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    Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1950 1141 36. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1141 B, 1214 C Ersuchen des bayerischen Justizministeriums betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Baumgartner 1141 C Beratung des Antrags der SPD betr. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Drucksache Nr. 406 1141C Dr. Nölting (SPD), Antragsteller 1141 D, 1209 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 1149A, 1182 B Storch, Bundesminister für Arbeit . . 1152 B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft' 1154B, 1212 B Dr. Seelos (BP) (zur Geschäftsordnung) 1158D Dr. Preusker (FDP) 1159 C Dr. Preller, Schleswig-Holsteinischer Landesminister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr 1162 A Dr. Seidel, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft 1165 C Sabel (CDU) 1166 D Walter (DP) 1170 C Wönner (SPD) 1172 A Etzel (CDU) 1175 D Kubel, Niedersächsischer Minister für Arbeit und Aufbau 1180 D Dr. Etzel (BP) 1183 A Dr. Bertram (Z) 1189C, 1204 C Loritz (WAV) 1189 D Nuding (KPD) 1195 C Frau Wessel (Z) 1200 C Krause (Z) 1206 B Dr. Wellhausen (FDP) 1206 D Dr. Richter (DRP) 1208 D Dr. von Brentano (CDU) 1213 D Nächste Sitzung 1214 C Die Sitzung wird um 14 Uhr 41 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Franz Etzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Professor Nölting, Sie haben auch in polemischer Weise auf England hingewiesen. Der Bundeskanzler hat es mit Recht abgelehnt, auf diese Dinge im einzelnen einzugehen. Ich glaube, wir haben in diesem Hause


    (Etzel)

    0 bereits einmal darauf hingewiesen, daß das, was Sie unter englischer Vollbeschäftigung verstehen, durch eine Marshallhilfezahlung erreicht worden ist, die fünfmal so groß gewesen ist wie die Zahlung an Deutschland; und darüber hinaus ist den Engländern noch die „Kleinigkeit" von fünf Milliarden Pfund Anleihe gegeben worden. Alle diese Dinge haben ja doch ihre Bedeutung und dürfen bei der deutschen Entwicklung nicht außer Betracht gelassen werden.

    (Anhaltende Unruhe.)

    Herr Professor Nölting, Sie haben auch wieder die soziale Marktwirtschaft angegriffen und sich auf den Standpunkt gestellt, daß eine soziale Marktwirtschaft in Wirklichkeit gar nicht von uns vertreten würde. Ich darf hier wiederholt sagen, daß die soziale Marktwirtschaft nicht ausschließlich auf dem Leistungswettbewerb beruht, den wir allerdings in vollem Umfange vertreten, sondern zur sozialen Marktwirtschaft gehört, worauf ich bereits in der vorigen Woche hingewiesen habe, unter allen Umständen auch eine Monopolkontrolle. Wenn Sie diese als einen planenden Eingriff ansehen, dann kann ich nur die damalige Bemerkung wiederholen: dann mögen Sie eben unter diesem Aspekt unsere Marktwirtschaft auch als eine planende ansehen. Wir haben aber auch in den Düsseldorfer Leitsätzen ausdrücklich stehen – und das hat der Herr Kollege Henßler schon früher einmal zur Kenntnis genommen und von sich aus gesagt —, daß wir unter anderem auch die planvolle Einwirkung auf den Markt durch organische Mittel bejahen, wozu auch Geld- und Kreditpolitik usw. gehören.

    (Zuruf links: Theorie!)

    - Das ist nicht Theorie, sondern Sie haben in der Erklärung der Bundesregierung heute gehört, wie sehr ernst es uns mit der Durchführung dieser Dinge ist.
    Sie haben, sehr verehrter Herr Professor Nölting, als ein Mittel zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit im wesentlichen Lenkungsmaßnahmen und Maßnahmen der Geldschöpfung gefordert. Ich glaube, daß diese Maßnahmen, so wie Sie sie dargestellt haben, nicht genügen, um der Erwerbslosigkeit zu begegnen. Ich glaube auch, daß es der SPD heute im Rahmen der polemischen Auseinandersetzung nicht gelungen ist, dem Erwerbslosenproblem wirklich auf den Leib zu rücken. Ich verspreche mir aber auch gar nichts davon, daß man in so ernster Situation versucht, die Dinge polemisch zu klären, sondern wir sollten wirklich ernsthaft versuchen,

    (Lachen und Zurufe von der SPD)

    den Dingen auf den Grund zu gehen. Wenn ich mich im Augenblick auf das Gebiet der Polemik begeben habe, dann nur, um Ihnen darzutun, wie unfruchtbar das ist.

