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ID0103507800

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
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    5. Herr: 1
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    7. Renner.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 35. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Februar 1950 1105 35. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1106A, 1139C Zustimmung des Bundesrats zu dem Entwurf eines Notgesetzes für die deutsche Hochseefischerei 1106B Anfrage Nr. 40 der Abg. Goetzendorff und Genossen betreffend deutsche Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie (Drucksachen Nr. 439 und 513) 1106B Anfrage Nr. 33 der Abg. Goetzendorff und Genossen betreffend Flüchtlingsgesetz (Drucksachen Nr. 413 und 516) . . . 1106B Anfrage Nr. 39 der Abg. Dr. Becker und Genossen betreffend Benzinzuteilung (Drucksachen Nr. 438 und 521) . . . . 1106B Anfrage Nr. 35 der Abg. Strauss, Dr. Solleder, Dr. Jaeger und Genossen betreffend Lokomotiven für die Deutsche Bundesbahn (Drucksachen Nr. 422 und 517) 1106B Anfrage Nr. 37 der Abg. Winkelheide, Hoppe und Genossen betreffend Auftragvergebung der Bundesbahn an die Privatwirtschaft (Drucksachen Nr. 425 und 518) 1106B Anfrage Nr. 37 der Fraktion der SPD betreffend Überbrückungsauftrag für die Lokomotivindustrie (Drucksachen Nr. 436 und 519) 1106B Anfrage Nr. 38 der Fraktion der SPD betreffend Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für 1950 und Jahresabschluß für 1948 (Drucksachen Nr. 437 und 520) 1106C Anfrage Nr. 36 der Abg. Strauss, Dr. Solleder, Dr. Jaeger und Genossen betreffend Welt-Weizenkonvention (Drucksachen Nr. 423 und 310) 1106C Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz betreffend Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abg Marx 1106C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen zur Förderung der Wirtschaft von Groß -Berlin (West) (Drucksache Nr. 496) 1106D Dr. Seelos (BP) (zur Geschäftsordnung) . . . 1106D, 1107C, 1110B Ollenhauer (SPD) (zur Geschäftsordnung) 1107A Dr. Bucerius (CDU) . . . 1107B, 1114D Schäffer, Bundesminister der Finanzen . . . . . . . 1107D Frau Schroeder (SPD) 1110D Rische (KPD) 1113D Dr. Reismann (Z) . . . . . . 1116D Dr. Reif (FDP) 1118A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Neuordnung des Kohlenbergbaues (Drucksachen Nr. 472 und 109) 1119B Dr. Blank (FDP) (Berichterstatter) 1119B Blank (CDU) 1119C, 1125B Henßler (SPD) . . . . . . . . 1120B Agatz (KPD) 1121D Euler (FDP) . . . . . . 1122D, 1125C Dr. Leuchtgens (DRP) 1123C Aumer (BP) 1124B Dr. Bertram (Z) 1125A Dr. von Merkatz (DP) 1125D Beratung des Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Einfügung eines neuen § 48 a (Finanzvorlagen) in die vorläufige Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksachen Nr. 498, 258, 129, 59) 1126B Freiherr von Aretin (BP) . . . 1126B Dr. Mücke (SPD) 1127A Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . . 1128B Kiesinger (CDU) 1130B Renner (KPD) 1131C Dr. Reismann (Z) 1133B Dr. Arndt (SPD) . . . . . . 1134B Dr. Becker (FDP) . . . . . . 1135B Dr. Schmid (SPD) 1135D Beratung des Antrags der Abgeordneten Kuhlemann, Freudenberg, Faßbender, Degener, Kalbitzer, Dr. Baumgartner und Genossen betreffend Paßverfahren (Drucksache Nr. 468) . . . . . . . 1137C Dr. Gerstenmaier (CDU) 1137C Übersicht über die vom Ausschuß für Petitionen erledigten Eingaben (Drucksache Nr. 478) 1138B IInterfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 499) 1138B Dr. Arndt (SPD) . 1138C Erklärungen betreffend Zwischenruf „Ehrlose Landesverräter" 1138C Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 1138D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1139C Die Sitzung wird um 13 Uhr 45 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Kurt Georg Kiesinger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man bösartig ist, kann man in der Tat das Wort „Parlament" mit „Schwatzbude" übersetzen.

    (Abg. Strauss: Das ist aber eine schlechte Übersetzung!)

