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ID0103202500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1950 981 32. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Januar 1950. Geschäftliche Mitteilungen 982A Niederlegung des Mandats des Abg. Leibbrand 982B Antrag der Abg. Loritz, Dr. Richter und Dr. Reismann auf Einberufung des Ältestenrats zwecks Aussprache über den Ausschluß des Abg. Goetzendorff für 20 Sitzungstage . . , 982B Dr. Miessner (NR) (zur Geschäftsordnung) 982C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht (Drucksache Nr. 405) 982D Dr. Nölting (SPD), Antragsteller 982D, 1001C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 987D, 1002D Etzel (CDU) 991B Rische (KPD) 993A Aumer (BP) . . . . .. . . . 995A Loritz (WAV) 996B Dr. Schäfer (FDP) 997D Dr. Bertram (Z) 1000A Dr. von Merkatz (DP) 1001A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den LohnsteuerJahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 (Drucksachen Nr. 463 und 430) . . 1003B Bodensteiner (CSU), Berichterstatter 1003B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im 2. Rechnungshalbjahr 1949 (Drucksachen Nr. 464 und 318) . . . . 1004A Dr. Besold (BP), Berichterstatter 1004B Morgenthaler (CDU), Antragsteller 1005A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1006A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über die Anträge der Fraktion der WAV betr. Benzinpreiserhöhung, der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf 'Aufhebung derselben, der Abgeordneten Rademacher, Stahl, Dr. Oellers, Dr. Schäfer, Dr. Wellhausen und Fraktion der FDP betr. Preiserhöhung für Treibstoff (Drucksachen Nr. 465, 331, 363 und 384) . 1007A Dr. Schröder (CDU), Berichterstatter 1007A Loritz (WAV) 1007C Dr. Preusker (FDP) 1008B Dr. Veit (SPD) . . . . . . . 1008D Renner (KPD) 1010A Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Deutsche Kriegsgefangene und Internierte in der Sowjet-Union (Drucksache Nr. 378) in Verbindung mit der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Zurückhaltung von 400 000 Deutschen in der Sowjet-Union (Drucksache Nr. 432) und der Interpellation der Abgeordneten Höfler und Fraktion der CDU/CSU betr. Deutsche Gefangene in Jugoslawien (Drucksache Nr. 411) 1011B Farke (DP), Antragsteller 1011C, 1012B Höfler (CDU), Interpellant . . . . 1011D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 1012B Unterbrechung der Sitzung . 1013D Renner (KPD) 1013D Pohle (SPD) 1017C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier und Genossen betr. Wiederherstellung der deutschen Jagdhoheit (Drucksachen Nr. 400 und 147) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Rahmengesetzes für die Jagd (Drucksachen Nr. 401 und 229) 1018A Lübke (CDU) Berichterstatter . . . 1018A Dr. Fink (BP) 1018C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Dr. Holzapfel und Genossen betr. Gesetz über die Liquidation des ehemalig reichseigenen Filmeigentums (Drucksachen Nr. 402 und 34) 1019B Dr. Dr. Lehr (CDU), Berichterstatter 1019B Brunner (SPD) 1022B Rische (KPD) 1022C Aumer (BP) 1023C Löfflad (WAV) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . 1024C Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 1024C Die Sitzung wird um 1'4 Uhr 12 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat einen großen Katalog der Dinge vorgeführt, gegen die er und seine politischen Freunde sich auszusprechen haben. Ich glaube, es würde für die Stellung des Herrn Loritz und seiner Fraktion in diesem Hause nützlicher sein, wenn wir nun bei Gelegenheit auch einmal hören könnten, wie man sich positiv zu der politischen Entwicklung und zu der Gestaltung unseres wirtschaftlichen Lebens zu verhalten gedenkt.

    (Zuruf von der WAV: Mit Vergnügen!)

