Rede von
Dr.
Joachim
Schöne
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag Drucksache Nr. 283 wird dem Hohen Haus ein Gesetz des Wirtschaftsrats mit der Bitte vorgelegt, es um ein Vierteljahr zu verlängern. Das Gesetz hat eine interessante Vorgeschichte, von der der Herr Kollege Rische vorhin einen kurzen Überblick gab. Es ist ein Gesetz, bei dessen Entstehung die Beteiligten sich jedoch darüber klar waren, daß es nicht von langer Dauer sein würde.
Wenn man nun vor die Frage gestellt wird, dieses Fachstellengesetz um ein Vierteljahr zu verlängern, wird man zunächst einmal prüfen müssen, wie sich denn die Situation der Fachstellen heute darstellt. Man stellt dann fest, daß von den Fachstellen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft nur noch die Fachstelle Stahl und Eisen eine gewisse Bedeutung besitzt und daß das Schwergewicht der Fachstellen ganz eindeutig auf dem Importgebiet liegt. War es bei der Begrün-
dung der Fachstellen so, daß etwa 40 Prozent der anfallenden Arbeit bei den gewerblichen Fachstellen lag und 60 Prozent beim Import, so ist es heute fast umgekehrt: 10 bis 15 Prozent der Gesamtarbeit werden von den gewerblichen Fachstellen geleistet, während 85 bis 90 Prozent auf die Importfachstellen entfallen.
Zu einer Beurteilung der Frage, ob man dieses Gesetz verlängern soll, gehört ferner, daß man sich über das allgemeine Urteil über Institution und Arbeit der Fachstellen orientiert. Da kann wohl gesagt werden, daß auf keiner Seite eine ausgesprochene Begeisterung für diese Institution besteht. Man braucht keineswegs immer so herzhaft die Kritik zu formulieren, wie es in der Oktoberausgabe der Zeitschrift „Der deutsche Handel" geschieht, wo es heißt:
Die Fachstellen sind und bleiben ein Tummelplatz verschiedenster Interessen.
Beides, die Schwerpunktverschiebung und die Kritik oder die Erfahrungen bezüglich der Arbeit der Fachstellen, legt doch den Gedanken sehr nahe, eine neue Form für die Fachstellen zu finden. Dies um so mehr, als zum Import neuerdings auch die Bewältigung der Aufgaben aus dem Interzonenhandel kommt. Diese beiden Gründe waren wohl auch Veranlassung für die Verwaltung, sich Gedanken über eine neue Form der Fachstellen zu machen. Die Verwaltung wurde in ihrer erfreulichen Tätigkeit leider aber wohl durch den Ablauftermin des Fachstellengesetzes gestört. Hier, meine Damen und Herren, liegt ein Ansatzpunkt zu einer immerhin herzhaften Kritik.
Im Oktober dieses Jahres wurde die Vorlage, also der Ursprung der Vorlage Drucksache Nr. 283, in der Verwaltung ausgearbeitet. Anfang November 1949 wurden die Länderreferenten zu einer Besprechung zusammengzogen. Ende November beschäftigte sich der Wirtschaftsausschuß des Bundesrats mit der Vorlage und Anfang Dezember die Bundesregierung. Der Bundestag verdankt es einem glücklichen Zufall, daß er in der letzten Sitzungswoche dieses Jahres eine Sitzung abhält, in der die erste Lesung vom Stapel gehen kann. Der wirtschaftspolitische Ausschuß könnte sich, wenn er seine Tagesordnung ändert, morgen mit diesem Gesetz beschäftigen, und der Bundestag könnte dann übermorgen, in der nächsten Plenarsitzung, die zweite und dritte Lesung dieses Gesetzes vornehmen. Das heißt mit andern Worten: der Weg der Vorlage zum Parlament brauchte 2 1/2 Monate, und der Weg der Gesetzesvorlage im Parlament beträgt drei Tage.
Meine Damen und Herren, mir kommen da persönlich einige Bedenken. So erfreulich es ist, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister vorhin gesagt hat, daß man dabei sei, neue Formen zu finden, und mit Wirkung vom 1. April des kommenden Jahres eine neue Art etablieren würde, so will es mir scheinen, als wenn die zur Verlängerung nachgesuchten drei Monate gerade ausreichen könnten, um eine neue Verlängerung des bestehenden Fachstellengesetzes durchzuführen.
Ich möchte auch noch die Frage andeuten, ob es überhaupt möglich ist, ein bereits abgelaufenes Gesetz zu verlängern; denn mit einer Verkündung des Gesetzes, wie es in der Drucksache Nr. 283 vorliegt, dürfte vor Mitte Januar 1950 wohl kaum zu rechnen sein; das heißt also, daß die Verkündung bereits nach Ablauf des alten Gesetzes erfolgen würde.
Meine Damen und Herren, die Fragen, die mit den Fachstellen, insbesondere hinsichtlich der Neugruppierung des Interzonenhandels und des Imports zusammenhängen, müssen nach der Ansicht meiner Freunde im Wirtschaftspolitischen Ausschuß besprochen werden. Ich stelle daher zugleich im Namen meiner Freunde den Antrag, die Vorlage Drucksache Nr. 283 dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen. Im Ausschuß würde dann wohl einmal die Möglichkeit zu prüfen sein, die Fachstellen — außer der Fachstelle Stahl und Eisen — im wesentlichen auf Import und Interzonenhandel zu beschränken. Zum anderen wäre die Frage zu prüfen — und die allerdings mit Nachdruck —, welche Form denn die Fachstellen nach dem 30. März kommenden Jahres annehmen sollen. Mit einer Diskussion über diese Vorlage würde dann ein Gesetz seinen dornenvollen Weg vollenden, von dem der Kollege Dr. Wellhausen bei seinem Entstehen sagte, es handele sich um die „Leidensgeschichte eines Gesetzgebungsversuches, eingeteilt in verschiedene Akte"