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ID0102900400

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    Deutscher Bundestag — 29. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1950 899 29. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. Januar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . . . . 899D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Dezember 1949 (Drucksachen Nr. 398 und 392) 900A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung von Leistungen an Kriegsopfer (Drucksache Nr. 395) . 900B Storch, Bundesminister für Arbeit 900B Frau Dr. Probst (CSU) 901D Bazille (SPD) 903C, 910C Mende (FDP) 905B Renner (KPD) 906A Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 907C Löfflad (WAV) 908B Frau Kalinke (DP) . . . . . . 908C Frau Arnold (Z) 909D Dr. Ott (parteilos) . . . . . . 910A Beschlußfassung über den Entwurf einer Verordnung über Errichtung einer Zweigstelle des Deutschen Patentamtes in Groß-Berlin (Drucksachen Nr. 397 und 368) 910C Dr. Wellhausen (FDP), Bericht- erstatter 910D Dr. Decker (BP) 910D Dr. Schatz (CSU) 911A Dr. Bucerius (CDU) . . . . .. . 911C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz . . . . 911D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der KPD betr. die Einstellung des Verfahrens gegen Angestellte der „Niedersächsischen Volksstimme" (Drucksachen Nr. 421 und 386) . . . . 912C Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 912C Dr. Richter (NR) 915C Renner (KPD) 916B Kiesinger (CDU) 918B Loibl (CSU) . . . . . . . . 919C Brunner (SPD) 919D Ewers (DP) 920D Rische (KPD) 921D Zweite und dritte Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung von Abschlagszahlungen auf die Einkommen-und Körperschaftsteuer 1950 (Drucksachen Nr. 396 und 367) 922D Dr. Besold (BP), Berichterstatter . 923A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Sozialen Wohnungsbau (Antrag der Fraktion der SPD) (Drucksache Nr. 352) 923D Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 923D Klabunde (SPD), Antragsteller . . . 924A Dr. von Brentano (CDU) . . . . . 926A Loritz (WAV) 926B Dr. Glasmeyer (Z) . . . . . . 927C Paul (KPD) 927D Nächste Sitzung 928C Die Sitzung wird um 14 Uhr 47 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Anton Storch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz hat nicht das Ziel, eine grundsätzliche Neuordnung des Kriegsbeschädigtenrechts herbeizuführen. Sie wissen, daß bis zum 1. April 1950 die Länder noch immer die verantwortlichen Institutionen für die Versorgung der Kriegsbeschädigten sind. Wir mußten hier in einem Übergangsgesetz einen Weg suchen, auf dem man die allergrößten Ungerechtigkeiten, die heute durch die unterschiedliche Gesetzgebung in einzelnen Ländern gegenüber den Kriegsbeschädigten gegeben sind, überbrücken kann. Unser Ministerium arbeitet allen Ernstes daran, ein endgültiges Kriegsbeschädigtengesetz fertigzustellen, in dem auch die grundsätzlichen Fragen, die heute vor allen Dingen von den Kriegsbeschädigtenorganisationen aufgeworfen werden, berücksichtigt werden sollen.
    Das vorliegende Gesetz ist also ein Übergangsgesetz mit all seinen Schwächen, die ein Übergangsgesetz immer und immer wieder hat. Uns liegt daran, daß dieses Gesetz sobald wie möglich verabschiedet wird, weil wir von der Bundesregierung dem Hohen Hause das Versprechen gegeben haben, dieses Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar wirksam werden zu lassen.
