Es war eine Anfrage an den Herrn Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard, und ich bin auf seine Antwort neugierig. Ich wäre möglicherweise in der Lage, ihm darauf zu sagen, daß es wahrscheinlich doch nur zinspolitische Vorstellungen sind, die in dieser Richtung gewisse Hemmungen auftauchen lassen.
Noch eines. Ein gewisser Gegensatz hat doch herausgeklungen. Es ist in der einleitenden Bemerkung meines Kollegen Dr. Nölting sehr deutlich darauf hingewiesen worden, daß sowohl Herr Professor Dr. Erhard als auch der Herr Arbeitsminister Storch das Arbeitslosenproblem noch vor wenigen Wochen durchaus nicht sehr ernst genommen haben. Der Herr Bundeskanzler hat einleitend bemerkt, daß es seit der Tätigkeit der neuen Bundesregierung, seit der ersten Zusammenkunft dieser Regierung, eine sehr ernste, eine sehr drückende Sorge dieser Regierung sei, sich dem Arbeitslosenproblem zu widmen. Wir bedauern allerdings, daß diese drückende Sorge fünf Monate angedauert hat, ohne daß man in der Form, wie es heute geschehen ist, dazu Stellung genommen hat.
Der Herr Bundeskanzler war liebenswürdig genug, uns die 21/2 Milliarden noch einmal aufzutischen, von denen wir schon x-mal aus dem Munde des Herrn Bundeswirtschaftsministers und auch aus dem Munde des Herrn Wiederaufbauministers gehört haben. Wir haben sehr ernste Zweifel, ob diese 21/2 Milliarden tatsächlich schon in ihrem vollen Umfange gesichert erscheinen. Nach unseren Vorstellungen handelt es sich nämlich bis jetzt um gesicherte Beträge von höchstens 1,9 Milliarden; und darin sind ein Drittel von Beträgen enthalten — ich bitte, auch das einmal sagen zu dürfen —, die zu Zinssätzen von 6 bis 7 Prozent hingegeben werden, von denen wir feststellen müssen, daß sie nach unseren Vorstellungen für den sozialen Wohnungsbau jedenfalls nicht geeignet sind.
— Ach so! Den Quadratmeter für 1,80, meinen Sie; das wäre nämlich die logische Folgewirkung davon.
- Aha! Wir dachten zunächst an den sozialen
Wohnungsbau, weil das der dringlichste Wohnungsbau ist, weil dort die Arbeitskräfte unterkommen sollen, die wir brauchen, um diejenige Produktionskapazität auszufüllen, die notwendig ist, um das deutsche Volk zu ernähren. Und die 50 Millionen, die der Herr Bundeskanzler ebenfalls erwähnt hat, die von der Post zur Verfügung gestellt werden, — eine ganz bescheidene Anfrage nur: sind das etwa die Kabelkosten für Bonn, oder handelt es sich um andere Beträge? Ich wollte nur die Aufklärung erbitten.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat auch 32 000 Seeleute erwähnt. Eine kleine Ungenauigkeit! Sicherlich, 32 000 Seeleute haben sich gemeldet und erklärt, daß sie wieder zur See fahren möchten; das ist ihr gutes Recht und ihr guter Wunsch. Aber damit ist nicht gesagt, daß diese 32 000 See-
leute arbeitslos sind, denn sie sind zu einem sehr erheblichen Prozentsatz inzwischen in anderen Berufen untergebracht worden und verdienen dort ihr Geld.
- Ja, aber die 32 000 Seeleute sind nicht arbeitslos.
- Man kann natürlich auch so sagen.
Darf ich mir erlauben, zum Schluß noch eine andere Bemerkung zu machen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat ebenfalls die Jugendfrage sehr deutlich angesprochen, eine Frage, die uns alle aufs tiefste bewegt, weil es gerade die Jugend ist, von der wir schmerzlicherweise feststellen müssen, daß sie in weitestem Umfange aus der Arbeit teerausgedrängt wird. Wenn irgendwo Entlassungen durchgeführt werden, ist es — zum Teil sogar aus sozialen Erwägungen —selbstverständlich, daß die jüngeren Leute in erster Linie bei der Entlassung zum Zuge kommen, und deswegen ist die Zahl der Jugendlichen, die auf dem Arbeitsmarkt lasten, so ungewöhnlich groß. Wir haben in Bayern 40 000 von jenen jungen Leuten noch nicht untergebracht, die im vorigen oder vorvorigen Jahr schulentlassen sind und seitdem eine Lehrstelle oder einen Arbeitsplatz nicht zu finden vermochten, und schon stehen wir vor neuen Schulentlassungen. Ein Problem, das es für sich allein dringend geboten erscheinen läßt, daß man sich ihm mit ernster Aufmerksamkeit zuwendet!
