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ID0103406400

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    Deutscher Bundestag — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. Februar 1950 1059 34. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 2. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . 1059D, 1104D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Drucksache Nr. 445) in Verbindung mit der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzen über die Aufhebung vois Vorschriften auf dem Gebiet des Handelsrechts, des Genossenschaftsrechts und des Wechsel- und Scheckrechts (Handelsrechtliches Bereinigungsgesetz) (Drucksache Nr. 447) und der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen (Drucksache Nr. 458) und der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung der Annahme an Kindes Statt (Drucksache Nr. 446) . 1060A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 1060B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung von Leistungen an Kriegsopfer (Drucksachen Nr. 484 und 395) . . . . . . . . . 1061A Frau Dr. Probst (CSU), Berichterstatterin 1061B, 1063C Dr. Krone (CDU), Berichterstatter . . . . . . . . . . 1063B Arndgen (CDU) 1063D, 1073D Bazille (SPD) 1064D, 1070D Storch, Bundesminister für Arbeit . . . . . . . . 1066D, 1071C Renner (KPD) . . . 1067B, 1074B, 1078A Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 1063C Mende (FDP) 1069A Krause (Z) 1070A Dr. Leuchtgens (DRP) 1072B Löfflad (WAV) . . . . . . . 1073A Frau Kalinke (DP) 1073C Leddin (SPD) 1076D Dr. Wellhausen (FDP) 1077B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1077C Dr. von Brentano (CDU) 1078D Beratung 'des Antrags der Abgeordneten Dr Horlacher, Bauereisen, Strauss und Genossen betr. Wiederaufbau der deutschen Landwirtschaft (Drucksache Nr. 428) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksache Nr. 381) 1079D Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller 1079D, 1102B, 1103C Dr. Baumgartner (BP), Antragsteller . . . . . . . . 1084C, 1103C Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1087D Kriedemann (SPD) 1091D Niebergall (KPD) 1094C Mensing (CDU) 1095C Frühwald (FDP) . . . . . . . . 1096D Dr. Leuchtgens (DRP) 1098D Dr. Glasmeyer (Z) 1099C Bauknecht (CDU) . . . . . . . . 1100B Dr. von Merkatz (DP) 1101C Renner (KPD) (zut Geschäftsordnung) 1103D Dr. Schmid (SPD) (zur Geschäftsordnung . . . . . . . 1104B Nächste Sitzung 1104D Die Sitzung wird um 13 Uhr 40 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Josef Baumgartner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)

    Meine Damen und Herren! Ich stimme den Ausführungen meines Herrn Vorredners im allgemeinen zu.

    (Bravorufe in der Mitte.)

    Zur Begründung unseres Antrags werde ich Ihnen auf dem Importgebiet einige konkrete Dinge aufzeigen, in denen es gilt, schwere Mißstände abzustellen.
    In der Drucksache Nr. 381 haben Sie unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes vor sich liegen. Ich darf Sie bitten, den Antrag, den Sie vor sich liegen haben, in die Hand zu nehmen und anzusehen, weil ich auf Wunsch einer Partei, die uns darum gebeten hat, eine kleine redaktionelle Änderung vorschlagen möchte. Wir schlagen folgende Fassung des Antrags vor:
    Der Bundestag wolle beschließen:
    Der Bundestag setzt gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes einen Untersuchungsausschuß ein, der die bisherigen Einfuhren in das Vereinigte Wirtschaftsgebiet und in das Gebiet der Bundesrepublik untersucht und dem Bundestag über die Ergebnisse seiner Untersuchung berichtet.

    (Abg. Dr. Laforet: Jawohl, so ist es besser!)

    Das ist eine redaktionelle Vereinfachung. Ich möchte Sie bitten, davon Kenntnis zu nehmen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nur zu diesem Antrag meiner Fraktion in kurzer Ausführungen Stellung nehmen. Zunächst im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Kollegen Horlacher einige Bemerkungen über die unmögliche Importsituation im deutschen Bundesgebiet. Jedem Mitglied unseres Hauses ist bekannt, daß Deutschland seit den letzten Jahrer laufend Nahrungsmittel für 20 bis 25 Millioner Menschen einführen muß, daß wir ohne diese Einfuhren nicht die Lebensmittel gehabt hätten; um Millionen Menschen über die schwierigen Zeiten hinwegzubringen, und daß Millionen Menschen Hungers gestorben wären, wenn wir diese Einfuhren nicht gehabt hätten.
    Im Wirtschaftsjahr 1949/50 führt die Bundesrepublik auf dem Lebensmittelsektor für etwe 998 Millionen Dollar Nahrungsmittel ein. Mein Damen und Herren, das ist eine Einfuhr vor rund vier Milliarden D-Mark. Wenn Sie nur ausrechnen, welche Handelsspanne sich aus einet


    (Dr. Baumgartner)