    Aber dann muß das Parlament dazu Anlaß geben. Ich fürchte, unsere werdende deutsche Demokratie läuft Gefahr, zu einer so bösartigen Kennzeichnung immer wieder Anlaß zu geben. Wäre dieser Antrag nicht aus den Reihen der Freien Demokratischen Partei gestellt worden, meine Damen und Herren, dann wäre er sicher .aus unseren Reihen gestellt worden.

    (Sehr gut! in der Mitte. — Zurufe links.) — Ich möchte auch Herrn Kollegen Mücke das gleich zum Troste sagen, nicht etwa gewendet gegen unsere große Oppositionspartei, die Sozialdemokraten, sondern auch gegen uns selbst: wir wollten hierdurch eine Selbstkontrolle einführen. Wir sind ja nicht so starr und uniform und sind nicht nach einem -einzigen Exerzierreglement ausgerichtet, daß nicht auch aus unseren Reihen sehr lebhaft Initiativen wüchsen. Auch in unseren Reihen wollten wir das etwas dämpfen. Wir wollten nicht nur agitatorische Anträge zurückhalten, sondern wir wollten alle diejenigen Anträge zurückhalten, die finanziell nicht sorgfältig genug durchdacht sind.

    Was liegt denn hier mit diesem Antrag vor? Wir alle haben eine selbstverständliche, und zwar verfassungsrechtliche Pflicht, uns bei Einbringung jeder Vorlage klarzumachen, was sie kosten wird und ob die Mittel dafür vorhanden sind. Das ist das, was jeder von uns verfassungsrechtlich zu tun verpflichtet ist. Und nun meine ich, daß diese
    Pflicht durch die vorgesehene Regelung der Geschäftsordnung jetzt nur rechtliche Form annimmt. Der Herr Kollege Dr. Mücke hat leider den Juristen von der Mehrheit des Ausschusses eine schlechte Zensur erteilt; aber leider pflegt es ja manchmal so zu gehen, daß man sich über Zensuren nicht einigen kann. Ich kann mich auch über diese Zensur nicht einigen und muß daher zu den Rechtsfragen, die hier in Frage stehen, noch eine kurze Bemerkung machen.
    Die erste Frage: Wird denn wirklich das Initiativrecht des Bundestags durch diese Bestimmung verletzt oder auch nur gefährdet? Die zweite Frage wäre: Ist es richtig, daß die vorgesehene Regelung durch Artikel 113 überflüssig oder gar verfassungswidrig erschiene?
    Zum Initiativrecht ist folgendes zu sagen: Unser Grundgesetz enthält dafür die einzige Bestimmung des Artikel 76, die besagt, daß Gesetzesvorlagen beim Bundestag und — soweit der Bundestag selbst in Frage kommt — aus der Mitte des Bundestags einzubringen sind. Was bestimmt nun die neue Regelung der Geschäftsordnung hierzu? Nun, die Einbringung einer Gesetzesvorlage beim Bundesrat läuft technisch so ab, daß zunächst einmal der Antrag beim Präsidenten des Bundestags eingereicht wird. Und nun handelt es sich um die weitere Behandlung. Das kann so geschehen, daß der Bundestagspräsident nunmehr den Antrag dem Plenum zuleitet. Das kann aber auch so geschehen, daß er zunächst diesen Antrag einem Ausschuß zuleitet, wenn er dazu die Ermächtigung des Bundestages hat.

    (Abg. Renner: Da müssen wir das Grundgesetz ändern!)

    Diese Ermächtigung des Hauses könnte ihm speziell erteilt werden. Sie kann ihm aber auch generell durch eine entsprechende Bestimmung der Geschäftsordnung erteilt werden. Diese generelle Ermächtigung wird in dem neuen § 48 a vorgesehen. Dadurch wird die Autonomie des Bundestags in keiner Weise beeinträchtigt, denn er selbst gibt sich ja diese Ordnung.

    (Lachen bei der KPD.)

    Es ist dies, was Herr Dr. Höpker-Aschoff gesagt hat: eine Maßnahme der Selbstdisziplin aus diesem Parlament heraus.

    (Abg. Renner: Eine Diktatur der Mehrheit!)

    — Dieses Argument, Herr Renner, lasse ich methodisch gelten. Wenn ein Argument gegeben wird, dann müßte es ein Argument aus dem Gesichtspunkt des Minderheitsschutzes sein. Aber dieses Argument geht auch fehl. Es ist nun einmal sa, daß in einem Parlament mit Mehrheit entschieden wird; wir sind Demokraten.

    (Abg. Dr. Seelos: Aber nicht gegen die Geschäftsordnung!)

