Rede:
ID0103603400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 4
    1. Ich: 1
    2. rüge: 1
    3. diesen: 1
    4. Ausdruck.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1950 1141 36. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1141 B, 1214 C Ersuchen des bayerischen Justizministeriums betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Baumgartner 1141 C Beratung des Antrags der SPD betr. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Drucksache Nr. 406 1141C Dr. Nölting (SPD), Antragsteller 1141 D, 1209 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 1149A, 1182 B Storch, Bundesminister für Arbeit . . 1152 B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft' 1154B, 1212 B Dr. Seelos (BP) (zur Geschäftsordnung) 1158D Dr. Preusker (FDP) 1159 C Dr. Preller, Schleswig-Holsteinischer Landesminister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr 1162 A Dr. Seidel, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft 1165 C Sabel (CDU) 1166 D Walter (DP) 1170 C Wönner (SPD) 1172 A Etzel (CDU) 1175 D Kubel, Niedersächsischer Minister für Arbeit und Aufbau 1180 D Dr. Etzel (BP) 1183 A Dr. Bertram (Z) 1189C, 1204 C Loritz (WAV) 1189 D Nuding (KPD) 1195 C Frau Wessel (Z) 1200 C Krause (Z) 1206 B Dr. Wellhausen (FDP) 1206 D Dr. Richter (DRP) 1208 D Dr. von Brentano (CDU) 1213 D Nächste Sitzung 1214 C Die Sitzung wird um 14 Uhr 41 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Max Wönner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich danke für die Belehrung, Herr Präsident!
    Was wir erwartet hätten, war eine durchdringende Arbeitsmarktanalyse, waren Schlußfolgerungen aus einer solchen Arbeitsmarktanalyse, Überlegungen, die etwa dahin gehen sollten, wie das deutsche Wirtschaftsbild im ganzen gestaltet werden müßte, um dieser Arbeitsmarktsituation gerecht zu werden und von diesen wirtschaftspolitischen Vorstellungen her etwa eine eingehende Analyse der Kapitalmarktsituation durchzuführen, um aus diesen drei Gegebenheiten zu Schlüssen zu kommen, wie das Problem, das doch wahrhaftig das Zentralproblem unserer Tage ist, wirklich gelöst werden kann.
    Wir haben nichts davon gehört. Wir haben nichts gehört von einer Aufgliederung der heutigen Arbeitslosigkeit nach Saisonbedingtheit, nach Konjunkturbedingtheit, wenigstens nichts aus dem Grund Schöpfendes. Was sich da so beiläufig in der Diskussion ergeben hat, darf sich die Regierung nicht ihrerseits zugute rechnen. Wir hätten erwartet, daß dazu aus Ihrem Munde ganz konkrete Angaben gemacht worden wären.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir hätten insbesondere auch eine Durchleuchtung der Arbeitsmarktsituation erwartet, die die Verschiedenheit dieser Situation in den einzelnen Ländern klar und präzis herausgestellt hätte. Das ist durch die beiden Vertreter des Bundesrats, Herrn Arbeitsminister Dr. Preller und Herrn Wirtschaftsminister Dr. Seidel, geschehen. Es wäre uns lieber gewesen, eine zentrale Darstellung dieses Problems aus dem Munde der Regierungsvertreter in Bonn zu hören.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dann wäre es sehr wahrscheinlich auch nicht möglich gewesen, daß der Herr Bundeskanzler es sich so leicht gemacht hat, von 300 Millionen Mark zu sprechen, die diesen drei schwerstbetroffenen Ländern ausgleichsweise für ihre überragende Arbeitslosigkeit gegeben werden sollen, wobei wir noch einen bescheidenen Wunsch hinzuzufügen hätten: wir hoffen selbstverständlich - ich werde nachher noch mit einigen wenigen Worten darauf zu sprechen kommen —, daß dort, wo zufolge der gedrängten Arbeitsmarktsituation Notstandsmaßnahmen durchgeführt werden müssen, auch die zuständigen Tariflöhne gezahlt werden.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Leider muß ich nun meinem Kollegen Sabel einen kleinen Wermutstropfen in seinen Becher schütten. Denn es ist nicht ganz richtig, was er gesagt hat, daß schwergewichtig die Angestellten in Erscheinung treten. Eine eingehende Analyse unserer Arbeitsmarktsituation hätte beispielsweise sehr wohl erkennen lassen, daß sich seit der Geldreform die Zahl der arbeitslosen Metallarbeiter verdreifacht hat,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    daß sich die Zahl der in Verkehrsberufen Tätigen verdoppelt hat, daß sich die Zahl der Hilfsarbeiter ebenfalls verdoppelt hat und daß seit der Geldreform gerade die Zahl der erwerbslosen Angestellten keine entsprechende Veränderung nach oben erfahren hat.
    Es ist das Flüchtlingsproblem angeschnitten worden, und es ist so dargestellt worden, als ob es gar das Zentralproblem der Arbeitslosigkeit an sich sei. An den Schwerpunkten selbstverständlich, ja! Das gilt für Bayern, das gilt für Niedersachsen, und das gilt für Schleswig-Holstein. Aber an allen übrigen Punkten des Bundesgebietes kann man doch nicht etwa behaupten wollen, daß die Flüchtlinge Schwerpunktlagen auf dem Arbeitsmarkt darstellten. Dazu wäre manches zu sagen.
    Ich möchte nur eine Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers ganz kurz erwähnen, weil ich glaube, daß sie nicht unwidersprochen hingenommen werden sollte. Dabei erlaube ich mir aller-




