Rede von
Dr.
Otto
Kneipp
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat bereits bei der Einführung des Gesetzes darauf hingewiesen, welches der wahre Zweck der Vorlage ist. Man will eine Senkung der Zuckersteuer vornehmen, um der Landwirtschaft einen gewissen Start auf dem Gebiet der Zuckerrübenproduktion zu geben und die in den letzten Jahren eingetretene erfreuliche Aufwärtsentwicklung weiter zu verfolgen. Man will aber gleichzeitig durch diese Zuckersteuersenkung die erhöhten Kosten decken, die die Zuckerfabriken durch gesteigerte Löhne, durch erhöhte Ausgaben für Kohlen, für Eisen und dergleichen mehr haben. Als drittes will man schließlich den sogenannten Frachtenausgleich in der bisherigen Form weiterführen können. Der Betrag von 9,50 Mark, um den die Zuckersteuer gesenkt wird, kommt also praktisch zu einem Betrag von 6 Mark dem bäuerlichen Zuckerrübenerzeuger, zu rund 3 Mark der Zuckerfabrik zugute, und rund 50 Pfennig werden der sogenannten Frachtenausgleichskasse zugeführt.
Wenn ich den letzten Punkt vorweg aufgreifen darf, so möchte ich folgendes sagen. Diese Frachtenausgleichskasse soll es ermöglichen, daß alle Teile des Bundesgebiets den Zucker an den Letztverbraucher zu demselben Zuckerendpreis abgeben können. Zur Zeit beträgt ja der Zuckerendpreis 1,14 DM pro Kilogramm.
Wir sind leider aus einem Ausfuhrland an Zucker, das wir früher waren, zu einem Importland an Zucker geworden. Der Import kostet uns eine ganz beträchtliche Menge Geldes. Zur Zeit müssen wir pro Doppelzentner ausländischen Zuckers rund 10 Mark an Subvention zahlen.
Unsere inländische Zuckerproduktion erreicht in diesem Jahre bei einer Anbaufläche von rund 148 000 Hektar annähernd 550 000 Tonnen. Das Ziel des Marshallplans ist es, diese inländische Produktion derart zu steigern, daß wir in einigen Jahren auf 800 000 Tonnen kommen. Die vorhandenen Zuckerfabriken besitzen eine derartige Kapazität, daß auch die Landwirtschaft innerhalb dieser Kapazität ihren eigenen Zuckerrübenanbau so forcieren kann, daß wir in einigen Jahren auf 800 000 Tonnen kommen dürften. Die Landwirtschaft wird aber zu einer solchen Ausdehnung ihres intensivsten Anbaues nur dann in der Lage sein, wenn sie für die beträchlich gestiegenen Unkosten auch ein entsprechendes Mehr beim Zuckerrübenpreis erhält. Seit dem Jahre 1934 beträgt der Zuckerrübenpreis 4 Mark pro Doppelzentner. Die Aufwendungen, die der Zukkerrübenanbauer zu machen hat, sind beträchtlich gestiegen. Ich darf zum Beispiel darauf hinweisen, daß allein der Düngerindex — die Zuckerrübe braucht ja recht viel Dünger — auf 160 Prozent gegenüber dem Jahre 1938 in die Höhe geklettert ist. Ich darf darauf hinweisen, daß auch der Lohnindex seit dem Jahre 1938 um 181/2 Punkte in die Höhe gegangen ist, daß also zwei der we-
sentlichsten Unkostenfaktoren eine derartige Steigerung erlebt haben, daß der Bauer einen Ausgleich bekommen muß. Dieser Ausgleich beträgt im Durchschnittt 20 Prozent; er soll nämlich auf 4,75 bis 5 Mark in die Höhe gehen. Diese Erhöhung hält sich also unter allen Umständen in einem vertretbaren Rahmen, auch in einem Rahmen, daß kein Mensch behaupten kann, der bäuerliche Erzeuger würde nunmehr viel zu gut wegkommen.
