Wir haben einige Erfahrung, und ich darf vielleicht gleich die Probe aufs Exempel machen. Herr Professor Dr. Erhard hat doch heute mit absoluter Klarheit davon gesprochen, daß es die Vertreter der SPD im Wirtschaftsrat gewesen wären, die Planwirtschaft mit nazistischer Zwangswirtschaft gleichgesetzt hätten, obwohl die
Protokolle des Wirtschaftsrats eindeutig beweisen, daß das nicht der Fall war.
— Dann haben Sie nicht zugehört! Selbstverständlich hat er das gesagt!
Lesen Sie im Protokoll nach, dann werden Sie es finden.
Ich möchte für meinen Teil ausdrücklich darauf hingewiesen haben, daß ich nicht das Investitionsvolumen, sondern die Investitionsrate im Auge habe, wenn ich davon rede, daß Investitionsrate und Konsumrate in einem derartigen Mißververhältnis stehen, daß wir daraus schon eine fortschreitende steigende Arbeitslosigkeit abzuleiten leider gezwungen sind.
— Ja, es ist leider so, denn die dreifach vermehrte Zahl der arbeitslosen Metallarbeiter ist ein sicherer Ausdruck für die Tatsache der retardierenden Bewegung unserer Wirtschaft in diesem Bereich.
— Nun, meine Herren, ich werde mir erlauben, Ihnen nachher auch noch zu Ihrem Begriff „soziale Marktwirtschaft" einiges zu sagen. Unter diesem Mantel versuchen Sie ja alles zu decken, was sonst nicht untergebracht werden kann.
Es ist heute schon einmal aus der Mitte des Hauses gelegentlich der Ausführungen meines Fraktionskollegen Dr. Nölting der Zwischenruf „nazistische Methoden" gemacht worden. Ich möchte das gleiche nicht wieder sagen, aber ich erinnere mich daran, daß auch der Nationalsozialismus sehr gern den Wortschatz des Sozialismus in Gebrauch genommen hat, um die Massen irrezuführen.
Mir scheint, daß man mit dem Begriff „soziale Marktwirtschaft" doch im letzten Hintergrund etwas Ähnliches zu tun die Absicht hat, denn mit sozialer Marktwirtschaft kann das, was geschieht, ja nicht verglichen werden.
— Zwischenrufe liebe ich; aber bitte so, daß ich sie verstehen kann. — Es kann nicht von sozialer Marktwirtschaft die Rede sein, wenn die Folgewirkungen die sind, daß wir heute mit zwei Millionen Arbeitslosen rechnen müssen und ihre Zahl immer noch fortsteigend weiter sich erhöht, wenn nicht entsprechende Abwehrmaßnahmen durchgeführt werden, von denen wir feststellen, daß sie mit den Vorstellungen der freien Marktwirtschaft niemals zum Ziele führen können. Wir haben nichts davon gehört — mein Kollege Dr. Nölting hat das Thema deutlich genug angesprochen, und dennoch ist keiner der Herren Regierungsredner darauf eingegangen —, wie man sich etwa vorstellt, die künftig verfügbaren Mittel für Investitionen zu verwenden. Man hat also offenbar die Absicht, sie weiterhin wie bisher dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen, das heißt weiterhin Fehlinvestitionen nur nach reiner Profitorientierung im größten Umfang den Weg zu bereiten, nach keinen wirklich volkswirtschaftlich gearteten
Vorstellungen im Sinne der sozialen Marktwirtschaft.
Ja, ich komme auch noch zum Wohnungsbau in der Form,, wie er heute hier angesprochen worden ist. Hier will ich meinem Kollegen Sabel Gerechtigkeit widerfahren lassen; er war der einzige, der das Thema in der Form angesprochen hat, wie wir glauben, daß es angesprochen werden müßte. Es ist nicht nur ein Arbeitsmarktproblem, es ist nicht nur ein soziales Problem, Wohnungen zu bauen, sondern auch der Wohnungsbau muß den Vorstellungen einer aktiven Konjunkturpolitik untergeordnet werden, damit wir dort Wohnungen bekommen, wo wir die leerstehenden Kapazitäten haben, weil die Arbeitskräfte nicht zur Verfügung stehen. Wir haben auch dazu nicht ein einziges Wort aus dem Munde der Regierung gehört.
— Das war aber bisher durchaus nicht so selbstverständlich. Wenn ich Ihnen aus meinen bayerischen Erfahrungen eines sagen dürfte, dann könnte ich Ihnen verraten, daß Wohnungen nach durchaus anderen als volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten gebaut worden sind.
- Wir werden dort Einfluß nehmen, worauf Sie sich verlassen können!
Noch ein Wort zur Kreditschöpfung. Auch hier möchte ich Herrn Professor Dr. Erhard gebeten haben, sich einmal wieder mit seinem alten Lehrer, Herrn Professor Weber, ins Benehmen zu setzen. Selbst Herr Professor Weber ist bereit, den Weg der Kreditschöpfung zu gehen, und es wäre mir sehr interessant, aus dem Munde von Herrn Professor Dr. Erhard zu hören, welchen vernünftigen Grund es überhaupt gibt, gegen die Kreditschöpfung in unserer derzeitigen Situation ein Wort zu sagen. Denn der Einwand, daß dadurch etwa zuviel Konsumkraft geschaffen werden könnte, sticht nämlich nicht; er würde nur dann stechen, wenn wir etwa bereit wären, der Vorstellung zu folgen, die uns schon einmal aus dem Munde des Herrn Professors Dr. Erhard bekanntgeworden ist, nämlich den Konsum vorzufinanzieren. Daran denken wir natürlich nicht, sondern wir denken selbstverständlich an echte Vorfinanzierung produktiver Tätigkeit und erst in zweiter Linie an die Auswirkungen auf den Konsum. So sehen wir die Dinge; das erlauben Sie mir bitte zu sagen. Worin besteht der Unterschied in der Kapitalwirkung, wenn Sie Fremdkapital von außen hereinnehmen oder wenn Sie in dem Umfange Kredit schöpfen, in dem das nach unseren Vorstellungen — mein Kollege Dr. Nölting hat die Grenzen deutlich aufgezeigt — durchgeführt werden kann?
- Ahnungslos? Ganz so ahnungslos sind wir nicht!