Meine Damen und Herren! Wir tragen sehr schwer an der Last des Wirtschaftsrats. Das beweist schon die heutige Tagesordnung. Einige Gesetze des Wirtschaftsrats müssen nun verlängert werden, die schon seinerzeit im Wirtschaftsrat zu erheblichen Auseinandersetzungen geführt haben. Zu einer derartigen Auseinandersetzung ist es auch damals im Wirtschaftsrat bei der Verabschiedung des Fachstellengesetzes gekommen. Die Erstreckung und Verlängerung des Fachstellengesetzes wirft darum auch heute einige grundsätzliche Fragen der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik auf. Es steht nämlich die Frage zur Entscheidung: Hat die freie Wirtschaft mit ihren Verbänden und Organisationen staatliche Aufgaben zu übernehmen, und inwieweit ist es zweckmäßig und mit wirklichen demokratischen Prinzipien vereinbar, die so berüchtigte „Selbstverwaltung der Wirtschaft " im demokratischen Staat zu gestatten?
Bekanntlich ist nach dem Fachstellengesetz des Wirtschaftsrats der freien Wirtschaft und ihren Organisationen die Funktion der Restbewirtschaftung und die Bearbeitung von Einfuhrangelegenheiten über die Fachstellen übertragen worden. Der Staat — damals mußte man noch sagen: die „Bizone" — hat damit freiwillig auf Hoheitsrechte verzichtet, die er den 16 sogenannten Fachstellen übergeben hat. Mit diesen Fachstellen haben die Unternehmergruppen und Unternehmerverbände sich in den staatlichen Wirtschaftsapparat als mitbestimmende Faktoren eingeschaltet. Ein. altes Prinzip, ich möchte sagen: ein verhängnisvolles Prinzip in der bisherigen deutschen Wirtschaftsgeschichte und des nationalsozialistischen Staates ist dadurch erneut verwirklicht worden. Die Wirtschaft beherrscht den Staat, und der demokratische Staat verliert durch die Übertragung von Hoheitsrechten sein Kontrollrecht über die Wirtschaft. Nach dem Fachstellengesetz sind die Unternehmerverbände als nachgeordnete Dienststellen der ehemaligen Verwaltung für Wirtschaft errichtet worden.
Die Vertreter der Unternehmerverbände, der Industrievereinigungen und Fachvereinigungen haben das Recht erhalten, die Verteilung der Kontingente von Gütern, wie zum Beispiel Wälzlagern, Eisen und Stahl, auf die Betriebe selber vorzunehmen. Der Rest der Bewirtschaftung wird somit von den Unternehmern und ihren Syndiken in den Fachverbänden selber vorgenommen. Dies hat auch in den Kreisen der Wirtschaft selber starke Kritik hervorgerufen, und vielfach hat die wirtschaftliche Macht der großen Betriebe, das Streben zum Monopol über eine kontinuierliche Wirtschaftsentwicklung triumphiert. Die Stimmen aus der Wirtschaft gegen die Willkür der Entscheidungen der Fachstellen sind dabei nie abgebrochen, und mehr als einmal ist in der Öffentlichkeit und in der westdeutschen Presse mit den Dekartellisierungsgesetzen der Militärregierungen gedroht worden.
Für uns Kommunisten war diese Entwicklung der Fachstellen durchaus kein Geheimnis. Wir haben unsere Bedenken gegen die Errichtung dieser Fachstellen schon bei den Beratungen im Wirtschaftsrat deutlich vernehmbar erhoben. Wir haben damals erklärt, daß es völlig indiskutabel sei, Unternehmerverbände innerhalb des staatlichen Wirtschaftsapparats Hoheitsrechte zu gewähren. Unsern Standpunkt haben wir mit einem nachdrücklichen Hinweis auf die Gefahren monopolistischer Zwangsorganisationen in der westdeutschen Wirtschaft begründet. Es handelt sich doch gar nicht so sehr darum, die Restbewirtschaftung durch Organe der Unternehmerorganisationen, die sogenannten Fachstellen, abzuwickeln, sondern vielmehr darum, den Unternehmerorganisationen wieder alle Rechte in der Wirtschaft zurückzugeben. Das war, wenn man so will, nur der Anfang einer Entwicklung, die sich heute in der Macht der Unternehmerorganisationen innerhalb der Wirtschaft der Bundesrepublik äußert und die sich bis in außenpolitische Bezirke auswirkt. Symbol dieser Entwicklung ist schließlich und endlich die berüchtigte Denkschrift des Stahltrusts, die als Vorlage der ersten außenpolitischen Note der Bundesregierung das Gesetz des Handelns auch in der
Außenpolitik den monopolistischen Verderbern des deutschen Volkes zuerkannte.
