Rede:
ID0103608100

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Bertram.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1950 1141 36. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1141 B, 1214 C Ersuchen des bayerischen Justizministeriums betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Baumgartner 1141 C Beratung des Antrags der SPD betr. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Drucksache Nr. 406 1141C Dr. Nölting (SPD), Antragsteller 1141 D, 1209 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 1149A, 1182 B Storch, Bundesminister für Arbeit . . 1152 B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft' 1154B, 1212 B Dr. Seelos (BP) (zur Geschäftsordnung) 1158D Dr. Preusker (FDP) 1159 C Dr. Preller, Schleswig-Holsteinischer Landesminister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr 1162 A Dr. Seidel, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft 1165 C Sabel (CDU) 1166 D Walter (DP) 1170 C Wönner (SPD) 1172 A Etzel (CDU) 1175 D Kubel, Niedersächsischer Minister für Arbeit und Aufbau 1180 D Dr. Etzel (BP) 1183 A Dr. Bertram (Z) 1189C, 1204 C Loritz (WAV) 1189 D Nuding (KPD) 1195 C Frau Wessel (Z) 1200 C Krause (Z) 1206 B Dr. Wellhausen (FDP) 1206 D Dr. Richter (DRP) 1208 D Dr. von Brentano (CDU) 1213 D Nächste Sitzung 1214 C Die Sitzung wird um 14 Uhr 41 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Helene Wessel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das hat nichts zu sagen, meine Herren! Ich lasse mich sonst nicht auf Zwischenrufe ein; aber Sie können schon gewiß sein, daß man in einem längeren politischen Leben seine Erfahrungen gewonnen hat, daß mehr passiert an Dingen, von denen, wie Hamlet sagt, unsere Schulweisheit sich nichts träumen läßt.

    (Zuruf von der CDU: Haben Sie gelernt davon?)

    Deshalb glaube ich am Schlusse meiner Ausführungen noch sagen zu dürfen: Unser Wünsch geht dahin, daß der Herr Bundeskanzler — und in dieser Richtung werden wir ihn stets unterstützen — seine Politik auf diejenigen ausrichten möge, die die neue deutsche Demokratie aus dem Herzen bejahen, auf jene Millionen Menschen, die einen Staat der sozialen Gerechtigkeit als ihren Staat aufbauen und verteidigen wollen.

    (Bravorufe und Händeklatschen beim Zentrum, bei der WAV und links.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine Damen und Herren! Die Arbeitslosenziffer beträgt heute rund 2 Millionen. Wir wissen nicht, wie hoch sie in wenigen Monaten sein wird. Wenn Sie aber bedenken, daß die Arbeitseffizienz, die Ergiebigkeit der einzelnen Arbeitsstunde, zur Zeit nur 80 Prozent beträgt und die Tendenz hat, zu steigen, so werden Sie mir recht geben müssen, wenn ich sage: die Arbeitslosigkeit hat an sich die Tendenz, weiterhin zu steigen. Die gewerbliche Wirtschaft wird sich bemühen und wird sich schon allein im Interesse der Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland bemühen müssen, die Arbeitsergiebigkeit auf dasselbe Niveau zu bringen, das sie 1936 oder jedenfalls vor dem Kriege hatte. Das heißt, wir müssen befürchten, daß — um das zu wiederholen — die Arbeitslosigkeit auf Grund der steigenden Ergiebigkeit der einzelnen Arbeitstunde ihrerseits eine steigende Tendenz aufweist. Wenn wir von dieser Feststellung einmal ausgehen, dann werden wir uns die Sorgen, die wir uns jetzt machen, noch in erheblich stärkerem Maße machen müssen. Wir werden dafür sorgen müssen, daß diese steigende Tendenz durch eine aktive Konjunkturpolitik in eine gegenteilige Bewegung umgeändert wird.
    Der Herr Wirtschaftsminister hat heute nachmittag erklärt, von einer Deflationskrise könne tatsächlich nicht die Rede sein. Zahlreiche Anzeichen deuten darauf hin, daß es doch so ist. Ich will auf Einzelheiten hier nicht eingehen, um den theoretischen Streit nicht weiter zu vertiefen. Ich weise nur kurz auf das ergänzende Memorandum der OEEC-Verwaltung hin, in dem es ausdrücklich heißt, daß die deutsche Volkswirtschaft im letzten Jahre 11 Prozent Kapitalbildung aufgebracht hat und damit auf der gleichen Höhe liegt wie Großbritannien. Wörtlich heißt es dann:
    Aus diesem Vergleich ergibt sich, daß außergewöhnliche Anstrengungen einer geschwächten Volkswirtschaft eine Kapitalbildung er-


