Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es dient der Sache der Kriegsbeschädigten keinesfalls, wenn die zweite und dritte Lesung des Überbrückungsgesetzes in einer Atmosphäre innerer Erregung und Spannung vor sich geht.
Es dient ihr auch nicht, wenn zum Beispiel die inneren Kämpfe, die inneren Spannungen in den Kriegsbeschädigtenorganisationen hier behandelt werden und auf der einen Seite Herr Renner für den Reichsbund und auf der anderen Seite Herr Bazille für den VdK hier sprechen und Herr Renner zweimal zur Einheit der Kriegsbeschädigten aufruft. Es dient der Sache auch nicht, Herr Kollege Seelos, wenn Sie die BonnFrankfurt-Atmosphäre wieder beschwören wollen.
Ich könnte dann beinahe sagen: vielleicht überlegt man sich einmal
in Ihren föderalistischen Kreisen, wieviel man sparen könnte, wenn man in unserem föderalistischen Bundesstaat die Zahl der 105 Minister etwas heruntersetzen würde.
Ich könnte auch erwähnen, daß Herr Kollege Renner bei einer anderen Gelegenheit in Hamburg den Anspruch der Militärpensionäre durchaus bejaht
und betont hat: Ich als Kommunist bejahe den Anspruch der Militärpensionäre. Es hat also keinen Zweck die Dinge angefangen von Bonn-Frankfurt vielleicht bis in die subtilsten inneren Spannungen der Parteien und Verbände hinein zu diskutieren. Darum möchte ich auf die sachlichen Fragen zurückgehen.
Am 20. Januar fand hier die erste Lesung des Gesetzes statt. Wir waren uns alle darüber im klaren, daß das Gesetz, das vielfache Mängel hatte, wesentlich verbessert werden müßte. Ich möchte betonen, daß heute, kaum 14 Tage später, bereits die zweite und dritte Lesung stattfinden kann. Ich muß hier für den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen sprechen und betonen, daß in dieser kurzen Zeit wirklich um die Probleme gerungen wurde, bis wir zu dem einstimmig angenommenen Gesetzentwurf des Ausschusses kamen. Wir haben den Verband der Körperbeschädigten, wir haben den Reichsbund, den Verband der Kriegsblinden und den Verband der Hirnverletzten zu Worte kommen lassen und glaubten nachher all diese Wünsche
hineinarbeiten zu müssen. So kam es zu dem einstimmig angenommenen Entwurf des Ausschusses, der eine Ausgabe von 203,8 Millionen Mark beinhaltet.
— Jawohl, auch ich bedaure es sehr, daß wir uns mit diesen 203,8 Millionen Mark nicht durchgesetzt haben.
Aber nun komme ich zu der entscheidenden Frage. Wir haben im Haushaltsausschuß leider gehört, daß der Finanzkraft eines Bundes, der erst seit wenigen Monaten schöpfen kann, ja für dieses Problem überhaupt erst ab 1. April zuständig ist, gewisse Grenzen gesetzt sind. Wir haben sogar nachher noch versucht — das ist mein Antrag gewesen —, vielleicht ein Kompromiß von 120 Millionen Mark durchzusetzen. Auch hier hat leider der Bundesfinanzminister aus seiner Schau „Nein" sagen müssen. Meine Damen und Herren! Herr Renner ist ja auch einmal Minister gewesen. Herr Renner, Sie wissen ,am besten, daß ein Minister nicht über seinen Schatten springen kann und daß wir bei unseren Finanzministern leider nicht die märchenhafte Einrichtung des „Esel streck dich" haben. Wir müssen die Dinge nun einmal koordinieren und, so bedauerlich das ist, wir sind dann leider zu dem Gesetzentwurf gekommen, der Ihnen nunmehr vorliegt. Es ist wenigstens gelungen — und das ist auch etwas, was ich bereits für die FDP-Fraktion am 20. Januar hier vertrat —, die Pflegezulage für die Kriegsblinden hineinzubekommen. Es ist nicht gelungen, den § 6, der eine Mehrausgabe von 30,5 Millionen zum Inhalt hätte, hierin zu verankern. Wir haben aber bereits gewisse Entschließungen gefaßt, die für das am 1. April zu erwartende Bundesversorgungsgesetz gewissermaßen Richtschnur sind. Vergessen Sie doch nicht die Worte, die die Organisationsvorsitzenden uns im Ausschuß sagten: es komme darauf an, so schnell wie möglich zu helfen, und es komme darauf an, keine Materien schon jetzt im Überbrückungsgesetz zu regeln, die an sich dem endgültigen Bundesversorgungsgesetz vorbehalten bleiben sollten. Nun, die Entschließungen, die wir gefaßt haben, betreffen die Paragraphen, die wir leider nicht durchbringen konnten, die wir im Ausschuß zwar einstimmig hineingearbeitet haben, die sich aber gegenüber der Realität der Finanzverhältnisse nun einmal nicht durchgesetzt haben. Ich darf sie Ihnen bekanntgeben:
Die Bundesregierung wird ersucht, in das neue Bundesversorgungsgesetz, das am 1. April 1950 in Kraft treten soll, die folgenden Regelungen aufzunehmen:
a) die Bezugsberechtigung für Kinderzulagen
und Waisenrenten einheitlich mindestens
bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
festzusetzen;
b) die bisherigen Höchstgrenzen für Hinterbliebenenrenten — § 595 der Reichsversicherungsordnung — und Beschädigtenrenten — § 559 b der Reichsversicherungsordnung — zu beseitigen;
c) eine Krankenversicherung für Hinterbliebene und Schwerbeschädigte zu schaffen.
Meine Damen und Herren! Bis zum 1. April, bis zu der Zeit, da der Bund gezwungen sein
wird, die Regelung in seine Hand zu nehmen, haben wir nur noch zwei Monate. Die Argumente des Herrn Finanzministers und des Herrn Arbeitsministers waren die: Wenn Sie jetzt eine dermaßen große Erhöhung, nämlich von 80 Millionen auf 203,8 Millionen Mark, vorschlagen, wird Ihnen — das sagte der Finanzminister im Haushaltsausschuß wörtlich — die Zustimmung des Bundesrats versagt werden. Das bedeutet, daß die rein formalrechtliche und gesetzgeberische Arbeit noch um weitere Wochen verzögert wird und schließlich die praktische Auswirkung des ganzen Überbrückungsgesetzes gleich Null ist.
Wir hielten es daher für richtiger, zunächst einmal dieses Überbrückungsgesetz zu verabschieden und gleichzeitig gewisse Richtlinien für das endgültige Bundesversorgungsgesetz bereits hineinzuarbeiten.
Auf diese Art und Weise wird nämlich den Kriegsbeschädigten wesentlich mehr geholfen als dadurch, daß wir sie immer wieder mit neuen Deklamationen und Agitationsreden zudecken.