In dieser bewußten Zuspitzung des Problems erkennt man erst recht die Bedeutung der Fachstellen und vermag man die Absichten jener Kreise zu ermessen, die sich so warm für sie einsetzen. Ihre Macht über die westdeutschen Betriebe vermögen diese sogenannten Fachstellen über Zuteilungen eingeführter Güter und durch statistische Erhebungen auszuüben. Diese Machtfülle ist — so kann man beinahe sagen — nicht gemildert durch die den Fachstellen beigeordneten Beiräte, die aus Vertretern der Wirtschaftsverbände und auch der Gewerkschaften gebildet wurden.
Wir haben uns anläßlich der Beratung des Gesetzes im Wirtschaftsrat auch zu diesem Problem ausführlich geäußert. Wir sind für die Anerkennung gewerkschaftlicher Mitarbeit in derartigen Funktionen der Wirtschaft, selbst wenn wir grundsätzliche Bedenken gegen derartige Organisationen haben. Wir haben allerdings keine Illusionen; denn wir wissen, daß die Unternehmerschaft sich als viel kräftiger erweist als ein paar Gewerkschaftsvertreter in derartigen Gebilden der monopolistischen Wirtschaft.
Es war die amerikanische Militärregierung, die es damals dem Wirtschaftsrat untersagte, diesen Beirat paritätisch zusammenzusetzen. Der harte Streit um das Fachstellengesetz im Wirtschaftsrat zeigte uns damals ebenfalls, mit welchen Methoden die westdeutschen Reaktionäre zu kämpfen verstehen und welche „Reserven" sie gegebenenfalls zu guter Letzt sogar einzusetzen bereit sind. Das Fachstellengesetz wurde nach den Wünschen der Militärregierungen vom Wirtschaftsrat schließlich abgeändert, und durch die VfW wurden nachgeordnete Dienststellen errichtet. Meine Freunde haben damals im Wirtschaftsrat mit Nachdruck eine paritätische Vertretung der Gewerkschaften gefordert, um eine demokratische Kontrolle der Maßnahmen durch die Verbraucher, das heißt durch die Gewerkschaften, sicherzustellen. Diese alte Forderung erheben wir auch heute, um wenigstens die größten Gefahren einer aufstrebenden Monopolwirtschaft bekämpfen zu können.
In diesem Zusammenhang muß ich noch eine ganz besondere Frage anschneiden. In der Begründung seiner Stellungnahme zu der heutigen Vorlage gab der Bundesrat die Anregung, in § 1
Absatz 1 Ziffer 2 des Fachstellengesetzes außer der Bearbeitung von Einfuhrangelegenheiten auch die Bearbeitung von Interzonenhandelsangelegenheiten aufzunehmen. Durch diese Erweiterung des Gesetzes würde nun auch der Interzonenhandel den Unternehmerverbänden restlos ausgeliefert werden. In der Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrats tritt die Bundesregierung der Empfehlung des Bundesrats, in § 1 Absatz 1 Ziffer 2 des Fachstellengesetzes die Bearbeitung von Angelegenheiten des Interzonenhandels aufzunehmen, schon bei. Die Einschaltung der Fachverbände in die Abwicklung des Interzonenhandelsvertrags hat aber nach den bisherigen Erfahrungen den soeben angelaufenen Handel zwischen Ost- und Westdeutschland in einem System bürokratischer Fallstricke und bürokratischer Hemmnisse weitgehend abgedrosselt. Die Befugnisse der Fachstellen bei der Lenkung des Warenverkehrs, ihr Recht, alle im Frankfurter Abkommen getroffenen Bezüge im Bereich der einzelnen Fachstellen und Branchen endgültig zu genehmigen oder abzulehnen, haben sich geradezu unheilvoll für den innerdeutschen Handel ausgewirkt.
