Meine Damen und Herren! Die Mitteilung, die uns der Herr Bundeswohnungsminister eben gemacht hat, mag bei dem einen oder anderen den Eindruck erwecken, als ob die Einbringung des sozialdemokratischen Antrages überflüssig gewesen oder mindestens geworden sei. Ich glaube, Ihnen zeigen zu können, daß das nicht der Fall ist. Der Entwurf des Herrn Ministers ist ja durch eine Reihe von Veröffentlichungen, insbesondere durch die Erörterung seiner Grundsätze, allgemein bekanntgeworden. Wir haben aus seinen Ausführungen deutlich entnommen, daß sein Entwurf nur einen Teil der Fragen zu regeln bestrebt ist, die im Rahmen des gemeinnützigen Wohnungsbaues geregelt werden müssen, die auch dann geregelt werden müssen, wenn wir etwa die Wohnungsbaufrage nur so allgemein betrachten, wie der ) Herr Minister es voraussichtlich tun wird. Wir werden beantragen — und ich möchte das hiermit tun —, daß unser Antrag dem Ausschuß zugeleitet wird und daß der zuständige Ausschuß seine Beratung unverzüglich aufnimmt. Dies wird für die zeitige Entscheidung dieses Hauses den großen Vorteil haben, daß eine Reihe von Fragen im Ausschuß schon geklärt sind, wenn der Entwurf der Bundesregierung den Bundesrat passiert hat und an das Parlament kommt.
Betrachten Sie das nicht etwa als rein technischen Hinweis, sondern überlegen Sie bitte, daß in der Regelung des Wohnungsbaus größte Eile geboten ist, weil das neue Baujahr — das alte haben wir zum Glück, durch das Wetter begünstigt, nicht abzubrechen brauchen — in den nächsten Wochen beginnt und weil auch bei größter Eile des Bundesrats, unseres Ausschusses und unseres Plenums Mitte bis Ende März herankommen wird, ehe das Gesetz beschlossen werden kann. Der Ausschuß hat also die Gelegenheit, ohne daß er jede einzelne Formulierung unseres Entwurfes zu übernehmen brauchte, sich schon vorher mit allen grundsätzlichen Fragen auseinanderzusetzen und festzustellen, wie weit er gehen will, um dem Parlament einen entsprechenden Vorschlag zuzuleiten.
Unser Entwurf, den wir unmittelbar vor Weihnachten veröffentlicht haben, ist in einem Teil der Presse — ich darf den CDU-Pressedienst zitieren — gründlich mißverstanden worden. Man hat dort geglaubt, ihn mit wenigen Zeilen abtun zu können, die nichts anderes besagten, als es werde hier die Verewigung der Planwirtschaft versucht. Jeder, der die Wohnungspolitik im einzelnen kennt und der weiß, wie wenig man die Wohnungspolitik mit den Normen der allgemeinen
Wirtschaftspolitik ohne weiteres identifizieren kann, wird sich darüber klar sein, daß auch eine noch so liberal angelegte Wohnungspolitik eine ganze .Reihe von Maßnahmen vorsehen muß, die auf anderen Wirtschaftsgebieten nicht erforderlich sind. Das wird sich auch bei der Beratung des Entwurfs des Herrn Bundeswohnungsministers zeigen, der trotz des liberalen Willens, der bei ihm nicht zu bezweifeln ist, eine Reihe von Regeln hat finden müssen und bei diesen Regeln eine ganze Zeit wird bleiben müssen, wenn er aktiven Wohnungsbau treiben will.