    Lassen Sie mich kurz auf die Geschichte der Kriegsbeschädigtenversorgung in der Nachkriegszeit eingehen. In der ersten Zeit nach Beendigung der Feindseligkeiten wurden die Kriegsbeschädigten bei uns nach dem alten Versorgungsrecht, wie wir es früher kannten, behandelt. Sie wissen ja, daß vor allem die amerikanische und die englische Militärregierung im Jahre 1946 durch einen Befehl ihrerseits die Fortführung einer derartigen Kriegsbeschädigtenversorgung untersagt haben. Es wurde dann die Bestimmung getroffen, daß die Kriegsbeschädigten über die Sozialversicherungsträger der Rentenversicherungen mitversorgt werden .mußten und, soweit sie noch niemals einer derartigen Institution angehört haben, ihre Versorgung bei den Wohlfahrtsämtern lag. Es kam dann die geradezu unglückliche Lösung, daß man Kriegsbeschädigtenrenten festlegte, die ungefähr bei 40 Mark für den Vollbeschädigten lagen. Es wurde dann in Deutschland ein sehr starker Kampf darum geführt, den Kriegsbeschädigten ein besseres Recht und eine gerechtere Behandlung zuteil werden zu lassen. Es gab bei uns sehr viele Leute, die sagten: wenn schon die Militärregierungen es nicht gestatten, daß die besonderen Versorgungseinrichtungen in Deutschland fortbestehen, dann muß man zum mindesten dafür sorgen, daß der Kriegsbeschädigte so behandelt wird wie ein ähnlich Geschädigter im deutschen Volksleben. Man kam zu der Überzeugung, daß es das Nächstliegende sei, wenn man die Kriegsbeschädigten grundsätzlich nach dem Unfallversicherungsrecht in der Wirtschaft behandelte. Eine derartige gesetzliche Regelung bekamen wir im Jahre 1947, als man den Kriegsbeschädigten selbst im wesentlichen dieses Recht zuerkannte. Man hat in der britischen Zone für die Errechnung der Renten einen einheitlichen Jahresarbeitsverdienst von 1800 Mark zugrunde gelegt, so daß ein hundertprozentig Kriegsbeschädigter einen Rechtsanspruch auf 100 Mark Monatsrente bekam. In der amerikanischen Zone ist man diesem Beispiel sehr schnell gefolgt, nur daß man dort nicht den einheitlichen Jahresarbeitsverdienst von 1800 Mark zugrunde gelegt hat, sondern eine Staffelung vornahm, die in der ersten Ortsklasse 1800 Mark, in der zweiten, glaube ich, 1720 Mark und in der dritten Ortsklasse 1640 Mark als Grundlage für die Rentenberechtigung festlegte. In diesen Gesetzen sind die Witwen sehr unglücklich behandelt worden. Ihnen hat man das Recht der Unfallversicherung nicht zuerkannt. Nach dem uns damals von der Militärregierung aufgezwungenen Recht konnte eine Witwe nur eine Rente beziehen, wenn sie entweder ein Kind unter 3 Jahren oder zwei Kinder unter 7 oder 8 Jahren zu erziehen hatte. Das war eine Ungerechtigkeit, die draußen im Volk eine ungeheure Erregung mit sich brachte; aber wir konnten es zu


    (Bundesminister Storch)

    jener Zeit nicht ändern. In der französischen Zone sind die Dinge wieder anders gelaufen. Dort hat man ,im wesentlichen die Versorgungsbehörden beibehalten und hat auch mit gewissen Abänderungen das alte Versorgungsrecht weiterlaufen lassen.
    Im vergangenen Jahr war es das allgemeine Bestreben, auch den Kriegsbeschädigten eine Verbesserung ihrer Lebensmöglichkeiten zu geben. Damals habe ich als Direktor der Verwaltung für Arbeit des Vereinigten Wirtschaftsgebiets bei den Militärregierungen um die Genehmigung gebeten, ein einheitliches Kriegsbeschädigtenrecht vorzulegen. Sie wissen, daß der Wirtschaftsrat nach den für ihn geltenden Bestimmungen dafür nicht zuständig war. Es hat damals monatelang gedauert, bis ich die Genehmigung der Militärregierungen bekam, dem Wirtschaftsrat ein derartiges Gesetz zu unterbreiten. Es sollte aber keine Leistungsverbesserungen enthalten. Die Damen und Herren, die im Wirtschaftsrat mitgewirkt haben, wissen, zu welchen Schwierigkeiten das damals dort zur Verhandlung stehende Gesetz geführt hat. Sie wissen auch, daß das verabschiedete Gesetz von der Militärregierung nicht genehmigt wurde.
    In der Zwischenzeit haben sich nun die Dinge in den Ländern vorwärts entwickelt. Die Länder der amerikanischen Zone haben im vergangenen Jahr Gesetze erlassen, durch welche einmal der Kreis der Bezugsberechtigten, vor allen Dingen der Witwen, erweitert wurde, und darüber hinaus hat man bestimmt, daß diejenigen, die in der Sozialversicherung waren, die Hälfte der Sozialrenten zusätzlich beziehen sollen. Der übrige Teil der Kriegsbeschädigten hat eine Erhöhung seiner Bezüge nicht bekommen.