    (Lebhafte Zurufe von der SPD. — Abg. Renner: Sachliches haben Sie nichts zu sagen? — Glocke des Präsidenten.)

    Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß wir der Arbeitslosigkeit nur dadurch begegnen können, daß wir in diesem Hause den Versuch machen, eine echte Diagnose dieser Krankheit zu stellen und aus der Erkenntnis einer solchen Diagnose die Mittel anzuwenden, die not- wendig sind, um hier zu heilen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Mein Kollege Sabel hat hier soeben in wohlbegründeten ziffernmäßigen Unterlagen dargetan,
    worauf die Arbeitslosigkeit beruht. Ich habe mit Befriedigung festgestellt, daß die Herren Minister von der Bundesratsbank die Richtigkeit der Darlegung dieser Ursachen im Grunde genommen bestätigt haben. Ich weiß, daß die Zahlen, die hier bekanntgegeben worden sind und die die Diagnose aufhellen, kein Heilmittel bedeuten; das möchte ich mit aller Klarheit sagen.
    Es scheint mir aber doch wichtig und notwendig, das, was Herr Kollege Sabel schließlich festgestellt hat, daß nämlich die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nicht ursächlich ist für das, was sich hier entwickelt hat, nicht ursächlich für die Arbeitslosigkeit ist, noch nach der wirtschaftspolitischen Seite durch ein paar Bemerkungen zu unterstreichen. Ich bin der Meinung, daß es ein sehr gefährlicher Irrtum wäre, die Beseitigung der derzeitigen Wirtschaftspolitik zu verlangen, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, daß dann die Zahl der Arbeitslosen bedeutend größer würde.
    Entscheidend ist neben dem, was der Herr Kollege Sabel gesagt hat, doch die Tatsache der Entwicklung des Sozialproduktes. Wir haben ganz klar dargelegt, daß das Sozialprodukt seit der Währungsreform unentwegt gestiegen ist. Das ist etwas, was man positiv werten muß. Zwar hat der zweite Redner der SPD soeben hier die Richtigkeit der Zahlen bezweifelt. Ich kann Sie aber dessen versichern, daß das Sozialprodukt zur Zeit bei etwa 98 Prozent wertmäßig liegt, und zwar umgerechnet nach dem Preis von 1936. Das bedeutet allerdings nicht, daß wir jetzt beinahe wieder nach dem Lebensstandard von 1936 leben können. Wir dürfen ja nicht übersehen, daß inzwischen 20,6 Prozent mehr Menschen in dieser westdeutschen Bundesrepublik leben als vorher. Diese 20,6 Prozent Menschen müssen von dem gleichen Sozialprodukt ernährt werden. Das bedeutet ferner, daß augenblicklich das Einkommen 77,7 Prozent des Einkommens von 1936 beträgt. Das ist eine Tatsache, aber — und das ist entscheidend — der Suppentopf, aus dem das deutsche Volk unterhalten werden muß, ist seit dem 20. Juni 1948 von Monat zu Monat voller geworden. Das Sozialprodukt hat sich nicht nur verdoppelt, sondern ist um 25 Prozent höher als die doppelte Summe.
    Was heißt das in bezug auf die Arbeitslosigkeit? Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß ja die Produktionsleistung je Arbeitsstunde in der gewerblichen Wirtschaft wahrscheinlich von 50 auf 90 Prozent gestiegen ist, hätten wir, wenn wir das Sozialprodukt nicht hätten steigern können, aus dieser Arbeitsleistung einen großen zusätzlichen Strom von Arbeitslosen bekommen müssen. Die Tatsache, daß wir das Sozialprodukt gesteigert haben, hat aber in erster Linie dazu geführt, daß die Beschäftigtenzahl nicht nur hat gehalten werden können, sondern, wie Kollege Sabel überzeugend dargetan hat, gesteigert worden ist. Man kann die Arbeitslosenzahl nicht selbständig sehen, sondern muß neben der Arbeitslosenzahl auch die Beschäftigtenzahl sehen.. Wenn diese in der sozialen Marktwirtschaft größer geworden ist, dann hat diese wiederum nicht versagt. Dabei muß am Rande erwähnt werden, daß es in dieser Marktwirtschaft gelungen ist, zu einem günstigeren Preisniveau zu kommen und bessere Qualitäten zu bringen. Das alles hat wesentlich zur Befriedung der Verhältnisse beigetragen.


