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ID0102301800

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    Deutscher Bundestag — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1949 715 23. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1949. Glückwünsche des Präsidenten zum Geburtstag des Alterspräsidenten Löbe . . 715D Erklärung betr. zu erwartenden Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abg. Hedler 716D Geschäftliche Mitteilungen 716B, 731C Zustimmung des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" 716C Zustimmung des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen . 716C Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit 716C Beantwortung der Anfrage Nr. 9 der Abg. Dr. Wuermeling und Gen. betr. Saarpensionäre und -rentner . . . . . . . 716C Änderung der Tagesordnung 716D Dr. Wellhausen (FDP) 716D Erste Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Entwurf eines Gesetzes über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung (Drucksache Nr. 248) . . . . . . . . 717C Dr. Wellhausen (FDP) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . 716D Richter (Frankfurt) (SPD), Antragsteller . . . . . . . . . . . 717C Erste Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Entwurf eines Gesetzes über das Eigentum an Wohnungen und gewerblichen Räumen (Drucksache Nr. 252) . . . 719C Dr. Schneidet (FDP), Antragsteller . 719D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (Drucksache Nr. 253) . . . . . . . 722D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 722D Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD) . . 723B Lübke (CDU) . . . . . . . . . 724A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . . 724A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes, des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren und des Preisgesetzes (Drucksache Nr. 284) . . . . . . . . 724B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Fachstellengesetzes und der Fachstellengebührenordnung (Drucksache Nr. 283) 724B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 724C Rische (KPD) . . . . . . . . . 725A Dr. Schöne (SPD) 726D Naegel (CDU) . . . . . . . . . 727C Juncker (FDP) 729A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes über die Festsetzung und Verrechnung von Ausgleichs- und Unterschiedsbeträgen für Einfuhrgüter der Land- und Ernährungswirtschaft (Drucksache Nr. 294) . . . . 729B Rische (KPD) . . . . . . . . . 729C Lübke (CDU) . . . . . . . . . 730C Antrag der Fraktion der SPD betr.. Erlaß eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung des Lohnstops (Drucksache Nr. 300) 730C Frau Kipp-Kaule, Antragstellerin . . 730D Sabel (CDU) 731B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 731C Die Sitzung wird um 9 Uhr 54 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Wir tragen sehr schwer an der Last des Wirtschaftsrats. Das beweist schon die heutige Tagesordnung. Einige Gesetze des Wirtschaftsrats müssen nun verlängert werden, die schon seinerzeit im Wirtschaftsrat zu erheblichen Auseinandersetzungen geführt haben. Zu einer derartigen Auseinandersetzung ist es auch damals im Wirtschaftsrat bei der Verabschiedung des Fachstellengesetzes gekommen. Die Erstreckung und Verlängerung des Fachstellengesetzes wirft darum auch heute einige grundsätzliche Fragen der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik auf. Es steht nämlich die Frage zur Entscheidung: Hat die freie Wirtschaft mit ihren Verbänden und Organisationen staatliche Aufgaben zu übernehmen, und inwieweit ist es zweckmäßig und mit wirklichen demokratischen Prinzipien vereinbar, die so berüchtigte „Selbstverwaltung der Wirtschaft " im demokratischen Staat zu gestatten?
    Bekanntlich ist nach dem Fachstellengesetz des Wirtschaftsrats der freien Wirtschaft und ihren Organisationen die Funktion der Restbewirtschaftung und die Bearbeitung von Einfuhrangelegenheiten über die Fachstellen übertragen worden. Der Staat — damals mußte man noch sagen: die „Bizone" — hat damit freiwillig auf Hoheitsrechte verzichtet, die er den 16 sogenannten Fachstellen übergeben hat. Mit diesen Fachstellen haben die Unternehmergruppen und Unternehmerverbände sich in den staatlichen Wirtschaftsapparat als mitbestimmende Faktoren eingeschaltet. Ein. altes Prinzip, ich möchte sagen: ein verhängnisvolles Prinzip in der bisherigen deutschen Wirtschaftsgeschichte und des nationalsozialistischen Staates ist dadurch erneut verwirklicht worden. Die Wirtschaft beherrscht den Staat, und der demokratische Staat verliert durch die Übertragung von Hoheitsrechten sein Kontrollrecht über die Wirtschaft. Nach dem Fachstellengesetz sind die Unternehmerverbände als nachgeordnete Dienststellen der ehemaligen Verwaltung für Wirtschaft errichtet worden.

