Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungsvorlage, die die grundsätzliche Zustimmung des Bundesrats gefunden hat, behandelt Fragen, die dem Hause nicht neu sind, sondern die in diesem Hause schon vor Wochen und Monaten ernsthaft behandelt worden sind. Es ist nur eine Gesetzesvorlage, die bisher schon beschlossene, dem Hause bekannt gegebene Maßnahmen in Gesetzesform nachholt, insbesondere soweit es sich um Kredite handelt, um deren Ermächtigung gebeten werden muß.
Der Bundesrat hat mit Entschließung vom 28. Januar 1950 zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen und dabei zwei Wünsche ausgesprochen. Der eine Wunsch ist der, daß künftig in den Haushalten sowohl des Bundes wie der Stadt Berlin die Subventionen und Unterstützungsmaßnahmen, die vom Westdeutschen Bund der Stadt Berlin gewährt werden, ausdrücklich ausgewiesen werden. Das ist eine Frage, die bei der nächsten Aufstellung des Haushalts zu prüfen ist und der man wohl wird entsprechen können. - Die zweite Frage ist eine Anregung, zu überlegen, ob die gewährten Umsatzsteuerbefreiungen auch in anderer Form gewährt werden können, nämlich in der Form, daß die Umsatzsteuerbefreiung bereits bei der Lieferung der Ware aus Berlin und nicht erst beim Empfang der Ware und bei der Zahlung des Entgelts in Berlin gezahlt wird. Darüber kann im einzelnen noch im Ausschuß gesprochen werden. Die Bundesregierung hält den Weg, den sie vorgeschlagen hat, für zweckmäßig und richtig.
Meine Damen und Herren! Ich darf aus diesem Anlaß hier eine zusammenfassende Darstellung über die gesamten Hilfsmaßnahmen geben, die der Stadt Berlin bisher gewährt worden sind und künftig weiter gewährt werden sollen.
Ich unterscheide zunächst einmal die Zeit der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. In der Zeit der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes wurden aus Haushaltsmitteln vom Beginn der Blockade bis 31. März 1949 215 Millionen D-Mark zur Verfügung gestellt. 45 Millionen D-Mark hiervon wurden für den Magistrat von Groß-Berlin zum Einkauf von Waren in der Westzone bereit gestellt. Der Erlös aus 1 dem Verkauf dieser Waren ist vom Magistrat gleichfalls zur Deckung des Haushaltsdefizits verwendet worden. Im Haushaltsplan der Verwaltung des ehemaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiets für das Rechnungsjahr 1949/50 wurde weiter ein Betrag von 250 Millionen D-Mark, monatlich 22 Millionen D-Mark festgesetzt. Nachdem es in den Monaten August, September notwendig war, der sich steigernden Notlage in Berlin durch Vorgriffe auf diese Zuschüsse abzuhelfen, waren diese Mittel bereits im Oktober 1949, also in der Zeit, als die Bundesregierung entstanden war, vergeben. Berlin hatte damals auch von den Ländern der französischen Zone aus Erträgnissen des Notopfers weiterhin Zuschüsse im Betrage von 5 Millionen D-Mark erhalten. Als die Bundesregierung den Haushaltsplan aufstellte, hat sie für die Zeit vom Oktober 1949 bis zum 31. März 1950 zunächst einen weiteren Betrag von 184,5 Millionen D-Mark, also monatlich 37 Millionen D-Mark in Aussicht genommen. Der frühere monatliche Zuschuß von 22 Millionen D-Mark ist mit Zustimmung der Länder auch auf 37 Millionen D-Mark heraufgesetzt worden.
Ich bemerke, daß später, als von der Stadt Berlin der Wunsch nach einer weiteren Erhöhung dieses Haushaltszuschusses ausgesprochen wurde, die Länder erklären mußten, daß sie bei ihrer Finanzlage nicht mehr in der Lage seien, einer weiteren Erhöhung der Zuschüsse zuzustimmen. Daraufhin hat das Bundesministerium der Finanzen eine Überbrückung in folgender Form vorgeschlagen: Es schloß einen Kreditvertrag mit der Stadt Berlin über insgesamt 77 Millionen D-Mark. Dieser weitere Betrag war zur
Überbrückung der Zeit bis zum 31. März 1950 bestimmt. Er teilt sich auf in einen Betrag von 62 Millionen D-Mark, der dazu diente, daß der Haushaltszuschuß an die Stadt Berlin im Monat Dezember auf 60 Millionen D-Mark, im Monat Januar auf 55, im Monat Februar auf 50 und im Monat März auf 45 Millionen D-Mark erhöht worden ist. Ein Betrag von 15 Millionen D-Mark ist noch für den Fall zurückgestellt, daß infolge unvorhergesehener Ereignisse die Stadt Berlin in eine Notlage kommen und eine besondere Hilfe notwendig werden sollte.
