Meine Damen und Herren! Es herrscht in diesem Hause Übereinstimmung darüber, daß zu den schwierigsten und vordringlichsten Problemen der Nachkriegszeit die Hilfe und Fürsorge für die Millionen Opfer zweier Kriege gehören, und ich empfände es als taktlos, die Notlage unserer Kriegsopfer gewissermaßen noch lange zu bereden, nachdem wir alle fast täglich draußen im Alltag Zeugen dieser Notlage unserer Kriegsopfer sind.
Im Jahre 1946 wurde die bisherige Kriegsopferversorgung auf eine neue Basis gestellt, und damit begann der Leidensweg. Ich weiß, daß es nichtdeutsche Stimmen waren, die die Auffassung vertraten, man müsse durch eine Schlechterstellung der Kriegsbeschädigten gewissermaßen ein warnendes Beispiel geben und durch die besondere Notlage der deutschen Kriegsbeschädigten etwaige militaristische Tendenzen von vornherein inhibieren. Ich brauche nicht zu betonen, wie amoralisch, wie unsozial und wie unchristlich eine solche Auffassung ist, die jedem Begriff von Humanität geradezu ins Gesicht schlägt. Wenn nun seit 1945 eine große Verbitterung in den Kreisen der Kriegsopfer eingetreten ist, so darf man nicht vergessen, daß die Opposition und die Klagen über die ohne Zweifel unzureichende Versorgung sich nicht etwa auf die erst drei Monate arbeitende Bundesregierung konzentrieren sollten, sondern schließlich — das muß ich der Objektivität wegen feststellen — in erster Linie auf die Länder, die ja die allein verantwortlichen Träger bis zur Gegenwart waren.
Es hat keinen Zweck, die Frage mit Deklamationen zu lösen, denn mit Deklamationen sind die Kriegsopfer genügend eingedeckt worden, nicht nur im Wahlkampf; sie haben ihre besondere Hoffnung auf die Konstituierung der Organe der Bundesrepublik gesetzt. Denn im Artikel 74 des Grundgesetzes ist ja nunmehr dem Bund die Möglichkeit gegeben, das Recht der Neugestaltung der Kriegsopferversorgung an sich zu ziehen. Es sind erst drei Monate vergangen, und so berechtigt manche Kritik an diesem vorliegenden Entwurf sein kann und ist — ich erinnere mich, daß wir alle in Hamburg bei der Tagung des Reichsbundes vor wenigen Tagen der Auffassung waren, damals im Dezember wären 80 Millionen D-Mark nicht für das ganze Jahr, sondern nur für das erste Vierteljahr veranschlagt worden, und daß wir alle sehr enttäuscht waren, daß dem nicht so war —, aber so sehr, wie gesagt, manches Anlaß zur Kritik gibt, so wollen wir doch nicht vergessen, daß dieser Entwurf lediglich ein erster Schritt zu einer Vereinheitlichung der gesamten Kriegopferversorgung sein und daß er heute hier erst einmal generell besprochen werden soll.
Wir wollen im Ausschuß noch verschiedene Verbesserungsvorschläge machen. Ich denke da zum Beispiel an die besonderen Anliegen der Kriegsblinden, dieser am meisten betroffenen Kriegsbeschädigten. Ich denke an die Frage der Herausnahme der Kriegsopferversorgung aus der Sozialversicherungs-Kompensation, wenn ich das einmal so nennen darf. Kurzum: wir werden noch genügend Gelegenheit haben, Verbesserungsvorschläge zu machen. Wir sollten aber bei alledem nicht vergessen, daß die komplizierte Gesetzesmaschinerie, die uns nun einmal durch das Grundgesetz beschieden ist, eine gewisse Anlaufzeit nötig macht, und ich glaube, es ist dem Bundesarbeitsminister in Hamburg bei der Tagung des Reichsbundes durchaus gelungen, auf die Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, denen sich eine Bundesregierung nun einmal gegenübersieht, die jetzt ohne jedwede Grundlagen völlig von vorn anfangen muß. Ich glaube, Kollege Bazille, das ist auch der Grund, weswegen die Zahlenangaben eben noch nicht so stich- und hiebfest sind, wie sie vielleicht später einmal sein werden, wenn sich aus dem Chaos gewissermaßen wirklich einwandfrei sachliche Fundamente herauszukristallisieren beginnen.
Die Fraktion der FDP gibt diesem Gesetzentwurf die Zustimmung mit dem Wunsche, daß er lediglich ein Anfang auf dem Wege zu einem Bundesversorgungsgesetz sein soll, das dergestalt sozial und christlich in seinen Auswirkungen sein möge, daß wir uns seiner nicht zu schämen brauchen.