    (Dr. Bertram)

    möglichen, die annähernd in der Größenordnung vergleichbarer europäischer Länder liegt, deren Wirtschaften jedoch weder durch Kriegsfolgen noch durch Währungsreform ähnlich in Mitleidenschaft gezogen sind wie die deutsche. In Anbetracht des geringeren Verbrauchsvolumens und vergleichsweise niedrigeren Lebensstandards in Deutschland und der Tatsache, daß gegenwärtig etwa zwei Beschäftigte drei Nichtbeschäftigte in Deutschland mitunterhalten müssen statt zwei in der Vorkriegszeit, sollte anerkannt werden, daß die Nettokapitalbildung eine beachtliche Höhe erreicht hat.
    Das bedeutet doch mit anderen Worten, daß wir in Deutschland — und zwar steht das in diesem amtlichen Bericht -- einen außerordentlich niedrigen Standard des Konsums erreicht haben. Daraus kann man nur den gegenteiligen Schluß ziehen, als ihn heute nachmittag der Wirtschafts- minister gezogen hat, der behauptet hat, das Verhältnis zwischen Konsum und Kapitalbildung sei normal oder sei in der Ordnung.
    Wenn man von diesen beiden Tatsachen ausgeht, dann wird man sich nicht fragen können und nicht fragen dürfen, ob theoretisch eine Geldschöpfung vorliegt, sondern man wird sich nur fragen dürfen: welche praktischen Maßnahmen liegen überhaupt in der Hand der Deutschen, welche praktischen Maßnahmen können wir durchführen, um dem Problem der Arbeitslosigkeit tatsächlich zu Leibe zu rücken, und man wird alle anderen theoretischen Überlegungen gegenüber dieser entscheidenden Frage zurückzustellen haben.
    Es wird nun eingewandt, dann kämen wir in die Gefahr einer Inflation. Meine Damen und Herren, ich glaube, im Ernst kann man dem deutschen Volk dieses Schreckgespenst nicht an die Wand malen. Wann gibt es denn eine Inflation? Doch nur dann, wenn der Staat durch eine Inflation Geld verdienen kann, wenn das Sparkapital einen entsprechend hohen Bestand hat, so daß eine Inflation dem Staat etwas einbringt. In einer Zeit, wo die Sparkapitalien so niedrig sind wie heute, brauchen wir eine Inflation nicht zu fürchten.

    (Abg. Hilbert: Neuer Wirtschaftspolitiker!)

