Ich trete dann ab, wann es mir beliebt bzw. wann meine Redezeit abgelaufen ist, Herr Abgeordneter. Und wenn Sie nur einen Funken Gefühl für Demokratie haben, dann benehmen Sie sich bitte so, daß Sie vor der Öffentlichkeit bestehen können.
Ich glaube, das, was ich sagte, war so, daß Sie sich nicht beschweren können. Ich hätte noch ganz anders reden können, vielleicht sogar reden sollen, nämlich so, wie draußen unsere Bevölkerung über Ihre Tätigkeit da herinnen urteilt, meine Herren!
— Wie die Bevölkerung über meine Tätigkeit urteilt, darüber werden Sie bei der nächsten Wahl die Antwort bekommen.
Jedenfalls hat mich unsere Bevölkerung hierhergeschickt, und ich habe genau dasselbe Recht wie Sie, hier sprechen zu dürfen.
- Sie sind daran schuld, wenn immer wieder eine Abschweifung vom Thema kommen muß. Denn ich lasse nicht zu, daß Sie mich hier ständig zu einer Spottfigur degradieren können.
Sie machen es mit Ihrem Gelächter und Ihrem ganzen Benehmen!
Wir müssen raschestens eine Beseitigung der behördlichen Schranken bekommen, die einer Belebung des Baumarktes und einer Belebung auf den verschiedenen Wirtschaftsgebieten noch stets im Wege stehen. Wenn Sie das nicht tun, dann werden Sie erleben, daß die Privatwirtschaft sich so gut wie nicht an der Durchführung eines Bauprogramms beteiligt. Dann werden Sie weiterhin sehen, daß die Belebung des Baumarktes im kommenden Frühjahr nicht ausreicht, um auch nur den Großteil der Bauarbeiter von der Straße weg ins Erwerbsleben zurückzuführen,
von dem anderen ganz abgesehen. Ich habe Ihnen gerade schon geschildert, daß die Arbeitslosenziffer keinesfalls nur durch das Versagen auf dem Baumarkt in dieser Höhe bedingt und verursacht ist.
Meine Damen und Herren, es ist bitter genug, wenn man lesen muß, daß sogar die Hohe Kommission der Regierung Vorwürfe macht, und zwar berechtigte Vorwürfe deshalb machen kann, weil Riesenbeträge, die der Regierung aus dem Gegenwertfonds zur Verfügung stehen, nicht angewandt worden sind, um die Wirtschaft zu beleben. Wenn Herr Abgeordneter Etzel von der CDU versucht, der Opposition einen Vorwurf daraus zu machen. daß sie das erwähnt hat — Sie haben es ja schon gegenüber dem Redner einer anderen Oppositionspartei getan —, dann sage ich Ihnen: es ist traurig, daß diese Verschwendung tatsächlich nicht von Ihrer Seite gerügt, sondern so lange gewartet wurde, bis vom Ausland her der Finger auf diese Wunde gelegt wurde und gelegt werden mußte. Ich schaue nur mit Zittern dem, Zeitpunkt entgegen, da die Riesenbeträge, die aus der Marshallplanhilfe in unser Land einfließen, nicht mehr fließen werden. Dann wird die Situation vielleicht wieder so kommen wie damals, als im Jahre 1929 die ausländischen Kredite an Deutschland plötzlich abgestoppt wurden. Die Regierung müßte alles tun, um jetzt schon Vorsorge dagegen zu treffen, daß sich diese Vorfälle von 1929 wiederholen. Bisher ist aber so gut wie nichts dagegen getan worden.
