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ID0102900600

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    Deutscher Bundestag — 29. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1950 899 29. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. Januar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . . . . 899D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Dezember 1949 (Drucksachen Nr. 398 und 392) 900A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung von Leistungen an Kriegsopfer (Drucksache Nr. 395) . 900B Storch, Bundesminister für Arbeit 900B Frau Dr. Probst (CSU) 901D Bazille (SPD) 903C, 910C Mende (FDP) 905B Renner (KPD) 906A Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 907C Löfflad (WAV) 908B Frau Kalinke (DP) . . . . . . 908C Frau Arnold (Z) 909D Dr. Ott (parteilos) . . . . . . 910A Beschlußfassung über den Entwurf einer Verordnung über Errichtung einer Zweigstelle des Deutschen Patentamtes in Groß-Berlin (Drucksachen Nr. 397 und 368) 910C Dr. Wellhausen (FDP), Bericht- erstatter 910D Dr. Decker (BP) 910D Dr. Schatz (CSU) 911A Dr. Bucerius (CDU) . . . . .. . 911C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz . . . . 911D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der KPD betr. die Einstellung des Verfahrens gegen Angestellte der „Niedersächsischen Volksstimme" (Drucksachen Nr. 421 und 386) . . . . 912C Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 912C Dr. Richter (NR) 915C Renner (KPD) 916B Kiesinger (CDU) 918B Loibl (CSU) . . . . . . . . 919C Brunner (SPD) 919D Ewers (DP) 920D Rische (KPD) 921D Zweite und dritte Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung von Abschlagszahlungen auf die Einkommen-und Körperschaftsteuer 1950 (Drucksachen Nr. 396 und 367) 922D Dr. Besold (BP), Berichterstatter . 923A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Sozialen Wohnungsbau (Antrag der Fraktion der SPD) (Drucksache Nr. 352) 923D Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 923D Klabunde (SPD), Antragsteller . . . 924A Dr. von Brentano (CDU) . . . . . 926A Loritz (WAV) 926B Dr. Glasmeyer (Z) . . . . . . 927C Paul (KPD) 927D Nächste Sitzung 928C Die Sitzung wird um 14 Uhr 47 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Maria Probst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Das vorliegende Gesetz zur Verbesserung der Leistungen an die Kriegsopfer entspricht einem einstimmigen Beschluß des Hohen Hauses, der auf einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion zurückgeht. Im Sinne der Antragstellung und des einschlägigen Bundestagsbeschlusses hat der vorliegende Gesetzentwurf nur das eine Ziel, eine Überbrückung bis zur möglichst baldigen Vorlage und Verabschie-


    (Frau Dr. Probst)