    (Etzel)

    Ferner müssen wir ein anderes Problem berücksichtigen, das schon früher erwähnt worden ist. Wir haben einen Zustrom von 3,7 Millionen Beschäftigungswilligen aus den Gebieten ostwärts der Oder-Neisse, aus der Ostzone und aus dem Ostsektor von Berlin gehabt. Wenn wir von einer Arbeitslosenziffer im Bundesgebiet von 800 000 im Jahre 1938 ausgehen und jetzt auf 1,9 Millionen kommen, dann stellt das gegenüber dem damaligen Zustand ein Mehr von 1,1 Millionen dar. Betrachten Sie demgegenüber den Zustrom von 3,7 Millionen Beschäftigungswilligen, dann haben wir 2,6 Millionen Beschäftigte zusätzlich seit 1945 untergebracht. Ich bin der Meinung, daß diese Leistung unter allen Umständen gewertetet werden muß. Sie ist für mich ein zusätzlicher Beweis dafür, daß unsere Wirtschaftspolitik methodisch nicht falsch ist, sondern daß wir — prozentual gesehen — mit ihr große Leistungen erzielt haben. AuCh Minister Nölting hat zugeben müssen, daß diese Wirtschaftspolitik gewisse Erfolge gehabt hat.
    Wenn nach dem ganzen Zahlenmaterial klar und eindeutig unsere Wirtschaftspolitik nicht ursächlich für das Ansteigen der Arbeitslosigkeit ist, wäre zu untersuchen, ob es vielleicht die Liberalisierung der Wirtschaft ist. Hier müssen wir zum Grundsätzlichen mit aller Klarheit darauf hinweisen, daß die Zahlung der Marshallplanhilfe, die uns im Augenblick entscheidend hilft, von unserem Willen zur Liberalisierung des Außenhandels abhängig gemacht worden ist. Das Wort Liberalisierung ist nicht von uns erfunden worden. Ich finde es auch nicht hübsch. Ich bitte, es auch nicht in dem Sinne zu verstehen, als ob mit dieser Liberalisierung des Außenhandels die alte liberale Wirtschaft wiederhergestellt werden soll. Das bedeutet praktisch nichts anderes, als daß die deutschen Exporteure und Importeure in Zukunft ihren Ein- und Ausfuhrhandel nicht mehr durch ein kompliziertes behördlich gelenktes System zu steuern brauchen, sondern daß wieder eine gewisse Freiheit herrscht, der allerdings ein Zollsystem zur Seite gesetzt werden muß, an dem jetzt auch gearbeitet wird.

    (Abg. Renner: Ist das die Liberalisierung?)