    Einfuhr von vier Milliarden D-Mark ergibt, können Sie schon allein beim Großhandel einen Verdienst von mindestens 500 Millionen Mark annehmen. Sie können die gesamte Handelsspanne mit mindestens 1 bis 1 1/2 Milliarden Mark berechnen und daraus ersehen, welche ungeheure Bedeutung in der deutschen Volkswirtschaft der Importhandel zur Zeit hat. Im Jahre 1947 führten wir für 745 Millionen Dollar, im Jahre 1948 für 955 Millionen Dollar ein. Im Jahre 1950 werden wir nach den Angaben des Herrn Bundes- ministers Niklas 3,4 Millionen Tonnen Getreide, 1,9 Millionen Tonnen Futtermittel, 410 000 Tonnen Fett und 600 000 Tonnen Zucker einführen. Diese Hauptnahrungsmittel stammen fast ausschließlich aus den Dollarländern, während die übrigen Nahrungsmittel wie Gemüse, Obst, Fleisch, Molkereiprodukte und Eier aus den Nicht-Dollarländern stammen und hauptsächlich mit den Erlösen aus unseren Handelsverträgen gekauft werden, wofür man gegenwärtig etwa 600 Millionen Dollar zum Einkauf von Lebensmitteln annimmt.
    Aus dieser Situation ergibt sich, daß der Importhandel zu einem großen volkswirtschaftlichen Faktor geworden ist und daß es unsere Aufgabe ist, die Mißstände, die heute auf diesem Faktor tatsächlich vorhanden sind, im Interesse aller beteiligten Bevölkerungsteile abzustellen. Da sind vor allem zwei Momente zu nennen, die den Importhandel in Deutschland zur Zeit verleiten, auf falsche Wege zu kommen. Der erste Umstand ist ,der, daß der Importhandel von sich aus das Bestreben hat, um jeden Preis einzuführen - ganz gleich, was es ist —, damit er Gewinne erzielen kann.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Der zweite Umstand ist der, daß zur Zeit des Bestehens des Vereinigten Wirtschaftsgebiets und auch heute noch -- wenn auch nicht mehr in diesem Ausmaß — die vielen Einfuhren hauptsächlich von der bürokratischen Seite her gelenkt worden sind und die beteiligten Kreise — gleichgültig ob es nun Verbraucher oder Produzenten waren — nicht in dem Maße eingeschaltet waren, wie sie das hätten sein müssen.
    Bevor ich nun die Gründe anführe, die uns veranlaßt haben, einen so schwerwiegenden Antrag wie diesen auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu stellen, darf ich Ihnen auf einzelnen Sektoren die verfehlte Methode blitzartig beleuchten, die heute beim Importhandel besteht. Ich ergänze dabei die Andeutungen, die bereits Herr Kollege Horlacher auf verschiedenen Gebieten gemacht hat. Da ist es bei Fleisch folgendermaßen. Während Deutschland früher nur in geringem Maße Fleisch einführte - Gefrierfleisch, wie Sie wissen werden gegenwärtig, obwohl die deutsche Landwirtschaft vor den größten Schwierigkeiten steht, um die Rinder- und Schweinebestände anzubringen, geschlachtetes Vieh sowie Fleischkonserven in weitgehendem Umfang eingeführt. Wir selbst führen aus Deutschland lebendes Schlachtvieh aus und führen außer Gefrierfleisch auch noch verarbeitetes Fleisch zu höheren Preisen ein. Diese Importpolitik können wir unter keinen Umständen weitermachen. Diese Importpolitik bei Fleisch stellt sogar ein Importnovum beim deutschen Außenhandel dar.
    Zweitens: so ähnlich verhält es sich bei den anderen Artikeln, bei Öl, bei Milch, bei Fett, bei Käse, bei den Eiern. Oder ein anderes Beispiel. In den letzten Jahren wurden derart große Mengen Milchpulver eingeführt, die heute noch vorhanden sind und nicht abgesetzt werden können, daß der dadurch verursachte Schaden sich auf Millionen Mark beläuft. Wenn uns das Ausland Waren anbieten will, die es nicht absetzen kann, oder wenn die Besatzungsmächte ihre Sachen, die sie draußen nicht losbringen, bei uns anbringen wollen, dann müssen wir doch den Mut haben, jetzt zu sagen: Wir können doch nicht eure Sachen abnehmen, die ihr bei euch nicht losbringt. Das ist vor allem beim Milchpulver oder bei Ölfrüchten und Olen der Fall gewesen. Bei Fetten und Ölen waren wir schon in Friedenszeiten immer großes Zuschußgebiet von 20 bis 30 Prozent, wie mein Vorredner schon erwähnt hat. Wir haben daher den Ölfruchtbau in Deutschland immer besonders gefördert. Es ist auch nötig, daß wir Ölfrüchte und Fette einführen. Nicht nötig, Herr Bundesminister, ist es aber — und ich möchte den Herrn Bundesminister bitten, dafür zu sorgen, daß das abgestellt wird —, daß wir so große Mengen Fertigprodukte auf dem Gebiete der Öle und Fette einführen. Wir brauchen kein Speiseöl und nicht so große Mengen Margarine einzuführen, weil die Entwicklung dahin geht, daß wir selber unsere Veredelungswirtschaft betreiben müssen, wie auch Kollege Horlacher erwähnt hat, und weil wir den deutschen Olfruchtbau glatt an die Wand drücken und unsere bedeutsamen Ölmühlen in Deutschland dem Ausland gegenüber überhaupt vollständig konkurrenzunfähig werden. Das sind Dinge, die im Interesse der Produzenten und der Verbraucher ernstlich überlegt sein müssen.
    Ganz verworren ist die Lage auf dem deutschen Käsemarkt. Während deutscher Käse zum großen Teil nicht mehr abgesetzt werden kann, strömt von allen Seiten unaufhörlich ausländischer Käse zu weit billigeren Preisen herein und zwingt unsere Käsereien zur Aufgabe des Wettbewerbs. Auch bei den Eiern! Wir haben es ja erlebt. Es war notwendig, daß wir Eier einführen, weil wir unmögliche Preise hatten. Es geht aber nicht an, daß wir auch auf diesem Gebiet an allen Ecken und Enden die Tore öffnen und unsere Produzenten vollständig an die Wand drücken.
    Nahezu hoffnungslos ist aber die durch die Liberalisierung geschaffene Lage auf dem Gebiet des Obstes und der Gemüsearten. Durch die Handelsverträge mit Italien, Frankreich, Holland und Belgien sowie Dänemark und schließlich mit den Balkanstaaten wird eine Menge ausländischen Obstes und Gemüses auf den Markt geworfen; die einerseits die einheimische deutsche Erzeugung vollständig konkurrenzunfähig macht und zum anderen Teil große Prozentsätze der Einfuhr nach dem mangelnden Absatz dem Verderb aussetzt. Wenn diese planlosen Einfuhren in Obst, in Zitrusfrüchten und in Bananen heute noch, wie es der Fall ist, zirka 70 000 Doppelzentner deutsche Äpfel unverkäuflich machen, dann erübrigen sich alle weiteren Worte über eine solche Handelspolitik, die mit einem volkswirtschaftlichen Sinn nichts mehr zu tun hat.

    (Zurufe links.)

    Oder während vernünftigerweise in früheren
    Zeiten nur Kakaobohnen zur Einfuhr gelangten und
    damit eine große einheimische Schokoladenindustrie


    (Dr. Baumgartner)

    aufgebaut wurde, ermöglichen es die heutigen Handelsverträge, daß immer mehr fertige Schokolade, Pralinen, Süßwaren importiert werden und unsere große deutsche Industrie an die Wand gedrückt wird. Diese Unmöglichkeit der Liberalisierung zeigt sich am besten in der Tatsache, daß heute in der Bundesrepublik Gemüse- und Obstkonserven wahllos eingeführt werden können, während die einheimische Marmeladenindustrie, die einst groß war, vollständig darniederliegt und keinerlei Wettbewerb mehr mit dem Ausland aufkommen kann. Meine lieben Kollegen von der Linken, ich möchte Sie bitten: das fällt ja auf unsere Arbeiter zurück, wenn die Marmeladenindustrie, die Konservenindustrie, wenn Lebensmittelindustrien infolge dieser unsinnigen Liberalisierung schließen müssen, weil dann auf den verschiedensten Gebieten die Arbeiter ausgestellt werden müssen.

    (Unruhe. — Zurufe von der SPD: Sagen Sie das Erhard!)