    dung des endgültigen Versorgungsgesetzes zu schaffen. Es war von vornherein der Wille der Antragstellung sowohl wie der Sinn des genannten Beschlusses in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Regierungserklärung des Kanzlers und der erst jüngst wiederholten Verlautbarung des Bundesarbeitsministers, daß gleichzeitig mit der Behandlung des vorliegenden tberbrückungsgesetzes die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs für das endgültige Versorgungsgesetz intensiv vorwärtsschreiten muß. Durch das Überbrückungsgesetz darf das Versorgungsgesetz, auf das Millionen von Kriegsbeschädigten, Kriegerwitwen und -waisen schmerzlich und sehnsüchtig warten, unter keinen Umständen eine Verzögerung erleiden. Wir erwarten von der Bundesregierung — und wir erheben die Forderung an sie —, daß das neue Versorgungsgesetz bis spätestens zum 1. April dieses Jahres in Kraft tritt.
    Der Herr Bundesarbeitsminister hat uns die derzeitige Lage auf haushaltsrechtlichem und damit auch verfassungsrechtlichem Gebiet geschildert. Ich brauche dem nichts hinzuzufügen. Aus der Besonderheit dieses Interimszustandes ergibt sich auch die Verzögerung des vorliegenden Gesetzentwurfes, die wir bedauern. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Wir sind uns aber auch darüber einig, daß niemandem eine Schuld dafür gegeben werden kann, sondern daß diese Verzögerung ihre Ursache, ich möchte sagen: in der höheren Gewalt des derzeitigen Schwebezustandes hat, da bis zum 1. April der Bund nicht in der Lage ist, die ihm zustehenden Mittel zu übernehmen und darüber hinaus die Kriegsfolgelasten zu tragen. Ich muß dabei aber betonen — ich darf das wiederholen —, daß von allen Beteiligten das Außerste versucht worden ist, den frühestmöglichen Termin für die Vorlage einzuhalten.
    Wir werden uns in diesem Hohen Hause auch alle darüber einig sein, daß, da das neue Versorgungsgesetz erst ab 1. April 1950 wirksam werden kann, eine Überbrückung bis zu diesem Zeitpunkt dringend notwendig ist, um erstens die Rechtseinheit und Rechtsangleichung in den verschiedenen Ländern durchzuführen, die ja heute als Abbild der Zerrissenheit Deutschlands als Rechtszerrissenheit charakterisiert werden können. Wenn die Rentendifferenzen zum Beispiel zwischen der amerikanisch-britischen Zone auf der einen und den Ländern der französischen Zone auf der anderen Seite von vornherein mehr als 20 Prozent betragen und wenn dazu noch in der französischen Zone Zusatzrenten, Mietzuschüsse und Sozialausgleichsbeträge gegeben werden, so bedeutet das eine Divergenz, die mit Recht von den Kriegsbeschädigten, die in anderen Zonen leben, als ein Unrecht ihnen gegenüber empfunden werden muß.
    In einzelnen Ländern, in Bayern, Bremen, Hessen, Württemberg-Baden, wird außerdem noch an der Aufsplitterung nach Ortsklassen festgehalten; der Herr Bundesarbeitsminister hat ja eben darauf hingewiesen. Diese Unterscheidung nach Ortsklassen ist überhaupt in den derzeitigen Verhältnissen nicht mehr begründet. Es trifft nicht zu, daß heute etwa die Lebenshaltungskosten in den Großstädten höher liegen als auf dem flachen Lande. Wenn in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen Kinderzuschläge und Waisengelder nur bis zum vollendeten 15. Lebensjahr und weiter bis zum 18. nur dann gegeben werden, wenn das betreffende Kind sich in Schulausbildung befindet, während sonst durchweg die Renten bis zum 18. Lebensjahr gegeben werden, so ist auch dies eine außerordentliche Härte und Ungerechtigkeit, zumal in sehr vielen Ländern ein Mangel an Lehrstellen zu verzeichnen ist und die Schulausbildung nicht in allen Fällen ermöglicht werden kann.
    Ganz besonders kraß und schwerwiegend ist diese Rechtszersplitterung auf dem Gebiet der Witwenversorgung. In der amerikanischen Zone sind Besserungen erzielt worden. In der britischen Zone dagegen — mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen — wird immer noch an der Bedingung der Vollendung des 60. Lebensjahres festgehalten, wird immer noch die Versorgung von einem Kind unter 3 oder zwei Kindern unter 8 Jahren gefordert. Wir begrüßen es, meine Herren und Damen, daß der vorliegende Gesetzentwurf die Witwenversorgung der übrigen Länder der der amerikanischen und britischen Zone anpaßt.
    Ich muß es mir versagen, heute bei der ersten, ja nur grundsätzlichen Erörterung dieser Vorlage des Überbrückungsgesetzes auf die übrigen genau so brennenden Fragen der Rechtsverschiedenheit zum Beispiel in bezug auf die Altersrente, auf die Anrechnung der sonstigen Einkommen, auf die Rentenbezüge usw. einzugehen.
    Ich darf zusammenfassen. Die erste Aufgabe des Überbrückungsgesetzes wird sein, einen ersten Schritt auf dem Wege zur Rechtseinheit in der Kriegsopferversorgung zu gehen. Dabei darf ich annehmen, daß wir uns alle einig darüber sind, daß dieser erste Schritt vorsichtig gegangen werden muß, um nicht durch das Überbrückungsgesetz größere und weitergreifende Lösungsmöglichkeiten in der endgültigen Versorgungsgesetzgebung unter Umständen heute einengend zu präjudizieren.
    Das vorliegende Überbrückungsgesetz kann auch nicht als eine Sanktionierung der durch die alliierte Gesetzgebung nach 1945 geschaffenen unseligen Koppelung zwischen Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung gedeutet werden. Wir sind uns bewußt, daß die im Kriege in ihrer Gesundheit und durch Verlust eines nächsten Angehörigen seelisch und materiell zu Schaden gekommenen Angehörigen unseres Volkes nicht ohne weiteres mit den durch einen Betriebsunfall Verletzten verglichen und mit ihnen gleichbehandelt werden können und dürfen, zumal wenn ihnen gleichzeitig die Vorteile der Unfallversicherung versagt bleiben.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen haben, da von ihnen das schwerste Opfer verlangt worden ist, einen besonderen moralischen und rechtlich begründeten Anspruch auf eine individuelle Schadensersatzleistung, die nur in einer einheitlichen Versorgungsgesetzgebung unabhängig von den Gesichtspunkten der Sozialversicherung gewährleistet werden kann.