Dies können ein paar Zahlen aus den letzten Monaten ganz deutlich beweisen. Im Mai hatten wir im Interzonenhandel einen Umsatz von etwa 8,7 Millionen D-Mark, im Juni einen Umsatz von 24,8 Millionen D-Mark, im Juli bereits einen Umsatz von 35,3 Millionen D-Mark, im August von 52,5 Millionen D-Mark, und im September betrug der Umsatz 74,7 Millionen D-Mark. Aber im Oktober waren es nur noch 68,7 Millionen D-Mark Umsatz im Interzonenwarenhandelsverkehr. In diesen Zahlen äußert sich der brutale Eingriff der Fachverbände und Fachstellen auf die Lenkung des Interzonenwarenverkehrs. In den Genehmigungsausschüssen der Fachstellen sitzen heute Männer, die ehemals in der Ostzone als Nazi-Aktivisten enteignet oder sogar wegen Wirtschaftsverbrechen von den ordentlichen Gerichten verurteilt wurden.
Ich werfe die Frage der Verantwortung für diese Entwicklung auf und fordere den Wirtschaftsminister auf, sich zu diesen skandalösen Verhältnissen in den Fachstellen einmal eingehend zu äußern. Es ist kein guter Dienst, der hier der westdeutschen Wirtschaft, die Not leidet, von den Fachstellen erwiesen wird.
Damit Sie nun nicht wieder denken, hier handle es sich nur um eine kommunistische Behauptung, zitiere ich die in Frankfurt erscheinende und dem Wirtschaftsminister nahestehende Zeitschrift „Der Volkswirt", die sich in einer der letzten Nummern sehr eingehend mit den Schwierigkeiten im Interzonenhandelsverkehr beschäftigte. Die Zeitschrift kommt zu der Feststellung, daß sich die Verhältnisse zwischen Ost und West zunehmend versteift haben, und schreibt:
Es scheint, daß aus diesem Aspekt heute der Abschluß des Interzonenabkommens bedauert wird. Man ist offenbar mehr und mehr darauf bedacht, seine praktische Handhabung zu komplizieren und dadurch seine möglichen Wirkungen weitgehend einzudämmen.
Weiter heißt es in dieser dem Wirtschaftsministerium nahestehenden Zeitschrift:
Darum erscheint uns auch die neue Verfahrensregelung für den Interzonenhandel nicht
gerade als ein Akt besonderer politischer, geschweige denn wirtschaftlicher Klugheit. Bei Licht betrachtet übertreffen diese Vorschriften bei weitem den bürokratischen und papiernen Aufwand, den die ersten deutschen Ausfuhrkontrakte unter dem Protektorat der JEIA erforderten.
Nun, meine Damen und Herren, an diesen bürokratischen Hemmnissen haben die Fachstellen ein gut Teil Schuld. Es ist ein offenes Geheimnis, warum diese sogenannten Fachstellen sich sehr oft so verhängnisvoll und so hemmend dem Interzonenhandel entgegenstellten. Die maßgeblichen Männer in diesen Unternehmerorganisationen wünschen nicht, daß sich die Wirtschaft in Mittel- und Ostdeutschland entwickelt. Durch ihren Haß getrieben schaden sie jedoch der notleidenden westdeutschen Wirtschaft mehr, als sie in Wirklichkeit der Wirtschaft in Ost- und Mitteldeutschland durch ihre Maßnahmen antun können.
Meine Damen und Herren, das sind einige der Bedenken, die meine Fraktion gegen die Erstreckung und Verlängerung des sogenannten Fachstellengesetzes hat. Zusammenfassend kann ich darum folgendes feststellen. Erstens: durch die Errichtung fachlicher Wirtschaftsstellen steht die westdeutsche Wirtschaft erneut unter dem Zwang der Wirtschaftsverbände, die von den großen Firmen personalmäßig beherrscht werden. Die führenden Vertreter der Wirtschaftsvereinigungen beherrschen den Apparat der Fachstellen und wirken im Sinne der alten Konzerne an Rhein und Ruhr. Zweitens: wir Kommunisten sind grundsätzlich für eine demokratische Wirtschaftsverwaltung und gegen jegliche Monopolbildung und Monopolstellung von Organen der freien Wirtschaft in staatlichen Funktionen. Drittens: die verhängnisvolle Geschichte der deutschen Wirtschaftsverbände und Fachorganisationen in der Weimarer Republik und schließlich im Nazireich ist uns eine Lehre. Niemals mehr dürfen die Unternehmerverbände Wirtschaft und Staat regieren und die Demokratie abwürgen. Alle Bestrebungen dieser Art sind mit einer echten demokratischen Entwicklung in der Wirtschaft unvereinbar.
Aus diesen Erwägungen heraus lehnen wir Kommunisten eine Verlängerung und Erstreckung des Fachstellengesetzes ab.