Sie werden bei dem Vergleich des Regierungsentwurfes mit dem Entwurf der SPD feststellen, daß ein grundsätzlicher Unterschied in folgendem liegt, und da müßte, auch wenn Sie sonst von der Einstellung der SPD abweichen, Ihre Zustimmung nicht nur möglich, sie müßte sogar notwendig sein. Wir wollen nämlich nicht einen leeren Rahmen als Gesetz haben, sondern ein Gesetz, das die wesentlichen Fragen tatsächlich regelt. Es ist zu begrüßen, daß der Herr Bundeswohnungsminister die Idee eines Wohnungsbaugesetzes — das erste in der deutschen Geschichte — aufgenommen hat. Es ist aber sehr zu bedauern, daß er seinem eigenen Apparat, der Bürokratie des Bundes wie der Länder, viele Fragen zur Lösung überlassen hat, die so hohe Verantwortung erfordern, daß die Grundsatzentscheidung in diesem Parlament fallen muß. Man kann nicht so vorgehen, daß man sagt: nach Bedarf werden Bestimmungen über die Höhe der Miete, über die Höhe der Baukosten und ähnliche Normen geschaffen, sondern man muß diese Normen in einem gewissen Rahmen festlegen. Es gibt natürlich einen Spielraum in diesem Gesetz. Sie alle, Sie wie wir, haben in der Wahlpropaganda den Wohnungsbau zum Problem Nr. 1 erklärt. Wenn' wir es mit diesen Worten ernst meinen, müssen wir nicht nur den Grundsatz, sondern auch die wesentlichen Einzelheiten der Regelung vor der Bevölkerung verantworten wollen und können. Dann müssen wir den Mut haben, über die künftige Höhe der Miete, die künftige Größe der Wohnungen, die künftige Höhe der Baukosten und eine ganze Reihe anderer Fragen hier Entscheidungen zu fällen und, wenn sich die gefällten Entscheidungen etwa im Laufe der Zeit als überholt erweisen, auch Änderungen hierzu zu beschließen und sie nicht als eine Angelegenheit des Herrn Ministerialdirektors Sowieso oder des Herrn Staatssekretärs zu betrachten, so ehrenvoll diese Herren sein mögen und so große Kenntnisse sie auf diesem Gebiet haben mögen.
Mit anderen Worten: wir wollen Ihnen allen zumuten, daß die Grundsatzfragen, die vorliegen, in ihrer vollen Bedeutung erkannt und deswegen auch vom Parlament beschlossen werden, nicht aber, daß wir ein inhaltlich eigentlich leeres Rahmengesetz schaffen, das im übrigen in den Rahmenbestimmungen noch nicht einmal vollständig genug ist, um alle Möglichkeiten des Tuns für die Zukunft offenzulassen. Alle Möglichkeiten des Tuns bedeutet aber auch alle Möglichkeiten des Nichttuns, und wir möchten hoffen, daß wir keine Gelegenheit haben, Ihnen vorzuwerfen, daß Sie sich die Möglichkeit des Nichttuns offenhalten wollten.
Das gilt besonders für eine Frage, deren überragende Bedeutung heute erst teilweise erkannt ist, nämlich für die Frage der Anlage langfristiger Sparkapitalien des deutschen Volkes im Wohnungsbau. Da lautet beispielsweise nach dem in
Iden Zeitungen publizierten Text ein Satz aus dem Entwurf des Herrn Bundeswohnungsministers — und ich weiß, daß dieser Satz stimmt — etwa so: Die Bundesregierung kann auf Vorschlag des Bundeswohnungsministers Bestimmungen hierüber erlassen. Meine Damen und Herren! Diese Bestimmung ist so inhaltleer, daß wir sie eigentlich gar nicht bräuchten. Dann könnten wir auf sie verzichten, und die Regierung könnte, falls sie eines nahen oder fernen Tages von der Bestimmung Gebrauch machen will, diesem Hause eine entsprechende gesetzliche Regelung vorschlagen. Wir wollen mehr. Wir wollen, daß derjenige, der etwa als Leiter eines Instituts Sparkapitalien angelegt hat, auf Jahre hinaus weiß, womit er zu rechnen hat, damit er nicht eines Tages von einer Maßnahme bedroht wird, die seine sonstigen geschäftlichen Dispositionen stören kann.