    Bei Wein liegen die Dinge jetzt noch zwar verhältnismäßig nicht ganz so schlimm, es ist aber nur mehr eine Frage der Zeit, eine Frage von Monaten, bis der deutsche Winzer außerstande ist, mit den ausländischen Einfuhren zu konkurrieren. Oder beim Malz, ich bleibe bei konkreten Beispielen: früher ein großer Ausfuhrartikel Deutschlands. Malz wird heute von der Tschechei eingeführt.
    Auch bei Getreide, Herr Kollege Horlacher, müssen wir ein Wort sprechen, weil wir Getreide nicht planlos einführen können. Der Herr Kollege Horlacher hat erwähnt, daß Roggen planlos eingeführt worden ist. Ich füge hinzu: Roggen, Gerste und Hafer sind planlos eingeführt worden, wobei wir den inländischen Roggen überhaupt nicht losbringen. Persönlich bin ich der Meinung, daß wir
    in diesem Jahr auch noch zuviel Brotgetreide bei uns einführen, weil wir mit etwas weniger Brotgetreide bei der Ausmahlung und besseren Heranziehung des Roggens ausgekommen wären. Allein die inländische Ernte in Hafer und Gerste würde uns normalerweise zwingen, zum Beispiel in die aufnahmefähige Schweiz zu exportieren. Aber leider lassen das die Alliierten nicht zu. Ich möchte den Herrn Bundesminister bitten, noch einmal den Versuch zu machen, daß wir hier ausführen können. So liegen Hafer, Gerste unid Roggen bei uns unabsetzbar auf der Straße.
    Vollständig unbegreiflich ist es, wenn Bayern als das zweitgrößte Hopfengebiet Europas oder überhaupt der Welt in diesem Jahre 60 000 Doppelzentner Hopfen ausgeführt hat, während wir auf der anderen Seite schlechtere Qualitäten von englischem Hopfen zu viel höheren Preisen wieder einführen. Diese Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist aufs schärfste zu kritisieren, weil sie volkswirtschaftlich anormal ist.
    Meine Damen und Herren! Das sind nur einige markante Beispiele einer Einfuhrpolitik, die zum wirtschaftlichen Ruin unserer Landwirtschaft und auch großer Teile anderer Wirtschaftszweige führen muß. Ich bin mir bewußt — und der Herr Vorredner hat das auch angedeutet — daß wir, damit die zusammengepferchten Menschen in dem Bundesgebiet leben können, unseren Industrieexport verdoppeln und verdreifachen und daß wir die Industrie fördern müssen, wo wir können. Das ist notwendig, damit unsere Menschenmassen in diesem kleinen Raum leben können und eine Existenz haben.
    Wir müssen aber die gesamte Ein- und Ausfuhrpolitik abstimmen. Das ist Sache der Bundesregierung und der Ausschüsse, wie schon angedeutet wurde. Aber die Mißstände abzustellen und aufzudecken, die ich im folgenden jetzt aufführen werde, ist Sache eines Untersuchungsausschusses.

    (Abg. Rische: Herr Baumgartner, wie stehen Sie zum Marshallplan?)

    — Ich spreche jetzt nicht zum Marshallplan, ich bleibe immer beim Thema.

    (Abg. Rische: Doch! Doch!)

    — Ich spreche nicht zum Marshallplan, sondern bleibe beim Thema.

    (Abg. Rische: Doch, Sie sprechen zum Marshallplan!)

    — Vielleicht sprechen wir ein andermal zum Marshallplan, aber ich spreche zur Begründung des Antrags über einen Untersuchungsausschuß.
    Erstens, es besteht der begründete Verdacht, daß Millionen-Importe nicht gleichmäßig und gerecht im Bundesgebiet beim Importhandel verteilt wurden und daß nur einige wenige Importeure schon vom Jahre 1946 an auf einzelnen Gebieten durch die Bürokratie bevorzugt wurden.

    (Hört! Hört! bei der BP.)

    Zweitens, bei der Trockengemüseeinfuhr erhielten die Hamburger Importeure allein 40 bis 50 Prozent, während die Importhändler anderer deutscher Länder nur 4 bis 10 Prozent erhielten.
    Die gleichen Mißstände ergeben sich bei der Einfuhr von Trockenmilch, von Fett, von Fleisch und von Zucker, wobei es sich um Millionenbeträge und um Hunderttausende von Tonnen und Doppelzentnern dreht und wo die Verteilungen beim Importhandel genauestens zu untersuchen sind. Es ist zu untersuchen, wie die Dinge vor sich gegangen sind, nachdem wir da-damals kein Parlament gehabt haben.
    Weiter ist dringend notwendig, daß das Reiheneinfuhrsystem sofort untersucht wird. Das Reiheneinfuhrsystem ist eines der vier Systeme der Außenhandelsstelle in Frankfurt. Dem Importeur wird im Bundesanzeiger listenmäßig mitgeteilt, welche Importangebote des Auslands in Frankfurt vorliegen. Bis zu einem ebenfalls festgelegten Termin hat dann der deutsche Importeur Gelegenheit, seine Offerten bei der Außenhandelsstelle abzugeben. Diese bestimmt dann, an wen die Festzuteilung des Auftrages erfolgt. Es besteht der schwerwiegende Verdacht, daß besonders finanzstarke Gruppen, deren Kapitalkraft es ermöglicht, entsprechend günstige Offerten in Frankfurt vorzulegen, bevorzugt werden. Es besteht weiter der Verdacht, daß Millionen-Importe schon vor der Ausschreibung Importeuren zugeteilt wurden.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Im Bundesanzeiger Nr. 34 vom 10. Dezember 1949 wurden drei Importangebote für Gemüsesamen, Schweinehälften unid halbrohen Reis aus verschiedenen Ländern angekündigt. Im gleichen Bundesanzeiger heißt es: Der Importeur wird von der Außenhandelsstelle bestimmt; die Einreichung von Offerten erübrigt sich. Waren im Werte von rund 1,8 Millionen Dollar wurden in diesem Fall ohne Ausschreibung untergebracht.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    In einem anderen Falle wurden Einfuhren von
    300 000 Dollar ausgeschrieben. Das Angebot
    — meine Damen und Herren, hören Sie mußte


    (Dr. Baumgartner)

    bis zum 9. Dezember eingereicht sein. Der Bundesanzeiger kam aber erst am 12. Dezember in die Hände der Importeure.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Ich frage Sie: Wie sollen die Importeure das Angebot am 9. Dezember eingereicht haben, wenn sie den Bundesanzeiger erst am 12. Dezember in Händen haben?

    (Abg. Rische: Da hat die „Vorsehung" mitgespielt!)