Neben diesen Haushaltszuschüssen werden mittelbar in der Form der Überlassung von unversteuertem Tabak, Zucker, Branntwein und Zündwaren Zuschüsse gewährt, die von den Ländern der Westzonen bis zum 31. Juli 1949 getragen worden sind und für diese einen Ausfall von 35 Millionen D-Mark bedeuten. Daneben wurde in der gleichen Zeit von der Zweizonenverwaltung, später vom Bund, verbilligter Treibstoff überlassen, was für die Stadt Berlin eine Entlastung von weiteren 6 Millionen D-Mark bedeutet hat und bei den heutigen Verhältnissen eine Erleichterung um 13 Millionen D-Mark bedeuten wird.
Die wirtschaftlichen Maßnahmen für die Stadt Berlin haben darin bestanden, daß um die Jahreswende die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit Unterstützung des Bundes, der hierzu eine Bürgschaft von 11 Millionen D-Mark gegeben hat, einen Betrag von 55 Millionen D-Mark zum Ausbau des Kraftwerkes West der Berliner Elektrizitätswerke erhalten hat. Zur Abdeckung der Verpflichtungen Berlins aus Kohlelieferungen der Westzonen ist eine Kreditzusage des Bundes erforderlich gewesen, durch deren Erfüllung der Bundeshaushalt mit rund 37 Millionen D-Mark belastet wird.
Zur Finanzierung der Wohnungsbauvorhaben und zur Durchführung von Investitionen in Industrie, Handwerk und Handel ist Berlin aus ERP-Mitteln ein Betrag von 95 Millionen D-Mark zugewiesen worden. Weitere 70 Millionen D-Mark aus ERP-Mitteln, die gleichfalls noch in diesem Jahre zur Ausschüttung gelangen sollen, sind von dem Leiter der ERP-Mission in Deutschland bereits zugesagt.
Die Umsatzsteuervergünstigungen für den Erwerb von Berliner Waren werden für den Haushalt Steuerausfälle bzw. -vergütungen und damit Belastungen im Schätzungsbetrage von etwa 50 Millionen D-Mark jährlich bedeuten.
Für die Sicherung des Warenbezugs von Berlin gegen Risiken, die sich aus der politischen Situation ergeben können, ist eine Garantie des Bundes bis zum Betrag von 50 Millionen D-Mark vorgesehen. Darüber hinaus können Berliner Firmen das den Ausfuhrgeschäften anhaftende wirtschaftliche und politische Risiko im Rahmen des für die Wirtschaft des Bundesgebietes geschaffenen Garantie- und Bürgschaftsrahmens zu Lasten der Bundesrepublik abdecken.
Durch die Aufwertung der Berliner Uraltkonten unter Mitwirkung der Bank deutscher Länder werden in diesem, Jahre und in den kommenden Jahren weitere rund 250 Millionen D-Mark für die Berliner Wirtschaft verfügbar werden.
Die von der Bundesregierung veranlaßte Abänderung von Artikel 13 des Gesetzes Nr. 60 durch Gesetz Nr. 15 vom 15. Dezember 1949 ermöglicht es
der Bank deutscher Länder, die Ausgleichsforderungen der Berliner Zentralbank zu beleihen. Bisher hat der Zentralbankrat einer Beleihung von Ausgleichsforderungen der Berliner Zentralbank bis zum Betrage von 100 Millionen D-Mark zugestimmt. Hierdurch wurde der der Berliner Wirtschaft zur Verfügung stehende Kreditspielraum wesentlich erweitert und damit die Ausdehnung der Wirtschaftstätigkeit Berlins von der Geldseite her erleichtert.