    Uns muß es jetzt darum gehen, die Möglichkeiten, die wir haben, auszunutzen. Und wir haben eine ganze Menge Möglichkeiten, wenn natürlich auch anerkannt wird, daß wir nicht alles allein machen können. Wir haben eine ganze Menge Möglichkeiten, die wir bisher nicht ausgenutzt haben. Wir haben als erste Marshallplanrate in diesem Jahr 1,15 Milliarden D-Mark zu erwarten, und wir haben dann eine weitere Marshallplanrate von ebenfalls 1,15 Milliarden D-Mark im nächsten Halbjahr zu erwarten. Warum, sò frage ich, lehnt die Bundesregierung die Vorfinanzierung dieses Betrages ab? Der Herr Abgeordnete Etzel hat heute nachmittag erklärt, ihm sei diese Vorfinanzierung sehr sympathisch. Er gehört doch zu einer Regierungspartei. Diese Vorfinanzierung ist nicht nur sym- pathisch, sie ist notwendig, und sie ist möglich, weil wir wissen, daß der Gegenwert uns in kurzer Frist zur Verfügung stehen wird. Warum, so frage ich, lehnt die Bundesregierung einen Vorschlag ab, der Herrn Abgeordneten Etzel so sympathisch ist?
    Ich frage weiter: warum machen wir nicht von dem Mittel Gebrauch, Steuergutscheine auszugeben? Die Pläne zur Ausgabe von Steuergutscheinen sind bekanntlich schon vor dem Dritten Reich ausgearbeitet gewesen. Die Steuergutscheine würden einen Vorgriff auf das zu erwartende steigende Sozialprodukt möglich machen. Gleichzeitig würden wir — und das schlagen wir vor — mit der Ausgabe von Steuergutscheinen in einem Gesamtbetrage von 3 Milliarden D-Mark den Bombengeschädigten helfen können, die in den letzten Jahren nach dem Kriege wahrhaftig nur zu leiden gehabt haben und an die man wirklich zu wenig gedacht hat. Wenn wir jedem bombengeschädigten Wohnhausbesitzer Steuergutscheine als Darlehen geben würden und dieser mit den Steuergutscheinen sein Haus wieder aufbaut - man müßte natürlich dafür sorgen, daß die Steuergutscheine von den Banken beliehen werden können —, dann würden wir den bombengeschädigten Wohnhausbesitzern dadurch helfen können, daß wir ihnen für die Zurverfügungstellung von Wohnungen an die Wohnungsämter einen entsprechenden Teil dieses Darlehens erlassen könnten.

    (Beifall beim Zentrum.)

    Wir würden also auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir würden auf der einen Seite einem Bevölkerungsteil, der es wirklich verdient hat, endlich einmal unter die Arme greifen können, und wir würden auf der anderen Seite tatsächlich Wohnungen schaffen und damit die Möglichkeit, daß das Freizügigkeitsprogramm der Regierung, das wir außerordentlich begrüßen, auch Wirklichkeit werden kann. Denn wie kann das Freizügigkeitsprogramm der Regierung Wirklichkeit werden, wenn jährlich nur 250 000 Wohnungen gebaut werden? Das ist allein der normale Wohnraumbedarf, der normale Zugangsbedarf, der jedes Jahr neu entsteht. Es kommt doch darauf an, tatsächlich soviel Wohnungen zu bauen, daß von dem ungeheuren Nachholbedarf auch wirklich ein Teil gedeckt wird.
    Man komme mir nicht mit dem Einwand, die Bauindustrie habe eine Unterkapazität und könne das nicht leisten. Tatsächlich wird die Bauindustrie diesen Anforderungen ohne weiteres gerecht werden können. Wer sich einmal mit der Lage auf dem Baumarkt im einzelnen beschäftigt hat, wird mir das bestätigen. Der Bauindustrie müßte natürlich in dem Zusammenhang die Möglichkeit gegeben werden, in längeren Fristen zu planen, als das jetzt möglich ist. Es ist nicht angängig, Baupläne nur für ein Jahr zu machen. Wer weiß, wie es bis heute effektiv mit der Geldmittelgewährung gewesen ist — eine Rate wurde Ende des Sommers, als die Bausaison fast zu Ende war, ausgeschüttet, und plötzlich mußten dann die Bauten überhastet fertiggestellt werden —, der weiß, daß darin eine wesentliche Ursache für die Verteuerung des Bauens überhaupt gelegen hat. Wenn wir dagegen in die Lage kommen, das Bauen über einen festen Zeitraum von mindestens drei Jahren finanziell zu sichern, dann können wir gleichzeitig mit einer erheblichen Senkung der Baukosten und damit rechnen, daß die Bauindustrie auch den Mut bekommt, ihrerseits Investitionen zur Erweiterung der Bauindustrie durchzuführen. Zu diesem Zweck schlagen wir vor, daß der Bund eine Ausfallgarantie dahingehend übernimmt, daß im kommenden Jahr 1951 und in dem darauffolgenden Jahr 1952 sämtliche Bauherren und Bauträger diejenigen Beträge, die sie im Jahre 1950 verbaut haben und die sie auf dem freien Kapitalmarkt oder bei sonstigen Ban-