    (Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

    Genau so wesentlich wie der Grundsatz der Rechtsangleichung ist die zweite Aufgabe des vorliegenden Überbrückungsgesetzes, nämlich die bestehenden Rentensätze dem veränderten Preis-und Lohnniveau durch eine Teuerungszulage sobald als nur möglich und so weitgehend als nur möglich anzupassen,

    (Abg. Renner: 0,1 Millionen für das ganze Jahr!)



    (Frau Dr. Probst)

    und zwar in einer Form, die eine rasche Auszahlung gewährleistet. Dabei sind wir uns alle bewußt, meine Herren und Damen, daß diese zwanzigprozentige Erhöhung, die das Gesetz vorsieht, nur als eine überbrückende Sofortmaßnahme gewertet werden kann und keineswegs als eine ausreichende materielle Hilfe. Die Not in den Kreisen unserer Kriegsbeschädigten, der Kriegsblinden, der Hirnverletzten, der Gelähmten, unserer Kriegerwitwen und Waisenkinder, unter denen sich Hunderttausende von Flüchtlingen, von Bombengeschädigten und Heimkehrern befinden, ist so groß und seit Jahren so drückend, daß wir uns voll bewußt sind, daß die zwanzigprozentige Erhöhung der Rentenleistung nur als eine erste Linderung angesprochen werden kann,.
    Dabei möchte ich schon jetzt bei der grundsätzlichen Betrachtung darauf hinweisen, daß der Berechnung des Teuerungszuschlages auf jeden Fall die KB-Rente einschließlich der Kinderzulage zugrunde gelegt werden muß, ebenso bei der Anrechnung des sonstigen Einkommens, das ja auf die halbe Rente Bezug nimmt. Wir begrüßen es, daß die Nichtanrechnung der Teuerungszuschläge auf die Leistungen der öffentlichen Fürsorge bereits im Gesetz selbst festgelegt ist. Andererseits, meine Herren und Damen, muß ich es bedauern, daß ein wesentlicher Punkt unseres Antrages und auch des Beschlusses des Bundestages im Überbrückungsgesetz nicht verankert ist, nämlich die Krankenversicherung für alle diejenigen, die nicht sozialversichert sind und waren. Darunter befinden sich insbesondere Kriegerwitwen und Waisenkinder. Hier ist eine Lücke im Versorgungsrecht der Kriegshinterbliebenen, die unbedingt sofort geschlossen werden muß. Das Fehlen der Krankenversicherung trifft in den meisten Fällen gerade wieder jene kinderreichen Familien Gefallener, deren Renten durch die unglückselige Anwendung des § 595 der Reichsversicherungsordnung auf den Höchstbetrag von 108 bzw. 120 DM gekürzt und festgelegt sind, ganz gleichgültig ob die betreffende Mutter nun 4, 7 oder 12 Kinder hat. Diese Härte ist um so größer, als die alten Eltern des Gefallenen in einem solchen Fall nur insoweit Anspruch auf die Altersrenten haben, als die Witwen und die Kinder den Höchstbetrag nicht erschöpfen. In den meisten Fällen sind also auch die Eltern solcher Familien dann ohne Rente.
    Dazu kommt, daß die Fürsorge diese Beträge nur gering aufstockt. Durch die Verbesserung der Witwenversorgung in der amerikanischen und teilweise in der britischen Zone im Jahre 1949 erhält die Witwe sogar weniger Fürsorge als vorher, da die im vorigen Jahre neu gewährte Witwenrente auf die Fürsorge angerechnet wird. Derselbe Kreis gerade der Hilfsbedürftigsten ist bei der Soforthilfe wiederum dadurch geschädigt, daß die KB-Rente der Kinder auf die Soforthilfe der Mutter angerechnet wird; das heißt: der Mutter werden für jedes Kind 7 Mark von den 70 Mark der Soforthilfe abgezogen. Einen Antrag auf Beseitigung dieser Härte habe ich bereits gestellt.
    Meine Herren und Damen! Es wird bei der Beratung des vorliegenden Gesetzes im Ausschuß zu erwägen sein, wie bei diesen am meisten hilfsbedürftigen Familien der alleinstehenden kinderreichen Mütter sofort geholfen werden kann. Dieses Problem wird in der Öffentlichkeit bisher viel. zu wenig gesehen. Es gibt kaum statistisches Material über die Ausdehnung dieses Personenkreises. In Bayern sollen es schätzungsweise 70 000 kinderreiche Mütter und Waisenkinder sein. Auch die Hilferufe, die aus den — viel zu wenigen! —
    Müttererholungsheimen kommen und die auf die steigende Zahl von gesundheitlichen und nervlichen Zusammenbrüchen, ja Selbstmorden unserer Mütter hinweisen, verhallen ungehört.
    Wenn ich den Antrag stelle, den vorliegenden Gesetzentwurf an den zuständigen Ausschuß zu überweisen, so behalten wir uns dabei vor, im Laufe der Beratungen Zusatz- und Abänderungsanträge zu stellen. Die Verankerung der Krankenversicherung habe ich ja bereits erwähnt. Ohne erschöpfend sein zu wollen, will ich abschließend nur noch auf die Notwendigkeit einer Kapitalisierung der Renten als Beitrag zur Belebung der Bautätigkeit hinweisen, die ein weiterer Beratungspunkt sein müßte. Gerade die Schwerbeschädigten haben ein besonders großes Bedürfnis nach einem entsprechenden eigenen Heim. Die besondere Berücksichtigung der Kriegsopfer in der Wohnungsgesetzgebung zusätzlich zu dem Bevölkerungskreis der Kriegssachgeschädigten, politisch Verfolgten und Heimatvertriebenen sei hier nur am Rande erwähnt.
    Ich bitte um Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfs an den zuständigen Ausschuß.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bazille.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Bazille