Ich möchte Ihnen die Dinge so nahe bringen, damit Sie sehen, daß es nicht so einfach ist, dieses Thema als eine sozialistische Planwirtschaftsidee abzuweisen. Im Gegenteil, wenn Sie den von uns eingebrachten Entwurf unter diesem Gesichtspunkt sehen, dann könnte ein Radikaler aus vergangenen Jahrzehnten den sozialistischen Entwurf sehr bemängeln. Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, ehe ich Ihnen klarmache, daß der sozialistische Entwurf die Tendenz hat, absolut realistisch zu sein, damit Sie die notwendigen Maßnahmen einsehen. Aus Ihren eigenen Kreisen ist einmal im Ausschuß das Wort gefallen: Wir müssen für diejenigen die Regelung treffen, die es am allernötigsten haben; ein Wort, das ich buchstäblich unterschreiben möchte. Wenn man diese Norm aber dem Gesetz voranstellt, ist es doch etwas schwer verständlich, daß ein Staatssekretär der Bundesregierung im zuständigen Wohnungsausschuß des Parlaments erklärt hat: Meine Damen und Herren, Sie dürfen den Wohnungsbau, soweit er sozialer Wohnungsbau ist, nicht auf 250 000 je Jahr limitieren, denn dann bleibt ja nichts für den freien Wohnungsbau über. Wir sind uns doch alle darüber klar, daß der freie Wohnungsbau, der sich völlig aus eigener Kraft des Erbauers erhält, wünschenswert ist, solange wir die Kapazitätsmöglichkeiten haben. Wir sind uns aber ebenso klar darüber, daß dieser Wohnungsbau an sozialer Dringlichkeit hinter dem sozialen Wohnungsbau zurückstehen sollte. Wenn man nun so formuliert, wie es durch den Vertreter des Kabinetts im Ausschuß geschehen ist, daß nämlich der soziale Wohnungsbau nicht so groß sein dürfe, weil sonst für den freien Wohnungsbau finanzierungsmäßig nichts übrigbleibe, so, glaube ich, ist das doch ein Satz, den die Regierung und die Regierungsparteien sehr sorgfältig erwägen sollten, ehe sie ihn in das Gesetz — oder in die Auswirkung, die das Gesetz hat — hineinnehmen.
Meine Damen und Herren! Sie sehen also, daß wir alles tun wollen, um für alle wichtigen Fragen des Wohnungsbaues hier eine grundsätzliche und erschöpfende Aussprache zu haben. Diese erschöpfende Aussprache wird sicherlich nicht schon bei der ersten Lesung stattfinden können; das wollen wir Ihnen gern unterstellen. Deswegen haben wir ja den Antrag auf Ausschußüberweisung gestellt, den ich vorhin erwähnt habe.
Wir wollen doch eins, wir wollen Sie darauf hinweisen, daß dieses Gesetz in der großen Fülle wichtiger Gesetze, die wir bearbeitet haben, eine besondere Stellung einnimmt und eine besonders gründliche Prüfung erfahren muß. Wir werden uns deswegen gestatten, Ihnen in den nächsten Tagen eine Kommentierung unseres Entwurfs, die einigermaßen umfangreich ist, vorzulegen. Sie soll Ihnen klarstellen, was wir im einzelnen bei den von uns vorgesehenen Bestimmungen gemeint haben.