    Es wäre nämlich wichtig, zu wissen, wie Sie sich die praktischen Wege denken. Es genügt nicht, bloß zu sagen: „Ja, dann gibt es irgendwo Möglichkeiten". Nein, mit irgendwelchen gespensterhaften Möglichkeiten unter der Morgenröte irgendeiner verschwommen gedeuteten Zukunft können wir uns nicht abfinden, weil wir nämlich verantwortungsbewußte Politik treiben, eine Politik, die sich an die Realitäten hält, eine Politik, die von der Wirklichkeit ausgeht und zu


    (Dr. Schäfer)

    praktischen Nutzanwendungen innerhalb dieses staatlichen Lebens kommt, an dessen Entwicklung, an dessen Anfangswerden wir hier mühevoll arbeiten.

    (Bravorufe und Händeklatschen in der Mitte.)

    Das, meine Damen und Herren, sei an den Anfang dieser Ausführungen gestellt.
    Nun ein zweites, ein Wort des Bedauerns! Wir haben vorhin wieder erlebt, als der Antrag begründet wurde, daß der Angehörige der Regierung eines Landes hier in diesem Hause als Abgeordneter gesprochen hat. Ich möchte den Herren von der SPD doch die dringende Bitte vortragen, wirklich einmal ernsthaft die Bedeutung der Inkompatibilität zu erkennen und zu prüfen, ob es unserer staatlichen Entwicklung unter dem Aspekt der demokratischen Funktionenteilung innerhalb einer bundesrepublikanischen Einheit dienlich ist, diesen Weg und diese Methode weiter fortzusetzen.

    (Abg. Loritz: Was hat das mit Kartellen zu tun? Reden Sie zur Sache! — Abg. Renner: Was wollen Sie damit ehrlich sagen?)

    Dann, meine Damen und Herren, zum eigentlichen Gegenstand! Die Dinge liegen da so, daß von der Regierung wiederholt bekanntgegeben worden ist, sie arbeite an einem Entwurf zur Kartell- oder Antimonopolgesetzgebung. Nun ist das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition bei der Vorbereitung von Gesetzen ziemlich ungleich. Die Regierung ist genötigt, um ihrem Entwurf eine gründliche und sachgemäße Fundierung zu geben, mit einer Fülle von Beteiligten zunächst Vorbesprechungen zu halten

    (Zuruf von der KPD: Mit den Konzernen!)

    und alle möglichen Sachverhalte heranzuziehen, also die Gesetzentwürfe gut vorzubereiten. Das braucht die Opposition natürlich nicht zu tun, und infolgedessen ist es für sie ungeheuer leicht, laufend Anträge zu stellen: die Regierung wird ersucht, dieses oder jenes zu tun. Dadurch wird der Eindruck erweckt, als ob die Regierung fortgesetzt des Antriebes der Opposition bedürfe, um überhaupt in Tätigkeit versetzt zu werden.

    (Zuruf von der SPD: Das ist auch richtig!)

    Dabei ist die wirkliche Lage doch so, daß nicht nur die Gesetze vorzubereiten sind, sondern daß wir in Staatsanfängen stehen. Hinzu kommt nämlich die gewaltige Aufgabe, zunächst einmal die administrativen Voraussetzungen für eine funktionierende Exekutive herzustellen.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Ich weiß nicht, ob es richtig ist, daß am Anfang des staatlichen Werdens bestehende Mißverhältnis zwischen Regierung und Opposition und ihren Aufgaben und Funktionen so auszunutzen, wie das hier immer wieder geschehen ist.
    Deswegen, meine Damen und Herren, überlasse ich unsere Stellungnahme zu Einzelfragen der Monopol- und Kartellgesetzgebung der künftigen Aussprache, die sich an die Vorlage des Regierungsentwurfs knüpfen wird.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Ich beschränke mich infolgedessen auf ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu der heutigen Debatte und zu den Auffassungen, die da vorgetragen worden sind.
    Meine Damen und Herren, es geht hier nicht bloß um die Frage des Verhältnisses zum Kartell oder zu sonstigen Monopolen, um die Frage des Eingriffs des Staates in den Ablauf der wirtschaftlichen Entwicklung. Es handelt sich hier nicht nur um eine Frage rein ökonomischer Art. Sie ist für uns auch eine wesentlich politische Frage. Letzten Endes wird hier das Verhältnis von Staat und Gesellschaft, von Staat und Individuum berührt. Es geht um die Frage: Wie verhält sich der Staat, der die Freiheit des Individuums zu schützen hat, zu gesellschaftlichen Sozietäten, die einen Funktionärkörper haben, der seiner ganzen Wesensart nach — das gilt für alle Sozietäten — das Bedürfnis hat, nach einer gewissen Zeit gewisse politische Macht auszuüben und politische Schwerpunkte zu bilden?
    ,(Abg. Rische: Er läßt sich davon beherrschen!)

