— insgesamt ungefähr 7 Millionen Menschen, denen sich noch 2 Millionen angeschlossen haben, die glaubten, die Zwangswirtschaft und das Zwangsleben in der Ostzone nicht mehr ertragen zu können.
Wir haben in ein sowieso schon weit übervölkertes Gebiet, in dem 36 Millionen Menschen lebten, 9 Millionen Menschen dazubekommen, die wir in unser Wirtschaftsleben eingliedern sollten und mußten, wenn wir ihnen wieder eine wirtschaftliche Grundlage geben wollten, ein Problem, vor das keine zweite Volkswirtschaft in Europa oder der Welt gestellt worden ist.
Wenn mancher einmal dazu überginge, seine politischen Freunde in England oder Amerika danach zu fragen, ob man in diesen Volkswirtschaften glaubte, ohne die schwersten Störungen ein Viertel der ursprünglichen Menschen zusätzlich aufnehmen zu können, dann würde er wahrscheinlich eine andere Antwort bekommen, als sie uns leider Gottes aus unserem eigenen Volk manchmal entgegengebracht wird.
Ich bin der letzte, der irgendwie einen Grund oder eine Veranlassung hat, mich gegen das zu stellen, was über das wirtschaftspolitische Tun der englischen Regierung gesagt wird. Man soll uns aber um Gottes willen England nicht als Beispiel hinstellen, weil es sich hier um zwei ganz grundsätzlich andere Dinge handelt. Einmal hat die englische Volkswirtschaft nicht die furchtbaren Verwüstungen über sich ergehen lassen müssen, wie sie bei uns gegeben waren.
Zweitens hatte die englische Volkswirtschaft sofort nach Einstellung der Feindseligkeiten die Möglichkeit, an den friedensmäßigen Aufbau ihrer Wirtschaft heranzugehen. Dazu hat England von vornherein weitgehend finanzielle Hilfe von den Amerikanern bekommen, und dazu standen doch
der englischen Volkswirtschaft sofort die Welt und die Weltmärkte offen; alles Dinge, die doch bei uns nicht zutreffen.
Wir sind doch erst seit der allerkürzesten Zeit in der Lage, die ersten Anfänge eines normalen wirtschaftlichen Lebens wieder in die Wege zu leiten.
Das sollten doch auch die Herren und Damen von der Opposition anerkennen! Wir wollen also an die Arbeit gehen, die uns obliegt, und wir wollen die Verhältnisse so nehmen, wie sie nun einmal sind. Es hat ja keinen Zweck, daß wir uns nur in der Vergangenheit bewegen.
Der Herr Bundeskanzler hat Ihnen gesagt, was nach langem, langem schwerem Ringen von der Bundesregierung auf wirtschaftlichen Ebenen nun endlich vorbereitet werden konnte, nachdem die allergrößten Schwierigkeiten überwunden werden mußten. Sie kennen sie doch genau so gut wie ich. Wir haben einmal dafür zu sorgen, daß unsere neue Währung nicht wieder in sich zusammenbricht; denn wo wollten wir denn hin, wenn unsere Generation dreimal in ihrem Leben um die Erträgnisse ihrer Ersparnisse betrogen würde? Ich glaube, das wäre das letzte, was wir unserem Volke zumuten können.
Soweit es sich darum handelt, Mittel einzusetzen, die aus den Gegenwertfonds kommen, so wissen Sie doch, daß wir dazu die Zustimmung derjenigen haben müssen, die nun einmal Eigentümer dieser Geldmittel sind.
Das sollten wir offen und frei sehen und danach handeln.
Ich weiß, daß wir in der Bundesregierung vor eminent schwierigen Aufgaben stehen. Das Arbeitslosenproblem hat dadurch seine besondere Note, daß der größte Teil der Arbeitslosen Jugendliche sind. Man fragt: woher kommt das? Die Antwort ist gar nicht so schwer. Der Nationalsozialismus hat die jungen Menschen ohne eine ausreichende berufliche Ausbildung zum Arbeitsdienst gebracht, er hat sie von da zum Militär gehen lassen, und dann haben Hunderttausende jahrelang in der Kriegsgefangenschaft gesessen. Diese Menschen sind nicht in der Lage zu sagen, daß sie eine abgeschlossene Berufsausbildung hätten. Wir werden die Aufgabe haben, diesen Menschen in einer Nachschulung das zu geben, was sie im Wirtschaftskampf nun einmal nötig haben.