    In zahlreichen Fällen ist das Ausgabedatum des Bundesanzeigers der letzte Einreichungstermin für den Importeur.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Der Bundesanzeiger Nr. 35 veröffentlicht eine interessante Ausschreibung von neuen Importen, zum Beispiel 16 Angebote über Schweinehälften aus Italien und Frankreich, frischgeschlachtete Schweine oder Schweinefleisch aus Belgien und Frankreich, lebende Schweine aus Belgien, Speck aus Belgien und Panama, Bienenhonig aus Haiti, Costa Rica und Mexiko, Kokosnußöl und Kaneel aus Ceylon, insgesamt im Werte von 2,4 Millionen Dollar. So die Ausschreibung. Und dann kommt die Bemerkung: Einreichung von Offerten erübrigt sich. Das wird so unter der Decke gemacht.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Unter IAC Nr. 3164 vom 6. August 1949 wurden frische kolumbische Bananen im Dollarbetrage von 5 Millionen ausgeschrieben. Wider Erwarten wurde der Zuschlag einer aus fünf Hamburger Firmen bestehenden Gruppe zugeteilt, obwohl sie das Geschäft nicht abwickeln konnte

    (Zuruf von der KPD:)

    - sind Sie vielleicht aus Hamburg, Herr Kollege? -,

    (Heiterkeit.)

    weil Kolumbien keine Exportgenehmigung .gab. Als die Exportgenehmigung später eintraf, wurde ohne neuerliche Ausschreibung der Gesamtbetrag einer anderen Hamburger Gruppe erteilt.

    (Abg. Rische: Das ist Interessenpolitik!)

    Es besteht weiter der begründete Verdacht - und es liegen auch Beweise dafür vor —, daß Importeure von den Frankfurter Stellen überhaupt keine Antwort erhalten haben und daß Angebote von Importeuren nicht berücksichtigt und die Zuschläge an andere Firmen erteilt worden sind. Eine Ausschreibung von Kartoffelstärkemehl aus der Schweiz verlangte eine bemusterte Offerte bis zum nächsten Tage. Wie stellen sich die Bürokraten in Frankfurt das vor? Eine Ausschreibung erfolgt, und am nächsten Tage soll man aus der Schweiz eine bemusterte Offerte vorlegen! Welche Dinge gehen da vor sich? Wer hätte denn die bemusterte Offerte innerhalb eines Tages aus der Schweiz beibringen können? Ein Importeur erhielt von Italien sehr günstige Angebote auf Lieferung von Reis. Als er das Angebot abgab, erhielt er trotz seiner vielen Homerungen keine Antwort mehr. Es muß nun geklärt werden, welche Gründe dafür vorgelegen haben, daß trotz dieses günstigen Angebots eine minderwertigere Ware an Reis zu überteuerten Preisen eingeführt wurde,

    (Hört! Hört! links)

    weshalb die Reiseinfuhr durch eine andere kleine Gruppe gemacht wurde, warum der Verbraucher für eine geringere Ware mehr zahlen mußte, als dies notwendig gewesen wäre, warum mehr Geldbeträge aus dem Marshallplanfonds ausgegeben wurden, als bei sachgemäßem Einkauf nötig gewesen wäre. Es besteht weiter der begründete Verdacht, daß Gegenseitigkeitsgeschäfte von Importfirmen von seiten der Bürokratie nur einer ganz bestimmten Importgruppe zugesprochen werden.
    Das sind nur einige Beispiele, auf Grund deren meine Fraktion die Einsetzung eines Untersuchungsauschusses zur Überprüfung sämtlicher Importe in das Vereinigte Wirtschaftsgebiet und in das Bundesgebiet fordert. Ich stimme hier vollständig Herrn Kollegen Dr. Horlacher zu. Es muß auch innerhalb .des Bundestags eine Abstimmung zwischen Außenhandelsausschuß, Landwirtschaftsausschuß und Wirtschaftsausschuß erfolgen. Es muß die ganze Frage von Import und Export geklärt werden, damit wir den berechtigten Interessen der Arbeiterschaft, der Industrie und der Bauernschaft gerecht werden können. Ich erkläre Ihnen aber: wie die Dinge heute im Bundesgebiet liegen, kann überhaupt nicht von einer Wirtschaftspolitik gesprochen werden.

    (Zustimmung bei der BP und bei der KPD.) Diese Wirtschaftspolitik der Bundesregierung muß ab sofort einer Klarheit zugeführt werden. Wir können sonst nicht erkennen, wie die Dinge für unser Bauerntum, für die Arbeiterschaft, für die Industrie weitergehen sollen.

    Meine Damen und Herren, deshalb bitte ich Sie: Nehmen Sie unseren Antrag an, damit wir die Importfragen einmal einer genaueren Untersuchung unterziehen können und damit wir neu aufbauen können, damit wir vor allem diese Mißstände abstellen. Es wäre viel über die Agrarpolitik zu sagen, Herr Kollege Horlacher! Wir werden ein andermal Gelegenheit dazu haben, und unserer Mitarbeit werden Sie bei den schwerwiegenden Fragen des Lastenausgleichs, der Steuern, der Tarifpolitik usw., bei den ganzen Fragen; die in der Agrarpolitik eine große Rolle spielen, sicher sein. Für heute möchte ich Sie, meine Damen und Herren, über alle Fraktionen hinweg bitten: Klären wir gemeinsam die schwerwiegende Frage der Mißstände beim Import!

    (Beifall bei der BP.)



Rede von Paul Löbe
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nachdem die Anträge begründet sind, kommen wir zur Besprechung der Tagesordnungspunkte 7 und 8. Das Wort hat der Herr Bundesernährungsminister.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wilhelm Niklas


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Baumgartner hat soeben eine Reihe von Vorwürfen gegen die meinem Ministerium unterstehende Außenhandelsstelle erhoben. Ich habe natürlich das allergrößte Interesse daran, daß diese Dinge bis ins einzelne klargestellt werden, und würde Sie daher bitten, seinem Wunsche auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu entsprechen.
    Meine Damen und Herren! Ich komme nun zu dem Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Horlacher. Er zerfällt eigentlich in zwei Teile, und zwar zunächst einmal in die Aufforderung an