    — Herr Kollege Rische, das ist eine andere Frage, ob er sich davon beherrschen läßt. Ich sehe diese Herrschaft noch nicht gegeben, aber ich sehe die Möglichkeit einer solchen Herrschaft. Und das ist für uns der entscheidende Gesichtspunkt. Wir meinen, der Staat sei dazu da, auch die Freiheit des Individuums zu schützen, wenn durch gewisse Machtgruppierungen und Machtballungen in der Gesellschaft die Gefahr besteht, daß das Individuum seine Bewegungsfreiheit, auch seine Vereinigungsfreiheit und auch die Freiheit, sich nicht zu vereinigen, verlieren könnte. Das gilt nicht nur für die Monopolgesetzgebung auf dem wirtschaftlichen Gebiete, sondern das gilt für alle Zweige unseres wirtschaftlichen Lebens.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Das ist das, was in diesem Zusammenhang gesagt werden mußte.

    (Zuruf des Abg. Loritz.)

    Wir wollen unter keinen Umständen, daß dieser Staat, der dazu da ist, die Freiheit der vielen zu schützen und zu wahren, von irgendwelchen mächtigen Sozietäten abhängig wird. Insofern bejahen wir das Recht des Staates, in die Bildung von solchen Sozietäten einzugreifen in der Absicht, die Freiheit des Individuums und die Freiheit des Leistungswettbewerbs des wirtschaftenden Menschen zu schützen. — Das ist das eine, was grundsätzlich zu diesen Dingen zu sagen ist.
    Ich habe mich über einige Ausführungen gewundert, die zur Begründung des Antrages gemacht worden sind. Ich habe selten eine solche Umschmeichelung von Kartellinstinkten gehört, wie sie da von dem Sprecher der SPD ausgesprochen worden ist.

    (Lachen bei der SPD.)

    Es ist mit einem geradezu rührenden Mitleid von den Gründen gesprochen worden, von betriebswirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Argumenten, die immer wieder — nun schon seit 20, 30 Jahren —, wenn es um die Verteidigung der Kartelle geht, angeführt zu werden pflegen. Ich habe mich gewundert, sie gerade aus diesem Munde zu hören.
    Ich darf in diesem Zusammenhang nur einige Dinge herausgreifen. Meine Damen und Herren, es ist von der beklagenswerten Folge des Wettbewerbs gesprochen worden, die etwa eintreten könnte, wenn durch allzu rigorosen Wettbewerb einmal ein Betrieb unterliegen könnte. Ja, meine Damen und Herren, es ist noch sehr die Frage, ob es denn volkswirtschaftlich nützlich oder bedauerlich ist, daß ein solcher Betrieb unterliegt. Es kann sich ja auch um die Ausmerzung rückständiger und unerwünschter Betriebsformen handeln. Wir sind nun einmal Anhänger eines


    (Dr. Schäfer)

    wirtschaftlichen Fortschritts, bei dem sich im Wettbewerb der Leistung die neuen Formen immer wieder weiterbilden und die Wirtschaft aus ihren eigenen Elementarkräften nach den ihr eigentümlichen Grundgesetzen ihren Weg in die weitere Zukunft nimmt.