    Es gibt Minderheitsprobleme, die durchaus geschützt werden müssen und geschützt werden. — Verzeihung, Herr Seelos, ich habe Ihren Einwand nicht verstanden.

    (Abg. Dr. Seelos: Ich sagte, Sie dürfen nicht Mehrheitsentscheidungen gegen die Geschäftsordnung treffen!)

    — Nein, wir wollen ja die Geschäftsordnung ändern, wir wollen auf Grund der geänderten Geschäftsordnung in. Zukunft arbeiten.
    Ich sehe wirklich kein Argument, das aus Gesichtspunkten des Minderheitsschutzes herkommen könnte, denn, meine Damen und Herren, Sie ha-


    (Kiesinger)

    ben ja die Möglichkeit, in Zukunft Ihre Anträge zu stellen. Es wird Ihnen nur die Aufgabe gestellt, das, was Sie ohnehin überlegen müssen: „Woher kommt das Geld?", auch äußerlich zur Darstellung zu bringen.
    Man muß wirklich sagen, wenn das Initiativrecht eingeschränkt würde, wäre dies verfassungswidrig. Das Initiativrecht wird aber nicht eingeschränkt, es ist eine Verfahrensregelung, lediglich ein modus procedendi, der ohne weiteres jedem Abgeordneten, auch Ihnen, Herr Renner, die Möglichkeit gibt, den Antrag, den Sie zu stellen beabsichtigen, auch zu stellen. Warum wehren Sie sich denn so sehr dagegen, daß Sie gleichzeitig mit ihrem Antrag sagen: „Ich mache den und den Ausgleichsvorschlag?" Ich habe bisher in den Versammlungen draußen, in denen ich über dieses Problem gesprochen habe, die ungeteilte Zustimmung nicht nur der CDU-Zuhörer, sondern auch der andern Zuhörer gefunden, und ich habe es gewiß nicht einseitig dargestellt.

    (Abg. Renner: Das will ich glauben: die CDU und Herr Pferdmenges werden ohne weiteres damit zufrieden sein!)

    Zu Artikel 113. Da verstehe ich die Gedankengänge der Gegner des Antrages am allerwenigsten. Der Artikel 113 gibt der Regierung — das ist neu im deutschen Parlamentsrecht — das Recht, eine Zustimmung zu Vorlagen zu geben, die Ausgabenerhöhungen mit sich bringen. Wie nun durch Artikel 113 dieser beabsichtigte § 48 a überflüssig oder gar verfassungswidrig werden soll, ist mir schlechterdings unbegreiflich.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Ebenso unbegreiflich ist mir, daß, wie Herr Dr. Mücke sagte, der Artikel 113 etwa gegenstandslos werden soll. Ich sehe im Gegenteil in diesem § 48 a eine höchst sinnvolle Ergänzung des Artikel 113.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Dr. Mücke hat eigentlich selbst das Stichwort gegeben, indem er sagte „der viel weitergehende Artikel 113". In der Tat, er geht sehr viel weiter. Sehen wir den Fall ganz einfach, wie er abläuft: Es wird ein Antrag gestellt, der eine Ausgabenerhöhung mit sich bringt. Mit diesem Antrag muß der Antragsteller nun sofort den Ausgleichsvorschlag verbinden. Nun hat die Regierung die Gelegenheit, ihr Ja oder ihr Nein zu sagen. Wie soll denn da der Regierung die politische Verantwortung abgenommen werden? Es wird doch in dieser grundsätzlichen Frage überhaupt nichts geändert. Aber was sehr wichtig ist: ein Auseinanderklaffen zwischen der Stellungnahme der Regierung und dem, was der Antragsteller beabsichtigt, wird dadurch außerordentlich gemildert. Es besteht die Möglichkeit, daß schon sehr früh eine Annäherung der Standpunkte erreicht werden kann. Also man kann doch wirklich nicht sagen, daß der Artikel 113 dadurch gegenstandslos geworden sei. Meine Freunde sehen daher in diesem Antrag keinerlei Beeinträchtigung der Rechte des Plenums, der Rechte des einzelnen Abgeordneten; sie halten die Neufassung für durchaus mit dem Grundgesetz übereinstimmend.
    Ich möchte der Opposition doch immerhin noch eines sagen: wir haben die wirklich gefährlichen Bestimmungen in sehr ernster Erwägung der Grundsätze der Verfassung herausgenommen. Wir haben die zwei Bestimmungen herausgenommen, die wirklich verfassungswidrig oder mindestens bedenklich gewesen wären: einmal daß die Behandlungsweise durch den Präsidenten des Bundestages von der Zustimmung der Bundesregierung abhängig gemacht wurde, und zum anderen — und das ist sicher der wichtigste Eingriff in den ursprünglichen Vorschlag gewesen —, daß wir nicht verlangt haben, daß für den Ausgleichsantrag eine Anerkennung der Regierung zu holen ist, sondern daß die Regierung dazu nur zu hören ist. Man kann uns also von der Mehrheit der Ausschüsse wirklich nicht den Vorwurf machen, daß wir das Grundgesetz nicht berücksichtigt hätten.
    Zur Zweckmäßigkeit der Vorschrift sollte im übrigen wirklich nicht sehr viel zu sagen sein. Ich möchte nur die Opposition bitten, zu glauben, daß es uns -- leider wird auch das allmählich zu einem Schlagwort — nicht darum geht, die Opposition „abzuwürgen" oder zurückzudrängen. Herr Kollege Dr. Arndt, es ist nicht so. Ich kann Ihnen sagen, auch meine Freunde, mit denen ich darüber beraten habe, wollten damit das erreichen, was Herr Dr. Höpker-Aschoff glänzend formuliert hat: wir wollten dieses Parlament in die Lage versetzen, so sachlich zu arbeiten, daß es endlich das Ansehen im Volke erwirbt, das es braucht, damit nicht dieses Parlament selbst und die ganze deutsche Demokratie in ein paar Jahren verwirtschaftet wird. Daher bitten wir Sie, den Antrag anzunehmen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Mit Worten läßt sich trefflich streiten!" Und wenn nun ein Jurist und ein CDU Abgeordneter anfängt, mit Worten zu streiten, dann braucht man sich über das Ergebnis wirklich nicht zu wundern. Was Sie angeblich wollen, das stent im Protokoll, im Ausschußbericht. Sie wollen angeblich parteipropagandistische und agitatorische Anträge abbremsen.