    Bundesminister Dr. Niklas)
    die Regierung, den Wiederaufbau der Landwirtschaft weiter zu fördern, und dann in den Wunsch, daß bei den in Gang kommenden handelsvertraglichen Verhandlungen die Belange der Landwirtschaft entsprechend berücksichtigt werden.
    Ich darf vielleicht bei Punkt 2 beginnen, weil der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher in seinen Ausführungen diesem Teil seines Antrages einen besonders breiten Raum gewidmet hat. Wie haben sich denn die Dinge entwickelt? Wie ist denn die heutige Situation der Landwirtschaft entstanden? Ich habe in den vergangenen Jahren dann und wann in Versammlungen erklärt — ohne immer allgemeine Zustimmung zu finden —: auf der Welt leben 2 Milliarden 200 Millionen Menschen; wenn sie keine Granaten mehr drehen, dann müssen sie etwas anderes, etwas Vernünftiges machen, was den Lebensstandard der Menschheit hebt; oder, übertragen auf die Auswirkung, das durch den Krieg hervorgerufene Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage wird sich rascher ausgleichen, als wir denken. Ich habe recht behalten. Darf ich ein Beispiel nehmen, den Prototyp für die menschliche Ernährung — „Unser täglich Brot gib uns heute!" Die Welt hat im Jahre 1949 in Weizen so viel erzeugt, wie sie brauchte. Wenn da und dort noch gewisse Schwierigkeiten in der Versorgung aufgetreten sind, waren es keine Mengengründe, sondern Ursachen anderer Art, monetäre oder sonstige Schwierigkeiten. Dadurch, daß die Motoren der Welt in wirtschaftlicher Hinsicht wiederum angelaufen sind, ist auch rascher, als wir dachten, der Moment gekommen, in dem die deutsche Wirtschaft wiederum in die Weltwirtschaft eingegliedert wurde und sich hineinverzahnen mußte.
    Nun ist heute auch von den Herren Abgeordneten Dr. Horlacher und Dr. Baumgartner schon darauf hingewiesen worden, daß dieser erste Akt eigentlich ohne deutsche Mitwirkung geschehen ist. Als 1947 die ersten Handelsvertragsbesprechungen begannen, waren deutsche Vertreter überhaupt nicht dabei. In zähem Ringen haben wir dann versucht, die deutsche Beteiligung zu erwirken. Das ist langsam möglich geworden. Im Jahre 1948 und dann im Jahre 1949 haben wir teilgenommen, aber nur, sagen wir einmal, in der zweiten Reihe — ad audiendum verbum —, um zu hören, was gesprochen wurde. Dann wurden wir Berater. Aber ausschlaggebend für die endgültige Form eines Handelsvertrages war und blieb die JEIA. Das soll keine feige Flucht vor der Verantwortung sein, sondern ich bitte, das lediglich als eine tatsächliche Feststellung zu betrachten. Die ersten Handelsverträge, nachdem im November 1949 die Besatzungsmächte die Zuständigkeit in deutsche Hände gelegt haben, waren der jugoslawische und der französische Handelsvertrag.
    Gestatten Sie mir eine grundsätzliche Berner-kung zu der Frage der Handelsverträge. Eigentlich ist die Bezeichnung nicht ganz richtig.

    (Abg. Rische: Wollte ich meinen!)

    Ich habe die Ehre gehabt, zehn Jahre lang, von 1915 bis 1925, ständiges Mitglied der deutschen Handelsvertragsdelegationen zu sein. Es gab manches Jahr, in dem ich als deutscher Handelsvertragsdelegierter mehr Zeit in den Großstädten der Welt als in der Heimat verbrachte. Ich bin
    infolgedessen so hoffärtig, zu behaupten, daß ich davon etwas verstehe. Was waren denn früher die eigentlichen Aufgaben der Handelsverträge? Das Fundament bestand in dem Bülowschen Zolltarifgesetz, das der Reichstag 1902 angenommen hatte. Bis 1931/32 beschränkte sich die Tätigkeit der Handelsvertragspartner darauf, sich gegenseitig Wünsche auf Abänderung der sogenannten autonomen Zollsätze zu übermitteln. In wochen-, oft monatelangen Beratungen hatten dann die beiderseitigen Handelsvertragsdelegationen die Aufgabe, diese gegenseitigen Wünsche abzustimmen. Dann mußte der deutsche Reichstag zustimmen. Denn es handelte sich, wenn in dem Handelsvertrag auch nur für eine einzige Position des autonomen Zolltarifs eine Abänderung vorgesehen war, um eine Gesetzesänderung. Der Charakter der Handelsvertragsverhandlungen hat sich im Jahre 1931/32 insofern etwas geändert, als die damals in der ganzen Welt auftretenden geldlichen Schwierigkeiten die Notwendigkeit mit sich brachten, Devisenabsprachen zu treffen. Damals entstand das System, das bis zu einem gewissen Grade jetzt eigentlich das Gerippe unserer Handelsverträge ist. Was sind die Handelsverträge denn? Sie sind Absprachen über gewisse Kontingente, Vereinbarungen über die dafür zur Verfügung zu stellenden Devisenbeträge; mehr nicht.
    Nun ist die Situation so — so war es immer, und so wird es immer bleiben -: ein Handelsvertrag ist ein do-ut-des-Geschäft — das gebe ich dir, was gibst du mir dafür? Es war immer schon sehr, sehr schwer, hier eine gerechte Abwägung der zu berücksichtigenden Interessen der einzelnen Teile der deutschen Wirtschaft, der Industrie, des Gewerbes und der Landwirtschaft, herbeizuführen. Das Tragische — reden wir doch offen — ist für die Landwirtschaft im gegenwärtigen Augenblick die Tatsache, daß die als unsere Handelsvertragspartner in Betracht kommenden europäischen Länder eigentlich das nicht oder fast nicht liefern können, was wir bräuchten, ohne die Landwirtschaft zu schädigen, Brotgetreide, das wir eben noch nicht in genügendem Umfang herstellen, pflanzliche Fette und Zucker, sondern daß sie kommen und sagen: Kauft uns Gartenbauerzeugnisse, Obst, Vieh, Fleisch, Wein ab, lauter Dinge, an denen unsere Landwirtschaft in ihrer Produktion aufs äußerste interessiert ist.
    Wir müssen uns doch über folgendes klar sein; gestatten Sie mir diesen kurzen agrarpolitischen Rund- und Ausblick. Im Jahre 1941 saßen die damals schon Vereinten Nationen. der Welt monatelang in Hot Springs drüben über dem großen Wasser beisammen und stellten einen Welternährungsplan und natürlich auch einen Welterzeugungsplan auf. Der große Rahmen kann so gezeigt werden: In Zukunft, sagten sie, soll Aufgabe der Übersee die Getreidefabrikation sein - gestatten Sie, daß ich den zweiten Teil dieses Wortes besonders betone —, während es Aufgabe der europäischen und damit auch der deutschen Landwirtschaft ist, Veredelungswirtschaft zu treiben. Obwohl wir damals im geistigen Zuchthaus saßen, sind die Beschlüsse von Hot Springs auch zu uns nach Deutschland herübergedrungen. Und ich stehe gar nicht an, zu bekennen, daß ich diesen Grundgedanken von Hot Springs von Anfang an für richtig erklärt