Man hat heute mit Ziffern und Zahlen aller Art operiert. Der Herr Arbeitsminister sprach von den Seeleuten, die arbeitslos sind, und sagte, das bedinge die hohe Arbeitslosenziffer. Die Zahl der Seeleute, die arbeitslos sind, ist zwar groß, keineswegs aber so hoch, um auch nur das jetzige Ansteigen der Arbeitslosen zu erklären. Die Seeleute sind nämlich schon seit Jahr und Tag arbeitslos, und ich weiß bei Gott nicht, wie der Herr Arbeitsminister Storch hier zu seinen Folgerungen gekommen ist. Diese Arbeitslosigkeit besteht schon seit Jahr und Tag. Wir sprechen aber in diesem Hause von dem rapiden Anwachsen der Arbeitslosigkeit, seitdem die Regierung Adenauer am Ruder ist. Und dieses Problem kann nur durch engstes Zusammenarbeiten zwischen der Bundesregierung, den Länderregierungen und den Parlamenten gemeistert werden.
Heute sieht es aber ganz anders aus. Heute haben die Regierungsparteien überall ein Regime errichtet, das, weiß Gott, nicht nach Zusammenarbeit, sondern nach Ausschaltung der Opposition
aussieht. Und so wie es heute in diesem Hause zugegangen ist — ich brauche es Ihnen nicht nochmals zu wiederholen, wie die Rednerliste festgesetzt wurde, bei der die Opposition so gut wie gar nicht zum Zuge gekommen ist, wo zuerst sieben Redner der Regierungsparteien so lange redeten, bis alles ermüdet war —,
mit der gleichen Methode machen Sie es auch woanders! Sie haben heute ein Regime aufgerichtet, das nicht etwa alle Kräfte im Volke heranzieht, die bereit sind, mitzuarbeiten und ihre Meinung darzutun, wie man an dieses Problem herangeht und ihm abhelfen könnte. sondern Sie handeln heute nach dem Grundsatz „autos epha" - „Er hat es gesagt" — der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer nämlich und die Parteichefs der CDU/CSU und der mit Ihnen verbündeten Parteien. Dieses „autos epha", dieses Autoritär-sein-wollen selbst dort, wo man, weiß Gott, ganz anders als mit solchen Methoden vorgehen muß, das wird Ihnen, so fürchte ich, zum Unheil werden.
— Ja, das fürchten wir, Herr Zwischenrufer, und das fürchten nicht nur wir von der WAV, sondern das fürchten Millionen von Mitbürgern draußen auch.
— Nein, das ist keine gewagte Behauptung! Schauen Sie sich doch an, was die Leute draußen auf der Straße reden! Schauen Sie sich doch die Leute vor dem Arbeitsamt an, was die sagen, und sprechen Sie mit denen! Sprechen Sie nicht immer nur mit Ihren Kollegen im Bundestagsrestaurant, sondern draußen mit der Bevölkerung!
— Jawohl, das tue ich! Ich gehe hinaus und spreche mit der Bevölkerung
und nicht bloß mit den Parteimitgliedern!
Meine Damen und Herren! Wir stehen in Deutschland an einem Wendepunkt,
— Sie haben wahrscheinlich gar nicht zugehört. Mein Vorschlag war - das wiederhole ich Ihnen jetzt zum letzten Male —: eine sofortige Kürzung der Länderhaushalte und des Bundeshaushalts um mindestens 10 und höchstens 20 Prozent. Man könnte sogar noch weiter gehen.
Und im Zusammenhang damit: die sofortige Beseitigung der Schwierigkeiten und der Hindernisse, die einer Belebung der Wirtschaft auf dem Gebiete des Bauwesens genau so wie auf den Gebieten anderer Produktionszweige entgegenstehen.
Das ist das erste, was Sie zunächst einmal tun müssen, und das haben Sie bisher noch nicht getan. Sie streiten sich über theoretische Begriffe, hie Kapitalismus, hie Planwirtschaft! Theoretische Ausführungen aller Art haben wir heute zu hören bekommen. In Wirklichkeit aber kann nur ein empirisches Vorgehen helfen, ein Vorgehen,
bei dem von Fall zu Fall festgestellt wird: welche Arbeitsmöglichkeiten bestehen hier? Wenn die dann aber da sind, dann bitte keine bürokratischen Schranken mehr, kein Instanzenweg, auf dem Baugesuche ein halbes Jahr und ein Jahr lang liegen bleiben.
