Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Die Debatte, wie sie sich in den letzten zwei Stunden entwickelt hat, ist für den Soziologen von größter Bedeutung; dreht es sich doch um das Grundproblem jedes Volkes, die Verbraucher und die Erzeuger von Nahrungsmitteln zusammenzuführen und zusammenzuhalten. Das ist in letzter Linie die Grundlage aller Agrarpolitik und aller Politik überhaupt. Nicht erst in den Kriegs- und Nachkriegsjahren ist das flache Land gegenüber der Stadt entwicklungsmäßig ins Hintertreffen geraten, das war schon vorher so. Ich habe in meiner früheren politischen Tätigkeit in Hessen immer versucht, die Bedeutung der Landwirtschaft für unser gesamtes Volk hervorzuheben, und aus dieser früheren Tätigkeit nehme ich auch jetzt das Recht für mich in Anspruch, ein paar Worte über diese Zusammenhänge zu sagen; mehr kann es im Rahmen der mir zugemessenen Zeit ja nicht sein.
Ich bin vor allen Dingen 'der Meinung, daß wir der Landwirtschaft heute in jeder Weise entgegenkommen müssen, denn ich muß sie als den Jungbrunnen unseres Volkes bezeichnen. Ich weiß nicht, ob sich jeder einmal darüber klargeworden ist, daß kein Geschlecht — und das ist eine soziologische Tatsache — zwei Generationen hindurch in der Großstadt leben kann, ohne eine Blutauffrischung vom Land zu erfahren, und daß alle Familien in der Stadt diese Entwicklung durchgemacht haben und durchmachen müssen. Deswegen müssen wir versuchen, diesen Jungbrunnen des deutschen Volkes zu erhalten.
Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch die Anträge, die Herr Dr. Horlacher gestellt hat, und
auch die Anträge, die Herr Dr. Baumgartner eingebracht hat. Wir müssen versuchen, von diesem Boden aus der Landwirtschaft gerecht zu werden. Auch mich beschäftigen die großen Sorgen, die sich in diesem: Zusammenhang aufwerfen; der Herr Landwirtschaftsminister hat sie in seinen Darlegungen ja gekennzeichnet. Ich habe mich gewundert, wie er die Dinge zusammengesehen hat. Ich glaube, daß das im wesentlichen der richtige Weg ist. Ich bin aber doch sehr besorgt darüber, ob er die Macht finden wird, die Gefahren, die in der Liberalisierung unseres Handels für die Landwirtschaft liegen, zu bändigen. Ich habe hier eine Resolution vor mir liegen, die gestern morgen aus einem Wetterauer Dorf zu mir kam. Hier wird in erster Linie von rein bäuerlichen Kreisen geklagt, daß die Landwirtschaft ihre Erzeugnisse nicht absetzen kann. Das haben wir auch schon von anderer Seite gehört, vor allen Dingen —