    (Abg. Rische: Das ist der Wolfskampf! Die Kleinen fressen dann die Großen usw.!)

    — Das ist nicht der Wolfskampf, daß die Kleinen die Großen fressen!

    (Abg. Rische: Umgekehrt!)

    Aber es kann so sein, daß der Untüchtige oder der weniger Tüchtige von dem Tüchtigen überrundet wird. Das ist allerdings ein Ausleseprozeß, den wir für ein sehr wesentliches Element der Entwicklung halten. Und zwar gerade in diesem Augenblick. Wir müssen doch nach diesem verlorenen Krieg, nach diesem Zusammenbruch unserer politischen Existenz eine ungeheure Anstrengung machen, um überhaupt wieder in die Höhe zu kommen. Wir müssen doch die Leistungskräfte antreiben und entfalten, um in unser Volk und in unser Wirtschaftsleben die Impulse hineinzutragen, das Äußerste an Leistung zu vollbringen, Neues zu formen und Neues zu wagen. Diese Wagnisbereitschaft wird aber durchaus nicht durch monopolistische Elemente im Wirtschaftsleben sichergestellt. Vielmehr ist manches Monopolstreben darauf zurückzuführen, daß an die Stelle echten Unternehmerdenkens so etwas wie eine Betriebsrentnergesinnung getreten ist. Wir glauben nicht, daß das der richtige Impuls zum Aufstieg ist. Wir wenden uns bewußt nicht an die Ängstlichen und Zaghaften, sondern an die Auftriebswilligen, an die Tatkräftigen, an die Lebendigen und an die Schöpferischen mit all der Folgerichtigkeit, die sich aus dieser Vorstellung ergibt.
    Herr Kollege Nölting hat in diesem Zusammenhang einige Bemerkungen über den Liberalismus gemacht. Er hat gesagt, dive Kartelle seien Kinder des Liberalismus. Ich sehe die Dinge wesentlich anders. Das, was im Grunde genommen zu dieser Betriebsrentnergesinnung geführt hat, die oft hinter der Kartell- oder Monopolbildung gestanden hat, ist nicht Liberalismus, ist nicht der Glaube an das selbstbewußte und selbstverantwortliche Individuum in der Wirtschaft, sondern ist in Wirklichkeit ein nachwirkender Feudalismus, ein Nachwirken der Instinkte, der Neigungen derer, die privilegiensüchtig waren. Nachdem die Privilegien durch die Einführung der Gewerbefreiheit und verwandte Entwicklungen des politischen Lebens weggefallen waren, waren diese Kräfte darauf bedacht, bevorrechtigte Positionen innerhalb des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehens auf neuer Grundlage zu bilden. Diese nachwirkende Denkgewohnheit des Feudalgeistes hat weiß Gott nichts mit dem Liberalismus zu tun, der für meine Freunde und mich der Inhalt unserer politischen Weltanschauung ist.
    Also, meine Damen und Herren, wir haben nicht die Absicht, Monopole zu verteidigen, und wir haben nicht die Absicht, eine wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, bei der denjenigen ein Freibrief ausgestellt wird, die sich unter Mißbrauch der Wirtschaftsfreiheit in die Lage versetzen wollen, wirtschaftliche Privilegien zu schaffen und auszunutzen.