    (Bundesminister Dr. Niklas)

    habe und heute noch für richtig halte. Ich befinde mich dabei in gar keiner schlechten Gesellschaft; denn kein Geringerer als Geheimrat Areboe, vielleicht der bedeutendste landwirtschaftliche Betriebslehrer, den das vergangene halbe Jahrhundert Deutschland und der Welt geschenkt hat, hat in seinem Standardwerk, das vor, ich glaube, 29 Jahren erschienen ist — Herr Professor Baade nickt zustimmend —, genau die gleiche Idee vertreten. Und warum, meine Herren? Einen dickbauchigen 8000 Tonnen-Dampfer in Quebeck oder irgendwo an der Ostküste mit Weizen vollzublasen, kostet nicht viel. Es braucht nur ein ganz alter Dampfer zu sein. Das Ausladen in Hamburg kostet auch nicht viel, und gewöhnliche Waggons dien en zum Transport an die nächste Mühle, und der letzte Bäcker in dem kleinen Städtchen Trippstrill kann aus prima prima Manitoba-Mehl sein Brot herstellen.
    Was will ich damit sagen? — Bei allen Zerealien ist der Unterschied zwischen den Gestehungskosten an einem weit entfernten Ort und dem herüben in Europa notwendigen Verkaufspreis gering. Daher hat Bismarck zunächst seinerzeit in erster Linie für Getreide die Schutzzollpolitik eingeführt.

    (Abg. Rische: Das war für die Junker!)

    — Das war bis zu einem gewissen Grade für den damals getreidebauenden Teil Deutschlands, zu dem, Herr Abgeordneter, nicht nur die Junker gehörten.

    (Abg. Rische: Und Ostelbien!)

    Und jetzt etwas ganz anderes. Ein Frigorifico, eine Fleischwarenfabrik irgendwo am La Plata erbaut, kostet -zig Millionen Goldpesos. Da kann 'eh zum Transport auch keinen ganz gewöhnlichen Dampfer nehmen, es muß ein Spezialdampfer sein, der in der Herstellung sehr viel teurer ist als der vorhin von mir skizzierte alte Kahn, der uns das Getreide herüberbringt. Die vielen Wochen des Transportes von Rio de Janeiro bis nach Hamburg muß jeden Tag und jede Stunde die Temperatur in allen Räumen des Schiffes die gleiche sein, weil sonst die Ware verdirbt. In Hamburg kann ich »die gefrorenen Rinderviertel nicht in gewöhnliche Waggons werfen, ich brauche Spezialwagen, und die kosten erhöhte Gebühren. Der letzte Fleischer aber in dem vorerwähnten Ort kann dieses Gefrierfleisch gar nicht aushauen, wie man so schön sagt, weil er keine Auftauvorrichtungen hat. Was ich Ihnen vom Fleisch erzählte, könnte ich ergänzen durch Schilderung des Weges der in Neuseeland erzeugten und in London konsumierten Butter.
    Was will ich damit sagen? Bei allen Veredelungserzeugnissen sind die notwendigen und kaum zu vermindernden Spesen durch den Transport so erheblich, daß sie einen Zollschutz bis zu einem gewissen Grade eigentlich ersetzen. Und nun denken Sie einmal an die Zukunft. Wie wird es mit den Zöllen werden? Stellen Sie unter diese unsichere Perspektive einer zukünftigen deutschen Zollpolitik das, was ich Ihnen hinsichtlich »der Ackererzeugnisse und hinsichtlich der Veredelungserzeugnisse sagte. Daraus ergibt sich für die deutsche und die europäische Landwirtschaft die unbedingt notwendige Marschroute, die Viehwirtschaft und die gesamte Veredelungswirtschaft zu fördern, wobei ich dringend bitte, nicht in den Fehler
    zu verfallen, Viehwirtschaft gleichzusetzen mit extensiver Wirtschaft. Die intensivste Wirtschaft kann letzten Endes auf dem Umweg über den intensiven Hackfruchtbau eine Viehwirtschaft sein.
    Jetzt aber zurück zu den Handelsverträgen. Meine Damen und Herren, auf der Basis des Zolltarifgesetzes vom Jahre 1902 wurden dann diese Handelsverträge - entschuldigen Sie den Ausdruck — ausgefochten, ausgekämpft könnte man sagen. Dabei war es doch immer dann so — das darf ich als alter Praktiker offen bekennen -daß nicht die geringere oder größere Fixigkeit und Gewiegtheit der Verhandlungsführer den Ausschlag gab und nicht immer das Recht, das hinter ihren Argumenten stand, sondern die politische Macht, ob wir nun wochenlang mit den Spaniern über die Rotweinzölle oder monatelang mit den Holländern über die Weichkäsezölle uns herumstritten.

    (Abg. Rische: Und so ist es heute auch noch!)

    — So ist es heute auch noch, und deswegen bedeutet natürlich

    (Abg. Rische: Darüber müssen Sie uns jetzt einmal was erzählen!)

    die zukünftige Gestaltung der Handelsverträge eine sehr schwierige Frage. Ich muß dem Herrn Abgeordneten Dr. Horlacher voll und ganz recht geben, wenn er nachdrücklichst auf die Bedeutung dieser fundamentierenden wirtschaftlichen Arbeit hinwies. Wir sprechen soviel über Tagesfragen, und Sie müssen es tun, weil es drängt. Aber wissen Sie, meine Herren, diese Arbeit ist eigentlich — jetzt übertreibe ich etwas - eine Arbeit sub specie aeternitatis, jedenfalls eine Arbeit, die auf Jahre hinaus die Fundamente für die wirtschaftliche Tätigkeit festlegt; und daher Vorsicht für alle, die mit dieser verantwortungsvollen Arbeit zu tun haben!

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Und nun komme ich zur Verantwortung. Verantwortlich für »die abgeschlossenen Handelsverträge wird einstmals zeichnen, sobald gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, die deutsche Regierung für den jugoslawischen und für den deutsch-französischen Handelsvertrag. Der jugoslawische ist von »den Hohen Kommissaren noch nicht genehmigt, und Sie werden auch aus einem gewissen Vorfall, der jetzt acht Tage alt ist - ich verweise auf die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers — verstehen, wenn ich gerade zu dem jugoslawischen Vertrag nicht Stellung nehme. Aber lassen Sie mich etwas zum französischen sagen. Beim französischen Vertrag standen für die deutsche Landwirtschaft im Feuer die weitgehenden Forderungen der Franzosen auf Einfuhr von Gemüse im Werte von 5 Millionen Dollar. Ja, meine Damen und Herren, wir waren aber nebenbei noch belastet mit den 15 Millionen Dollar Gemüseeinfuhr, die die JEIA im Holland-Vertrag konzediert hatte und die damals bis auf 12 Millionen Dollar noch nicht abgewickelt war. Wir waren und sind noch belastet mit den nicht ausgeschöpften Gemüseeinfuhren vom Italiener-Vertrag. Infolgedessen mußten wir bei Gemüse wirklich vorsichtig sein. Daher haben wir die von den Franzosen verlangten 5 Millionen Dollar auf die Hälfte, auf 2,5 Millionen herabgedrückt, und lediglich bis 31. Dezember 1949 nicht ausgenutzte 1,4 Millionen Dollarreste dürfen noch dazugeschlagen werden.