    (Wönner)

    dings zu bemerken, daß wir im Grunde nichts dagegen einzuwenden haben, wenn etwa die Freizügigkeit wiederhergestellt wird; denn wir haben lange genug darum gekämpft, daß der einzelne Arbeitnehmer auch wieder die Möglichkeit hat, sich seinen Arbeitsplatz nach seinem eigenen Gutdünken zu wählen. Wir müssen aber auf eines hinweisen: Der Begriff der Freizügigkeit in dem Sinne, wie der Herr Bundeskanzler ihn angesprochen hat, setzt natürlich voraus, daß die Wohnraumbewirtschaftung aufgehoben wird. Diese Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung kann aber nach den liberalistischen Vorstellungen unseres Herrn Bundeswirtschaftsministers nur so durchgeführt werden, daß wir — Herr Minister Wildermuth war es wohl, der uns das schon einmal andeutete — mit Wohnungsmieten von 1,80 Mark pro Quadratmeter zu rechnen hätten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich habe vorhin von Beschränkungen bei Lohnbewegungen etwas gehört. Nun, man sollte die Geduld der Arbeitnehmerschaft in diesem Bereich nicht auf eine allzuharte Probe stellen, man sollte insbesondere auch nicht bereit sein, auf einem solchen Umweg noch zusätzliche Belastungen zu schaffen, die naturnotwendig explosiv auch auf den Bereich der Lohnpolitik wirken müssen. Für meinen Teil wenigstens möchte ich mit absoluter Klarheit herausstellen — das hatten wir von der Bundesregierung in erster Linie erwartet —, daß sie uns klare Vorstellungen darüber zu vermitteln in der Lage wäre, welche Kapitalmengen insgesamt notwendig wären, um des Status der Gegenwart überhaupt Herr zu werden. Herr Professor Preller war es, der mit einer zarten Andeutung nur darauf hingewiesen hat, daß pro Arbeitsplatz nach alten Erfahrungen — es ist sicherlich nur über den Daumen gepeilt — rund 5 000 D-Mark notwendig sind, um ihn neu zu schaffen. Er hat vergessen hinzuzufügen — und wahrscheinlich nur versäumt, es zu tun —, daß dadurch allein der Arbeitsplatz nicht gesichert ist, daß auch Betriebsmittel erforderlich wären. Von diesen Größen müssen wir ausgehen, wenn wir sie auf 2 Millionen Arbeitslose beziehen, um festzustellen, daß minimal 15 Milliarden D-Mark an Kapital notwendig sein werden, um allein die jetzt auf der Straße liegenden Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Kein Wort von selchen Vorstellungen! Kein Wort davon auch aus dem Munde des Herrn Bundeswirtschaftsministers, inwieweit etwa heute — ich bitte, mich jetzt recht zu verstehen, man muß bei Herrn Professor Dr. Erhard sehr vorsichtig sein, denn er nimmt solche Gelegenheiten gern zum Anlaß, die Dinge dann anders darzustellen, als sie gemeint waren — —