Ich will Ihnen noch einen Vorschlag machen, damit Sie, Herr Strauß von der CDU, zufriedengestellt werden.
Warum geben Sie denn nicht den arbeitslosen Bauarbeitern und den Heimatvertriebenen Land, das heute im Besitz der Bundesländer ist, das nicht großen Teil Ödland darstellt? Denken Sie nur einmal an die Riesengebiete in der Umgebung von München, die seit vielen Jahren kahlgeschlagen sind und die wir gar nicht mehr aufforsten können, außer mit riesigen Unkosten, so daß sich der Wald nicht mehr rentiert. Herr Kollege Strauß, Sie sind ja von München: Denken Sie einmal an den Kahlschlag bei Planegg. Dort können Sie vierstöckige Wohnhäuser hinstellen, so daß 10- oder 20 000 Leute dort zu Wohnungen gelangen können.
- Was man dort gerade auf dem Kahlschlag macht? Ja, Sie kennen die Verhältnisse wahrscheinlich nicht!
Das ist nämlich bestes Siedlungsgebiet, und die Leute haben in den Großstädten jedenfalls Arbeitsmöglichkeiten. Sie können dort auch noch einige Flüchtlingsindustrien ansiedlen. Auf diesen selben Kahlschlägen sind die Münchener Vororte gebaut worden, Herr Kollege. Sie reden nur so, weil Sie die Verhältnisse dort nicht kennen. Ich würde mich hüten, Beispiele zu nennen, die wir nicht genau durchdacht haben und wo nicht Sachverständige das, was ich Ihnen jetzt sage, schon vorher geprüft haben. Dieser Boden kostet keinen Pfennig. Wenn der Staat diesen Boden den Ausgebombten und den Heimatvertriebenen schenkt, macht er noch dazu das beste Geschäft; denn dann bekommt er nach 1, 2 oder 3 Jahren aus diesen Böden, die heute keinen Ertrag liefern, Steuern herein: Mietzinssteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer usw. Geben Sie diesen arbeitslosen Heimatvertriebenen, geben Sie diesen arbeitslosen Ausgebombten nur das Baumaterial, die Ziegelsteine, die in Hülle und Fülle vorhanden sind, und sonstiges Rohmaterial, und Sie werden sehen. daß sich diese Arbeitslosen selbst, ohne daß Sie sie eigens noch bezahlen müssen, dort Häuser bauen. Allerdings werden sie sich nur dann Häuser bauen, wenn diese Leute die Gewißheit haben, daß diese Häuser, die sie sich im Schweiße ihres Antlitzes gebaut haben, ihnen dann auch wirklich für alle Zeiten gehören und daß sie nicht etwa irgendeinen großen Bauunternehmer dadurch zu einem Multimillionär machen.
- „Zur Sache!" rufen Sie jetzt noch? Ich spreche die ganze Zeit zur Sache, aber Sie hören das anscheinend nicht oder wollen nicht hören. Sie können auf diese Art und Weise Wohnungen für viele, viele, für Hunderttausende von Flüchtlingen und einheimischen Ausgebombten schaffen, ohne daß Ihnen das auch nur nennenswerte
Geldausgaben verursacht; Sie haben keine Ausgaben für Arbeitslöhne, denn es sind Arbeitslose und Unterstützte, die gerne arbeiten; keine Ausgaben für den Boden — der steht in Hülle und Fülle zur Verfügung —, sondern nur noch Ausgaben für das Baumaterial, das Sie ihnen anfahren müssen.