Die bevorzugte Vergebung von Aufträgen der öffentlichen Hand und von großen Bedarfsträgern nach Berlin, deren Auswirkung auf Wirtschaft und Haushalt Berlins zahlenmäßig nur schwer angegeben werden kann, wird die Entwicklung Berlins zusätzlich günstig beeinflussen. Es ist unter anderem vorgesehen, daß allein Aufträge für die Besatzungsmacht in Höhe von 200 Millionen D-Mark nach Berlin vergeben werden sollen. Nach dem Abkommen über den Interzonenhandel 1949/50, dem sogenannten Frankfurter Abkommen, das einen beiderseitigen Warenverkehr mit der Ostzone in Höhe von je 300 Millionen D-Mark vorsieht, soll die Wirtschaft Berlins an den Umsätzen aus diesem Abkommen zu etwa einem Drittel, also mit rund 100 Millionen D-Mark beteiligt werden.
Weiterhin wurden Berlin vom Beginn der Blockade bis Herbst 1949 aus Mitteln der Außenhandelskasse -- Gegenwerte aus GARIOALieferungen -- rund 700 Millionen D-Mark zur Verfügung gestellt. Die Bereitstellung dieser Mittel für Berlin verhinderte ihre sonst mögliche Verwendung für Investitionen in den Westzonen.
Zu erwähnen sind auch die Leistungen, die vor 1 allem die Länder Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein durch die Übernahme von mittelbaren und unmittelbaren Luftbrückenkosten auf deren Haushalte erbracht haben. Diese Leistungen betragen schätzungsweise 100 Millionen D-Mark.
In Auswirkung der von der Bundesregierung über die Haushaltshilfe hinaus eingeleiteten Maßnahmen beginnt sich erfreulicherweise eine Besserung der Berliner Wirtschaftslage abzuzeichnen. Eine Fortsetzung dieser Belebung der Berliner Wirtschaft und damit auch eine Besserung der Haushaltslage Berlins kann nach dem gegebenen Stand der Dinge sicher erwartet werden. Dies zeigt sich einmal in einer Steigerung des Warenverkehrs nach der Westzone, der wertmäßig von rund 36 Millionen DMark im Monat Juli auf rund 82 Millionen D-Mark im Monat Dezember gestiegen ist. Die Besserung der Berliner Verhältnisse spiegelt sich auch in den Steuereinnahmen wider. Diese haben sich seit der zweiten Berliner Währungsreform ständig erhöht. Die günstige Entwicklung der Haushaltslage Berlins hat sich im letzten Quartal 1949 erheblich verstärkt. Die Steuereinnahmen steigerten sich z. B. im November um rund 10 Millionen D-Mark, obwohl im gleichen Zeitraum den unteren Einkommensbeziehern in Berlin vom Magistrat fühlbare Steuererleichterungen gewährt worden sind. Diese Steuersenkung wurde ohne Wissen des Bundesministeriums der Finanzen vorgenommen, obwohl eine Vereinbarung vorlag, daß ohne Wissen des Bundesfinanzministeriums in der Zeit der Subventionsgewährung Steuerermäßigungen nicht vorgenommen werden sollen.
Nach neuesten Untersuchungen darf diese Tendenz der wirtschaftlichen Besserungen als für die _nächsten Monate anhaltend vorausgesetzt werden.
Infolge vorgenannter Umstände ist es dem Berliner Magistrat auch gelungen, Ende letzten Jahres unbezahlte Rechnungen, Verbindlichkeiten in Höhe von rund 30 Millionen D-Mark abzudecken.
Weitere Anhaltspunkte für die Richtigkeit der oben erwähnten Annahme bietet die Entwicklung des Berliner Arbeitsmarkts. Im Gegensatz zur Entwicklung im Bundesgebiet hat sich nämlich die Zunahme der Arbeitslosigkeit in Berlin trotz Ungunst der Jahreszeit bedeutend verlangsamt. Zwar hat die Zahl der Arbeitslosen absolut etwas zugenommen. Diese Steigerung ist aber zu einem nicht unerheblichen Teil darauf zurückzuführen, daß neben Heimkehrern und Flüchtlingen aus dem Ostsektor Berlins und der Ostzone sich bei den Arbeitsämtern auch Personen melden, die bisher nicht erwerbstätig waren. Die Erhöhung der Arbeitslosenzahl beruht nachgewiesenermaßen nur zu einem kleinen Teil auf Entlassungen. Diese Entwicklung läßt sich auch teilweise aus der Zahl der Kurzarbeiter ersehen, die von 63 200 im Oktober auf 55 900 im Dezember zurückgegangen ist.
