Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich sind der Auffassung, daß die Antwort, die der Herr Bundesjustziminister auf die Anfrage der Fraktion der Kommunistischen Partei gegeben hat, nicht befriedigend ist. Wenn ich kurz zu dem Vorgang Stellung nehmen möchte, dann allerdings nicht mit der Tendenz, die immer in den Ausführungen zu finden ist, die die Vertreter der kommunistischen Fraktion hier machen.
Meine Damen und Herren! Es ist nicht zu verkennen, daß wir in Deutschland nun einmal unter einer Besatzung leben und daß jede Besatzungsmacht ihre eigenen Rechtsgrundsätze entwickelt und sie auch zur Anwendung bringt. Wir bedauern das außerordentlich. Wir sind allerdings zur Zeit nicht in der Lage, von uns aus daran etwas zu ändern. Auch die Bundesregierung wird von sich aus nicht in der Lage sein, auf diesem Gebiet irgendwie Wandel zu schaffen. Was wir bedauern, ist, daß die Alliierte Hohe Kommission das Gesetz Nr. 14 erlassen hat, ohne sich vorher mit der Bundesregierung bzw., solange die Bundesregierung noch nicht bestand, mit deutschen Stellen in Verbindung zu setzen. Wir können uns mit Form und Inhalt des Gesetzes Nr. 14 nicht einverstanden erklären.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einige Beispiele hinweisen, die mit dem, was in Deutschland Rechtsgrundsatz ist, nicht ohne weiteres vereinbar sind. In Artikel 2 ist gesagt, daß, „wer sich bemüht, unbefugt Nachrichten zu erhalten.
deren Weitergabe voraussichtlich die Sicherheit oder die Interessen der Besatzungsbehörden oder Besatzungsstreitkräfte beeinträchtigen würde", mit Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren usw. bestraft wird. Es ist weiterhin in Artikel 3 Ziffer 11 gesagt, daß, „wer eine falsche oder absichtlich entstellte Nachricht über eine Handlung oder Absicht der Besatzungbehörden oder Besatzungsstreitkräfte oder einer in ihrem Auftrage handelnden Person in der Absicht mitteilt oder verbreitet, Mißtrauen oder Feindseligkeit gegen solche Behörden oder Streitkräfte hervorzurufen oder dazu anzureizen", mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf . Jahren usw. bestraft wird. Meine Damen und Herren, das sind keine Normen, nach denen irgendwie Recht gesprochen werden kann, weder von einem Gericht der Alliierten noch von einem deutschen Gericht.
Was aber besonders bedauerlich ist, ist, daß die Alliierte Hohe Kommission sich mit einem im Grundgesetz niedergelegten Faktum nicht hat abfinden können, sondern daß sie darüber hinweggegangen ist: nämlich daß in Artikel 102 des Grundgesetzes die Todesstrafe in Deutschland abgeschafft worden ist. Das sollte auch von der Alliierten Hohen Kommission berücksichtigt werden, wenn nach einem Gesetz, das von ihr erlassen wird, ein Tatbestand mit dem Tode bestraft werden soll. Wir hätten gewünscht, daß die Alliierte Hohe Kommission dem, was in Deutschland Verfassungsrecht ist, etwas mehr Achtung und Respekt entgegenbringt, als es hier der Fall gewesen ist.
Der Zeitpunkt einer voraussetzungslosen Gesetzgebung sollte auch nach dem Rechtsdenken der Besatzungsmächte, nachdem das Besatzungsstatut in Geltung gekommen ist, in einem etwas größerem Umfange nicht mehr gegeben sein, als es ohne das Besatzungsstatut leider der Fall war.
Der Antrag der KPD, sagte ich, ist für meine Freunde und mich in der Fassung, wie er vorliegt, nicht annehmbar. Ich schlage Ihnen zur Annahme einen Abänderungsantrag vor, in dem das Berücksichtigung findet, was unseres Erachtens noch geschehen muß. Der Abänderungsantrag, den ich Ihnen vorzulegen habe, lautet:
Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, zu erklären, ob sie bereit ist, mit dem Rat der Alliierten Hohen Kommission darüber zu verhandeln, das Gesetz Nr. 14 in Form und Inhalt dahin zu modifizieren, daß es den verfassungsmäßigen deutschen Rechtsgrundsätzen Rechnung trägt.
Ich glaube, daß die Aufforderung, die meine Fraktion in dieser Form an die Bundesregierung richtet, die Zustimmung des Hohen Hauses finden kann, und bitte Sie aus diesem Grunde um die Annahme unseres Abänderungsantrages.