Rede von
Dr.
Kurt Georg
Kiesinger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Meine Freunde hatten ursprünglich nicht die Absicht, noch besonders das Wort zu nehmen. Nachdem aber nunmehr die äußerste Rechte und die äußerste Linke dieses Hauses zu der Materie gesprochen haben, fühlen wir uns doch gezwungen, unser Wort dazu noch zu sagen.
Zunächst sind wir uns durchaus bewußt, daß es sich bei dieser Angelegenheit um etwas sehr Wichtiges handelt. Wir sind der Meinung, daß vom Rechte her durchaus vertreten werden kann, daß die Immunität der Abgeordneten der deutschen Länderparlamente und des Deutschen Bundestages auch durch die Besatzungsmächte zu respektieren ist. Der Berichterstatter hat Ihnen vorgetragen, daß dies die einhellige Auffassung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität gewesen ist. Wir haben es aber nicht für zweckmäßig gehalten, diesen einen Anlaß zu großen emotionalen Gesten vor diesem Parlament zu benutzen. Die Dinge liegen immerhin so, daß eine solche Angelegenheit in einem sehr einseitigen parteipolitischen Sinne ausgenutzt werden könnte.
Meine verehrten Herren von der Rechten, wir unterstützen Sie in Ihrer Bemühung, für die Immunität der deutschen Abgeordneten einzutreten. Wir /hoffen nur, daß Ihnen dieser Begriff der
Immunität in all Ihren Zukunftsperspektiven, die Sie etwa entwerfen, heilig bleiben wird. Ich meine auch, Herr Dr. Richter, man sollte solche Ausdrücke wie Albion allmählich in der Mottenkiste lassen, wohin sie gehören.
Wenn wir wirklich auf ein neues Europa hinstreben, haben wir durchaus das Recht, auch den Engländern und den Amerikanern unsere Meinung zu sagen, wie es sich geziemt. Aber mir klingt das reichlich veraltet, besonders wenn es von einem jungen Vertreter kommt, der, wie ich hoffe, auch zur deutschen Demokratie gehört.
Nun aber zu Herrn Renner. Herr Renner hat gemeint, wir bestreiten den Kommunisten das Anrecht auf einen solchen Schutz, wie er im Antrag der kommunistischen Fraktion begehrt wurde. Wir bestreiten dieses Recht den Kommunisten keineswegs. Es geht um etwas ganz anderes. Wir haben es nicht, sagen wir einmal milde: als geschmackvoll empfunden, daß ausgerechnet die kommunistische Fraktion diesen Antrag gestellt hat.
— Nein, weil in der Tat — es wird allmählich banal und öde, es immer und immer wieder sagen zu müssen — die furchtbare Wirklichkeit des Ostens hinter Ihnen steht. Es wirkt wie eine schauerliche Paradoxie, wenn immer wieder Sie sich hier in diesem Raum auf die Garantien eines Rechtsstaates berufen, die Sie selber da, wo Sie herrschen, niemandem zu geben bereit sind.