    (Zuruf von der CDU: Nicht nur angeblich, sondern unbedingt!)

    Sie haben aber fühlbar andere Absichten dabei. Was heißt „agitatorische Anträge"? Für die Herren dieser Koalitionsmehrheit und für die AdenauerRegierung ist alles Agitation, was an Forderungen für die werktätigen Massen, die Kriegsopfer, die hungernden Sozialberechtigten und die Erwerbslosen geteiit wird.

    (Widerspruch in der Mitte und rechts.)

    Der Herr Kollege Höpker-Aschoff, dem man bestimmt die Sachkenntnis und auch die Erkenntnis, worum es in Wirklichkeit geht, nicht absprechen darf, sprach hier von dem Feld, auf dem sich die Opposition tummle. Nun, wir haben vor einigen Wochen im Ausschuß, als die Beratungen über diesen Antrag begannen, von der Regierung eine Mitteilung bekommen, aus der zu ersehen war, daß zahlenmäßig und bezüglich der finanziellen Auswirkungen von den Koalitionsparteien das Maximum an Anträgen gestellt worden ist.

    (Zuruf von der FDP: Um so notwendiger ist es gewesen!)

    — Um so notwendiger wäre es, daß Sie sieh Selbstzucht auferlegen!

    (Zurufe rechts.)

    Aber Sie haben ja gar nicht nötig, sich Selbstzucht aufzuerlegen; dafür sorgt Herr Dr. Konrad Adenauer.

    (Heiterkeit.)



    (Renner)

    Wir wollen uns doch abgewöhnen, solche schönen Worte von der Notwendigkeit der Einschränkung der Freiheit des einzelnen hier auszusprechen. Ich bin der Meinung: hier kommt es darauf an, durchzusetzen, daß das Grundgesetz gewahrt wird. Darauf sollte es besonders Ihnen, den Demokraten und den schrankenlosen Verteidigern des Grundgesetzes ankommen.
    Nun ist darauf hingewiesen worden, daß es schon im alten Reichstag eine ähnliche oder gleiche Bestimmung in dei Geschäftsordnung gab. Diese Bestimmung ist aus einer sehr bösen Zeit des demokratischen Lebens heraus geboren.

