Nun zur Sache selbst. Wenn Sie in der Krankenversicherung die Parität mit Ihrer Mehrheit hier durchsetzen. dann liefern Sie praktisch den Arbeitgebern den Schlüssel zum Kassenschrank der Krankenversicherung aus.
— Entschuldigen Sie! Ich meine das gar nicht im schlechten Sinne. Gerade bei der Krankenversicherung, wo die Mehrleistungen doch wirklich vorhanden sind, ist es von entscheidender Bedeutung, daß die Versicherten sowohl über die Einnahmen wie über die Ausgaben selbst zu entscheiden haben. Daß sich das bewährt hat, beweist ja der Fortschritt, der in der Sozialversicherung und insbesondere in der Krankenversicherung hinsichtlich ihrer Leistungen doch schließlich festgestellt werden konnte.
— Auch bei den Betriebskrankenkassen. Das bestreite ich nicht, sehr verehrter Herr Kollege Wellhausen. Gerade die Ortskrankenkassen waren es, die durch die von ihnen durchgeführten sozialen Aufgaben für die Allgemeinheit — Tuberkulosebekämpfung, Einrichtung von Erholungsheimen und derartiges mehr — doch sehr wesentliche Leistungen vollbracht haben. Gerade den großen Apparat der Ortskrankenkassen hat man für die allgemeinen sozialpolitischen Aufgaben eingesetzt und einsetzen müssen, weil kein anderer da war. Dieser Apparat hat sich bewährt. Deshalb darf man diese Aktivität, die in der Selbstverwaltung verankert war, die bei den Versicherten und den Arbeitgebern auf diesem Gebiet zum Ausdruck gekommen ist, nicht unterbinden.
Wenn wir nun im Gegensatz zu unserem Initiativgesetzesantrag, was der . Herr Kollege Wellhausen kritisiert hat, statt der zwei Drittel und ein Drittel die volle Selbstverwaltung, das heißt die Wahrnehmung durch die Vertreter der Versicherten vorgeschlagen haben, so auf Grund der Tatsache, daß Sie selber im Wirtschaftsrat diese Selbstverwaltung für die Ersatzkassen beschlossen haben. Und nach dem Grundsatz: was dem einen recht ist, ist dem andern billig, mußten wir uns auf den Standpunkt stellen, daß durch eine andere Regelung zweierlei Recht geschaffen würde.
Ich möchte Sie dann noch auf einen anderen Fall aufmerksam machen. In Hessen haben die Vertreter der Selbstverwaltung, die dort bereits, und zwar in der Zusammensetzung von einem Drittel Arbeitgebern und zwei Dritteln Arbeitnehmern besteht, beschlossen, in der Krankenversicherung die Beiträge auf 7 Prozent festzulegen, um dadurch Mehrleistungen hervorbringen zu können. Der Arbeitgeberverband in Hessen war es, der gegen diesen Beschluß Einspruch eingelegt hat.
Nun schauen Sie einmal an: wenn diese Organe nun 50 zu 50, also halb und halb zusammengesetzt sind, dann kann ein Beschluß, ein sozialer Fortschritt überhaupt nicht zustande kommen, weil einfach eine Mehrheit dafür nicht zu finden ist.
Das waren also die Argumente, die uns in dieser grundsätzlichen Frage — und das ist das Entscheidende — veranlaßt haben, unseren Initiativgesetzesantrag einzubringen. Verehrter Herr Kollege Wellhausen, wenn Sie von dem schnellen Handeln gesprochen haben, darf ich Sie in aller Freundschaft und mit Rücksicht auf unsere jahrelange Zusammenarbeit doch darauf hinweisen, daß Sie es waren, der, als der Initiativgesetzentwurf der SPD vom November vorigen Jahres vorgelegen hat, die Aussetzung dieser Angelegenheit beantragt hat.
- Nachdem Sie erklärt haben, daß die Angelegenheit sonst von der Mehrheit des Hauses abgesetzt wird. Hätten wir damals die Sache durchlaufen lassen und sie dem Ausschuß überwiesen, wären wir jetzt schon ein Stück weiter. Vielleicht würden wir uns heute in der zweiten und dritten Lesung befinden. Es hätte dann Ihrer Ausführungen in bezug auf die Eilbedürftigkeit gar nicht bedurft.
Ich glaube, nachdem ich diese grundsätzlichen Ausführungen hinsichtlich der wesentlichen Bestimmungen der Regierungsvorlage in bezug auf die Zusammensetzung der Organe gemacht habe, dürfte es sich erübrigen, noch auf weitere einzugehen, mit Ausnahme von zwei Bestimmungen. Das ist der Paragraph über den Inhalt der Satzungen und über die Aufgaben und Befugnisse der Vertreterversammlung. Das fehlt in dem Regierungsentwurf vollständig. Die Bestimmungen über Aufgaben und Befugnisse der Vertreterversammlung sind in der gesamten Sozialversicherung verstreut, und zwar sowohl über die Krankenversicherung wie über die Rentenversicherung, die Unfallversicherung und die Angestelltenversicherung. Niemand oder nur wenige sind in der Lage festzustellen, was heute rechtens ist oder — richtiger gesagt — was 1933 rechtens war. Aus diesen Erwägungen haben wir uns die Mühe gemacht und einen Paragraphen ausgearbeitet, der die Aufgaben und Befugnisse der Vertreterversammlung für die gesamte Sozialversicherung regelt. Damit haben wir kein neues Recht, sondern wir haben damit ein einheitliches Recht für einheitliche Organe in der gesamten Sozialversicherung geschaffen. Ich glaube, daß das ein Fortschritt ist, über den Sie sich auch Gedanken machen und dem Sie im Interesse der Sache, vor allem im Interesse der Tätigkeit der Organe — ganz gleich, wie sie sich zusammensetzen — zustimmen sollten.
Das gleiche trifft für die Satzungen zu. Meiner Ansicht nach müssen Sie, wenn Sie dem Fortschritt und der Fortentwicklung der Sozialversicherung Rechnung tragen wollen, in diesem Gesetz auch über 'die Satzungen, über deren Inhalt etwas sagen. Mit einem derartigen Gesetz über die Selbstverwaltung der Sozialversicherung geben Sie den Tausenden von Arbeitern, in der Unfallversicherung auch dien Arbeitgebern das Handwerkszeug in die Hand, mit dem sie ihre ehrenamtliche und hoffentlich dem gesamten arbeitenden Volk dienende Arbeit durchführen können.