    Wir teilen auch nicht die Meinung, daß auf diesem Wege eine langfristige Erwerbslosigkeit gefördert werden könnte. Die Frage der Vollbeschäftigung hat mit der Erhaltung privater Monopolstellungen wenig zu tun. Es wurde vorhin gesagt, durch den Wettbewerb und durch das Niederkonkurrieren von Betrieben könne eine Gefährdung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit breiter Arbeitnehmerschichten eintreten. Das Umgekehrte haben wir aber auch schon erlebt. Ich entsinne mich, daß man Trusts und Kartelle nur mit dem Ziel bildete, sich dadurch eine besonders starke Stellung auf dem Markte zu schaffen, daß man Betriebe aufkaufte, um sie stillzulegen, daß man also nicht den Willen zur Mehrproduktion, zur Mehrleistung, sondern umgekehrt den Willen zur Drosselung der Leistung zum Gegenstand monopolistischer Politik oder Kartellpolitik machte. Ich kann mich an Fälle erinnern, in denen Patente, die wichtige Neuerungen brachten, nicht ausgenutzt wurden, weil nämlich dadurch bestimmte kartellpolitische Methoden, die sich eingelaufen hatten, schlecht hätten genutzt werden können. Meine Damen und Herren, wenn man die Dinge so sieht, dann sollte man doch davon absehen, das Gespenst der Erwerbslosigkeit an die Wand zu malen, wenn etwa die Kartellpolitik oder eine gewisse Lockerung der Kartelle dahin führen sollte, etwas frischeren Wind in die Wettbewerbsverhältnisse hineinzubringen.
    Ich glaube, daß am Ende d i e Wirtschaft am erfolgreichsten ist, in welcher durch die Auslese des Wettbewerbs die Tüchtigsten, die Wagnisbereitesten und die Schöpferischsten sich durchgesetzt haben, d i e Wirtschaft, die sich auch freigemacht hat von einer manchmal geradezu autoritären Bürokratie, die aus ihr selbst kam. Diese Bürokratie mit all ihren Statistiken und Tabellen,
    mit ihrer Kunstrichtung des Kurvismus beherrschte dabei das betriebswirtschaftliche Denken. Man vermeinte da, wo eigene Ideen über die wirtschaftliche Entwicklung fehlten, aus Statistiken herauslesen zu können, was man eigentlich zu tun habe. Auch diese Erscheinungen werden sich mit Hilfe einer stärkeren Wirkung des Wettbewerbs mäßigen.
    Solche Überlegungen bedeuten nun nicht, meine Damen und Herren, daß wir etwa doktrinäre Anhänger eines riesenhaften Monopolamtes wären. Wir sind viel eher geneigt, an ein Beispiel anzuknüpfen, das im vorigen Jahr die britische Regierung gegeben hat, als sie in einer Art empirischelastischer Form dem Kartellproblem auf den Leib zu rücken versuchte. Das ist dort so geschehen, daß man den verschiedenartigsten Bedingungen für die bisherige Existenz von Monopolen, Trusts, Kartellen oder Syndikaten in variablen Formen und Ordnungen Rechnung trug. Da etwa, wo wir im Wettbewerb mit anderen Ländern mit stark monopolistisch untermauerten Wirtschaftszweigen stehen, können wir zeitweilig nicht unter allen Umständen auf angleichende oder entsprechende Gegenmaßnahmen verzichten. Sonst würde man ja kein echtes Wettbewerbsverhältnis durch Gleichartigkeit der formalen Wettbewerbsbedingungen ermöglichen. Es wird auch nicht immer darauf ankommen, nun kleinlich zu sein und jede Form der Verabredung über ein Formular, über den Abschluß von formalen Bedingungen der Lieferungsverträge gleich zum Gegenstand behördlicher Maßregelung zu machen. Das Entscheidende, das wir für unsere wirtschaftliche und politische Regeneration brauchen, ist einerseits eine Stei-