    Herr Minister Erhard hat bereits überzeugend darauf hingewiesen, aus welchen Gründen die Liberalisierung nicht als ursächlich für die Arbeitslosigkeit angesprochen werden kann. Ich will aber ganz klar zum Ausdruck bringen: Auch wir sind der Meinung, daß die Liberalisierung des Außenhandels nicht allzu stoßweise, sondern mit den nötigen Zwischentempi und mit der Einschaltung von Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen werden muß.
    Ich fasse zusammen. Für die derzeitige Arbeitslosigkeit sind weder die soziale Marktwirtschaft noch die Liberalisierung des Außenhandels ursächlich. Beide waren aber umgekehrt entscheidend für die Steigerung des deutschen Sozialproduktes und dafür, daß im Rahmen einer solchen Steigerung die Zahl der Beschäftigten nicht kleiner, sondern größer geworden ist.
    Es bleibt zu fragen, wo denn nun die wirklichen Ursachen für die Erwerbslosigkeit zu suchen sind. Kollege Sabel hat es überzeugend dargestellt. Ich will ihn nicht wiederholen, sondern nur auf seine Ausführungen verweisen. Nach meiner Meinung bedürfen die Untersuchungen nach der wirtschaftspolitischen Seite einer Ergänzung. Diese Untersuchung möchte ich anstellen getrennt nach der konjunkturellen Arbeitslosigkeit und nach der strukturellen Arbeitslosigkeit. Ich beziffere — darüber kann man meinetwegen streiten — die konjunkturelle Arbeitslosigkeit auf rund 500 000 Arbeitslose. Diese Arbeitslosigkeit findet nach meiner festen t berzeugung ihre entscheidende Ursache in dem geradezu katastrophalen Kapitalmangel, an dem die deutsche Volkswirtschaft leidet. Die von mir bereits geschilderte, zunächst sprunghafte und später ständig wachsende Produktion erfordert selbstverständlich eine wachsende Geldversorgung der deutschen Volkswirtschaft. Wenn auch die einen oder anderen Wirtschaftszweige noch relativ flüssig sind, so darf doch nicht übersehen werden, daß andere Zweige es nicht mehr sind. Hier ist es passiert, daß die Finanzierung notwendiger Investitionen schließlich dazu geführt hat, daß eine ständig wachsende Geldknappheit entstand.
    Es war auch gerade im Interesse der Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt notwendig, zu einer Rationalisierung der Wirtschaft zu kommen. Diese Rationalisierung hat sicherlich auch bereits viele Beschäftigte freigesetzt. Wegen des Geldmangels ist es nicht möglich gewesen, das Produktionsvolumen zu vergrößern, und so ist es auch hier zu gewissen Arbeitslosigkeitserscheinungen gekommen. Eines möchte ich aber in Unterstreichung dessen, was Professor Erhard gesagt hat, mit aller Klarheit feststellen: dieser Kapitalmangel ist keine Deflationserscheinung. Zwar sind die Preise in einem bestimmten Maße heruntergegangen, aber dieses Nachgeben der Preise hatte keinen deflatorischen Charakter. Ich bin sogar der Meinung, daß der Preisspiegel noch weiter heruntergehen muß. Entscheidend dafür, daß wir keine Deflationserscheinungen haben, ist neben dem, was Professor Erhard gesagt hat, daß wir keine Schrumpfung des Sozialprodukts festgestellt haben. Eine solche Schrumpfung des Sozialprodukts wäre ja doch das sicherste Zeichen des Vorliegens einer echten Deflation, also Kapitalmangels. Hier ist in der Tat das entscheidende Problem zu sehen, wenn man der Arbeitslosigkeit begegnen will.
    Wir haben verschiedene Möglichkeiten zur Beschaffung von Kapital. Die wichtigste und echteste Möglichkeit ist die Bildung von Sparkapital. Hier ist die Sache natürlich nicht einfach, denn in einer Volkswirtschaft, die einen so irrsinnigen Nachholbedarf hat wie bei uns, in einer Volkswirtschaft, die zweimal durch eine Inflation die lebende Generation enttäuschte, ist der Sparwille von Hause aus selbstverständlich nur sehr klein. Dennoch ist in der deutschen Volkswirtschaft in einem erheblichen Maße Sparkapital gebildet worden. Es ist doch ein Wort und ein aktives Pluszeichen, wenn zugesagt und sichergestellt worden ist, daß im Jahre 1950 allein für den Wohnungsmarkt ein Betrag von 800 Millionen D-Mark zur Verfügung gestellt wird, ein Betrag, der mit Sicherheit anfällt und von dem ich der Meinung bin, daß man ihn in entsprechender Höhe ohne jegliche Gefahr für die Währung vorfinanzieren kann, ein Weg, den die Regierung gehen soll und gehen muß und nach den heutigen Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers ja wohl auch gehen wird.
    Wir haben weiter die Möglichkeit der Kapitalbildung durch eine Steuerreform, eine richtige


    (Etzel)

