Meine Damen und Herren! Für meine Freunde und für mich ist das Arbeitslosenproblem das Problem Nr. 1, und wir sind der Meinung, daß sowohl die Bundesregierung wie auch dieses Hohe Haus ihre ganze Aufmerksamkeit und ihre ganze Arbeitskraft dafür einzusetzen haben, unserer Auffassung nach jenseits aller Parteidogmatik alles zu tun, um dieses Problems Herr zu werden und die steigende Arbeitslosigkeit nicht nur einzudämmen, sondern weitestgehend zu beseitigen.
Ich bedaure es sehr, daß es nicht möglich gewesen ist, dieses Problem hier in sachlicher Beziehung zu diskutieren, sondern daß man sich in großem Umfange auf eine polemische Linie begeben hat und daß auch hier wieder für viele aus dem alten .deutschen Erbübel heraus das Trennende wichtiger gewesen ist als das Gemeinsame und Verbindende. Meine Damen und Herren, das
kann ich auch! Ich bin durchaus in der Lage, hier auf einige Punkte polemisch einzugehen. Ich wäre zum Beispiel durchaus in der Lage, darauf hinzuweisen, daß es der Linken dieses Hauses in der Zeit, da sie die Verantwortung hatte, nicht möglich gewesen ist, die Arbeitslosigkeit völlig zu beseitigen und eine Vollbeschäftigung zu erreichen, und daß auch wir, als wir die Verantwortung übernahmen, immerhin eine Arbeitslosigkeit von einer halben Million Menschen vorfanden.
— Das wissen Sie genau so gut wie ich.
Wenn ich auch durchaus weiß, daß die Verhältnisse in Berlin durch viele andere Komponenten bedingt worden sind, so zeigt sich doch gerade hier die ganze Schwierigkeit des Problems und die Tatsache, daß es gar nicht einfach ist, diese Dinge zu meistern; denn während wir hier 3 Prozent Erwerbslose haben, sind in Berlin trotz der Hilfe von anderthalb Milliarden heute noch 17 Prozent Erwerbslose vorhanden. Ich will das nur sagen, um zu beweisen, wie schwierig diese Dinge sind und wie sehr man zu tun hat, um solcher Probleme Herr zu werden.
Ich kann, um polemisch zu reden, auch durchaus darauf hinweisen, daß uns in einer Fülle von Vorhersagen erklärt worden ist, wir würden mit unserer Wirtschaftspolitik an den Preisen zugrunde gehen. Es sind uns 4 oder 5 bis 6 Millionen Erwerbslose unmittelbar nach der Inkraftsetzung der sozialen Marktwirtschaft prophezeit worden. Noch im Juni 1949 ist uns gesagt worden, daß wir in diesem Winter in Ernährungsschwierigkeiten geraten und daß wir nicht genügend Kartoffeln und Getreide haben würden. Alle diese Voraussagen sind nicht richtig gewesen.
Ich weiß auch nicht, Herr Dr. Nölting, ob es richtig war und ob man das tun sollte, sich für seine Kritik hier auf die Amerikaner zu beziehen und zu sagen, daß auch sie die derzeitige Situation kritisiert haben. Das trifft zu; ich darf aber darauf hinweisen, daß man es im Januar noch ganz anders gehört hat, und ob es da sehr geschmackvoll ist, sich dieser Autorität zu bedienen, ist eine Frage, die ich hier durchaus zur Diskussion gestellt wissen möchte.
Und wenn vielleicht auch in hypothetischer Form von Ihnen, Herr Professor Nölting, gesagt worden ist, es könnte doch der Eindruck entstehen, als ob die Hohen Kommissare die deutschen Interessen besser wahren als die deutschen Dienststellen, so darf ich auch in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß ich solche Äußerungen von einer Seite her, die kürzlich im umgekehrten Sinne auch die Amerikaner hier zitiert hat, lieber nicht gehört hätte.
Sie haben zwar recht, wenn Sie, Herr Professor Nölting, sagen, daß man in einer Demokratie besser und gesicherter leben muß als in einer Diktatur; aber Sie haben bisher den Beweis dafür nicht angetreten, daß man in der von Ihnen gedachten Demokratie besser leben müßte und besser leben würde als in der von uns gedachten Demokratie.
Sodann ist von Ihnen auch' wieder die sogenannte industrielle Reservearmee auf den Plan gerufen worden, und zwar auch in einer Weise, daß man daraus den Eindruck gewinnen mußte, als ob uns diese industrielle Reservearmee gerade recht sei, um so unternehmerische Interessen zu unterstützen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß sagen, daß ich gegen diese Argumentation mit aller Schärfe protestieren muß.
Wer uns derartige Argumente unterschiebt, der verdient es meines Erachtens nicht, daß er hier in diesem Hause sitzt.
Mir liegt hier ein Schreiben von einem Parteifreund aus Wilhelmshaven vor, und ich bin froh, daß ich Herrn Minister Kubel auf der Bank des Bundesrats sehe. Ich weiß nicht, ob das richtig ist, was in der mir vorliegenden Wilhelmshavener Zeitung vom 31. Januar 1950 geschrieben ist; aber hier steht, daß der Herr Minister Kubel gesagt haben soll: Ich behaupte, daß der wesentliche Teil der Erwerbslosigkeit gewollt oder von der Bundesregierung gern gesehen ist.
Nun, ich weiß, daß Zeitungen nicht immer alles richtig sagen. Deswegen bin ich vorsichtig. Aber wenn Sie, Herr Minister Kubel, das gesagt haben sollten, bin ich der Meinung,. daß Sie sich damit der Ehre begeben haben, der Minister eines deutschen Landes zu sein.