    (Dr. Schäfer)

    gerung des Wettbewerbs, eine Förderung des wagniswilligen und wagnisbereiten Menschen; es ist andererseits eine Minderung oder Beseitigung der Stützen, die diejenigen erstreben, die in der Betriebswirtschaft lediglich eine Möglichkeit suchen, ohne jedes Wagnis oder ohne jede schöpferische Leistung Rendite unter allen Umständen zu gewährleisten.
    So komme ich also zu dem Ergebnis: Wenn der Staat seine Aufgabe erfüllen soll, die er in dieser wirtschaftlichen und politischen Situation, in der wir uns heute befinden, hat, nämlich die Kräfte des Auftriebs zu entfesseln, dann wird er nicht an einer Monopolordnung vorbeikommen, die die Impulse zum wirtschaftlichen Leistungsstreben und zum unternehmerischen Wagnis steigert.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine Damen und Herren! Die Entwürfe, die sich die Regierung hat anfertigen lassen und die sie mit einem größeren Kreis von Interessierten schon besprochen hat, sind uns nicht bekannt. Herrn Professor Nölting waren sie vielleicht bekannt, ich weiß es nicht. Jedenfalls ist es immer ein mißliches Unterfangen, über irgendwelche Dinge zu sprechen und Einzelheiten zu besprechen, die man nicht kennt und die man im einzelnen nicht durchstudiert hat. Wir müssen uns deshalb heute leider auf eine allgemeine Diskussion beschränken, die vielleicht viel besser zu einem Zeitpunkt gepaßt hätte, in dem das Monopolmißbrauchsgesetz hier vorgelegt wird.

    (Sehr richtig! beim Zentrum.)