    Steuerpolitik. Ich will dazu nicht viel sagen. Der Bundesfinanzminister ist diesen Weg gegangen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß wir auch im Hinblick auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht schnell genug zur Fertigstellung des Gesetzes über die Steuerreform kommen können, denn von hier geht eine Menge von belebenden Impulsen aus, die nicht zu gering gewertet werden dürfen.
    Die dritte Möglichkeit, die Kapitaleinfuhr, werte ich persönlich nicht so hoch. Ich weiß zwar, daß von einigen Randländern, zum Beispiel der Schweiz, gewisse Angebote gemacht worden sind, und ich glaube, daß dort Interesse am deutschen Kapitalmarkt besteht, aber ich glaube nicht, daß in -absehbarer Zeit hier eine wesentliche Hilfe anfallen wird. Ich bin darüber hinaus der Meinung, daß auch vom amerikanischen Kapitalmarkt aus zwei Gründen in nächster Zeit nichts Entscheidendes zu erwarten ist, einmal deshalb nicht, weil innerhalb des amerikanischen Marktes heute Anlagemöglichkeiten gegeben sind, welche die Anlage in Deutschland bei unseren Verzinsungsmöglichkeiten und dem, politischen Risiko uninteressant machen, und weil — das müssen wir auch sehen amerikanisches Kapital nach Deutschland nicht von Staat zu Staat — wenigstens nicht auf dem Wege, den wir jetzt gerade diskutieren —, sondern von Wirtschaftskörper zu Wirtschaftskörper gegeben wird. Hier muß ich zumindest darauf hinweisen, daß mit Bezug auf die ungeklärte Frage der Grundstoffindustrie, der Beschlagnahmungen usw. keine geeigneten Körper vorhanden sind, die als Kapitalnehmer auftreten könnten. Hier sollten wir die Aufgabe sehen, die Ordnung der Grundstoffindustrie, die Mitbestimmungsfrage, die Eigentumsfrage, also all die Fragen, die noch ungelöst sind, schnellstens zu lösen, damit hier klare Verhältnisse geschaffen werden.
    Ich komme zu dem nächsten Problem, zum Problem der Geldpolitik. Das ist ja das Problem, welches auch von der Opposition heute hier ins Feld geführt worden ist und von dem die Opposition bestimmte Vorstellungen hat. Ich muß zunächst darauf hinweisen, daß die deutsche Währung im Augenblick zu den besten Währungen der Welt gehört, obwohl die deutsche Währung keinerlei Deckung durch Gold oder Devisen oder sonstige Möglichkeiten hat. Die einzige Deckung, die unsere Währung hat, ist das Vertrauen, das man zu unserm Geld und zur Verwaltung unseres Geldes besitzt. Und dieses Vertrauenskapital, meine Damen und Herren, sollten wir nicht gering und klein einschätzen, und wir sollten nichts tun, was geeignet ist, dieses Vertrauen in die deutsche Währung zu schmälern.
    Es ist eben hier gesagt worden, daß mit der Kreditschöpfung, wie die Opposition sie sich vorstellt, nicht die Schöpfung von Geld für den Konsumgütermarkt verlangt wird, sondern eben nur die Geldschöpfung für produktive Zwecke. Wir müssen hier doch eines ganz klar sehen: auch dann, wenn ich geschöpftes Geld für produktive Zwecke hergebe, erscheint dieses Geld sehr schnell auf dem Konsumgütermarkt, denn es muß in Form von Löhnen und Gehältern weggegeben werden. Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, daß, wenn hier mehr Geld geschaffen wird, als der Konsumgütermarkt aufzunehmen in der Lage ist, wir sofort in die bekannten Preissteigerungen hineinkommen, womit
    die Dinge auch wieder nicht gerettet werden und nur neue Gefahrenpunkte auftauchen.
    Diese grundsätzlichen Dinge vorausgeschickt, stehe ich allerdings auf dem Standpunkt, daß wir unsere Geldpolitik nicht überkonservativ zu betreiben brauchen, daß also im Rahmen vernünftiger Begrenzungen gewisse Finanzierungen durchaus möglich sind und daß man unter allen Umständen durch die Bank deutscher Länder sofort das finanzieren kann, was an echtem Kapitalaufkommen mit Sicherheit vorausgesehen werden kann und in Kürze auf dem Markt erscheint. Unter Annahme dieser Voraussetzung glaube ich, daß auch im Rahmen einer verantwortungsbewußten Geldpolitik Möglichkeiten gegeben sind, die auch ganz offensichtlich benutzt werden. Ich bin auch der Meinung, daß mit Sicherheit zugesagte Counterpart-Funds, wenn sie heute noch nicht verfügbar sind, in solcher Weise durchaus vorfinanziert werden können.
    Meine Damen und Herren! Wir haben heute hier eine Regierungserklärung gehört, die meines Erachtens durchaus beweist, wie sehr unsere Regierung von dem Verantwortungsbewußtsein für die Probleme der Wirtschaftspolitik und vor allem für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit getragen ist. Es ist hier der Vorwurf erhoben worden, das hätte auch schon ein paar Monate vorher getan werden können. So einfach liegen die Dinge nicht. Solche Möglichkeiten müssen ja reifen, sie müssen in der Gestaltungskraft voraussehbar sein. Erst dann kann man entsprechende Schritte tun.
    Wenn hier gesagt worden ist, daß 300 Millionen D-Mark einer exportfähigen Industrie zur Verfügung gestellt werden sollen, so glaube ich, daß das unter der Voraussetzung, daß man dabei auch daran denkt, die Aufträge so zu geben, daß damit entsprechende neue Arbeitsbeschaffungen verbunden sind, ein sehr positiver Weg ist. Man hat davon gesprochen, daß 50 Millionen D-Mark in gleicher Weise für das Handwerk zur Verfügung gestellt werden sollen. Auch hier besteht die Möglichkeit, eine Menge Erwerbsloser wieder in Arbeit zu bringen. Wir haben schon in unseren Düsseldorfer Leitsätzen zum Ausdruck gebracht, daß in Zeiten von Krisen, wie wir sie heute erleben, unter allen Umständen erreicht werden muß, daß der Staat notwendige Investitionen vergibt, während er in Zeiten der Konjunktur mit solchen Investitionen zurückhalten soll. Wenn also die Deutsche Bundesbahn 250 Millionen D-Mark und die Bundespost 50 Millionen D-Mark bekommen sollen, so ist gerade mit Rücksicht auf die Tatsache, daß diese beiden Institute zum großen Teil sehr lohnintensive Aufträge zu vergeben haben, von dieser Seite her etwas sehr Positives zu erwarten. Schließlich ist die Vergebung von 300 Millionen D-Mark an die Länder, welche durch die Flüchtlinge besonders notleidend geworden sind, ein klarer Beweis für den Willen, hier zu helfen. Wir erwarten allerdings und das möchte ich mit aller Klarheit herausstellen —, daß diese Mittel bei der Verteilung in der Bürokratie nicht derartig versickern, daß in absehbarer Zeit von der Vergebung der Gelder nichts mehr zu verspüren ist.
    Wir würden es daher begrüßen — und möchten es empfehlen —, wenn die Bundesregierung einen besonderen, dem Wirtschaftsminister zugeteilten Mann — nennen wir ihn meinetwegen Kommissar — bestellen würde, der ganz un-