    (Bundesminister Dr. Niklas)

    Käse! Herr Dr. Baumgartner hat die Situation vorhin völlig richtig geschildert. Wir haben allein im bayerischen Allgäu heute 16 000 tons Käse liegen. Infolgedessen war die französische Forderung, für 5 Millionen Dollar französischen Käse hereinzulassen, für uns unannehmbar. Wir haben diese Forderung in wochenlangen Verhandlungen zurückgeschraubt auf ein, wie ich glaube, erträgliches Maß, auf 1,5 Millionen Dollar.
    Und nun die Weinfrage. Auch hier ist die Tatsache zu verzeichnen, daß Deutschland im vergangenen Jahr 1949 für 1,9 Millionen Dollar Wein mehr eingeführt hat als jemals das Deutsche Reich vorher.

    (Hört! Hört! .— Abg. Rische: Das Deutsche Reich?)

    - Ja, das Deutsche Reich! Deshalb mußten wir
    auch hier nach Möglichkeit einen Weg finden, der der deutschen Gartenbau- und Weinwirtschaft nicht tödlich e Schläge versetzt. Es ist gelungen. Ich danke es dem Präsidenten des Deutschen Weinbauverbandes, dem Grafen Matuschka, der auf meine Bitte in Paris mit den Interessentenvertretungen die Verhandlungen führte, daß schließlich doch ein Weg gefunden wurde, der einmal mengenmäßig die Weineinfuhr von 5 - wie sie verlangt hatten — auf 3 Millionen Dollar beschränkte und der vor allem folgendes vorsah. Es ist gelungen, mit den französischen Wein - Bauorganisationen eine Vereinbarung zu treffen, daß wir nur „vins d'appelations d'origine controlé" hereinbekommen, auf gut deutsch: Weine mit amtlicher Kontrolle der Herkunft. Dadurch scheiden von vornherein neun Zehntel der Winzer aus, und zwar diejenigen, die nicht sehr wertvollen Konsumwein bringen. Wir haben dann die entsprechenden Weine, mit denen wir auch konkurrieren können.
    Und nun kam der große Kampf. Wir verlangten, daß auf die Negativliste gesetzt wird — und da muß ich jetzt an die Worte von Herrn Dr. Baumgartner anknüpfen Margarine. Was er darüber vorher sagte, unterschreibe ich voll und ganz. Wir haben erklärt: wir können die fertige Margarine nicht von der Negativliste absetzen, also der Einfuhr von Fertigmargarine Tür und Tor öffnen. Meine Damen und Herren, in den letzten 60 bis 80 Jahren hat sich am Niederrhein, hat sich in Hamburg eine deutsche Ölschlägerindustrie entwickelt, die nicht nur in der Lage war, durch Hereinholen von Ölsaaten aus allen Teilen der Welt den gesamten deutschen Bedarf an industriellen und Ernährungsfetten, restlos zu decken, sondern die sogar eine gewisse Veredlungswirtschaft trieb; sie hat noch den ganzen Bedarf Skandinaviens an Fettigkeiten gedeckt. Infolgedessen hatten wir den größeren Anfall von Ölkuchen für unsere Viehernährung. Wir konnten und können doch diese bedeutsame deutsche Industrie nicht opfern, indem wir Fertigmargarine einführen. Wir mußten es im Dezember einmal machen, aber das Normale darf es nicht sein.
    Wir wehrten uns des weiteren dagegen, daß Weißzucker von unserer Negativliste abgesetzt wird. Ja, in Cuba Rohzucker kaufen, ihn hier in Deutschland raffinieren und damit die zu kurze Arbeitszeit der deutschen Zuckerindustrie verlängern, diese rentabler gestalten, bei der Raffination dann Melasse gewinnen zur Erweiterung unserer schmalen Viehfutterungsbasis und aus der Melasse dann
    Alkohol und Hefe gewinnen — das können wir auch, dazu brauchen wir nicht Weißzucker von anderen einzuführen.
    Und dann Roggen! Bei Roggen ist die Situation so: Wir mußten schließlich 100 000 Tonnen Roggen noch hereinnehmen, und hier darf ich zur Erklärung der Sachlage etwas sagen. Wir werden von den Alliierten ständig gedrängt, bei den Getreideaufkäufen den Dollarraum zu meiden und unseren Bedarf in den Ländern mit weicher Währung zu decken. Deswegen haben wir auf besonderen Wunsch der Besatzungsmächte die 100 000 Tonnen Roggen akzeptieren müssen. Um diese 100 000 Tonnen Roggen, Herr Abgeordneter Dr. Baumgartner, verringert sich selbstverständlich die Roggenzulieferung aus dem Dollarraum.
    Meine Damen und Herren, das nur zum französischen Vertrag im speziellen. Aber im allgemeinen folgendes: So, wie die Situation auf dem Gebiete der Handelsvertragsverhandlungen ist, muß etwas eingebaut werden, und wir haben schon begonnen, mit Erfolg begonnen, erstens einmal mit der Schaffung von gemischten Ausschüssen der Regierung. Als wir damals mit der Einfuhr von holländischem Gemüse im Werte von 15 Millionen Dollar überrascht wurden , haben wir in Verhandlungen mit den Holländern durchgesetzt, daß gemischte Regierungskommissionen gebildet wurden, die sich wiederum — und das halte ich für absolut notwendig — auf die Mitarbeit der Wirtschaft stützen. Je 6 Holländer und Deutsche, darunter 3 Erzeuger und 3 Händler, treten zu den Ausschüssen zusammen und arbeiten schließlich ein Verfahren aus, das die beiderseitigen Interessen befriedigt. Darf ich es Ihnen an einem Beispiel sagen; es ist lächerlich, aber es zeigt wieder die Möglichkeiten: Die Holländer wollten unter allen Umständen Flieder hereinbringen. Wir haben aber selber eine Schnittblumenerzeugung. Dann haben wir herausbekommen, daß die Holländer ein Verfahren für das Einfrieren des Flieders haben, das wir noch nicht so ganz beherrschen. Ich habe gesagt, die Holländer sollen in den Monaten November, Dezember und Januar ihren eingefrorenen Flieder herbringen, da können wir Deutsche keinen liefern. Es ist gemacht worden, und die Sache hat sich bewährt. Es muß aber des weiteren dann noch eine Klausel eingebaut werden — sie hat in der letzten Zeit einen Namen bekommen, den ich nicht wiederholen möchte —, die es einem der Vertragspartner erlaubt, dann wenn sich unvorhergesehener Weise die wirtschaftlichen Voraussetzungen, unter denen seinerzeit der Handelsvertrag abgeschlossen wurde, ändern, sofort auf gewissen Sektoren die Einfuhr zu stoppen oder zu beschränken. Wir haben diese Klausel bereits im französischen Vertrag durchgedrückt, und heute in den Mittagsstunden ist es uns gelungen, bei den zur Zeit mit den Holländern stattfindenden Verhandlungen über eine gewisse Revidierung des JEIA-Vertrags auch die Anerkennung dieser Klausel durchzudrücken.
    Nun zur Liberalisierung. Darf ich Ihnen ganz kurz noch meine Anschauung sagen. Die Lioeralisierung ist .dadurch entstanden, daß die europäischen Völker, die am Marshallplan teilhaben, eigentlich lange zu keiner positiven Arbeit kamen, wie die Mittel richtig anzuwenden sind, um Europa wiederum entsprechend zu sanieren. Da hat Truman eingegriffen und hat gesagt, die Liberalisierung muß durchgeführt werden. Daher der Beschluß der OEEC vom 28. August 1949 in Paris. Der