    (Bundesminister Dr. Erhard: Stimmt ja nicht!)

    Die Vertreter der Unternehmerverbände, der Industrievereinigungen und Fachvereinigungen haben das Recht erhalten, die Verteilung der Kontingente von Gütern, wie zum Beispiel Wälzlagern, Eisen und Stahl, auf die Betriebe selber vorzunehmen. Der Rest der Bewirtschaftung wird somit von den Unternehmern und ihren Syndiken in den Fachverbänden selber vorgenommen. Dies hat auch in den Kreisen der Wirtschaft selber starke Kritik hervorgerufen, und vielfach hat die wirtschaftliche Macht der großen Betriebe, das Streben zum Monopol über eine kontinuierliche Wirtschaftsentwicklung triumphiert. Die Stimmen aus der Wirtschaft gegen die Willkür der Entscheidungen der Fachstellen sind dabei nie abgebrochen, und mehr als einmal ist in der Öffentlichkeit und in der westdeutschen Presse mit den Dekartellisierungsgesetzen der Militärregierungen gedroht worden.
    Für uns Kommunisten war diese Entwicklung der Fachstellen durchaus kein Geheimnis. Wir haben unsere Bedenken gegen die Errichtung dieser Fachstellen schon bei den Beratungen im Wirtschaftsrat deutlich vernehmbar erhoben. Wir haben damals erklärt, daß es völlig indiskutabel sei, Unternehmerverbände innerhalb des staatlichen Wirtschaftsapparats Hoheitsrechte zu gewähren. Unsern Standpunkt haben wir mit einem nachdrücklichen Hinweis auf die Gefahren monopolistischer Zwangsorganisationen in der westdeutschen Wirtschaft begründet. Es handelt sich doch gar nicht so sehr darum, die Restbewirtschaftung durch Organe der Unternehmerorganisationen, die sogenannten Fachstellen, abzuwickeln, sondern vielmehr darum, den Unternehmerorganisationen wieder alle Rechte in der Wirtschaft zurückzugeben. Das war, wenn man so will, nur der Anfang einer Entwicklung, die sich heute in der Macht der Unternehmerorganisationen innerhalb der Wirtschaft der Bundesrepublik äußert und die sich bis in außenpolitische Bezirke auswirkt. Symbol dieser Entwicklung ist schließlich und endlich die berüchtigte Denkschrift des Stahltrusts, die als Vorlage der ersten außenpolitischen Note der Bundesregierung das Gesetz des Handelns auch in der
    Außenpolitik den monopolistischen Verderbern des deutschen Volkes zuerkannte.
    In dieser bewußten Zuspitzung des Problems erkennt man erst recht die Bedeutung der Fachstellen und vermag man die Absichten jener Kreise zu ermessen, die sich so warm für sie einsetzen. Ihre Macht über die westdeutschen Betriebe vermögen diese sogenannten Fachstellen über Zuteilungen eingeführter Güter und durch statistische Erhebungen auszuüben. Diese Machtfülle ist — so kann man beinahe sagen — nicht gemildert durch die den Fachstellen beigeordneten Beiräte, die aus Vertretern der Wirtschaftsverbände und auch der Gewerkschaften gebildet wurden.
    Wir haben uns anläßlich der Beratung des Gesetzes im Wirtschaftsrat auch zu diesem Problem ausführlich geäußert. Wir sind für die Anerkennung gewerkschaftlicher Mitarbeit in derartigen Funktionen der Wirtschaft, selbst wenn wir grundsätzliche Bedenken gegen derartige Organisationen haben. Wir haben allerdings keine Illusionen; denn wir wissen, daß die Unternehmerschaft sich als viel kräftiger erweist als ein paar Gewerkschaftsvertreter in derartigen Gebilden der monopolistischen Wirtschaft.
    Es war die amerikanische Militärregierung, die es damals dem Wirtschaftsrat untersagte, diesen Beirat paritätisch zusammenzusetzen. Der harte Streit um das Fachstellengesetz im Wirtschaftsrat zeigte uns damals ebenfalls, mit welchen Methoden die westdeutschen Reaktionäre zu kämpfen verstehen und welche „Reserven" sie gegebenenfalls zu guter Letzt sogar einzusetzen bereit sind. Das Fachstellengesetz wurde nach den Wünschen der Militärregierungen vom Wirtschaftsrat schließlich abgeändert, und durch die VfW wurden nachgeordnete Dienststellen errichtet. Meine Freunde haben damals im Wirtschaftsrat mit Nachdruck eine paritätische Vertretung der Gewerkschaften gefordert, um eine demokratische Kontrolle der Maßnahmen durch die Verbraucher, das heißt durch die Gewerkschaften, sicherzustellen. Diese alte Forderung erheben wir auch heute, um wenigstens die größten Gefahren einer aufstrebenden Monopolwirtschaft bekämpfen zu können.
    In diesem Zusammenhang muß ich noch eine ganz besondere Frage anschneiden. In der Begründung seiner Stellungnahme zu der heutigen Vorlage gab der Bundesrat die Anregung, in § 1