    Dann folgte das Land Nordrhein-Westfalen, das vor allem den Schwerstbeschädigten mit einer hundertprozentigen Kriegsbeschädigung eine Teuerungszulage gab. Ihm folgten dann die Länder Hamburg und Niedersachsen, die ihrerseits eine zwanzigprozentige Teuerungszulage für die Kriegsbeschädigten mit einer Beschädigung von über 50 Prozent gaben. So ist das ganze Kriegsbeschädigtenrecht heute wesentlich auseinandergelaufen.
    In dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf wird der Versuch gemacht, dieses erweiterte Recht in allen Ländern gleichmäßig zu gestalten. Es ist notwendig, für die Kriegsbeschädigten in Bayern, Hessen, Württemberg-Baden, Bremen, NordrheinWestfalen und . Schleswig-Holstein einen Teuerungszuschlag zu geben, der in diesem Gesetz mit 20 Prozent vorgesehen ist. Darüber hinaus muß in den Ländern Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein die Erweiterung des Kreises der Bezugsberechtigten auf die Witwen durchgeführt werden.
    Die vorgeschlagene Rentenerhöhung und die vorgeschlagene Erweiterung des Kreises der Rentenberechtigten ergeben folgende Verpflichtungen. ln der amerikanischen Zone sind für die Rentenerhöhung im Lande Bayern 11 Millionen D-Mark, in Hessen 5 Millionen, in WürttembergBaden 5 Millionen und in Bremen 0,5 Millionen, in der britischen Zone in Nordrhein-Westfalen 15 Millionen und in Schleswig-Holstein 5 Millionen notwendig. Darüber hinaus werden Finanzanforderungen notwendig für die Rentenerweiterung, also für die Einbeziehung der Witwen: im Lande Hamburg 6,4 Millionen, im Lande Niedersachsen 17,8 Millionen und im Lande Schleswig-Holstein 14 Millionen D-Mark. Diese Beträge, die ich Ihnen eben genannt habe, sind Jahresbeträge, die, wenn Sie das vorliegende Gesetz verabschieden, in der Zukunft nach dem 1. April die Bundeskasse belasten. Insgesamt beträgt diese Mehrbelastung für das Jahr 80 Millionen D-Mark, von denen bis zum 1. April die Länder den vierten Teil, das heißt rund 20 Millionen D-Mark aufzubringen haben. Wir wissen sehr wohl, daß einige Länder, wie beispielsweise Schleswig-Holstein, vielleicht auch andere, ungeheure Schwierigkeiten in der Beschaffung dieser Gelder haben. Das Kabinett hat deshalb den Finanzminister angewiesen, dafür zu sorgen, daß diese Gelder auch für die Zeit bis zum 1. April auf jeden Fall zur Verfügung gestellt werden. Soweit sie die Länder nicht zur Verfügung stellen können, müssen irgendwie Bundesmittel dafür in Anspruch genommen werden.
    Ich weiß sehr wohl, daß auch in diesem Hause sehr viele sind, die sagen: das, was hier vorgeschlagen wird, ist ja keine Regelung, die die Not in diesen Volkskreisen überwinden kann. Das weiß ich auch. Es ist nur so, daß wir bei allem, was wir hier beschließen, irgendwie eine finanzielle Fundierung haben müssen. Wenn nur dieses Kriegsbeschädigtenrecht, wie es das Übergangsgesetz vorsieht, aufrechterhalten bleibt, müssen wir im Jahre 1950 über 3 Milliarden D-Mark für diesen Zweck aufbringen. Ich bin mir vollkommen klar darüber, daß dieses Gesetz keine endgültige Bundesregelung darstellt, und ich würde Ihnen deshalb auch sehr dankbar sein, wenn Sie alle weitergehenden Ansprüche möglichst so weit zurückstellen würden, daß sie dann bei dem endgültigen Gesetz mit berücksichtigt werden können.
    Es wird eine schwere Aufgabe sein, auch für die Bundesregierung selbst, sich darüber klar zu werden, wie groß der Geldbetrag ist„ den der Bund in der Zukunft für die Kriegsbeschädigten ausgeben kann. Sie wissen. daß die Finanzhoheit erst mit dem 1. April auf den Bund übergeht. Es ist deshalb notwendig, daß man vor der Behandlung des endgültigen Gesetzes zum mindesten einen Überblick darüber gewinnt, welche Summen im alleräußersten Fall für diesen Zweck aufgebracht werden können.