- Wovon die leben sollen? Ja, fragen Sie doch die Leute, wovon sie jetzt leben! Sie leben von ihrer Arbeitslosenunterstützung und wären froh, wenn sie sich dann nach einem halben Jahre oder einem Jahre ein Haus geschaffen hätten. Führen Sie das System des Miteigentums nach Stockwerken oder nach Bruchteilen ein - das nach Bruchteilen ist ja schon da —, geben Sie den Leuten die Häuser, die sie sich bauen, dann haben sie wenigstens eine Wohnung, statt daß sie in den jämmerlichen Holzbaracken draußen bei Planegg wohnen und im Winter frieren, denn die Winter bei uns sind kalt. Ein Redner hat heute gesagt, wir haben noch keinen Winter gehabt. Hier oben vielelicht nicht, aber da unten bei uns. Im fünften Winter sind diese Leute heute in den Holzbaracken. Sie bräuchten nur die Ziegelsteine und das Baumaterial, das in Hülle und Fülle vorhanden ist. Dafür sollen die Gelder eingesetzt werden, die wir dadurch bekommen, daß wir die Haushaltspläne des Bundes und der Länder um 10 oder 20 Prozent beschneiden; dann haben Sie die Häuser und die Wohnungen. Dort können Sie auch Flüchtlingsindustrie ansiedeln, die Gablonzer zum Beispiel oder andere, und Sie werden dort zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten schaffen.
Noch andere Arbeitsmöglichkeiten gibt es; da müssen Sie allerdings dann unter Umständen auch mit Subventionierungen eingreifen. Auch dort, wo die Landwirtschaft einen größeren Bedarf an Arbeitern hat, ist es zum großen Teil ein Wohnproblem, warum sich so wenige Leute für diese im Interesse der Volkswirtschaft so wichtigen Arbeiten melden!
Sehen Sie, daß sind alles Möglichkeiten, Herr Abgeordneter Strauß, wo Sie mit verhältnismäßig geringen Geldmitteln große Werte schaffen und vor allem eines schaffen können, nämlich: die Leute, die heute arbeitslos herumstehen, zur Arbeit zu bringen und ihnen gleichzeitig ein kleines, aber zu eigen - gehörendes Besitztum verschaffen zu können. So könnte ich Ihnen noch stundenlang Beispiele dafür nennen, wie Arbeitsbeschaffung möglich ist.
— Sie sagen „um Gottes willen"! Nehmen Sie nur den Namen Gottes nicht immer so leichtfertig in den Mund, Sie, meine Herren von der CSU, die Sie in der Schule gelernt haben, man sollte den Namen Gottes nicht eitel nennen!
Meine Damen und Herren, das alles sind Arbeitsbeschaffungsmöglichkeiten größten Umfanges. Sie sind nicht ausgeschöpft worden, und ich fürchte, bei den heutigen Regierungsverhältnissen werden sie auch nicht ausgeschöpft werden. Leider ist es so! Wir haben dieser Regierung — das muß uns jeder bestätigen, der die Dinge verfolgt hat — eine Chance gegeben. Wir haben damals, im September, gesagt: Wir warten jetzt zu, was die Regierung Adenauer fertigbringt; wir werden sie nach ihren Taten beurteilen. Heute sind die Taten schon da: Scherben auf dem Gebiet der
Außenpolitik und ein riesenhaftes Ansteigen der Arbeitslosenziffer. Sehr bedauerlich, daß die Bundesverfassung keine Möglichkeit läßt, der Regierung einen Denkzettel in Form eines Mißtrauensantrages zu geben, damit man rechtzeitig Vorkehrungen treffen könnte, ehe nach vier Jahren eine unfähige Regierung unser Volk neuerdings ins Verderben gebracht haben wird.
Wir können demgegenüber nur eines tun, nämlich Sie alle — einen anderen Weg gibt es für uns noch nicht — dringend zu bitten, endlich einmal den Ernst der Lage wirklich zu erkennen und mit Ihrem Gelächter aufzuhören, bevor die Demokratie in unserem Lande abermals zu Grabe getragen wird. Wir von der Opposition wollen Ihnen helfen. Sie haben aber dafür nur Hohn und Spott übrig. Mögen Sie das, dieses Ihr Versagen, diese Ihre kurzsichtige Haltung mit Ihrem Gewissen ausmachen. Ich hoffe, unser Volk wird Ihnen noch rechtzeitig die Antwort geben.