Der Herr Bundeskanzler hat auch geglaubt, feststellen zu sollen, daß die Ausführungen meines Kollegen Dr. Nölting psychologisch schädlich seien. Wir glauben nicht, daß dem so sei. Denn man kann die Wahrheit nicht brutal genug aufzeigen, um den Menschen draußen die Situation klarzumachen, in der wir stehen, damit jeder einzelne sich anstrengt, um zu Vorstellungen vorzudringen, die wir nötig haben, um aus der Misere herauszukommen.
Produktionsindex. Auch hier habe ich mir schon vor wenigen Wochen einmal erlaubt, dem Herrn Bundeswirtschaftsminister eine ganz kleine bescheidene Bemerkung nebenbei zu machen. Es wird nämlich immer damit operiert, daß wir am 20. Juni 1948 einen Produktionsindex von nur 50 Prozent gehabt und daß wir jetzt einen solchen von 95 Prozent erreicht hätten. Nun, ich möchte mir an den Herrn Bundeswirtschaftsminister die Frage erlauben, ob er sich schon einmal der Mühe unterzogen hat, zu untersuchen, wieviel von der 'damaligen Produktion bei den 50 Prozent gefehlt hat, weil sie in den Schwarzen und in den Grauen Markt abgeleitet worden sind, ohne statistisch erfaßt worden zu sein.
Das ist eine Tatsache. Und dann würde ich Sie bitten, auch einen anderen Umstand noch mit zu erwägen. Wir haben hier eine gewisse Diskrepanz. Der Bundesarbeitsminister hat von 37 plus 7 Millionen gesprochen und der Herr Bundeskanzler von 39 plus 8 Millionen. Die erhöhte Bevölkerungszahl findet in diesem Produktionsindex aber auch nicht den geringsten Ausdruck. Er ist ausschließlich entweder auf die Warenmenge oder den Warenwert bezogen; aber auf die Bevölkerungszahl bezogen liegen wir nicht bei einem Produktionsindex um 95, sondern bei einem solchen von günstigstenfalls 70 Prozent.
Ich darf mir nun noch eine Bemerkung zur sozialen Markt wirtschaft erlauben. Sie haben sich in Ihrem Wahlkampf soviel darauf zugute getan, und Sie haben auch heute wiederholt darauf hingewiesen, es sei ein Ausdruck des Vertrauens des deutschen Volkes in die geübte Wirtschaftspolitik, daß das Wahlergebnis vom 14. August so ausgefallen sei, wie es ausgefallen ist. Ich möchte Ihnen nur sagen: Sie sollten sich davor hüten, einem psychologischen Trugschluß zum Opfer zu fallen. Der Eindruck am 14. August war nämlich auf den absoluten Nullpunkt abgestellt, von dem aus die wirtschaftliche Situation in Deutschland besser geworden ist, jenen Nullpunkt, an dem es nur mehr heißen konnte: Entweder wird es besser, oder Millionen von deutschen Menschen müssen endgültig verhungern. Das war die Situation im Mai 1948. Wenn Sie von diesem Nullpunkt aus die Situation beurteilen, werden Sie recht haben. Aber glauben Sie doch bitte ja nicht, daß die Menschen psychologisch bei diesem Nullpunkt vom Mai 1948 stehenbleiben. Sie werden ihre materiellen Forderungen nicht mehr vom Nullpunkt 1948 aus abzuleiten in der Lage sein, sondern sie werden den berechtigten Lebensanspruch nach normalen Vorstellungen dann, wenn die Möglichkeit dazu besteht, irgendwie wieder geltend machen.
Zum Schluß möchte ich nur noch folgendes sagen. Der Herr Arbeitsminister hat es sich sehr leicht gemacht, als er festgestellt hat, wir müßten heute einleitend zu dieser Debatte eigentlich sagen: Wir verdanken das dem Führer. Nun, meine Herren von der Bundesregierung und von der Regierungsmehrheit, wollen Sie bitte Vorsorge treffen, damit man Ihnen nicht sage: Wir verdanken eine noch größere Arbeitslosigkeit der Regierungsmehrheit in Bonn.