Dazu kommt ein zweites: die Zahl derjenigen jungen Menschen, die jetzt aus der Schule entlassen werden und in der geschrumpften Wirtschaft ihren Platz noch nicht finden können, ist sehr groß. Wir sind uns in der Regierung völlig klar darüber, daß wir diejenigen jungen Menschen, die jetzt noch nicht in ein Lehr- oder Arbeitsverhältnis kommen können, schulmäßig wirtschaftlich so schulen müssen, daß wir sie zu einem späteren Zeitpunkt mit einer verkürzten Lehrzeit ins Wirtschaftsleben überführen können.
Das sind die Dinge, die vor uns stehen, und wir sollten uns doch alle in diesem Moment darüber klar sein, daß es verantwortungslos wäre, wenn nicht jeder im deutschen Volke das, was Ihnen die Regierung heute vorgelegt hat, so unterstützt,
daß in unser Wirtschaftsleben ein neuer Impuls und ein neues Rollen kommt . Täuschen Sie sich doch nicht! Es handelt sich ja nicht um den Kampf der Bundesregierung, sondern um den Kampf des deutschen Volkes um die nötige Freiheit im wirtschaftlichen Tun.
Sie alle wissen doch, welch eminente Hemmungen wir noch vor uns haben. Gehen Sie doch einmal hin und sehen Sie sich die Verhältnisse beispielsweise in einem der typischsten Flüchtlingsländer, in Schleswig-Holstein, an. 1,6 Millionen Einwohner vor dem Kriege! In diesem Gebiet war die übergroße Zahl der Menschen in der Agrarwirtschaft tätig, nur ein kleinerer Prozentsatz in der Industrie, und diese Industrien hatten ihre Untermauerung entweder in der Kriegsmarine oder im Schiffsbau, oder die Menschen sind selbst zur See gefahren. Nichts mehr davon ist vorhanden. Eine Kriegsmarine haben wir nicht mehr, und wir werden ihr vielleicht auch nicht allzusehr nachtrauern. Aber wenn Sie heute nach Kiel kommen und sehen die -zigtausend Menschen, die früher für die Kriegsmarine gearbeitet haben und heute keine Wirtschaftsgrundlage besitzen, dann sehen Sie die Schwierigkeiten. Gehen Sie nach Lübeck hin, nach der Stadt, die vom Ostseehandel gelebt hat. Wir haben keinen Ostseehandel mehr, die Menschen haben ihre natürliche Lebensgrundlage verloren. Und darüber hinaus waren wir doch im Schiffsbau so eingeengt, daß wir erstmalig vor zwei Jahren die Genehmigung bekamen, die 36 Heringsdampfer zu bauen. Früher arbeiteten auf unseren Werften 78 000 Menschen, und jeder, der den Schiffsbau kennt, weiß, daß dazu vielleicht einige Hunderttausend Menschen kamen, die auch aus diesem Sektor ihre Lebensgrundlage gefunden haben. Heute habe ich allein auf den Arbeitsämtern nicht weniger als 32 000 Seeleute, die arbeitslos sind, weil es sogar verboten ist, daß deutsche Seeleute auf ausländischen Schiffen fahren dürfen.
Das sind doch die Einschränkungen, die Hemmungen, die wir nun einmal haben, und darum, hier Freiheiten zu bekommen, geht doch der gemeinsame Kampf des deutschen Volkes,
und deshalb dürfen wir meines Erachtens diese Probleme der Arbeitslosigkeit nicht zu innerpolitischen Kampfparolen machen.
Wer in einem Arbeitsministerium sitzt - gleichgültig, ob es hier in Bonn beim Bund ist oder in irgendeinem Land —, der weiß doch, daß es in Deutschland Leute gibt, die immer und immer wieder schwarz in schwarz malen. Ein ganz großes Institut — und zwar das Weltwirtschaftliche Institut in Kiel — sagte uns vor der Währungsreform eine kommende Arbeitslosigkeit von 6 Millionen Menschen voraus. Wir sind Gott sei Dank vorbeigekommen. Und als wir das Sozialversicherungsanpassungsgesetz berieten und damals den Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 61/2 auf 4 Prozent senkten, da waren es die Länderminister, die uns gesagt haben: es kommt die Zeit, wo ihr die 61/2 Prozent für den alten Zweck braucht. Und was haben wir dann in diesem Sommer erlebt? Gerade von Rheinland und Westfalen kamen die Stimmen zu uns, die sagten: richtet euch darauf ein, 3 Millionen ist das wenigste, was wir an Arbeitslosen in diesem