Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe schon in der Be-gründung zu dem Gesetzentwurf hier gesagt, daß es bedauerlich, ja beschämend ist, daß wir bei diesem so ernsten Problem der Kriegsonferversorgung immer große Deklamationen über das Ausmaß der Not anhören müssen. Ich habe auch nicht die Absicht, diesen Deklamationen nur ein einziges Wort hinzuzufügen. Es ist hier schon sehr richtig festgestellt worden, daß es nicht das Anliegen etwa einer Fraktion, der Regierungskoalition, auch nicht das Anliegen etwa der Opposition 'ist, sondern daß es — wir sind fest davon überzeugt — das Anliegen aller Parteien gemeinsam gewesen ist und noch ist. dieses so schwierige Problem endlich einer vernünftigen und gerechten Lösung zuzuführen. Deshalb ist es auch unerfreulich, daß wir anläßlich der sozialen Probleme, die die große deutsche Not angehen, immer wieder parteipolitische Agitation mit anhören müssen.
Alle Parteien haben Anträge gestellt. Darüber braucht hier nicht mehr diskutiert zu werden. Wir glauben auch, daß diese Anträge nicht aus Gründen der Agitation gestellt sind. daß sie vielmehr gestellt sind, weil in allen Parteien deutsche Menschen der Auffassung sind, ,daß hier ein Versäumnis nachzuholen ist, daß auch bei der Gesetzgebung der vergangenen Jahre im Wirtschaftsrat die Gruppe vergessen und nicht gebührend bedacht worden ist. die diese Hilfe am allernötigsten hatte. Ich weiß, daß dem die Militärregierung entgegenstand, und ich weiß, wie außerordentlich schwer es für die verantwortlichen Männer in den vergangenen Jahren war — Herr Kollege Mende hat das schon ausgedrückt —, dem entgegenzuarbeiten. Ich darf aber auch sagen, daß ich wenig davon erfahren habe, was gerade in den Ländern, deren Sache es ja nach dem Gesetz und Recht war, zu helfen, die Vertreter der sozialistischen Parteien,
sowohl der Ihren, Herr Renner, wie der sozialdemokratischen, getan haben, um über ihre sozialistischen Freunde im Ausland jene böse Ansicht von den Kriegsverbrechen unserer Kriegsbeschädigten schon sehr viel früher zu beseitigen.
Das ist bedauerlich.
— Vielleicht kann der Herr Kollege Renner — die anderen Zurufe habe ich wegen der rufenden Masse nicht verstanden — gerade mit dafür sorgen, daß, wenn wir jetzt hier im Westen Deutschlands daran gehen, ein Kriegsbeschädigtenversorgungsgesetz neu zu schaffen, zunächst die Stadt Berlin schnellstens von sich aus alles tut, um sich diesem Gesetz anzupassen, damit die Kriegsbeschädigten in Berlin, und zwar in West und Ost, endlich auch einen Rechtsanspruch auf eine Kriegsbeschädigtenrente erlangen. Und vielleicht kann der Herr Kollege Renner darüber hinaus vor allem für unsere armen deutschen Männer und Frauen sorgen, die im Osten, in seinem „Paradies", einen solchen Rechtsanspruch noch nicht haben.
— Herr Kollege Renner, ich muß Ihnen das immer wieder sagen, solange Sie den Mut haben, uns hier Lehren zu geben, und uns nicht den Beweis erbringen, daß Sie da, wo Ihre Leute die Verantwortung tragen, durch die Tat etwas zu ändern beabsichtigen.
Eine wirklich positive Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf haben wir hier nur von dem Kollegen Bazille gehört. Ich schließe mich seinen Ausführungen insofern an, als dieses Gesetz auch nach unserer Auffassung nichts weiter als der Versuch einer Koordinierung ist, der zaghafte Versuch einer Überbrückung der größten Not bis zu dem Augenblick, in welchem der Bund die Mittel und die Übersicht zur Verfügung hat, um maßgeblich und endgültig zu helfen. Ich bedaure auch, daß in diesem Gesetz eine ganze Reihe von Dingen, die ohne große Mittel vielleicht schon möglich gewesen wären, nicht mit erledigt sind. Wir werden, so hoffe ich, im Ausschuß Gelegenheit haben, das nachzuholen. Ich freue mich, daß als Positives in diesem Gesetz die vielen Kriegerwitwen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg nun endlich genau so behandelt werden wie die Kriegerwitwen in den Ländern, in denen sie schon eine Rente bekommen. Ich hoffe, daß es über diese materielle Hilfe hinaus, die so bitter nötig ist, möglich sein wird, den Kriegerwitwen und -waisen auf dem Gebiet der Ausbildung und der Umschulung jene Hilfe zu geben, die ich als die noch positivere ansehe, nämlich die Möglichkeit, so schnell als möglich durch einen eigenen Beruf aus eigener Kraft sich und ihren Kindern zu helfen. Für die vielen Alten und Kranken wird es diese Möglichkeit nicht mehr geben. Bei ihnen ist nur auf dem Weg der Rentengewährung wirklich zu helfen.
Darüber hinaus ist selbstverständlich das schon angeregte Problem der Anrechnung, über das wir uns auch gestern im Ausschuß unterhalten haben, das Problem, daß die geringe Erhöhung nicht etwa durch eine Anrechnung auf die Fürsorgesätz wieder verlorengehen darf, eine Aufgabe, die wir sofort, schon bei diesem Gesetz, lösen sollten.
Ob die Zahlen des Bundesarbeitsministeriums stimmen, kann ich nicht beurteilen; ich weiß auch nicht, ob der Herr Kollege Bazille das überprüft hat. Ich nehme aber nicht an, daß der Herr Minister uns Zahlen nennen wird, die seinerzeit in der Verwaltung für Arbeit in Frankfurt erstellt sind. Ich nehme vielmehr an, daß im Augenblick diese Zahlen auf Nachforschungen und Angaben der Länder beruhen und daß auch die Organisationen das ihre dazu getan haben. „Nur ein Schelm gibt mehr, als er hat!" Es ist ganz abwegig, hier große Reden zu halten und etwas zu verlangen, was nicht da ist. Ich glaube aber, daß wir alle in dem einig sind, was uns allen heiß im Herzen brennt — und dessen Fehlen der Herr Kollege Renner dem Kanzler vorgeworfen hat —, nämlich in der echten Verpflichtung, so sozial wie immer möglich zu handeln!
Und ich hoffe, daß der Herr Kollege Renner mit seiner sachlichen Mitarbeit im Ausschuß. die mir viel sympathischer ist als sein Getöse hier oben, dazu seinen Beitrag nicht versagen wird.