    Ich bitte Sie also, diesen Gesetzentwurf als eine Übergangsregelung anzusehen, und ich bitte Sie gleichzeitig, die Verhandlungen so zu beschleunigen, daß die Kriegsbeschädigten in dem bescheidenen Rahmen, den wir ihnen heute anbieten können, recht bald in den Genuß der höheren Leistungen kommen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Jetzt auf einmal!)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache in der ersten Beratung. Als erste Rednerin hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Probst.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Maria Probst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Das vorliegende Gesetz zur Verbesserung der Leistungen an die Kriegsopfer entspricht einem einstimmigen Beschluß des Hohen Hauses, der auf einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion zurückgeht. Im Sinne der Antragstellung und des einschlägigen Bundestagsbeschlusses hat der vorliegende Gesetzentwurf nur das eine Ziel, eine Überbrückung bis zur möglichst baldigen Vorlage und Verabschie-


    (Frau Dr. Probst)

    dung des endgültigen Versorgungsgesetzes zu schaffen. Es war von vornherein der Wille der Antragstellung sowohl wie der Sinn des genannten Beschlusses in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Regierungserklärung des Kanzlers und der erst jüngst wiederholten Verlautbarung des Bundesarbeitsministers, daß gleichzeitig mit der Behandlung des vorliegenden tberbrückungsgesetzes die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs für das endgültige Versorgungsgesetz intensiv vorwärtsschreiten muß. Durch das Überbrückungsgesetz darf das Versorgungsgesetz, auf das Millionen von Kriegsbeschädigten, Kriegerwitwen und -waisen schmerzlich und sehnsüchtig warten, unter keinen Umständen eine Verzögerung erleiden. Wir erwarten von der Bundesregierung — und wir erheben die Forderung an sie —, daß das neue Versorgungsgesetz bis spätestens zum 1. April dieses Jahres in Kraft tritt.
    Der Herr Bundesarbeitsminister hat uns die derzeitige Lage auf haushaltsrechtlichem und damit auch verfassungsrechtlichem Gebiet geschildert. Ich brauche dem nichts hinzuzufügen. Aus der Besonderheit dieses Interimszustandes ergibt sich auch die Verzögerung des vorliegenden Gesetzentwurfes, die wir bedauern. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Wir sind uns aber auch darüber einig, daß niemandem eine Schuld dafür gegeben werden kann, sondern daß diese Verzögerung ihre Ursache, ich möchte sagen: in der höheren Gewalt des derzeitigen Schwebezustandes hat, da bis zum 1. April der Bund nicht in der Lage ist, die ihm zustehenden Mittel zu übernehmen und darüber hinaus die Kriegsfolgelasten zu tragen. Ich muß dabei aber betonen — ich darf das wiederholen —, daß von allen Beteiligten das Außerste versucht worden ist, den frühestmöglichen Termin für die Vorlage einzuhalten.
    Wir werden uns in diesem Hohen Hause auch alle darüber einig sein, daß, da das neue Versorgungsgesetz erst ab 1. April 1950 wirksam werden kann, eine Überbrückung bis zu diesem Zeitpunkt dringend notwendig ist, um erstens die Rechtseinheit und Rechtsangleichung in den verschiedenen Ländern durchzuführen, die ja heute als Abbild der Zerrissenheit Deutschlands als Rechtszerrissenheit charakterisiert werden können. Wenn die Rentendifferenzen zum Beispiel zwischen der amerikanisch-britischen Zone auf der einen und den Ländern der französischen Zone auf der anderen Seite von vornherein mehr als 20 Prozent betragen und wenn dazu noch in der französischen Zone Zusatzrenten, Mietzuschüsse und Sozialausgleichsbeträge gegeben werden, so bedeutet das eine Divergenz, die mit Recht von den Kriegsbeschädigten, die in anderen Zonen leben, als ein Unrecht ihnen gegenüber empfunden werden muß.
    In einzelnen Ländern, in Bayern, Bremen, Hessen, Württemberg-Baden, wird außerdem noch an der Aufsplitterung nach Ortsklassen festgehalten; der Herr Bundesarbeitsminister hat ja eben darauf hingewiesen. Diese Unterscheidung nach Ortsklassen ist überhaupt in den derzeitigen Verhältnissen nicht mehr begründet. Es trifft nicht zu, daß heute etwa die Lebenshaltungskosten in den Großstädten höher liegen als auf dem flachen Lande. Wenn in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen Kinderzuschläge und Waisengelder nur bis zum vollendeten 15. Lebensjahr und weiter bis zum 18. nur dann gegeben werden, wenn das betreffende Kind sich in Schulausbildung befindet, während sonst durchweg die Renten bis zum 18. Lebensjahr gegeben werden, so ist auch dies eine außerordentliche Härte und Ungerechtigkeit, zumal in sehr vielen Ländern ein Mangel an Lehrstellen zu verzeichnen ist und die Schulausbildung nicht in allen Fällen ermöglicht werden kann.
