Rede von
Friedrich
Rische
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wir I Kommunisten sind keinesfalls erstaunt, daß die Bundesregierung - sicherlich auf allerhöchsten Druck — sich erneut mit der katastrophalen Lage der Westberliner Wirtschaft beschäftigen muß. Das vorliegende Gesetz nennt sich bombastisch „Gesetz über Hilfsmaßnahmen zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin". Bei einem genauen Studium der Vorlage kommt man jedoch zu dem Schluß, daß die Bundesregierung nach Annahme dieses Gesetzes lediglich eine Bürgschaft für die seit langem bankrotte Wirtschaftspolitik des West-Berliner Magistrats übernimmt, und zwar auf Kosten der westdeutschen Steuerzahler.
Ich halte mich bei der Beurteilung des Gesetzentwurfs an die sehr aufschlußreiche Begründung, in der es unter I heißt, daß die West-Berliner Wirtschaft durch die vorgesehene Hilfsaktion befähigt werden soll, ihren Rückstand gegenüber der Wirtschaft der Westzonen aufzuholen. Dies soll im Rahmen einer Sicherung des Warenbezugs aus West-Berlin durch die Übernahme einer Garantie in Höhe von 50 Millionen D-Mark geschehen.
In der Begründung zu Artikel I sind auch die näheren Gründe für die Übernahme einer solchen Garantie angegeben. Es heißt dort, daß die Garantie zur Abdeckung des politischen Risikos gegeben werden soll. Ich stelle die Frage: Hat die westdeutsche Wirtschaft und hat die westdeutsche Bundesregierung so wenig Vertrauen zur Stabilität der politischen Situation in West-Berlin, daß die Bundesregierung den Warenverkehr durch eine Garantie gegen eventuelle Verluste abdecken muß? West-Berlin ist heute leider ein
Eldorado für Schieber und Wirtschaftssaboteure,
die alles aufbieten, um die Berliner Wirtschaft zu schädigen.
Ich stelle die Frage: Sollen die Schieber für ihre Verluste durch die Bundesregierung auf dem Wege über diese Vorlage entschädigt werden?
Nicht anders verhält es sich auch mit Artikel II der Vorlage. Die Bewag ist ein ausgesprochenes Verlustgeschäft, ein Kind der Spalterpolitik. Die Gewährung einer Bürgschaft würde nicht der West-Berliner Bevölkerung und der West-Berliner Wirtschaft, sondern einzig und allein den amerikanischen Kreditgebern zugute kommen. Die Amerikaner sind bei der Hergabe von Krediten sehr vorsichtig und wollen ihr Geld
durch eine Bundesbürgschaft gesichert haben. Sie hetzen zwar zum Kalten Krieg, Aber die Verluste im Kalten Krieg sollen die westdeutschen Steuerzahler aufbringen. Ich zweifle auch daran, ob der West-Berliner Wirtschaft durch die vorgesehenen Umsatzsteuervergünstigungen eine wirklich echte Hilfe geboten wird. Wir protestieren aber auf das energischste dagegen, daß auch solche Großkonzerne an den Steuervergünstigungen teilnehmen sollen, die ihre Geschäftsleitungen nach Westdeutschland verlegten.
Das ist eine öffentliche Belohnung der aus Berlin feige geflüchteten Großfirmen und eine direkte
Benachteiligung der westdeutschen Wirtschaft.
Zu der Vorlage, meine Damen und Herren, kann ich darum nur sagen, daß sie den Bankrott einer Firma decken soll, die sich „Großberliner Magistrat" und ganz bescheiden in Klammern „West" nennt.
In Westberlin hat die Zahl der Arbeitlosen, wie die Kollegin Schroeder selbst soeben in bewegten Worten darlegte, die Grenze von 300 000 überschritten. Gemessen an der Einwohnerzahl ist damit der Höchststand des Krisenjahres 1932 übertroffen. Die Gründe dieser Katastrophe, werte Kollegin Schroeder, haben Sie uns allerdings nicht dargelegt.
Die Gründe dieser Katastrophe sind wirtschaftspolitischer und politischer Natur,
wie Sie aus dem Beispiel des Aufbaus im wirklich demokratischen Berlin ersehen können.
Für das laufende Jahr werden in diesem Teil Berlins 400 Millionen D-Mark für den, Aufbau ausgegeben.
Die Industrieproduktion wird den Stand des Jahres 1936 überschreiten. Arbeitslose sind nicht vorhanden; im Gegenteil: es fehlt an Arbeitskräften.
Wir Kommunisten wünschen, daß es in ganz Ber- I lin so zügig aufwärts geht.
Berlin und Deutschland haben darum die Aufgabe, alle Bemühungen zu verstärken, um diese wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ost-Berlin und West-Berlin und der Deutschen Demokratischen Republik auszuweiten.
Nur so, meine Damen und Herren, gibt es eine
wirklich echte Hilfe.
In diesem Zusammenhang erinnere ich Sie an die vom wirklich demokratischen Berlin vorgeschlagene Gesamt-Berliner Wirtschaftskommission. Durch die Schaffung einer derartigen Gesamt- Berliner Wirtschaftskommission könnten alle in West-Berlin bestehenden Schwierigkeiten überwunden werden. Ausweitung des Handels mit Ost-Berlin, mit der Deutschen Demokratischen Republik und mit den Oststaaten, das Ist die sicherste Garantie, die es für die Berliner Wirtschaft letzten Endes geben kann.
Dies ist auch der einzige Weg, der der West-Berliner Wirtschaft bleibt, um aus diesem Chaos, aus dem Währungs- und aus dem Wirtschaftschaos, einen gesicherten Ausweg zu finden.
Ich weiß, daß unsere Ausführungen von der Mehrheit des Hauses nie verstanden werden.
Sie kämpfen um. Berlin, wie der Herr Finanzminister es hier dargelegt hat. Sie kämpfen um Berlin, um die Zitadelle im Kalten Krieg, und weil Sie diese Zitadelle mit Millionen und aber Millionen D-M ark ausrüsten müssen, unterbreiten Sie heute dem Hohen Hause diese Vorlage. Ich sage Ihnen aber jetzt schon: Sie werden nicht erreichen, daß Berlin durch derartige Finanztransaktionen eine wirklich wirksame Wirtschaftshilfe erhält, und Sie erreichen erst recht nicht, daß Berlin weiterhin die verhängnisvolle Rolle im Kalten Krieg spielen wird. Die West -Berliner Bevölkerung und die Ost-Berliner Bevölkerung streben zur Einheit, sie wollen einen einheitlichen demokratischen Berliner Magistrat,
und sie werden diesen demokratischen Magistrat bekommen.
Dabei wird sich dann herausstellen, werte Kollegin Schroeder, daß dieses Berlin, das dann entsteht,
wirklich für Freiheit und Demokratie kämpft gegen jene, die hier in Westdeutschland Freiheit und Demokratie knebeln.