Die günstige Entwicklung der Wirtschafts- und Haushaltslage Berlins war bereits Ende Oktober, Anfang November vorigen Jahres zu erkennen. In den damals mit Vertretern des Magistrats über die Höhe der künftigen Hilfeleistung des Bundes geführten Besprechungen wurde auch diesem Gesichtspunkt Rechnung getragen und schon damals in Aussicht genommen, a die Zuschüsse des Bundes im Hinblick auf die Besserung der Kassen- und Haushaltslage des Magistrats in den Monaten Dezember 1949 bis März 1950 zu bemessen. Gegenüber den in Pressemeldungen vorgebrachten Behauptungen, daß die für Berlin vorgesehene Hilfe nachträglich und ohne vorherige Fühlungnahme mit dem Berliner Magistrat festgelegt und die Zuschüsse gekürzt worden seien muß auf diesen Punkt verwiesen werden. Es ergibt sich auch aus dem nachfolgenden Schreiben, das das Bundesministerium der Finanzen an den Magistrat von Groß-Berlin bereits am 5. Dezember 1949 gerichtet hat und dessen Kenntnisnahme mit Schreiben des Berliner Oberbürgermeisters vom 21. Dezember bestätigt worden ist. Es hieß dort:
Ob für Berlin über den bisher fest zugesagten monatlichen Zuschuß von rund 37 Millionen D-Mark hinaus weitere Mittel bereitgestellt werden können, ist nach wie vor davon abhängig, ob der Bund einen zusätzlichen Kredit erhalten kann und ob die Länder sich zur haushaltsmäßigen Deckung dieser Ausgaben bereitfinden. Auch wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden, muß ich daran festhalten, daß in Erwartung der Auswirkung der eingeleiteten wirtschaft-. lichen Hilfsmaßnahmen auf die dortige Haushaltslage ab Beginn des nächsten Jahres ein stetiger Abbau der Zuschüsse erfolgt. Berlin wird deshalb im Monat Januar äußerstenfalls mit einem Betrag von 55 Millionen D-Mark, im Februar mit 50 Millionen D-Mark und im März mit 45 Millionen D-Mark rechnen können, wobei die jeweilige Über-
prüfung des laufenden Bedarfs vorbehalten bleiben muß.
Die von der Bundesregierung für die Monate Januar bis März beabsichtigte allmähliche Senkung der Hilfeleistungen kann somit nach Lage der Dinge als gerechtfertigt und keineswegs als unvorhergesehen bezeichnet werden. Die Subventionen sind ab Dezember 1949 nicht gekürzt worden, sondern wurden von 37 Millionen DMark auf bedeutend höhere Beträge hinaufgesetzt.
Ich darf bemerken, daß nach den letzten Mitteilungen sich die Haushaltslage Berlins wieder gebessert hat, und auch im Januar über die Schätzungen des Berliner Magistrats hinaus eine Steuermehreinnahme von 7 Millionen D-Mark bei einem Gesamtbetrag von 57 Millionen D-Mark eingetreten ist.
Ich glaube, zusammenfassend sagen zu können: die westdeutsche Bundesrepublik hat angesichts der eigenen finanziellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten für die Stadt Berlin getan, was sie nach ihren Kräften tun konnte. Sie hat es deshalb getan, weil die Stadt Berlin eine Bedeutung besitzt, die weit über die eines Landes, die weit über die der westdeutschen Bundesrepublik hinausgeht. Die Stadt Berlin hat heute eine europäische Bedeutung.
Ob es gelingt, die Stadt Berlin in ihrem Widerstand zu erhalten, ob es gelingt, die moralische Widerstandskraft von Berlin trotz Arbeitslosigkeit, trotz Wirtschaftsnot, obwohl die Stadt eine Insel im fremden Meer ist, zu erhalten, kann für das Schicksal Europas bestimmend sein.