    Ganz besonders kraß und schwerwiegend ist diese Rechtszersplitterung auf dem Gebiet der Witwenversorgung. In der amerikanischen Zone sind Besserungen erzielt worden. In der britischen Zone dagegen — mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen — wird immer noch an der Bedingung der Vollendung des 60. Lebensjahres festgehalten, wird immer noch die Versorgung von einem Kind unter 3 oder zwei Kindern unter 8 Jahren gefordert. Wir begrüßen es, meine Herren und Damen, daß der vorliegende Gesetzentwurf die Witwenversorgung der übrigen Länder der der amerikanischen und britischen Zone anpaßt.
    Ich muß es mir versagen, heute bei der ersten, ja nur grundsätzlichen Erörterung dieser Vorlage des Überbrückungsgesetzes auf die übrigen genau so brennenden Fragen der Rechtsverschiedenheit zum Beispiel in bezug auf die Altersrente, auf die Anrechnung der sonstigen Einkommen, auf die Rentenbezüge usw. einzugehen.
    Ich darf zusammenfassen. Die erste Aufgabe des Überbrückungsgesetzes wird sein, einen ersten Schritt auf dem Wege zur Rechtseinheit in der Kriegsopferversorgung zu gehen. Dabei darf ich annehmen, daß wir uns alle einig darüber sind, daß dieser erste Schritt vorsichtig gegangen werden muß, um nicht durch das Überbrückungsgesetz größere und weitergreifende Lösungsmöglichkeiten in der endgültigen Versorgungsgesetzgebung unter Umständen heute einengend zu präjudizieren.
    Das vorliegende Überbrückungsgesetz kann auch nicht als eine Sanktionierung der durch die alliierte Gesetzgebung nach 1945 geschaffenen unseligen Koppelung zwischen Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung gedeutet werden. Wir sind uns bewußt, daß die im Kriege in ihrer Gesundheit und durch Verlust eines nächsten Angehörigen seelisch und materiell zu Schaden gekommenen Angehörigen unseres Volkes nicht ohne weiteres mit den durch einen Betriebsunfall Verletzten verglichen und mit ihnen gleichbehandelt werden können und dürfen, zumal wenn ihnen gleichzeitig die Vorteile der Unfallversicherung versagt bleiben.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen haben, da von ihnen das schwerste Opfer verlangt worden ist, einen besonderen moralischen und rechtlich begründeten Anspruch auf eine individuelle Schadensersatzleistung, die nur in einer einheitlichen Versorgungsgesetzgebung unabhängig von den Gesichtspunkten der Sozialversicherung gewährleistet werden kann.

    (Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

    Genau so wesentlich wie der Grundsatz der Rechtsangleichung ist die zweite Aufgabe des vorliegenden Überbrückungsgesetzes, nämlich die bestehenden Rentensätze dem veränderten Preis-und Lohnniveau durch eine Teuerungszulage sobald als nur möglich und so weitgehend als nur möglich anzupassen,

    (Abg. Renner: 0,1 Millionen für das ganze Jahr!)



    (Frau Dr. Probst)

    und zwar in einer Form, die eine rasche Auszahlung gewährleistet. Dabei sind wir uns alle bewußt, meine Herren und Damen, daß diese zwanzigprozentige Erhöhung, die das Gesetz vorsieht, nur als eine überbrückende Sofortmaßnahme gewertet werden kann und keineswegs als eine ausreichende materielle Hilfe. Die Not in den Kreisen unserer Kriegsbeschädigten, der Kriegsblinden, der Hirnverletzten, der Gelähmten, unserer Kriegerwitwen und Waisenkinder, unter denen sich Hunderttausende von Flüchtlingen, von Bombengeschädigten und Heimkehrern befinden, ist so groß und seit Jahren so drückend, daß wir uns voll bewußt sind, daß die zwanzigprozentige Erhöhung der Rentenleistung nur als eine erste Linderung angesprochen werden kann,.