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir die Ankündigungen, die über diesen Gegenstand durch den deutschen Pressewald gegangen sind, mit dem Ergebnis vergleichen, das uns in dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 395 heute vorliegt, so können wir nicht umhin festzustellen, daß es reichlich dürftig ist. Gestatten Siel mir zu dem Gesetzentwurf selbst eine kurze Vorbemerkung.
    Der Herr Bundesarbeitsminister hat bereits angedeutet, daß dieses Gesetz nicht als endgültige Maßnahme zur Verbesserung von Leistungen an die Kriegsopfer gedacht Ist. Auf Grund der seitherigen Entwicklung sind wir leider skeptisch, daß der von meiner Fraktion gestellte Antrag Drucksache Nr. 30 so, wie es von dem Hause gewünscht wird, bis zum 1. April dieses Jahres durch die Vorlage eines entsprechenden Entwurfs der Bundesregierung seine Erledigung findet. Wir vermissen daher im Titel oder in einer Präambel oder ineinem Paragraphen des Gesetzes den Hinweis auf seinen Überbrückungscharakter oder aber darauf, daß dieses Gesetz bis zum 1. April dieses Jahres befristet sein soll.
    Des weiteren haben wir nun schon bei allen Verhandlungen immer wieder gehört, daß die Ausgaben für die Versorgung der Kriegsopfer sich in der Höhe von 3 Milliarden D-Mark jährlich bewegen. Wir wären dem Herrn Bundesarbeitsminister außerordentlich dankbar, wenn er uns einmal mitteilen würde, wie er zur Berechnung dieser Gesamtsumme für den Rentenaufwand kommt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Wuermeling.)

    Ich werde auf diese Frage bei der Behandlung des
    Entwurfs im einzelnen noch zu sprechen kommen.
    Zu den Einzelheiten habe ich namens meiner Fraktion zu bemerken, daß mit dem Überbrückungsgesetz selbstverständlich nicht alle Wünsche der Kriegsopfer erfüllt werden und nicht alle rechtsnotwendigen Angleichungen und Verbesserungen erfolgen können, daß aber auch die Gesamttendenz der Vorlage nicht unsere Zustimmung finden kann.