    (Hört! Hört! und Sehr gut! bei der SPD. — Unruhe bei den Regierungsparteien und Rufe: Na, na! — Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich rüge diesen Ausdruck.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Wir haben einige Erfahrung, und ich darf vielleicht gleich die Probe aufs Exempel machen. Herr Professor Dr. Erhard hat doch heute mit absoluter Klarheit davon gesprochen, daß es die Vertreter der SPD im Wirtschaftsrat gewesen wären, die Planwirtschaft mit nazistischer Zwangswirtschaft gleichgesetzt hätten, obwohl die
    Protokolle des Wirtschaftsrats eindeutig beweisen, daß das nicht der Fall war.

    (Abg. Dr. Oellers: Das hat er gar nicht gesagt!)

    — Dann haben Sie nicht zugehört! Selbstverständlich hat er das gesagt!

    (Unruhe. — Glocke des Präsidenten.) Lesen Sie im Protokoll nach, dann werden Sie es finden.

    Ich möchte für meinen Teil ausdrücklich darauf hingewiesen haben, daß ich nicht das Investitionsvolumen, sondern die Investitionsrate im Auge habe, wenn ich davon rede, daß Investitionsrate und Konsumrate in einem derartigen Mißververhältnis stehen, daß wir daraus schon eine fortschreitende steigende Arbeitslosigkeit abzuleiten leider gezwungen sind.

    (Zuruf von der FDP: Ach, Quatsch!)

    — Ja, es ist leider so, denn die dreifach vermehrte Zahl der arbeitslosen Metallarbeiter ist ein sicherer Ausdruck für die Tatsache der retardierenden Bewegung unserer Wirtschaft in diesem Bereich.

    (Zuruf von der CDU.)

    — Nun, meine Herren, ich werde mir erlauben, Ihnen nachher auch noch zu Ihrem Begriff „soziale Marktwirtschaft" einiges zu sagen. Unter diesem Mantel versuchen Sie ja alles zu decken, was sonst nicht untergebracht werden kann.

    (Unruhe in der Mitte.)

    Es ist heute schon einmal aus der Mitte des Hauses gelegentlich der Ausführungen meines Fraktionskollegen Dr. Nölting der Zwischenruf „nazistische Methoden" gemacht worden. Ich möchte das gleiche nicht wieder sagen, aber ich erinnere mich daran, daß auch der Nationalsozialismus sehr gern den Wortschatz des Sozialismus in Gebrauch genommen hat, um die Massen irrezuführen.

    (Sehr richtig! und Sehr gut! bei der SPD.)

    Mir scheint, daß man mit dem Begriff „soziale Marktwirtschaft" doch im letzten Hintergrund etwas Ähnliches zu tun die Absicht hat, denn mit sozialer Marktwirtschaft kann das, was geschieht, ja nicht verglichen werden.

    (Zuruf von der FDP: Wie wollen S i e die Arbeitslosigkeit beseitigen?)