    Dabei möchte ich schon jetzt bei der grundsätzlichen Betrachtung darauf hinweisen, daß der Berechnung des Teuerungszuschlages auf jeden Fall die KB-Rente einschließlich der Kinderzulage zugrunde gelegt werden muß, ebenso bei der Anrechnung des sonstigen Einkommens, das ja auf die halbe Rente Bezug nimmt. Wir begrüßen es, daß die Nichtanrechnung der Teuerungszuschläge auf die Leistungen der öffentlichen Fürsorge bereits im Gesetz selbst festgelegt ist. Andererseits, meine Herren und Damen, muß ich es bedauern, daß ein wesentlicher Punkt unseres Antrages und auch des Beschlusses des Bundestages im Überbrückungsgesetz nicht verankert ist, nämlich die Krankenversicherung für alle diejenigen, die nicht sozialversichert sind und waren. Darunter befinden sich insbesondere Kriegerwitwen und Waisenkinder. Hier ist eine Lücke im Versorgungsrecht der Kriegshinterbliebenen, die unbedingt sofort geschlossen werden muß. Das Fehlen der Krankenversicherung trifft in den meisten Fällen gerade wieder jene kinderreichen Familien Gefallener, deren Renten durch die unglückselige Anwendung des § 595 der Reichsversicherungsordnung auf den Höchstbetrag von 108 bzw. 120 DM gekürzt und festgelegt sind, ganz gleichgültig ob die betreffende Mutter nun 4, 7 oder 12 Kinder hat. Diese Härte ist um so größer, als die alten Eltern des Gefallenen in einem solchen Fall nur insoweit Anspruch auf die Altersrenten haben, als die Witwen und die Kinder den Höchstbetrag nicht erschöpfen. In den meisten Fällen sind also auch die Eltern solcher Familien dann ohne Rente.
    Dazu kommt, daß die Fürsorge diese Beträge nur gering aufstockt. Durch die Verbesserung der Witwenversorgung in der amerikanischen und teilweise in der britischen Zone im Jahre 1949 erhält die Witwe sogar weniger Fürsorge als vorher, da die im vorigen Jahre neu gewährte Witwenrente auf die Fürsorge angerechnet wird. Derselbe Kreis gerade der Hilfsbedürftigsten ist bei der Soforthilfe wiederum dadurch geschädigt, daß die KB-Rente der Kinder auf die Soforthilfe der Mutter angerechnet wird; das heißt: der Mutter werden für jedes Kind 7 Mark von den 70 Mark der Soforthilfe abgezogen. Einen Antrag auf Beseitigung dieser Härte habe ich bereits gestellt.
    Meine Herren und Damen! Es wird bei der Beratung des vorliegenden Gesetzes im Ausschuß zu erwägen sein, wie bei diesen am meisten hilfsbedürftigen Familien der alleinstehenden kinderreichen Mütter sofort geholfen werden kann. Dieses Problem wird in der Öffentlichkeit bisher viel. zu wenig gesehen. Es gibt kaum statistisches Material über die Ausdehnung dieses Personenkreises. In Bayern sollen es schätzungsweise 70 000 kinderreiche Mütter und Waisenkinder sein. Auch die Hilferufe, die aus den — viel zu wenigen! —
    Müttererholungsheimen kommen und die auf die steigende Zahl von gesundheitlichen und nervlichen Zusammenbrüchen, ja Selbstmorden unserer Mütter hinweisen, verhallen ungehört.
    Wenn ich den Antrag stelle, den vorliegenden Gesetzentwurf an den zuständigen Ausschuß zu überweisen, so behalten wir uns dabei vor, im Laufe der Beratungen Zusatz- und Abänderungsanträge zu stellen. Die Verankerung der Krankenversicherung habe ich ja bereits erwähnt. Ohne erschöpfend sein zu wollen, will ich abschließend nur noch auf die Notwendigkeit einer Kapitalisierung der Renten als Beitrag zur Belebung der Bautätigkeit hinweisen, die ein weiterer Beratungspunkt sein müßte. Gerade die Schwerbeschädigten haben ein besonders großes Bedürfnis nach einem entsprechenden eigenen Heim. Die besondere Berücksichtigung der Kriegsopfer in der Wohnungsgesetzgebung zusätzlich zu dem Bevölkerungskreis der Kriegssachgeschädigten, politisch Verfolgten und Heimatvertriebenen sei hier nur am Rande erwähnt.
    Ich bitte um Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfs an den zuständigen Ausschuß.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)