    (Etzel)

    bürokratisch, nach kaufmännischen Gesichtspunkten dafür zu sorgen hätte, daß diese Mittel schnellstens dort eingesetzt werden, wo sie wirklich auf dem Markt produktiv werden, damit die Arbeitslosigkeit schnellstens zurückgeht.
    Wenn ich zu diesen Mitteln von nahezu 1 Milliarde D-Mark noch diejenigen rechne, von denen Herr Professor Erhard auch schon gesprochen hat — nämlich die erste Tranche der Counterpart-Funds, die bis zum 31. 12. 1949 bereits zu zahlen gewesen wären, von denen im Augenblick bereits 600 Millionen D-Mark freigegeben sind; dieser Betrag ist doch schon zur Verfügung; Geldmittel, die für Investitionen in Elektrizität, in Gas und Wasser, in Ernährung und Landwirtschaft, in Transport, in Wohnungsbau, in Industrie, in Kohlenbergbau und für Westberlin zur Verfügung gestellt werden sollen —, so handelt es sich um neue zusätzliche Mittel, um mit der konjunkturellen Arbeitslosigkeit fertig zu werden. Die zweite Tranche der Counterpart-Funds, bis zum 1. 7. 1950 zahlbar mit insgesamt 1,15 Milliarden D-Mark, die wiederum vorgesehen ist für Elektrizität, für Gas und Wasser, für Kohlenbergbau, für Stahlindustrie, für die übrige Industrie, für Flüchtlinge, für Verkehr, für Post, für Ernährung und Landwirtschaft, für Wohnungsbau, für Fremdenverkehr, für Forschung, für das Dollar-Exportbüro, für einen Garantiefonds für Flüchtlingskredite, für die französische Zone, diese 1,15 Milliarden D-Mark, die bis zum 1. 7. 1950 fest zugesagt sind und die man nach meinem Gefühl durchaus vorfinanzieren kann, sind ein zusätzliches Kapitalmittel, welches durchaus in die Lage versetzt, mit der konjunkturellen Arbeitslosigkeit fertig zu werden. Es kommen noch die Mittel für den Wohnungsbau hinzu, von denen ich schon gesprochen habe und auf die ich an dieser Stelle nur hinweisen will. Wenn man das zusammenrechnet mit dem, was ich vorhin genannt habe, so ist das für das Jahr 1950 insgesamt eine sichere Summe von zusätzlich 5 Milliarden D-Mark, ein Betrag, der durchaus geeignet ist, diese Sorge um die konjunkturelle Arbeitslosigkeit von uns zu nehmen.
    Die Beseitigung der strukturellen Arbeitslosigkeit ist allerdings eine Angelegenheit, die sehr viel sorgenvoller ist. Wir sollten uns in der Arbeit dieses Hohen Hauses bei der Frage der Beseitigung der Arbeitslosigkeit auch gedanklich einmal in zwei Richtungen bewegen: Beseitigung der konjunkturellen Arbeitslosigkeit und Beseitigung der strukturellen Arbeitslosigkeit. Auch hier ist das Kapitalproblem genau so lebendig wie anderswo. Es muß deswegen unter allen Umständen etwas dafür getan werden, daß in Richtung auf diese strukturellen Schwierigkeiten Kapitalmittel eingesetzt werden. Ich weise hier ganz besonders auf das Flüchtlingsproblem hin. In den drei Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern sollen schon 300 Millionen D-Mark in dieser Richtung eingesetzt werden. Ich bin der Auffassung, daß alle unsere Freunde, die an der Lösung der Flüchtlingsprobleme arbeiten, sich mit darum bemühen müssen, zu ihrem Teil in diese Dinge eingeschaltet zu werden, damit wir einmal durch notwendige Umsiedlungen, verbunden mit entsprechendem Wohnungsbau an den Stellen, wo diese Menschen beschäftigt werden können, zum anderen aber auch durch die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsmöglichkeiten an den Stellen, wo sie heute wohnen, dem Flüchtlingsproblem wirklich einmal in einem echten Sinne auf den Leib rücken.
    Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen und komme zum Schluß. Meine Freunde und ich sind der Überzeugung, daß die heute von der Bundesregierung verkündeten Maßnahmen geeignet sind, die kritische Phase unseres Weges zur Gesundung Deutschlands zu überwinden und den heute erwerbslosen Menschen weitgehend wieder Arbeit und Brot zu geben. Seien wir uns aber auch darüber klar, daß wir das angestrebte Ziel nur erreichen können, wenn wir uns von einem Vertrauen leiten lassen, nämlich dem Vertrauen darauf, daß — ich nehme die Worte von Herrn Minister Preller auf Bundestag, Bundesrat und die Regierung mit diesen Maßnahmen das getan haben, was im Augenblick getan werden konnte, was aber auch getan werden mußte. Und seien wir getragen von dem Bewußtsein, daß dieses Vertrauen die notwendige Voraussetzung dafür ist, die bestehenden Schwierigkeiten zu überwinden. Ich wende mich mit diesem Appell um Vertrauen aber nicht allein an dieses Hohe Haus, sondern ich wende mich auch an die deutsche Wirtschaft, und zwar an die gewerbliche Wirtschaft und an die Landwirtschaft, mit dem Verlangen, daß jeder in der Wirtschaft Verantwortliche von dieser Stunde an alles tun muß, um an seiner Stelle mit den ihm gegebenen Hilfsmöglichkeiten soviele Erwerbslose einzustellen, als irgend möglich ist. Das Vertrauen, welches aus dieser großzügigen Hilfsmaßnahme erwachsen wird, berechtigt zu einem unternehmerischen Handeln, welches ebenfalls dazu beiträgt, die Erwerbslosigkeit zu beseitigen.


Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundesratsbevollmächtigte von Niedersachsen, Herr Minister Kubel.
Kubel, Niedersächsischer Minister für Arbeit und Aufbau, Mitglied des Bundesrats; Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beschränke mich in dem, was ich hier auszuführen habe, ausschließlich auf den Vorwurf, den der Herr Abgeordnete Etzel mir in der Richtung gemacht hat, ich hätte mit einer Feststellung über die Absichten oder das Handeln der Bundesregierung hinsichtlich ihrer Arbeit an der Erwerbslosigkeit die Bundesregierung schwer beleidigt.

(Zuruf.)

- Ich glaube, Sie so verstanden zu haben.

(Widerspruch in der Mitte und rechts.)

Zunächst einmal stelle ich mit Genugtuung fest, daß dieser Vorgang nicht zu einem Angriff seitens eines Vertreters der Bundesregierung auf mich geführt hat. Es hat bereits ein Schriftwechsel zwischen dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen und dem Bundeskanzler stattgefunden. Ich darf daraus entnehmen, daß die Herren Vertreter der Bundesregierung offenbar mit weniger Empfindlichkeit reagieren, was sie auch schon insofern nicht gut können, als Mitglieder der Bundesregierung sich durchaus mit einer außergewöhnlichen Schärfe zum mindesten in unserem Lande gegenüber der Landesregierung geäußert haben.

(Zurufe rechts und Gegenrufe links.)

- Ich glaube, Sie befriedigen zu können, indem ich in aller Offenheit sage, was ich vorzutragen


(Kubel, Bundesratsmitglied)

habe und was ich erklärt habe. Ich sagte eben, ich hätte den Eindruck, mich freuen zu können, daß die Bundesregierung weniger empfindlich ist, um so weniger empfindlich ist, als — ich muß das wiederholen — Mitglieder der Bundesregierung mit noch größerer Schärfe etwa Maßnahmen der niedersächsischen Landesregierung in der Öffentlichkeit kritisiert haben. Es ging soweit, daß erst vor kurzem der Landesregierung von einem Mitglied der Bundesregierung Gauleitermethoden vorgeworfen worden sind.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

— Nachdem ich sehe, daß der Herr Bundeskanzler sich zum Wort gemeldet hat, scheine ich allerdings etwas zu optimistisch gewesen zu sein.
Ich komme nun zu dem Fall selbst. Die „Wilhelmshavener Zeitung" hat dem Sinne nach richtig berichtet, was ich in Wilhelmshaven ausgeführt habe.

(Hört! Hört! — Abg. Hilbert: Pfui! Weitere Pfui-Rufe rechts. — Glocke des Präsidenten.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren, ich bitte, den Redner nicht zu unterbrechen.

    (Abg. Hilbert: Das ist der verantwortliche Landesminister?! Schämen Sie sich!)