Verstehen Sie es bitte so, daß die Opposition, die den Antrag gestellt hat, die Regierung möge bis zum 31. 12. ihren Gesetzentwurf festlegen, und die es durchaus begrüßt, daß das Kabinett heute einen Entwurf verabschiedet hat, Ihnen zeigen wollte, was sie sich als ,das richtige Programm des Wohnungsbaues vorstellt. Es ist verhältnismäßig einfach, wenn ein Regierungsentwurf vorliegt, an dem einen oder anderen Paragraphen diese oder jene Kritik zu üben. Wir haben bewußt das Risiko auf uns genommen, Ihnen ein vollständiges und geschlossenes System unserer Gedanken vorzulegen. Wir unterwerfen uns Ihrer Kritik ebenso, wie der Regierungsentwurf unserer Kritik unterworfen ist. Aber wir wollen eines eindeutig klarstellen: Wohnungspolitik durch das Parlament treiben kann nicht das heißen, was vor 30 Jahren etwa die Weimarer Nationalversammlung getan hat. Wenn Sie deren Protokolle nachlesen — "ich habe es heute getan —, dann werden Sie feststellen, daß dort Redner aller Parteien nacheinander die Entwicklung der Wohnungsnot bedauert haben und daß schließlich auch ein paar hundert Millionen Papiermark zur Förderung bereitgestellt wurden. Wir wollen, nachdem wir inzwischen eine klare Analyse der Wohnungswirtschaft ermöglicht haben, nachdem alle Faktoren zu erkennen sind und zu erkennen ist, wo die Kosten und Gewinne liegen, wo die Gewinne notwendig sind und wo sie eine vertretbare Grenze wahrscheinlich überschreiten, daß diese Dinge hier so exakt diskutiert werden, daß wir bei der endgültigen Lösung, die das Gesetz im Parlament findet, vor der deutschen Öffentlichkeit sagen können: wir haben nicht nur ein paar unverbindliche Grundsätze beschlossen, sondern wir können für diese Regelung die Verantwortung übernehmen.
Meine Damen und Herren, es sind außerordentlich weitreichende wirtschaftspolitische Fragen, die auch außerhalb des Wohnungsbaus liegen, Fragen, die uns beispielsweise vor das Problem stellen: wenn in einem Jahrzehnt oder in wenigen Jahren mehr die dringende Wohnungsnot — fünf Millionen fehlende Wohnungen — behoben und eine ungeheure Kapazität der Bauwirtschaft zusätzlich zu der heute vorhandenen entstanden ist, — was geschieht dann in dem Jahre danach? Wir glauben, daß es möglich sein wird, wenn die Dinge gut gehen, in, sagen wir, 10, 11 oder 12 Jahren vier Millionen Wohnungen im sozialen Wohnungsbau zu bauen, und wir glauben, daß eine weitere Million im freien Sektor entstehen wird. Das würde die Möglichkeit bedeuten, daß in einem Jahrzehnt oder längstens in einem Jahrzwölft die vorhandene Lücke geschlossen ist. Das stellt uns aber, wie ich schon angedeutet habe, vor das Problem für das Jahr danach, ein Problem, das auch erörtert werden sollte und das, glaube ich, nicht einfach nach der beliebten wirtschaftspolitischen Grundsatzfrage sortiert werden kann: freie oder nichtfreie Lösung, sondern das sich mit dem Problem nach beiden Seiten berührt, ohne daß da eine fein säuberliche dogmatische Trennung möglich ist. Diese Debatte wollen wir haben. Wir wollen sie sehr gründlich haben. Aber wir wollen unter allen Umständen die Lösung so schnell haben, daß das
Malheur früherer Jahre nicht wiederholt wird, daß nämlich bis in den Sommer hinein über wichtige Fragen debattiert wird und erst gegen den Herbst mit dem Wohnungsbau begonnen werden kann. Darauf beruht auch unser Grundgedanke, daß wir jetzt eine Lösung für die Wohnungsnot zu finden suchen, nicht nur eine Übergangslösung. wie sie der Minister vorschlägt. Wenn wir alle, ohne Rücksicht auf unsere wirtschaftspolitische Grundsatzeinstellung, eine mehrjährige Lösung finden, wie sie im Ausland in den Parlamenten teilweise einstimmig von allen Parteien beschlossen worden ist, dann werden wir in die Lage kommen, für die Jahre 1951, 1952 usw. sehr zügig fortlaufend zu bauen und die Lücken zu schließen, ohne daß unerträgliche Produktions-, Umsatz- und Arbeitskraftspitzen entstehen müssen. Das sind die Grundgedanken, die wir haben. Wir glauben, daß die von allen Seiten beklagte, unbestrittene Wohnungsnot so groß ist, daß hier eine großzügige Lösung, die sich aber nicht im Utopischen verliert, sondern die so realistisch wie möglich ist, stattfinden kann. Wir appellieren an Sie, daß Sie uns bei diesem Bemühen helfen.