    (Dr. Bertram)

    ken usw. nicht erhalten können, vom Bund garantiert erhalten. Dann ist jeder Bauherr in die Lage versetzt, einen langfristigen Bauplan zu machen. Das gilt insbesondere für die Genossenschaften, Gemeinden usw. Wir würden dann die Verbilligung des Bauwesens erreichen, und wir würden erreichen, daß das Wohnungswesen einen Aufschwung nimmt, der über die genannten engen Grenzen hinausgeht.
    Meine Damen und Herren! Außer diesen genannten Möglichkeiten besteht noch die Möglichkeit, vom Auslande her die Rembours-Kredite entsprechend zu erweitern und Rembours-Kredite einzurichten, die wir früher immer gehabt haben. Auch damit läßt sich eine erhebliche Lücke in unserer Kreditmittelversorgung schließen.
    Dann ist eine Möglichkeit bisher noch nicht angesprochen und auch noch nicht ausgenutzt worden, die Landflucht zu bekämpfen und Arbeitskräften, die bisher auf dem Land tätig waren, aber infolge der besseren Arbeitsbedingungen in die Stadt streben, den Weg dorthin zu verschließen. Das ist die Möglichkeit, den Leuten, die auf dem Land sind und aktiv sind, zu einer Selbständigkeit auf dem Land zu verhelfen. Eine Selbständigkeit auf dem Land durch Erwerb von Höfen wird in kürzester Zeit nicht möglich sein. Was aber möglich ist, ist die Förderung der landwirtschaftlichen Pachtung. Dafür ist Voraussetzung, daß die Pachtordnung gelockert wird und daß insbesondere die bisherigen strengen Vorschriften über die Höhe des Pachtzinses gelockert werden, um auf diese Art und Weise zu ermöglichen, daß jeder Eigentümer den Hof — wenn er nicht fähig ist, ihn richtig und gut zu bewirtschaften — an einen tüchtigen Landwirt verpachtet und auf diese Art und Weise tatsächlich der Weg des Bodens zum besten Wirt, der durch die heutige Pachtordnung restlos verbaut wird, aufgeschlossen wird. Dazu wäre natürlich gleichzeitig erforderlich — —

    (Abg. Rische: Der Großgrundbesitzer! — Zuruf rechts.)

    - Ich spreche gerade von der Arbeitslosenfrage, denn nur auf diese Art und Weise können wir die große Quelle der Arbeitslosigkeit, die jetzt durch die Landflucht doch ständig wieder neu einsetzt, verschließen. Es wäre auch in diesem Zusammenhang erforderlich, Bestimmungen über den Lastenausgleich und die Soforthilfe zu treffen.
    All dies sind Dinge, die wir in deutscher Zuständigkeit erledigen können. Ich will nicht behaupten, daß damit die Arbeitslosigkeit sofort beseitigt werden könnte, ich muß nur der Behauptung des Herrn Bundeskanzlers entgegentreten, der sagt, daß wir uns mit einer jahrelangen Arbeitslosigkeit abfinden müßten. Wir müssen uns mit einer jahrelangen Arbeitslosigkeit nicht abfinden! Es ist in unsere Hände gegeben, etwas zu tun, und es liegt in unserer Hand, wirklich etwas zu unternehmen und den Vorschlägen, wie wir sie als praktischen Beitrag zu der Debatte vorgetragen haben, nachzugehen.

    (Beifall beim Zentrum.)