    Kubel, Niedersächsischer Minister für Arbeit und Aufbau, Mitglied des Bundesrats: Ich bin zu dieser Erklärung gekommen, weil ich, wie leider in solchen Fällen häufig, erst durch die Presse von einem Memorandum der Bundesregierung Kenntnis bekommen habe, das sich auch mit dem Probeim der Erwerbslosigkeit in etwa befaßte.
    Ich muß jetzt um die Erlaubnis bitten, die Zeitung, auf die ich mich hier beziehe, obwohl mehrere Zeitungen in gleich kritischer Form geschrieben haben, in Kürze zu zitieren. Diese Zeitungsnotiz ist es gewesen. die ich in der Erwerbslosenversammlung in Wilhelmshaven mit zur Grundlage meiner Rede gemacht habe.

    (Zurufe: Aha! — Parteipolitische Manöver!)

    — Ich glaube, Sie werden nicht „Aha" sagen, wenn Sie hören, daß es sich um die „Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung" handelt, eine Zeitung also, die mir parteipolitisch nicht nahesteht.

    (Zurufe.)

    In dieser Zeitung können Sie unter dem 28. 1. in Nr. 8 folgendes lesen.

    (Abg. Strauss: „Die Angst vor der Kaufkraft!")

    — „Die Angst vor der Kaufkraft". Ich freue mich,
    daß Ihnen diese Notiz offensichtlich bekannt ist. Ein genaues Studium des Memorandums der Bundesregierung zeigt, daß diese die Durchführung eines adäquaten Investitionsprogramms, die beschleunigte Ausdehnung der industriellen Produktion und die Verminderung der Arbeitlosigkeit durchaus für möglich hält. Aber sie lehnt eine solche Wirtschaftspolitik ganz bewußt und mit offenen Augen ab. Sie denkt sogar an weitere Drosselung wie folgt:

    (Hört! Hört! links.)

    Und nun kommt das Memorandum der Bundesregierung:

    (Hört! Hört!) Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß das Investitionsprogramm sogar gedrosselt werden muß, weil jede Erhöhung des Produktionsniveaus durch Investitionen naturgemäß zu einer Steigerung der Beschäftigung und damit der Kaufkraft führt.


    (Hört! Hört! links.)

    Die Zeitung, die ich zitiere, fährt fort:
    Man beachte die gesperrt gedruckten Worte.
    — Das waren die letzteren. —
    Die Bundesregierung ist also völlig unserer Meinung, daß man das Produktionsniveau und die Beschäftigung durch Investitionen heben kann. Aber sie betrachtet gerade diese Hebung als eine Gefahr, mit folgender Begründung.

    (Zuruf von der CDU: Was hat denn das mit der Regierung zu tun, was die „Wirtschaftszeitung" schreibt?)

    Und es wird weiter zitiert, was in der Zeitung steht. Wenn Sie sorgfältig zuhören, werden Sie merken, daß ich zum Teil ein Regierungsmemorandum nach der Zeitung zitiere. In diesem Regierungsmemorandum — das gilt für den Zwischenrufer, damit wir uns nicht mißverstehen — stehen folgende Sätze, die hier zitiert werden:
    Wenn aber für diese Kaufkraft keine Deckung in einer entsprechenden erhöhten Konsum- und Nahrungsgüterproduktion gegeben ist, so muß sich dadurch eine Gefährdung der preis- und währungspolitischen Stabilität ergeben. Diese Gefahr wird -noch dadurch verschärft, daß gerade diejenigen Konsumgüter, auf die sich die Kaufwünsche der Bevölkerung, insbesondere der Vertriebenen in erster Linie konzentrieren . . ., in besonderem Umfange von Einfuhren aus dem Dollarraum abhängig sind und daher in Zukunft nur begrenzt zur Verfügung stehen.
    Jetzt kommt die weitere Folgerung dieser Zeitung, die der Regierungspolitik bis vor kurzem näher stand als meiner Partei.

    (Widerspruch in der Mitte und rechts.)

    Die Zeitung fährt fort:

    (Zuruf von der CDU: Die Zeitung hat die Regierung immer bekämpft!)

    Diese Argumentation ist klar genug: Wenn zuviele Leute Beschäftigung finden und daher statt knappster Unterstützung einen normalen Lohn für produktive Arbeit erhalten, dann steigt die Nachfrage nach Textilien und Lebensmitteln — insbesondere wenn diese zusätzlich Beschäftigten Vertriebene sind, die schon so lange gedarbt haben.
    Und jetzt wieder — ich bin gleich am Ende -ein Zitat aus dem Memorandum nach dieser Zeitung.

    (Zurufe in der Mitte und rechts. — Unruhe.)

    Wenn ich sage „nach dieser Zeitung", so mit dem Bedauern, daß Sie das Memorandum nicht bekommen haben.

    (Fortdauernde Unruhe.)