Rede von
Dr.
Konrad
Adenauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 269 ist in Ihrem Besitz. Der Herr Präsident Köhler hat mir diese Drucksache zugeschickt, und ich habe ihm darauf unter dem 12. Dezember die folgende Antwort erteilt:
Ich erhielt Ihren Brief vom 5. Dezember. Wenn auch eingangs des Briefes Renner die Worte stehen „Der Bundestag wolle beschließen", so handelt es sich doch, wie der Wortlaut erkennen läßt, um eine Anfrage.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt: Zu 1 Satz 1: Nein! Satz 2: Nein! Zu 2: Nein! Zu 3: Nein! Zu 4: Nein! Zu 5: Nein!
Ich darf den Brief zu Ende lesen:
Obgleich nach meinem Dafürhalten der Bundeskanzler bzw. die Bundesregierung zur Beantwortung aller dieser Fragen nicht verpflichtet ist, habe ich sie beantwortet,
damit nicht aus der Nichtbeantwortung falsche Schlüsse hergeleitet werden können.
Nun hat der Abgeordnete Renner eben in einem Zwischenruf die Frage gestellt: Was haben Sie denn gesagt? Ich habe diese Frage des Herrn Abgeordneten Renner nicht bestellt, aber ich habe sie erwartet.
Infolgedessen werde ich Ihnen nunmehr die Niederschrift verlesen, die der Stellvertretende Bundespressechef, der bei dem Interview, das ich mit dem amerikanischen Journalisten gehabt habe, anwesend war und gedolmetscht hat, seinerzeit gemacht hat. Herr Dr. Böx hat folgende Notiz darüber aufgenommen.
„Das Interview mit dem Cleveland „Plain Dealer" begann mit der Erörterung der deutschen Einheit. Dabei wurde die Frage besprochen, wie das Gefühl einer deutschen Einheit bei den Einwohnern der Sowjetzone wachzuhalten sei. Der Bundeskanzler betonte die Notwendigkeit, Berlin als Bastion des Westens zu halten, die Handels- und Verkehrsbeziehungen nicht abbrechen zu lassen und im übrigen die Bundesrepublik wirtschaftlich und politisch so auszugestalten, daß sie anziehend wirkt.
Der Korrespondent ging dann auf die Frage der deutschen Sicherheit und die Bedeutung des Atlantikpaktes ein. Der Bundeskanzler lehnte eine deutsche Wiederaufrüstung auf das entschiedenste ab und wies dabei auf die schweren Blutverluste im letzten Weltkrieg hin.
Alsdann stellte der Korrespondent die Frage nach einem deutschen Beitrag zur Verteidigung des europäischen Kontinents. Er wies mit Nachdruck darauf hin, daß von sehr beachtlichen außerdeutschen Stellen die Notwendigkeit eines Bei-
trags Deutscher, eventuell in der Form des Eintritts von Deutschen in andere Armeen, erörtert wird. Der Bundeskanzler seinerseits betonte nachdrücklich, daß unter keinen Umständen zugestimmt werden könne, daß Deutsche als Söldner oder Landsknechte in fremde Armeen eintreten. Auch wenn das Verlangen nach einem deutschen Beitrag zur Sicherheit Europas in einer unabdingbaren Weise von den Alliierten gestellt würde, käme die Aufstellung einer deutschen Wehrmacht nicht in Frage. Im äußersten Fall sei alsdann die Frage eines deutschen Kontingents im Rahmen der Armee einer europäischen Föderation zu überlegen.
Die Erörterung drehte sich dann um das Besatzungsstatut und das Ruhrstatut. Der Korrespondent stellte die Frage, ob die deutsche Regierung bereits jetzt für beide Revision anmelden wolle. Der Bundeskanzler äußerte sich in diesem Zusammenhang zu den Grundsätzen seiner Regierungspolitik. Der wichtigste sei der, das Vertrauen der anderen Völker zu gewinnen. Das könne nur Schritt um Schritt erfolgen. Nur so könne eine feste Grundlage für gute politische Beziehungen gefunden werden. Darum sei die Bundesregierung gegen frühzeitige und unzeitige Revisionsbestrebungen. Jede Revision des Besatzungsstatuts und des Ruhrstatuts könne sich nur organisch und im vollen gegenseitigen Einverständnis vollziehen. Der Bundeskanzler lehnte es darum ab, zu den einzelnen Punkten des Besatzungs-
und Ruhrstatuts, die von dem Korrespondenten angeschnitten wurden, Stellung zu nehmen.
Zur Frage des Mitbestimmungsrechts der Arbeiter führte der Bundeskanzler aus, daß dieser Komplex bereits grundsätzlich in Angriff genommen worden sei und die Hoffnung bestünde, zu einer allerseits befriedigenden Lösung zu kommen. Im übrigen beabsichtige die Regierung, an die Gewerkschaften heranzutreten, sich an der Wahrnehmung der deutschen Interessen in der Ruhrbehörde zu beteiligen.
Der Korrespondent sprach zum Schluß des Interviews sehr ausführlich über die Kartellbefürchtungen der amerikanischen Öffentlichkeit, die durch Ausführungen von Zeitungen und Politikern zum Teil mit der deutsch-französischen Verständigung in eine innere Verbindung gebracht worden seien. Der Kanzler betonte, daß es sich bei seinen politischen und wirtschaftlichen Bemühungen um den Versuch handle, eine echte Verständigung zwischen den Völkern herbeizuführen. Dieser Weg könne durch eine Liberalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen erleichtert werden. Dabei betonte der Bundeskanzler grundsätzlich, daß er selbst sich für ein Mindestmaß an staatlicher Macht einsetze, um die freie Entwicklung des Menschen in jeder Hinsicht zu ermöglichen. Von einem Kartell könne in Bezug auf die deutsch-französische Verständigung überhaupt keine Rede sein. Der Bundeskanzler begrüßte den Gedanken, die Ausdehnung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Frankreich in den Rahmen der OEEC einzufügen. Im übrigen würde die Neugestaltung des Mitbestimmungsrechts der Arbeiter alle Befürchtungen verschwinden lassen, daß es sich bei der deutschfranzösischen Verständigung und Zusammenarbeit um ein Kartellsystem handeln könne."