich meine die Bank deutscher Länder. Wir sollten uns freuen, — —
- Warum sollen nicht einmal etwas fröhlichere Töne angeschlagen werden?
— Meine Damen und Herren, das Problem lösen wir ja nicht dadurch, daß wir uns gegenseitig beschimpfen. — Die Geldgeber haben dem Weg der Kreditausweitung zugestimmt, und zwar auf Grundlagen, die sie selbst vertreten können; denn wir können ja keinen Druck auf sie ausüben, wir können ihnen nichts befehlen.
Drittens brauchen wir in außerordentlichem Maße die Hilfe des Auslandes. Wem es noch nicht klar geworden ist, welche Bedeutung in unserem Wirtschaftsleben der Marshallplan hat, der sollte es eigentlich heute gemerkt haben. Stellen Sie sich das Programm der Regierung ohne die ECA-Mittel vor, und es würde etwa um die Hälfte gekappt sein.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß man auf dem Wege der Verwendung und Verwertung der ECA-Mittel einige Schritte weitergehen müßte. Es ist nicht verständlich, daß zwischen den Marshallplan-Geldern, die hereinfließen und denen, die in die Wirtschaft wieder herausgegeben werden, eine so große Differenz besteht. Daß in den Ausweisen der Bank deutscher Länder Hunderte von Millionen als Differenz klaffen, hat seinen Grund in dem außerordentlichen Formalismus, der hier eingeführt worden ist und in dem ja nicht nur Deutschland ein Meister ist. Die Bundesregierung sollte sich bemühen, Einfluß auf die ECA-Verwaltung zu nehmen, um diesen Formalismus zu verringern und damit das Flüssigwerden der Gelder beachtlich zu beschleunigen. Darüber hinaus aber —, und da stimme ich dem Kollegen Bertram zu — sollte in bezug auf die Vorfinanzierung der ECA-Mittel mehr geschehen. Wir sind auch hier von der Zustimmung der ECA-Verwaltung, also in erster Linie der Amerikaner, abhängig, und von der Bundes-
regierung sollte dahin verhandelt werden, daß uns diese Vorfinanzierung gestattet wird; denn schließlich laufen die deutschen Geldgeberstellen, die vorfinanzieren, das Risiko. Wir hoffen auf die Einsicht der ECA-Verwaltung, unsere Pläne zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit würden hierdurch sehr viel schneller durchführbar werden.
Es befremdet uns, daß es unter den ECA-Mitteln Posten gibt, die von denen, denen sie zugute kommen sollen, nicht abgerufen werden. Das gilt in erster Linie für die Landwirtschaft und für das Kleingewerbe. Wenn es richtig ist, daß die Landwirtschaft das wegen der Zinsbelastung oder überhaupt wegen des Risikos, das sie immerhin mit diesen Krediten eingeht, nicht kann, dann verdient diese Frage eine ganz besondere Prüfung, die ich heute abend keineswegs mehr vornehmen kann.
Es hat uns aber mit Befriedigung erfüllt, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister, zwischen dem und der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten so gern und so leicht ein Gegensatz konstruiert wird,
hier für die Bedürfnisse der Landwirtschaft sehr gute und klare Worte gefunden hat.
— Ja, da kenne ich eine ganze Menge. Deshalb freue ich mich, lieber Herr Kollege, über die Fortschritte, die erzielt werden.
Für alle unsere Pläne sind natürlich Gefahren vorhanden, und die Gefahr, die in der Liberalisierung liegt, ist hier sehr ausführlich und mit vollem Recht geschildert worden. Der Bundeswirtschaftsminister hat nicht abgestritten, daß Schwierigkeiten durch reichlich schnelles Anlaufen und durch mangelnde Gegenseitigkeit in bezug auf die Liberalisierung des Handels vorhanden gewesen sind und zum Teil heute noch vorhanden sind. Aber die Gefahr erkennen heißt sie zum Teil bereits beseitigen, und Sie und wir alle haben das Versprechen erhalten, daß vorsichtig verfahren werden wird.
Ich bin der Meinung, daß nicht unerhebliche Gelder nach der Währungsreform an falscher Stelle investiert worden sind.
Ich gebe das ohne weiteres zu, ohne zu behaupten, daß S i e es hätten verhindern können. Ich glaube aber weiter,
daß der Druck auf die Preise und der Rückgang der Preise bereits eine wohltätige Wirkung in bezug auf diese unnützen Investitionen gehabt hat. Die Verwertung der berühmten Hortungsgewinne hat ihr Ende gefunden, was Sie am Aufhören gewisser Bauten ohne weiteres merken. In Bayern nannten wir sie die „BMW-Bauten"; Sie wissen, was ich damit meine. Auch die Verschwendung geht zurück. Sie merken das doch auch, meine Damen und Herren! Das sollte uns in bezug auf die Zukunft mit Zutrauen in eine vernünftigere Investitionstätigkeit erfüllen.
Am meisten hat uns alle heute betroffen, daß hier Worte über eine gewollte Arbeitslosigkeit gefallen sind. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es so unseriöse Menschen gibt, die etwas Derartiges wollen. Das wäre viel mehr als unseriös; es wäre verantwortungslos und nach meiner Ansicht sogar verbrecherisch.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß es Unternehmer gibt, die etwas Derartiges wollen;
sonst würde ich mich von ihnen in jeder Weise distanzieren.
Aber ich bitte Sie zu bedenken, daß in diesem Falle nicht der Unternehmer im Vordergrund steht, wiewohl er sich über eine Arbeitslosigkeit niemals freuen kann, sondern im Vordergrund steht der Arbeitnehmer. Es ist ohne weiteres zuzugeben, und ich sage es mit voller Überzeugung und heiligem Ernst, daß, auch wenn der Arbeitnehmer nicht in irgendeiner Weise leiblich oder materiell von den Kriegsfolgen betroffen ist, er derartige Hypotheken mit sich herumschleppt, daß es entsetzlich wäre, wenn diese Arbeitslosigkeit zunähme oder wenn das Gespenst der Arbeitslosigkeit vor so vielen Menschen stehen bliebe wi heute. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, behalten Sie alle Ihre Reservate in weltanschaulicher, in politischer, in parteipolitischer Beziehung — das tun Sie ohnehin, nicht wahr? —, aber ergreifen Sie nun mit uns die dargebotenen Gelegenheiten, von denen Sie sich grundsätzlich doch gar nicht distanzieren können und nach dem, was Herr Nölting gesagt hat, auch gar nicht distanzieren wollen! Legen Sie sich mit uns in die Riemen, damit durch die Mithilfe all der Kräfte, von denen ich gesprochen habe, die Gefahr abgewendet wird, in der Lage, in der wir nun sind, noch zusätzlichen Schaden durch Uneinigkeit zu erleiden.