    (Abg. Strauss: Gab es damals keine KPD?) — Damals gab es eine KPD. Damals gab es aber auch bürgerliche Parteien und Sozialdemokraten, die nicht mehr gewagt haben, die Politik eines Brüning vor dem Volk politisch zu verantworten. Damals gab es im Reichstag bürgerliche Parteien und Sozialdemokraten, die es vorgezogen haben, über den Weg des Ermächtigungsgesetzes der Regierung die Verantwortung für den Rentenraub, für die Massensteuern, für die Abwälzung der Folgen der kapitalistischen Krise auf das Volk abzuschieben.


    (Abg. Strauß . Ihr habt doch mit den Nazis gemeinsame Sache gemacht!)

    Der damalige Artikel der Geschäftsordnung ist in einer Periode des Zerfalls der Demokratie und nicht in der Periode ihrer Blüte zustande gekommen.

    (Widerspruch in der Mitte und rechts.)

    Herr Kollege Mücke hat gesagt, daß Artikel 113 des Grundgesetzes ein vollwertiger Ersatz für diesen § 48 sein sollte. Er hat gesagt, daß dieser Artikel 113 Ihnen genügen dürfte, um die Regierung davor zu bewahren, daß hier Beschlüsse finanzieller Natur angenommen werden, für die im Etat keine Deckung vorhanden ist.
    Nun zu dem Antrag selber! Da heißt es: Finanzvorlagen werden vom Präsidenten des Bundestags unmittelbar dem zuständigen Ausschuß überwiesen. Das bedeutet, daß erstens hier keine Möglichkeit der Begründung der Anträge gegeben ist. Das bedeutet zweitens Übertragung einer großen Machtfülle an den Bundestagspräsidenten und damit eine schwere Verletzung der Autonomie des Bundestags, die nach Artikel 76 des Grundgesetzes in der Formulierung „Anträge gehen an den Bundestag" ihren Niederschlag findet. Anträge dürften also, wenn Sie das Grundgesetz wahren wollten, nicht durch den Bundestagspräsidenten an einen Ausschuß geleitet werden, sondern müßten bestenfalls oder, sagen wir einmal: schlimmstenfalls, nachdem sie zuvor hier eingebracht sind, durch den Bundestag an den Ausschuß überwiesen werden. Es gibt keinerlei Möglichkeit, zu beweisen, daß die Praxis, die Sie hier einführen wollen, mit Artikel 76 des Grundgesetzes vereinbar ist.
    Nun die zweite Bestimmung: „In Zweifelsfällen entscheidet der Bundestagspräsident im Einvernehmen mit dem Ältestenrat." Ist das die Funktion, die dem Ältestenrat laut Geschäftsordnung zusteht? Wenn Sie das beschließen wollten, müßten Sie die Funktionen des Ältestenrats dahingehend erweitern; daran haben Sie bisher noch nicht gedacht.

    (Abg. Strauss: Stellen Sie doch einen Antrag! Wir stimmen zu! -Weitere Zurufe aus der Mitte.)

    Ich frage: Wo bleibt bei dieser Formulierung, die Sie uns heute zur Beschlußfassung vorgelegt haben, das Initiativrecht des Bundestags, wenn Sie davon ausgehen, daß wir auch auf dem Gebiet des Ausgabenrechts das Recht der Initiative haben? Wie paßt außerdem in das von Ihnen jetzt durchgedrückte Prinzip die Bestimmung hinein, daß Gesetzesvorlagen auch aus der Mitte des Hauses kommen können?
    Und nun zu einem andern Teil dieser Vorlage. Es heißt hier:
    Finanzvorlagen sind alle Vorlagen der Bundesregierung und alle Anträge von Mitgliedern des Bundestags, die in der Hauptsache bestimmt oder in erheblichem Umfang geeignet sind, für die Gegenwart oder die Zukunft auf die öffentlichen Finanzen einzuwirken.
    Für die Zukunft, meine Herren! Für welche Zeitperiode machen wir hier einen Haushaltsplan? Für ein Jahr! Durch diese Festlegung geben wir der jeweiligen Koalitionsmehrheit oder der jeweils an I der Macht befindlichen Regierung die Ermächtigung, Vorlagen mit der Begründung abzulehnen, daß sie in der Perspektive, in 10, 20, 30 oder 40 Jahren einmal zu einer Belastung führen werden.

    (Lachen in der Mitte.)

    Nach der Verfassung stehen Herrn Dr. Adenauer als Bundeskanzler vier Jahre zu.

    (Lachen in der Mitte.)

    Niemand wird mir unterstellen, daß ich ihm privat, ihm persönlich einen vorzeitigen Tod Wünsche.

    (Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Ich möchte nur sagen, daß ich die Regierung — —Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter Renner, das ist ein schlechter Scherz.