    (Bazille)

    Sehen wir einmal Von den §§ 1 und 2 des Gesetzes ab und wenden wir uns dem § 3 zu, so müssen wir doch feststellen, daß die Bundesregierung eine recht eigenartige Auffassung von den bestehenden Härten des geltenden Rechts hat.

    (Abg. Leddin: Sehr wahr!)

    Bringt man den § 3 der Vorlage in Verbindung mit Abschnitt C Absatz 3 der Begründung, so erkennt man daran, daß die Bundesregierung glaubt, mit einer Aufwandsumme von 10 000 D-Mark, von 60 000 D-Mark und von 30 000 D-Mark jährlich in den Ländern Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein die durch das geltende Recht entstandenen Härten mildern zu können.

    (Hört! Hört! links.)

    Übertragen wir diese Summen einmal in die Praxis, meine Damen und Herren, dann stellen wir fest, daß wir damit in Hamburg gerade 10, in Niedersachsen 60 und in Schleswig-Holstein 30 Fälle erledigen können.

    (Abg. Leddin: Hört! Hört!)

    Man würde darüber hinweggehen können, wenn die Bundesregierung den Rest des Etats von 8C Millionen D-Mark, der diesem Gesetz zugrunde gelegt ist, für die Anwendung des Härteparagraphens aufgeteilt hätte. Aber das hat sie nicht getan, sondern sie hat einen Differenzbetrag von 0,2 Millionen D-Mark, der recht wohl für die Beseitigung von Härten hätte verwendet werden können, geradezu verschenkt, indem sie nämlich die gesamte Rentenaufwandsumme für dieses Gesetz nur mit 79,8 Million D-Mark oder vierteljährlich mit 19,9 Millionen D-Mark in Ansatz gebracht hat. Würde man den übrigbleibenden Teil noch für den Härteparagraphen verwenden, so könnte dieser immerhin mit nicht 0,1, sondern 0,3 Millionen
    D-Mark materiell untermauert werden. Damit möchte ich nicht sagen, daß auch dieser Betrag ausreichend wäre; aber es ließe wenigstens in der Tendenz erkennen, daß man die Härten der bestehenden Kriegsopfergesetzgebung erkannt hat und gewillt ist, sie zu beseitigen.
    Auch der § 1 ist so, wie ihn das Gesetz vorsieht, leider ohne praktische Auswirkung. Denn solange in diesem Gesetz nicht verankert ist, daß die Zuschläge nach § 1 auf Unterstützungen aus der allgemeinen Fürsorge nicht angerechnet werden dürfen, so lange wird gerade dem hilfsbedürftigsten Kreis der Kriegsopfer keinerlei materielle Hilfe erwachsen, da nach einer altbekannten Praxis die Fürsorgeverbände jede Rentenerhöhung sofort durch Kürzung der Fürsorgeleistungen wieder ausgleichen. Für den Staatsbürger draußen muß also der zwingende Eindruck entstehen: die eine Hand des Staates wird mir heute etwas geben, was mir die andere Hand morgen wieder wegnimmt. Um das zu vermeiden, wäre eine Einfügung in dem Sinne notwendig gewesen, wie ich es eben kurz angedeutet habe.
    Wir wissen, daß weitergehende Änderungen und Verbesserungen des geltenden Rechts bei der bestehenden Rechts- und Finanzlage schwierig sind. Aber wir vermögen mit dem besten Willen kein Verständnis dafür aufzubringen, weshalb es die Bundesregierung für notwendig befunden hat, dem Bundestag den Entschließungsentwurf des Bundesrats vorzuenthalten, worin der Bundesrat die Bundesregierung ersucht, dahin zu wirken, daß Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene für den Fall der Krankheit so zu versichern sind wie die Empfänger von Renten aus der Invaliden- und Angestelltenversicherung.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Um so weniger vermögen wir diese Unterlassung zu verstehen, als die vom Bundesrat bei zwei Stimmen Enthaltung und einer Gegenstimme. glaube ich, gefaßte . Entschließung ja dem Sinn nach dem Antrag der Regierungsfraktion entspricht