    (Rische)

    Absatz 1 Ziffer 2 des Fachstellengesetzes außer der Bearbeitung von Einfuhrangelegenheiten auch die Bearbeitung von Interzonenhandelsangelegenheiten aufzunehmen. Durch diese Erweiterung des Gesetzes würde nun auch der Interzonenhandel den Unternehmerverbänden restlos ausgeliefert werden. In der Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrats tritt die Bundesregierung der Empfehlung des Bundesrats, in § 1 Absatz 1 Ziffer 2 des Fachstellengesetzes die Bearbeitung von Angelegenheiten des Interzonenhandels aufzunehmen, schon bei. Die Einschaltung der Fachverbände in die Abwicklung des Interzonenhandelsvertrags hat aber nach den bisherigen Erfahrungen den soeben angelaufenen Handel zwischen Ost- und Westdeutschland in einem System bürokratischer Fallstricke und bürokratischer Hemmnisse weitgehend abgedrosselt. Die Befugnisse der Fachstellen bei der Lenkung des Warenverkehrs, ihr Recht, alle im Frankfurter Abkommen getroffenen Bezüge im Bereich der einzelnen Fachstellen und Branchen endgültig zu genehmigen oder abzulehnen, haben sich geradezu unheilvoll für den innerdeutschen Handel ausgewirkt.
    Dies können ein paar Zahlen aus den letzten Monaten ganz deutlich beweisen. Im Mai hatten wir im Interzonenhandel einen Umsatz von etwa 8,7 Millionen D-Mark, im Juni einen Umsatz von 24,8 Millionen D-Mark, im Juli bereits einen Umsatz von 35,3 Millionen D-Mark, im August von 52,5 Millionen D-Mark, und im September betrug der Umsatz 74,7 Millionen D-Mark. Aber im Oktober waren es nur noch 68,7 Millionen D-Mark Umsatz im Interzonenwarenhandelsverkehr. In diesen Zahlen äußert sich der brutale Eingriff der Fachverbände und Fachstellen auf die Lenkung des Interzonenwarenverkehrs. In den Genehmigungsausschüssen der Fachstellen sitzen heute Männer, die ehemals in der Ostzone als Nazi-Aktivisten enteignet oder sogar wegen Wirtschaftsverbrechen von den ordentlichen Gerichten verurteilt wurden.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Ich werfe die Frage der Verantwortung für diese Entwicklung auf und fordere den Wirtschaftsminister auf, sich zu diesen skandalösen Verhältnissen in den Fachstellen einmal eingehend zu äußern. Es ist kein guter Dienst, der hier der westdeutschen Wirtschaft, die Not leidet, von den Fachstellen erwiesen wird.
    Damit Sie nun nicht wieder denken, hier handle es sich nur um eine kommunistische Behauptung, zitiere ich die in Frankfurt erscheinende und dem Wirtschaftsminister nahestehende Zeitschrift „Der Volkswirt", die sich in einer der letzten Nummern sehr eingehend mit den Schwierigkeiten im Interzonenhandelsverkehr beschäftigte. Die Zeitschrift kommt zu der Feststellung, daß sich die Verhältnisse zwischen Ost und West zunehmend versteift haben, und schreibt:
    Es scheint, daß aus diesem Aspekt heute der Abschluß des Interzonenabkommens bedauert wird. Man ist offenbar mehr und mehr darauf bedacht, seine praktische Handhabung zu komplizieren und dadurch seine möglichen Wirkungen weitgehend einzudämmen.
    Weiter heißt es in dieser dem Wirtschaftsministerium nahestehenden Zeitschrift:
    Darum erscheint uns auch die neue Verfahrensregelung für den Interzonenhandel nicht
    gerade als ein Akt besonderer politischer, geschweige denn wirtschaftlicher Klugheit. Bei Licht betrachtet übertreffen diese Vorschriften bei weitem den bürokratischen und papiernen Aufwand, den die ersten deutschen Ausfuhrkontrakte unter dem Protektorat der JEIA erforderten.
    Nun, meine Damen und Herren, an diesen bürokratischen Hemmnissen haben die Fachstellen ein gut Teil Schuld. Es ist ein offenes Geheimnis, warum diese sogenannten Fachstellen sich sehr oft so verhängnisvoll und so hemmend dem Interzonenhandel entgegenstellten. Die maßgeblichen Männer in diesen Unternehmerorganisationen wünschen nicht, daß sich die Wirtschaft in Mittel- und Ostdeutschland entwickelt. Durch ihren Haß getrieben schaden sie jedoch der notleidenden westdeutschen Wirtschaft mehr, als sie in Wirklichkeit der Wirtschaft in Ost- und Mitteldeutschland durch ihre Maßnahmen antun können.
    Meine Damen und Herren, das sind einige der Bedenken, die meine Fraktion gegen die Erstreckung und Verlängerung des sogenannten Fachstellengesetzes hat. Zusammenfassend kann ich darum folgendes feststellen. Erstens: durch die Errichtung fachlicher Wirtschaftsstellen steht die westdeutsche Wirtschaft erneut unter dem Zwang der Wirtschaftsverbände, die von den großen Firmen personalmäßig beherrscht werden. Die führenden Vertreter der Wirtschaftsvereinigungen beherrschen den Apparat der Fachstellen und wirken im Sinne der alten Konzerne an Rhein und Ruhr. Zweitens: wir Kommunisten sind grundsätzlich für eine demokratische Wirtschaftsverwaltung und gegen jegliche Monopolbildung und Monopolstellung von Organen der freien Wirtschaft in staatlichen Funktionen. Drittens: die verhängnisvolle Geschichte der deutschen Wirtschaftsverbände und Fachorganisationen in der Weimarer Republik und schließlich im Nazireich ist uns eine Lehre. Niemals mehr dürfen die Unternehmerverbände Wirtschaft und Staat regieren und die Demokratie abwürgen. Alle Bestrebungen dieser Art sind mit einer echten demokratischen Entwicklung in der Wirtschaft unvereinbar.
    Aus diesen Erwägungen heraus lehnen wir Kommunisten eine Verlängerung und Erstreckung des Fachstellengesetzes ab.

