Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man bösartig ist, kann man in der Tat das Wort „Parlament" mit „Schwatzbude" übersetzen.
Aber dann muß das Parlament dazu Anlaß geben. Ich fürchte, unsere werdende deutsche Demokratie läuft Gefahr, zu einer so bösartigen Kennzeichnung immer wieder Anlaß zu geben. Wäre dieser Antrag nicht aus den Reihen der Freien Demokratischen Partei gestellt worden, meine Damen und Herren, dann wäre er sicher .aus unseren Reihen gestellt worden.
— Ich möchte auch Herrn Kollegen Mücke das gleich zum Troste sagen, nicht etwa gewendet gegen unsere große Oppositionspartei, die Sozialdemokraten, sondern auch gegen uns selbst: wir wollten hierdurch eine Selbstkontrolle einführen. Wir sind ja nicht so starr und uniform und sind nicht nach einem -einzigen Exerzierreglement ausgerichtet, daß nicht auch aus unseren Reihen sehr lebhaft Initiativen wüchsen. Auch in unseren Reihen wollten wir das etwas dämpfen. Wir wollten nicht nur agitatorische Anträge zurückhalten, sondern wir wollten alle diejenigen Anträge zurückhalten, die finanziell nicht sorgfältig genug durchdacht sind.
Was liegt denn hier mit diesem Antrag vor? Wir alle haben eine selbstverständliche, und zwar verfassungsrechtliche Pflicht, uns bei Einbringung jeder Vorlage klarzumachen, was sie kosten wird und ob die Mittel dafür vorhanden sind. Das ist das, was jeder von uns verfassungsrechtlich zu tun verpflichtet ist. Und nun meine ich, daß diese
Pflicht durch die vorgesehene Regelung der Geschäftsordnung jetzt nur rechtliche Form annimmt. Der Herr Kollege Dr. Mücke hat leider den Juristen von der Mehrheit des Ausschusses eine schlechte Zensur erteilt; aber leider pflegt es ja manchmal so zu gehen, daß man sich über Zensuren nicht einigen kann. Ich kann mich auch über diese Zensur nicht einigen und muß daher zu den Rechtsfragen, die hier in Frage stehen, noch eine kurze Bemerkung machen.
Die erste Frage: Wird denn wirklich das Initiativrecht des Bundestags durch diese Bestimmung verletzt oder auch nur gefährdet? Die zweite Frage wäre: Ist es richtig, daß die vorgesehene Regelung durch Artikel 113 überflüssig oder gar verfassungswidrig erschiene?
Zum Initiativrecht ist folgendes zu sagen: Unser Grundgesetz enthält dafür die einzige Bestimmung des Artikel 76, die besagt, daß Gesetzesvorlagen beim Bundestag und — soweit der Bundestag selbst in Frage kommt — aus der Mitte des Bundestags einzubringen sind. Was bestimmt nun die neue Regelung der Geschäftsordnung hierzu? Nun, die Einbringung einer Gesetzesvorlage beim Bundesrat läuft technisch so ab, daß zunächst einmal der Antrag beim Präsidenten des Bundestags eingereicht wird. Und nun handelt es sich um die weitere Behandlung. Das kann so geschehen, daß der Bundestagspräsident nunmehr den Antrag dem Plenum zuleitet. Das kann aber auch so geschehen, daß er zunächst diesen Antrag einem Ausschuß zuleitet, wenn er dazu die Ermächtigung des Bundestages hat.
Diese Ermächtigung des Hauses könnte ihm speziell erteilt werden. Sie kann ihm aber auch generell durch eine entsprechende Bestimmung der Geschäftsordnung erteilt werden. Diese generelle Ermächtigung wird in dem neuen § 48 a vorgesehen. Dadurch wird die Autonomie des Bundestags in keiner Weise beeinträchtigt, denn er selbst gibt sich ja diese Ordnung.
Es ist dies, was Herr Dr. Höpker-Aschoff gesagt hat: eine Maßnahme der Selbstdisziplin aus diesem Parlament heraus.
— Dieses Argument, Herr Renner, lasse ich methodisch gelten. Wenn ein Argument gegeben wird, dann müßte es ein Argument aus dem Gesichtspunkt des Minderheitsschutzes sein. Aber dieses Argument geht auch fehl. Es ist nun einmal sa, daß in einem Parlament mit Mehrheit entschieden wird; wir sind Demokraten.
Es gibt Minderheitsprobleme, die durchaus geschützt werden müssen und geschützt werden. — Verzeihung, Herr Seelos, ich habe Ihren Einwand nicht verstanden.
— Nein, wir wollen ja die Geschäftsordnung ändern, wir wollen auf Grund der geänderten Geschäftsordnung in. Zukunft arbeiten.
Ich sehe wirklich kein Argument, das aus Gesichtspunkten des Minderheitsschutzes herkommen könnte, denn, meine Damen und Herren, Sie ha-
ben ja die Möglichkeit, in Zukunft Ihre Anträge zu stellen. Es wird Ihnen nur die Aufgabe gestellt, das, was Sie ohnehin überlegen müssen: „Woher kommt das Geld?", auch äußerlich zur Darstellung zu bringen.