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und nachdem der Bundesrat ja letztlich bei dieser Vorlage vielleicht eine ausschlaggebendere Rolle spielen wird als dieses Hohe Haus, da die Mittel für dieses Gesetz bis zum 1. April 1950 von den Ländern aufzubringen sind.
    Ich .kann mich auch nicht ganz mit der Argumentation des Herrn Bundesarbeitsministers anfreunden, daß diese 80 Millionen D-Mark für das Jahr 1950 ausreichen müssen, und zwar deshalb nicht, weil wir ja — ich glaube, in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesarbeitsminister zu sein — vom 1. April an neues Recht schaffen wollen. Wir wären deshalb durchaus in der Lage, gewisse Dinge, von denen wir wissen, daß sie im neuen Recht unter allen Umständen durchgeführt werden müssen, in diesem Gesetz zu präjudizieren und die Ausgaben dann eben zu tragen. Sie werden auch im neuen Gesetz getragen werden müssen und werden nicht etwa dann, wenn wir es einmal für grundsätziich richtig erkannt haben, auf irgendeine Art und Weise eingespart werden können. Diese Argumentation scheint mir also auch an der tatsächlichen rechtlichen und materiellen Seite dieser Problematik vorbeizugehen.
    Ganz besonders kritisch muß ich noch den Teil C der Begründung bezüglich der Zahlenangaben beleuchten. Ich habe schon einmal früher im Wirtschaftsrat, als ich noch der einfache Sachverständige der Organisationen war, darauf hingewiesen, daß die Angaben der damaligen Verwaltung für Arbeit bezüglich der finanziellen Aufwendungen starken Schätzungsfehlern unterworfen waren. Ich vermag mich auch heute des Eindrucks nicht zu erwehren, daß die hier vorgelegten Zahlen ebenfalls starken Schätzungsfehlern unterlegen sind, und zwar ganz einfach deshalb, weil man aus der Summe der heute erarbeiteten Rentenanträge — etwa 50 bis 60 Prozent der insgesamt gestellten — auf die Gesamtheit geschlossen hat. Dieser Schluß ist falsch, denn die bis jetzt behandelten Anträge betreffen im wesentlichen Sozialfälle, bei denen der Beschädigte seinen Lebensunterhalt überwiegend aus seiner Rente bestreitet. Der Rest der jetzt noch zu bearbeitenden Anträge sind Fälle, in denen der Beschädigte überwiegend aus seinem eigenen Arbeitseinkommen lebt und daher nur die gekürzte Rente in Anspruch nehmen kann. Es ist also nicht angängig, aus der Zahl der heute 'versorgten Beschädigten und 'Hinterbliebenen auf die Gesamtzahl der zu Versorgenden dadurch zu schließen, daß man eben einfach eine Verdoppelung bei der Zugrundelegung von 50 Prozent vornimmt; ganz abgesehen davon, daß es im Ausschuß einfach nicht möglich sein wird, einen Gesetzentwurf zu beraten, wenn lakonische Zahlenangaben gegeben sind, wie etwa hier im Falle a: Bayern 11 Millionen D-Mark. Wenn die Abgeordneten sich schon ein Bild über die finanziellen Auswirkungen eines Gesetzes machen sollen, das wie kaum ein anderes hohe soziale Aufgaben zu erfüllen hat, dann ist es schon eine Mindestforderung, zu wissen, wie sich die Berechnungsgrundlage zusammensetzt.

    (Abg. Dr. von Brentano: Dafür ist der Ausschuß da!)

    Wir können es also nicht verstehen, daß das Bundesarbeitsministerium auf dem Wege über die


    (Bazille)

    Bundesregierung dem Hohen Hause nach einer so langen Zeit einen derart fragmentarischen Entwurf vorlegt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Meine Fraktion ist trotzdem entschlossen, dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß zuzustimmen, um den Kriegsopfern eine möglichst rasche Erledigung zu gewährleisten. Wir müssen aber darauf hinweisen, daß eine völlig unnötige Belastung der Ausschußarbeit dadurch entstanden ist, daß dieses Gesetz weder mit der genügenden Sorgfalt durchdacht noch begründet worden ist. Wir wünschen, daß die Bundesregierung bei der Vorlage des neuen Versorgungsgesetzes entsprechend unserem Antrag Nr. 30 in einer anderen Weise als bei dieser Vorlage Nr. 395 verfährt.

    (Beifall bei der SPD.)