Rede von
Willi
Agatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Ganz ohne Zweifel handelt es sich bei dem vorliegenden Antrag um eine Sache, die uns alle, die wir hier sind, entschieden angeht. Man hat die beiden Werke „Krupp Treibstoffwerke in Wanne-Eickel" und „Gewerkschaft Viktor in CastropRauxel" zwar von der Demontageliste abgesetzt, aber dann keine Produktionserlaubnis erteilt. Man stützt sich seitens der Alliierten bei dieser Maßnahme auf das Washingtoner Abkommen, das ein Verbot der Erzeugung von Benzin, Öl und Schmieröl durch Hydrierverfahren Bergius oder Fischer - Tropsch-Synthese ausgesprochen hat. Es wird gesagt, daß diese mit der Sicherheit der Alliierten nicht zu vereinbaren seien.
Ich glaube, alle Deutschen sind sich darin einig, daß endlich der Begriff „Sicherheit" bezüglich der Kriegsbetriebe geklärt werden muß. Wir sind der Meinung, daß es selbstverständlich keine Kriegsbetriebe mehr geben darf, also solche Betriebe, die im Frieden für den Krieg arbeiten. Aber wir wissen auch, daß dieser Begriff „Kriegsbetrieb" doppelsinnig ist. In den letzten Kriegen ist sogar die letzte Nähmaschine oder
genau besehen der letzte Bauernhof als Kriegsbetrieb eingesetzt gewesen. Ist der Krieg zu Ende, arbeiten diese Betriebe aber für den Frieden, und wir stehen auf dem Standpunkt, daß auch die Fischer-Tropsch-Anlagen für den Frieden arbeiten, und daß ihnen die Erlaubnis gegeben werden muß, für den Frieden arbeiten zu können. Denn was die Treibstoffherstellung dieser Betriebe betrifft, so ist nach vorliegendem Gutachten der Anteil der Treibstoffgewinnung dieser Werke nur 2 bis 21/2 Prozent des gesamtdeutschen Treibstoffbedarfs gewesen. Ich darf hier aussprechen, was vielfach schon gesagt worden ist, was aber die Alliierten nicht gerne hören mögen, was jedoch alle Deutschen für wahr halten, daß die Behinderung der deutschen FischerTropsch-Produktion einzig und allein Konkurrenzgründen entspringt; und dagegen haben wir uns zur Wehr zu setzen, und wir meinen das mit allem politischen und moralischen Recht tun zu können. Wir wissen, daß mittels der FischerTropsch-Produktion eine empfindliche Rohstofflücke in unserer Wirtschaft geschlossen werden kann. Wir wissen darüber hinaus, daß die Kohleveredlung, die Gewinnung wichtiger Stoffe aus der Kohle noch eine große Zukunft hat, und wir möchten nicht, daß die deutsche Wirtschaft und die deutsche Wissenschaft von der Mitarbeit an der Entwicklung dieser Produktion ausgeschlossen wird. Unsere Meinung gründet sich darauf, daß die Fischer-Tropsch-Synthese eine deutsche Erfindung ist und daß wir in diesem Falle das Erstgeburtsrecht für uns beanspruchen können. Darüber hinaus aber hat diese Fischer-Tropsch-Produktion für unseren Bergbau und für die Chemiewirtschaft sehr große Bedeutung. Es gibt eine vielfältigste Verwendung der Fischer-Tropsch-Produktion in der Konsumgüter-Industrie, vor allem in der Seifen- und Waschmittelindustrie.
Vor allem für die Bergarbeiter hat diese Produktion ganz enorme Bedeutung. Wir stehen in Kürze vor der Frage: wie sollen wir unsere Kohlen absetzen? Es macht sich der Beginn einer Kohlenschwemme auf dem Weltkohlenmarkt bemerkbar. Das wird dann bedeuten, daß das Sortenproblem wieder ein sehr schwieriges Problem sein wird, das heißt, daß die minderwertige Kohle, die automatisch mit jeder Kohlenförderung anfällt, von uns nicht mehr verwertet werden kann. Hier bot die Fischer-Tropsch-Produktion einen Ausweg, und wir möchten, daß uns dieser Ausweg offen bleibt. Wir wissen auch, daß veredelte Kohle, zu der diese minderwertige Kohle besonders geeignet ist, einen sehr viel höheren Produktionswert hat, den, glaube ich, unsere Wirtschaft sehr gut gebrauchen kann. Der Bergbau würde dadurch zweifellos mehr konjunkturunabhängig sein, er würde dadurch seine wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben besser erfüllen können, und es würde damit das Gespenst der Zechenstillegungen, welches jetzt schon wieder droht, besser abgewendet werden können. Es würde damit auch der drohenden Arbeitslosigkeit, die bereits zu einer Gefahr für unseren ganzen sozialen Bestand zu werden beginnt, entgegengewirkt werden können. Wir wissen, daß wir die Arbeitsplätze sowohl der Fischer-TropschArbeiter wie auch der Bergarbeiter unter allen Umständen sichern müssen. Darum haben wir den Antrag gestellt, um von der Regierung zu erfahren, wie es mit den Bemühungen um die
Erhaltung des Produktionspermits aussieht. Wir wollen das wissen, damit, wenn sich dort Schwierigkeiten zeigen, nicht nur regierungsseitig, sondern durch alle Deutschen gleichmäßig Druck gemacht werden kann, daß diese Produktionserlaubnis, auf die wir jedes Anrecht haben, auch erteilt wird.