    (Bundesminister Dr. Niklas)

    erste Takt, den dann bei diesem neuen Kurs Truman schlug, hieß eben Liberalisierung des Handels.
    Nun muß zugegeben werden, und das bitte ich im Interesse der deutschen Landwirtschaft zu würdigen, daß die Liberalisierung sich bei der Industrie und bei der Landwirtschaft ganz verschieden auswirkt. Die Liberalisierung bringt und muß notwendigerweise bei längerer. Dauer Strukturwandlungen mit sich bringen.

    (Abg. Rische: Auch in der Industrie?)

    - Auch in der Industrie! Aber, Herr Abgeordneter Rische, der Unterschied ist der: die notwendig gewordene Strukturwandlung in der Industrie kann der einzelne Industrielle machen, oft sogar sehr rasch machen. Er wird gewisse finanzielle Kredite brauchen. Aber er kann sieh von heute auf morgen von irgendeinem Textilgewerbe auf Herrentrikotagen umstellen. Es mag gewisse Schwierigkeiten geben, ich gebe. das zu. Ganz anders, meine Damen und Herren und Herr Abgeordneter Rische - das werden Sie nicht bestreiten können —, liegen doch die Dinge bei der Landwirtschaft. Denn hier sind durch die Umwelt bestimmte und durch den freien Willen der Landwirtschaft nicht oder nicht ausschlaggebend abänderbare Voraussetzungen gegeben.
    Darf ich Ihnen nur zwei Punkte nennen. Der Boden, der sich im Bundesgebiet in zwei Dritteln unserer Fläche auf Mittelgebirge bezieht, ist schlecht. Ich rede gar nicht von dem Urgestein mit Granit, der nie verwittert und infolgedessen aus dem Bayrischen Wald nie eine fruchtbare Gegend machen wird; auch bei den anderen Mittelgebirgen, die Ihnen vielleicht räumlich näher liegen — Rhön, Spessart, Vogelsberg —, sind es schlechte, höchstens mittlere Böden. Ich habe neulich einem meiner amerikanischen Bekannten gesagt, der größte Teil dieser Böden im deutschen Mittelgebirgsland würde in den Vereinigten Staaten überhaupt nicht unter Kultur stehen.

    (Abg. Bausch: Die Schwäbische Alb gehört auch dazu!)

    — Absolut richtig. Aber wir sind nicht so glücklich daß wir nur 21,8 Prozent unserer Fläche unter landwirtschaftliche Nutzung zu nehmen brauchen und trotzdem leben. Bei uns muß eben jeder Quadratmeter herangezogen werden. Da werden Sie mir sagen: Die menschliche Kunst hat oft schon aus einer Wüstenei einen Garten Eden geschaffen. Ich meine aber, das kostet Geld.

    (Abg. Rische: Oder Atomkraft!)

    - Da möchte ich mich nicht in einen gedanklichen Wettlauf mit Ihnen, Herr Abgeordneter Rische, einlassen, vielleicht kommt es einmal. Aber rebus sic stantibus, wie die Dinge heute sind, ist der Boden nur in sehr beschränktem Umfang abänderlich, das ist nur durch jahrzehntelange Kulturverbesserung möglich.
    Aber jetzt kommt etwas, was nicht abänderlich ist: das ist das Klima. Ich habe mit meinen Herren in den letzten Wochen gerade beim Studium der Fragen der Liberalisierung nach dieser Richtung hin einmal die seit Jahrzehnten gemachten wissenschaftlichen Feststellungen der deutschen meteorologischen Anstalten untersucht. Ich bin erschrocken. Der Unterschied in der Vegetationsdauer — nicht zwischen dem Alpengebiet oder der Rauhen Alb und dem Mittelgebirge, sondern zwischen Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein einerseits und Holland, Dänemark, Belgien andererseits — macht pro Jahr zwischen 13 bis 17 Tage aus. Ich brauche keinem Landwirt zu sagen, was die Kürze der Vegetationsdauer bedeutet. Und dazu die absolut andere Wasserführung .des Bodens. Warum haben denn die Hollander und die Belgier pro Hektar einen viel höheren Düngeraufwand als wir? Weil sie viel günstigere Wasserverhältnisse im Boden haben; denn jeder Kunstdünger braucht zur Lösung eine entsprechende Feuchtigkeit.
    Diese Dinge, meine Herren, sind bei der Entscheidung der Frage maßgeblich, wie die Liberalisierung auf die Landwirtschaft anzuwenden ist. Daß die Liberalisierung in mancher Beziehung notwendig ist, wissen wir alle. Die Europäer haben in 17 Kämmerchen gelebt, und in manchen dieser Kämmerchen ist für die Inwohner schon das Zeichen der Atemnot eingetreten. Also der Ruf: die Fenster auf! hat seine Berechtigung. Aber diese Maßnahme muß sorgsam durchgeführt werden. Die Landwirtschaft geht mit, soweit sie kann, aber nicht im gleichen Schritt und Tritt mit der Industrie, weil sie das nicht vermag. In ,der Agrarwirtschaft gibt es nirgends Maßnahmen von Dienstag auf Mittwoch, da will alles sorgsam geplant und in der Durchführung sehr überlegt sein. Nur wenn wir das tun, erreichen wir das eine Ziel, das schließlich doch jedem von uns am Herzen liegt, mag er als Bauer den Pflug führen oder am Schraubstock stehen: Daß die deutsche Landwirtschaft eine wichtige Säule bleibt, die in den trotz allem noch blauen Himmel deutscher Zukunft hineinragt.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und rechts.)