Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine Damen und Herren! Die Entwürfe, die sich die Regierung hat anfertigen lassen und die sie mit einem größeren Kreis von Interessierten schon besprochen hat, sind uns nicht bekannt. Herrn Professor Nölting waren sie vielleicht bekannt, ich weiß es nicht. Jedenfalls ist es immer ein mißliches Unterfangen, über irgendwelche Dinge zu sprechen und Einzelheiten zu besprechen, die man nicht kennt und die man im einzelnen nicht durchstudiert hat. Wir müssen uns deshalb heute leider auf eine allgemeine Diskussion beschränken, die vielleicht viel besser zu einem Zeitpunkt gepaßt hätte, in dem das Monopolmißbrauchsgesetz hier vorgelegt wird.
Wir werden aber doch einige wesentliche Punkte, die in der heutigen Debatte — soweit ich es jedenfalls verstanden habe — nicht zum Vorschein gekommen sind, noch vortragen müssen.
Es scheint mir so zu sein, daß der Ausdruck „Kartell" oder das Wort „Monopol" im Laufe der letzten Jahrzehnte, vielleicht sogar im Laufe der allerletzten Jahre tatsächlich einen Bedeutungswandel erfahren hat, den wir im einzelnen vielleicht noch nicht mit der genügenden Schärfe erkannt haben. Man denke doch einmal daran: Wo gibt es noch überall in der Welt einen wirklich funktionsfähigen Markt? Wo sind nicht irgendwelche Machtpositionen aufgebaut? Denken Sie daran, daß heute bei der Devisenzuteilung bei Einfuhrdevisen dem Einfuhrhändler eine gewisse Menge an Devisen zugeteilt wird, und die anderen Gruppen gehen leer aus. Selbstverständlich bringt ein solches Devisenzuteilungsverfahren auch Möglichkeiten des Machtmißbrauchs. Ich führe dies nur als Beispiel an, um Ihnen zu zeigen, daß wir wahrscheinlich in dem Kampf gegen den Monopolmißbrauch viel zu wenig die vielfältigen Möglichkeiten erblicken, die sich in der heutigen Wirtschaft aufgebaut haben. Was wir haben müssen. ist mehr als nur der Kampf gegen die Industriekartelle, die hier anscheinend im Vordergrund der Betrachtungsweise stehen. Was wir haben müssen. ist tatsächlich ein funktionsfähiger Markt; und einen solchen funktionsfähigen Markt auch beispielsweise auf dem Agrarsektor zu schaffen, wird eine außerordentlich schwere Aufgabe sein, die wahrscheinlich jahrelanger Arbeit bedarf. In diesem Sinne müßte .ein Monopolgesetz zunächst einmal untersuchen, wo und auf welchem Marktsektor es überhaupt wirksam werden kann, welche Marktsektoren in diesem Gesetz überhaupt erfaßt werden können und wo die Grenzen eines solchen Monopolmißbrauchs zu suchen sind.
Aber ein zweiter Gesichtspunkt, der meiner Meinung nach ebenso wichtig ist, ist der, daß man die Dinge nicht nur negativ sehen sollte, daß man nicht nur sagen sollte: wir wollen Mißbräuche oder den unlauteren Wettbewerb bekämpfen, sondern man muß sich ein ganz bestimmtes wirtschaftspolitisches Bild machen: man muß in ein solches Gesetz auch die positive Förderung der kleinen und mittleren Betriebe mit hineinsetzen, und man muß sich ein ganz klares wirtschaftspolitisches Bild von den optimalen Betriebsgrößen in jedem einzelnen Wirtschaftssektor machen. Dann hätte man dieses positive Wirtschaftsbild, das hinter einem solchen Gesetz zu stehen hätte, mit allen Mitteln der Rechtsprechung durchzusetzen.
Denken Sie nur einmal an, die Erfahrung, die wir mit der Kartellverordnung von 1923 gemacht haben. Wer die Rechtsprechung des Reichswirtschaftsgerichts irgendwie einmal kennengelernt hat, wird doch selber festgestellt haben, daß die Grenze der Störung des öffentlichen Wohles praktisch außerordentlich schwer zu erfassen ist, wenn man nicht ein Übriges in das Gesetz hineinschreibt, nämlich welches positive, wirtschaftspolitische Bild man sich von der Verfassung der Wirtschaft macht. Deshalb halte ich es für erforderlich, daß wir ein solches Monopolmißbrauchgesetz in beiden Richtungen genau vorbereiten.
Ich möchte mir hier eine Anregung erlauben. Ist es denn richtig, daß jeder Gesetzentwurf nur zunächst im Schoße der Regierung ausgedacht werden muß? Wäre es nicht viel zweckmäßiger, wenn gerade bei so schwierigen und grundsätzlichen Fragen eine Studienkommission aus Angehörigen aller Parteien eingesetzt wird, in der sich die besten Sachverständigen, die von deutscher Seite aus jemals mit diesem Problem zu tun gehabt haben, befinden und sich mit Sachverständigen des Auslandes vereinigen würden, die die Erfahrungen beispielsweise Amerikas uns mit übermitteln könnten? Solch eine Studienkommission hätte dann Material zu sammeln und auf Grund dieses Materials gewisse Anregungen für einen solchen Gesetzesvorschlag uns zu unterbreiten. Dann würden auch die Schwierigkeiten, die Herr Abgeordneter Schäfer hier für die Regierung kennzeichnete, wegfallen. Es würde dann die Möglichkeit bestehen, daß alle Interessierten bereits an der Vorarbeit beteiligt wären, damit etwas Besseres herauskäme, als wenn ein solcher Entwurf nur von parteipolitischer Seite gesehen wird. Damit würden wir vor allem eine Gefahr bannen, die sich meiner Ansicht nach deutlich gezeigt hat. Sowohl die Regierung wie auch der Sprecher der SPD haben im wesentlichen ihre Zustimmung zu dem Monopolmißbrauchgesetz zum Ausdruck gebracht und praktisch fast die gleichen Formulierungen gefunden. Ist es dann nötig, daß über völlig gleiche Dinge, über einen völlig gleichen Antrag hier polemisiert wird, obwohl man den Eindruck hat, daß die bei weitem überwiegende Mehrheit des Parlaments sich in der Grundlinie völlig einig ist? Wenn wir dazu kommen könnten, solche grundsätzlichen Fragen in einer alle Parteien und Sachverständige umfassenden Studienkommission vorzuklären, dann würden wir wahr-
scheinlich eine solche etwas schwierige Diskussion, wie wir sie heute haben, vermeiden können.
Wir vom Zentrum wünschen jedenfalls, daß in diesem Gesetz außer diesen rein negativen Punkten, die hier zur Sprache gekommen sind, vor allem auch der mehr positive Punkt herausgeschält wird, nämlich die Ermöglichung des Starts für neue und junge Kräfte, die ja zur Zeit kaum gegeben ist, zweitens die Auffassung vom wirtschaftspolitischen Gesamtbild, nämlich die Förderung des mittleren und kleinen Betriebes als Schutz gegen die größeren, die sich schon selber zu helfen wissen.