    Wir werden aber doch einige wesentliche Punkte, die in der heutigen Debatte — soweit ich es jedenfalls verstanden habe — nicht zum Vorschein gekommen sind, noch vortragen müssen.
    Es scheint mir so zu sein, daß der Ausdruck „Kartell" oder das Wort „Monopol" im Laufe der letzten Jahrzehnte, vielleicht sogar im Laufe der allerletzten Jahre tatsächlich einen Bedeutungswandel erfahren hat, den wir im einzelnen vielleicht noch nicht mit der genügenden Schärfe erkannt haben. Man denke doch einmal daran: Wo gibt es noch überall in der Welt einen wirklich funktionsfähigen Markt? Wo sind nicht irgendwelche Machtpositionen aufgebaut? Denken Sie daran, daß heute bei der Devisenzuteilung bei Einfuhrdevisen dem Einfuhrhändler eine gewisse Menge an Devisen zugeteilt wird, und die anderen Gruppen gehen leer aus. Selbstverständlich bringt ein solches Devisenzuteilungsverfahren auch Möglichkeiten des Machtmißbrauchs. Ich führe dies nur als Beispiel an, um Ihnen zu zeigen, daß wir wahrscheinlich in dem Kampf gegen den Monopolmißbrauch viel zu wenig die vielfältigen Möglichkeiten erblicken, die sich in der heutigen Wirtschaft aufgebaut haben. Was wir haben müssen. ist mehr als nur der Kampf gegen die Industriekartelle, die hier anscheinend im Vordergrund der Betrachtungsweise stehen. Was wir haben müssen. ist tatsächlich ein funktionsfähiger Markt; und einen solchen funktionsfähigen Markt auch beispielsweise auf dem Agrarsektor zu schaffen, wird eine außerordentlich schwere Aufgabe sein, die wahrscheinlich jahrelanger Arbeit bedarf. In diesem Sinne müßte .ein Monopolgesetz zunächst einmal untersuchen, wo und auf welchem Marktsektor es überhaupt wirksam werden kann, welche Marktsektoren in diesem Gesetz überhaupt erfaßt werden können und wo die Grenzen eines solchen Monopolmißbrauchs zu suchen sind.
    Aber ein zweiter Gesichtspunkt, der meiner Meinung nach ebenso wichtig ist, ist der, daß man die Dinge nicht nur negativ sehen sollte, daß man nicht nur sagen sollte: wir wollen Mißbräuche oder den unlauteren Wettbewerb bekämpfen, sondern man muß sich ein ganz bestimmtes wirtschaftspolitisches Bild machen: man muß in ein solches Gesetz auch die positive Förderung der kleinen und mittleren Betriebe mit hineinsetzen, und man muß sich ein ganz klares wirtschaftspolitisches Bild von den optimalen Betriebsgrößen in jedem einzelnen Wirtschaftssektor machen. Dann hätte man dieses positive Wirtschaftsbild, das hinter einem solchen Gesetz zu stehen hätte, mit allen Mitteln der Rechtsprechung durchzusetzen.
    Denken Sie nur einmal an, die Erfahrung, die wir mit der Kartellverordnung von 1923 gemacht haben. Wer die Rechtsprechung des Reichswirtschaftsgerichts irgendwie einmal kennengelernt hat, wird doch selber festgestellt haben, daß die Grenze der Störung des öffentlichen Wohles praktisch außerordentlich schwer zu erfassen ist, wenn man nicht ein Übriges in das Gesetz hineinschreibt, nämlich welches positive, wirtschaftspolitische Bild man sich von der Verfassung der Wirtschaft macht. Deshalb halte ich es für erforderlich, daß wir ein solches Monopolmißbrauchgesetz in beiden Richtungen genau vorbereiten.
    Ich möchte mir hier eine Anregung erlauben. Ist es denn richtig, daß jeder Gesetzentwurf nur zunächst im Schoße der Regierung ausgedacht werden muß? Wäre es nicht viel zweckmäßiger, wenn gerade bei so schwierigen und grundsätzlichen Fragen eine Studienkommission aus Angehörigen aller Parteien eingesetzt wird, in der sich die besten Sachverständigen, die von deutscher Seite aus jemals mit diesem Problem zu tun gehabt haben, befinden und sich mit Sachverständigen des Auslandes vereinigen würden, die die Erfahrungen beispielsweise Amerikas uns mit übermitteln könnten? Solch eine Studienkommission hätte dann Material zu sammeln und auf Grund dieses Materials gewisse Anregungen für einen solchen Gesetzesvorschlag uns zu unterbreiten. Dann würden auch die Schwierigkeiten, die Herr Abgeordneter Schäfer hier für die Regierung kennzeichnete, wegfallen. Es würde dann die Möglichkeit bestehen, daß alle Interessierten bereits an der Vorarbeit beteiligt wären, damit etwas Besseres herauskäme, als wenn ein solcher Entwurf nur von parteipolitischer Seite gesehen wird. Damit würden wir vor allem eine Gefahr bannen, die sich meiner Ansicht nach deutlich gezeigt hat. Sowohl die Regierung wie auch der Sprecher der SPD haben im wesentlichen ihre Zustimmung zu dem Monopolmißbrauchgesetz zum Ausdruck gebracht und praktisch fast die gleichen Formulierungen gefunden. Ist es dann nötig, daß über völlig gleiche Dinge, über einen völlig gleichen Antrag hier polemisiert wird, obwohl man den Eindruck hat, daß die bei weitem überwiegende Mehrheit des Parlaments sich in der Grundlinie völlig einig ist? Wenn wir dazu kommen könnten, solche grundsätzlichen Fragen in einer alle Parteien und Sachverständige umfassenden Studienkommission vorzuklären, dann würden wir wahr-


    (Bertram)

    scheinlich eine solche etwas schwierige Diskussion, wie wir sie heute haben, vermeiden können.
    Wir vom Zentrum wünschen jedenfalls, daß in diesem Gesetz außer diesen rein negativen Punkten, die hier zur Sprache gekommen sind, vor allem auch der mehr positive Punkt herausgeschält wird, nämlich die Ermöglichung des Starts für neue und junge Kräfte, die ja zur Zeit kaum gegeben ist, zweitens die Auffassung vom wirtschaftspolitischen Gesamtbild, nämlich die Förderung des mittleren und kleinen Betriebes als Schutz gegen die größeren, die sich schon selber zu helfen wissen.

    (Beifall.)