Man muß wirklich sagen, wenn das Initiativrecht eingeschränkt würde, wäre dies verfassungswidrig. Das Initiativrecht wird aber nicht eingeschränkt, es ist eine Verfahrensregelung, lediglich ein modus procedendi, der ohne weiteres jedem Abgeordneten, auch Ihnen, Herr Renner, die Möglichkeit gibt, den Antrag, den Sie zu stellen beabsichtigen, auch zu stellen. Warum wehren Sie sich denn so sehr dagegen, daß Sie gleichzeitig mit ihrem Antrag sagen: „Ich mache den und den Ausgleichsvorschlag?" Ich habe bisher in den Versammlungen draußen, in denen ich über dieses Problem gesprochen habe, die ungeteilte Zustimmung nicht nur der CDU-Zuhörer, sondern auch der andern Zuhörer gefunden, und ich habe es gewiß nicht einseitig dargestellt.
Zu Artikel 113. Da verstehe ich die Gedankengänge der Gegner des Antrages am allerwenigsten. Der Artikel 113 gibt der Regierung — das ist neu im deutschen Parlamentsrecht — das Recht, eine Zustimmung zu Vorlagen zu geben, die Ausgabenerhöhungen mit sich bringen. Wie nun durch Artikel 113 dieser beabsichtigte § 48 a überflüssig oder gar verfassungswidrig werden soll, ist mir schlechterdings unbegreiflich.
Ebenso unbegreiflich ist mir, daß, wie Herr Dr. Mücke sagte, der Artikel 113 etwa gegenstandslos werden soll. Ich sehe im Gegenteil in diesem § 48 a eine höchst sinnvolle Ergänzung des Artikel 113.
Dr. Mücke hat eigentlich selbst das Stichwort gegeben, indem er sagte „der viel weitergehende Artikel 113". In der Tat, er geht sehr viel weiter. Sehen wir den Fall ganz einfach, wie er abläuft: Es wird ein Antrag gestellt, der eine Ausgabenerhöhung mit sich bringt. Mit diesem Antrag muß der Antragsteller nun sofort den Ausgleichsvorschlag verbinden. Nun hat die Regierung die Gelegenheit, ihr Ja oder ihr Nein zu sagen. Wie soll denn da der Regierung die politische Verantwortung abgenommen werden? Es wird doch in dieser grundsätzlichen Frage überhaupt nichts geändert. Aber was sehr wichtig ist: ein Auseinanderklaffen zwischen der Stellungnahme der Regierung und dem, was der Antragsteller beabsichtigt, wird dadurch außerordentlich gemildert. Es besteht die Möglichkeit, daß schon sehr früh eine Annäherung der Standpunkte erreicht werden kann. Also man kann doch wirklich nicht sagen, daß der Artikel 113 dadurch gegenstandslos geworden sei. Meine Freunde sehen daher in diesem Antrag keinerlei Beeinträchtigung der Rechte des Plenums, der Rechte des einzelnen Abgeordneten; sie halten die Neufassung für durchaus mit dem Grundgesetz übereinstimmend.
Ich möchte der Opposition doch immerhin noch eines sagen: wir haben die wirklich gefährlichen Bestimmungen in sehr ernster Erwägung der Grundsätze der Verfassung herausgenommen. Wir haben die zwei Bestimmungen herausgenommen, die wirklich verfassungswidrig oder mindestens bedenklich gewesen wären: einmal daß die Behandlungsweise durch den Präsidenten des Bundestages von der Zustimmung der Bundesregierung abhängig gemacht wurde, und zum anderen — und das ist sicher der wichtigste Eingriff in den ursprünglichen Vorschlag gewesen —, daß wir nicht verlangt haben, daß für den Ausgleichsantrag eine Anerkennung der Regierung zu holen ist, sondern daß die Regierung dazu nur zu hören ist. Man kann uns also von der Mehrheit der Ausschüsse wirklich nicht den Vorwurf machen, daß wir das Grundgesetz nicht berücksichtigt hätten.
Zur Zweckmäßigkeit der Vorschrift sollte im übrigen wirklich nicht sehr viel zu sagen sein. Ich möchte nur die Opposition bitten, zu glauben, daß es uns -- leider wird auch das allmählich zu einem Schlagwort — nicht darum geht, die Opposition „abzuwürgen" oder zurückzudrängen. Herr Kollege Dr. Arndt, es ist nicht so. Ich kann Ihnen sagen, auch meine Freunde, mit denen ich darüber beraten habe, wollten damit das erreichen, was Herr Dr. Höpker-Aschoff glänzend formuliert hat: wir wollten dieses Parlament in die Lage versetzen, so sachlich zu arbeiten, daß es endlich das Ansehen im Volke erwirbt, das es braucht, damit nicht dieses Parlament selbst und die ganze deutsche Demokratie in ein paar Jahren verwirtschaftet wird. Daher bitten wir Sie, den Antrag anzunehmen.