    — Zwischenrufe liebe ich; aber bitte so, daß ich sie verstehen kann. — Es kann nicht von sozialer Marktwirtschaft die Rede sein, wenn die Folgewirkungen die sind, daß wir heute mit zwei Millionen Arbeitslosen rechnen müssen und ihre Zahl immer noch fortsteigend weiter sich erhöht, wenn nicht entsprechende Abwehrmaßnahmen durchgeführt werden, von denen wir feststellen, daß sie mit den Vorstellungen der freien Marktwirtschaft niemals zum Ziele führen können. Wir haben nichts davon gehört — mein Kollege Dr. Nölting hat das Thema deutlich genug angesprochen, und dennoch ist keiner der Herren Regierungsredner darauf eingegangen —, wie man sich etwa vorstellt, die künftig verfügbaren Mittel für Investitionen zu verwenden. Man hat also offenbar die Absicht, sie weiterhin wie bisher dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen, das heißt weiterhin Fehlinvestitionen nur nach reiner Profitorientierung im größten Umfang den Weg zu bereiten, nach keinen wirklich volkswirtschaftlich gearteten


    (Wönner)

    Vorstellungen im Sinne der sozialen Marktwirtschaft.

    (Zuruf von der FDP: Wir haben vom Wohnungsbau und vielem anderem gesprochen!)

    Ja, ich komme auch noch zum Wohnungsbau in der Form,, wie er heute hier angesprochen worden ist. Hier will ich meinem Kollegen Sabel Gerechtigkeit widerfahren lassen; er war der einzige, der das Thema in der Form angesprochen hat, wie wir glauben, daß es angesprochen werden müßte. Es ist nicht nur ein Arbeitsmarktproblem, es ist nicht nur ein soziales Problem, Wohnungen zu bauen, sondern auch der Wohnungsbau muß den Vorstellungen einer aktiven Konjunkturpolitik untergeordnet werden, damit wir dort Wohnungen bekommen, wo wir die leerstehenden Kapazitäten haben, weil die Arbeitskräfte nicht zur Verfügung stehen. Wir haben auch dazu nicht ein einziges Wort aus dem Munde der Regierung gehört.

    (Zuruf von der CDU: Weil es selbstverständlich ist!)

    — Das war aber bisher durchaus nicht so selbstverständlich. Wenn ich Ihnen aus meinen bayerischen Erfahrungen eines sagen dürfte, dann könnte ich Ihnen verraten, daß Wohnungen nach durchaus anderen als volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten gebaut worden sind.

    (Zuruf von der CDU: Dann müssen Sie in Bayern Einfluß nehmen!)

    - Wir werden dort Einfluß nehmen, worauf Sie sich verlassen können!
    Noch ein Wort zur Kreditschöpfung. Auch hier möchte ich Herrn Professor Dr. Erhard gebeten haben, sich einmal wieder mit seinem alten Lehrer, Herrn Professor Weber, ins Benehmen zu setzen. Selbst Herr Professor Weber ist bereit, den Weg der Kreditschöpfung zu gehen, und es wäre mir sehr interessant, aus dem Munde von Herrn Professor Dr. Erhard zu hören, welchen vernünftigen Grund es überhaupt gibt, gegen die Kreditschöpfung in unserer derzeitigen Situation ein Wort zu sagen. Denn der Einwand, daß dadurch etwa zuviel Konsumkraft geschaffen werden könnte, sticht nämlich nicht; er würde nur dann stechen, wenn wir etwa bereit wären, der Vorstellung zu folgen, die uns schon einmal aus dem Munde des Herrn Professors Dr. Erhard bekanntgeworden ist, nämlich den Konsum vorzufinanzieren. Daran denken wir natürlich nicht, sondern wir denken selbstverständlich an echte Vorfinanzierung produktiver Tätigkeit und erst in zweiter Linie an die Auswirkungen auf den Konsum. So sehen wir die Dinge; das erlauben Sie mir bitte zu sagen. Worin besteht der Unterschied in der Kapitalwirkung, wenn Sie Fremdkapital von außen hereinnehmen oder wenn Sie in dem Umfange Kredit schöpfen, in dem das nach unseren Vorstellungen — mein Kollege Dr. Nölting hat die Grenzen deutlich aufgezeigt — durchgeführt werden kann?

    (Zuruf von der CDU: Ahnungslos!)

    - Ahnungslos? Ganz so ahnungslos sind wir nicht!