Ich darf in diesem Augenblick einen kleinen Blick in das benachbarte Belgien und Holland werfen. In Belgien ist der Zuckerrübenpreis zur Zeit pro Doppelzentner 7,32 DM, in Holland liegt er ungefähr 30 Pfennig tiefer. Wenn Sie jetzt berücksichtigen, daß wir pro Doppelzentner Zucker, den wir einführen, 10 DM Subvention bezahlen müssen, so errechnet sich, wenn ich diese 10 DM Subvention einkalkuliere, ein ausländischer allgemeiner durchschnittlicher Zuckerrübenpreis von sage und schreibe 6,35 DM. Ich glaube, ich habe Ihnen damit bewiesen, daß die bäuerlichen Forderungen auf endgültige Genehmigung eines anständigen Zuckerrübenpreises durchaus in Ordnung gehen.
Ich darf Ihnen dies noch nach einer anderen Richtung hin näher darlegen. Bisher war bei einem Zuckerrübenpreis von 40 DM pro Doppelzentner der Fiskus derjenige, der aus dem bäuerlichen Schweiß und der bäuerlichen Arbeit die größten Revenuen gezogen hat. Wir können in diesem Jahr mit einer durchschnittlichen Zuckerrübenernte von 300 Doppelzentnern pro Hektar rechnen. Diese 300 Doppelzentner pro Hektar liefern rund 40 Doppelzentner Zucker. Würde die bisherige Zuckersteuer bestehen bleiben, dann würde dies ergeben, daß der Zuckerfiskus, wenn ich ihn so nennen darf, 40 mal 40 gleich 1600 DM Einnahme aus dem Schweiß des Landwirts pro Hektar 'einnimmt, während der Bauer bei 300 Doppelzentner à 4 DM Zuckerrübenpreis nur 1200 DM erreicht. Jetzt wird das Verhältnis etwas in eine andere Bahn geschoben. Jetzt kommen wir auf eine Zuckerrübensteuereinnahme des Fiskus pro Hektar von 1220 DM, während der Landwirt dann auf 300 mal 5, im Endergebnis also auf 1500 DM kommt. Daß der Landwirt daneben noch die Schnitzel als wertvolles Futtermittel hat und dergleichen mehr, möchte ich hier nicht näher erläutern.
Im Ausschuß, der sich mit dieser Frage beschäftigt hat, war man sich allseitig darüber klar, daß dieses Gesetz so rasch wie möglich verabschiedet werden müsse. Es hat sich keinerlei Widerspruch gezeigt. Es wurde nur von einer Seite der lebhafte Wunsch geäußert, man möge die überhöhte Zuckersteuer von — nach erfolgter Genehmigung des Gesetzes — 30,50 DM weiter senken, man möge auch dem Verbraucher nunmehr durch eine Senkung der Zuckersteuer die entsprechende Möglichkeit eines billigeren Zuckerbezuges geben. Der Ausschuß hatte keine Möglichkeit, im Sinne dieses Wunsches näher tätig zu sein. Ich darf mich aber vielleicht zum Interpreten des Ausschusses und auch von Ihnen machen, wenn ich bei dieser Gelegenheit den Wunsch äußere, daß man dann, wenn man in absehbarer Zeit darangeht, die indirekten Steuern, die Verbrauchssteuern zu senken, auch an die Zuckersteuer denkt. Betrug doch die Zuckersteuer in der Kaiserzeit 14 Mark. Sie wurde später auf 21 Mark in die Höhe gesetzt. Sie ist jedenfalls eine der höchsten indirekten Steuern, die wir kennen.
Im Ausschuß war auch Einmütigkeit darüber vorhanden, daß das Gesetz heute möglichst in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden möge, damit der Leidensweg, den dieses Gesetzgebungswerk schon im Wirtschaftsrat gegangen ist, so rasch wie möglich abgeschlossen wird. Es wurde gleichzeitig im Ausschuß festgestellt, daß die Drucksache Nr. 150, die einen Antrag Dr. Müller und Genossen enthält, der sich mit demselben Gegenstand beschäftigt, durch die Annahme des Gesetzes gegenstandslos würde. Namens des Ausschusses habe ich die Ehre, Sie zu bitten, das Gesetz möglichst heute in zweiter und dritter Lesung zu verschieden.