    (Beifall bei der KPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schöne.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Joachim Schöne


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag Drucksache Nr. 283 wird dem Hohen Haus ein Gesetz des Wirtschaftsrats mit der Bitte vorgelegt, es um ein Vierteljahr zu verlängern. Das Gesetz hat eine interessante Vorgeschichte, von der der Herr Kollege Rische vorhin einen kurzen Überblick gab. Es ist ein Gesetz, bei dessen Entstehung die Beteiligten sich jedoch darüber klar waren, daß es nicht von langer Dauer sein würde.
    Wenn man nun vor die Frage gestellt wird, dieses Fachstellengesetz um ein Vierteljahr zu verlängern, wird man zunächst einmal prüfen müssen, wie sich denn die Situation der Fachstellen heute darstellt. Man stellt dann fest, daß von den Fachstellen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft nur noch die Fachstelle Stahl und Eisen eine gewisse Bedeutung besitzt und daß das Schwergewicht der Fachstellen ganz eindeutig auf dem Importgebiet liegt. War es bei der Begrün-


    (Dr. Schöne)

    dung der Fachstellen so, daß etwa 40 Prozent der anfallenden Arbeit bei den gewerblichen Fachstellen lag und 60 Prozent beim Import, so ist es heute fast umgekehrt: 10 bis 15 Prozent der Gesamtarbeit werden von den gewerblichen Fachstellen geleistet, während 85 bis 90 Prozent auf die Importfachstellen entfallen.
    Zu einer Beurteilung der Frage, ob man dieses Gesetz verlängern soll, gehört ferner, daß man sich über das allgemeine Urteil über Institution und Arbeit der Fachstellen orientiert. Da kann wohl gesagt werden, daß auf keiner Seite eine ausgesprochene Begeisterung für diese Institution besteht. Man braucht keineswegs immer so herzhaft die Kritik zu formulieren, wie es in der Oktoberausgabe der Zeitschrift „Der deutsche Handel" geschieht, wo es heißt:
    Die Fachstellen sind und bleiben ein Tummelplatz verschiedenster Interessen.
    Beides, die Schwerpunktverschiebung und die Kritik oder die Erfahrungen bezüglich der Arbeit der Fachstellen, legt doch den Gedanken sehr nahe, eine neue Form für die Fachstellen zu finden. Dies um so mehr, als zum Import neuerdings auch die Bewältigung der Aufgaben aus dem Interzonenhandel kommt. Diese beiden Gründe waren wohl auch Veranlassung für die Verwaltung, sich Gedanken über eine neue Form der Fachstellen zu machen. Die Verwaltung wurde in ihrer erfreulichen Tätigkeit leider aber wohl durch den Ablauftermin des Fachstellengesetzes gestört. Hier, meine Damen und Herren, liegt ein Ansatzpunkt zu einer immerhin herzhaften Kritik.
    Im Oktober dieses Jahres wurde die Vorlage, also der Ursprung der Vorlage Drucksache Nr. 283, in der Verwaltung ausgearbeitet. Anfang November 1949 wurden die Länderreferenten zu einer Besprechung zusammengzogen. Ende November beschäftigte sich der Wirtschaftsausschuß des Bundesrats mit der Vorlage und Anfang Dezember die Bundesregierung. Der Bundestag verdankt es einem glücklichen Zufall, daß er in der letzten Sitzungswoche dieses Jahres eine Sitzung abhält, in der die erste Lesung vom Stapel gehen kann. Der wirtschaftspolitische Ausschuß könnte sich, wenn er seine Tagesordnung ändert, morgen mit diesem Gesetz beschäftigen, und der Bundestag könnte dann übermorgen, in der nächsten Plenarsitzung, die zweite und dritte Lesung dieses Gesetzes vornehmen. Das heißt mit andern Worten: der Weg der Vorlage zum Parlament brauchte 2 1/2 Monate, und der Weg der Gesetzesvorlage im Parlament beträgt drei Tage.

    (Zuruf rechts: Ausgezeichnet!)

    Meine Damen und Herren, mir kommen da persönlich einige Bedenken. So erfreulich es ist, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister vorhin gesagt hat, daß man dabei sei, neue Formen zu finden, und mit Wirkung vom 1. April des kommenden Jahres eine neue Art etablieren würde, so will es mir scheinen, als wenn die zur Verlängerung nachgesuchten drei Monate gerade ausreichen könnten, um eine neue Verlängerung des bestehenden Fachstellengesetzes durchzuführen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich möchte auch noch die Frage andeuten, ob es überhaupt möglich ist, ein bereits abgelaufenes Gesetz zu verlängern; denn mit einer Verkündung des Gesetzes, wie es in der Drucksache Nr. 283 vorliegt, dürfte vor Mitte Januar 1950 wohl kaum zu rechnen sein; das heißt also, daß die Verkündung bereits nach Ablauf des alten Gesetzes erfolgen würde.
    Meine Damen und Herren, die Fragen, die mit den Fachstellen, insbesondere hinsichtlich der Neugruppierung des Interzonenhandels und des Imports zusammenhängen, müssen nach der Ansicht meiner Freunde im Wirtschaftspolitischen Ausschuß besprochen werden. Ich stelle daher zugleich im Namen meiner Freunde den Antrag, die Vorlage Drucksache Nr. 283 dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen. Im Ausschuß würde dann wohl einmal die Möglichkeit zu prüfen sein, die Fachstellen — außer der Fachstelle Stahl und Eisen — im wesentlichen auf Import und Interzonenhandel zu beschränken. Zum anderen wäre die Frage zu prüfen — und die allerdings mit Nachdruck —, welche Form denn die Fachstellen nach dem 30. März kommenden Jahres annehmen sollen. Mit einer Diskussion über diese Vorlage würde dann ein Gesetz seinen dornenvollen Weg vollenden, von dem der Kollege Dr. Wellhausen bei seinem Entstehen sagte, es handele sich um die „Leidensgeschichte eines Gesetzgebungsversuches, eingeteilt in verschiedene Akte"

    (Hört! Hört! und Beifall bei der SPD.)