Rede von
Willi
Agatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! In keiner Frage der Nachkriegspolitik hat das deutsche Volk so einmütig gestanden wie in der Abwehr der Demontage. Als offenbar wurde, daß die hier im Westen durchgeführten Demontagen nicht dem Zwecke dienen sollten, die Kriegsindustrie zu vernichten, sondern eindeutig darauf ausgerichtet waren, die deutsche Wirtschaftskraft zu schwächen, erhob sich in allen Schichten der Bevölkerung der Protest. Wo es hintraf, erlebten wir einmütige Willenskundgebungen aller Schichten unseres Volkes. Es gibt kein Parlament in Westdeutschland, keine Landesregierung — auch unser Parlament hier nahm Stellung —, es gibt keine Organisation, die sich nicht zum Protest gegen die Konkurrenzdemontage erhoben hätte.
In Salzgitter traf es die Bevölkerung besonders schwer. Dort wurden die Reichswerke demontiert, und 150 000 Menschen verloren damit ihre Existenzgrundlage. Auch dort erhob sich einmütiger Widerstand und einmütiger Protest.
Als nun deutsche Zeitungen diesem Protest Ausdruck gaben und als dann die „Niedersächsische Volksstimme" — ein der Kommunistischen Partei nahestehendes Organ — einen Protestaufruf der Kommunistischen Partei gegen die Demontage der Reichswerke in Salzgitter brachte, wurde diese Zeitung von der britischen Militärregierung durch ihren Landeskommissar am 10. November 1949 verboten. Einige Tage zuvor war die der FDP nahestehende „Westdeutsche Rundschau" verboten worden. Das Verbot wurde aufgehoben, hingegen wurde das Verbot der „Niedersächsischen Volksstimme" aufrechterhalten.
Wir haben den Antrag gestellt, daß die Regierung ersucht werden soll, gegen dieses Verbot zu protestieren. Dieses Verbot bedeutet einen Schlag gegen die in unserem Grundgesetz Artikel 5 verankerte Pressefreiheit. Das schon sollte ein Grund sein, daß das Parlament diesem Antrag zustimmt. Die Pressefreiheit sollte„ ja müßte unserer Meinung nach auch in diesem Fall verteidigt werden. Erst recht deswegen müßte sie verteidigt werden, weil hier eine Zeitung ganz unbestreitbar im
nationalen Interesse unseres gesamten deutschen Volkes gesprochen und weil sie den deutschen Standpunkt zur Frage der Demontage herausgestellt hat. Wenn auch dieser Aufruf oder gerade weil er Maßnahmen vorschlug, die dazu geeignet waren, die Demontagen zu verhindern, so lag auch das nur im deutschen Interesse. Es kann keinen Deutschen geben, der eine solche Aktion wie diese Demontage unserer Friedensindustrie gutheißen könnte. Es ist so, daß auch die „Niedersächsische Volksstimme" vom Recht der Meinungsfreiheit im Interesse des Volkes Gebrauch gemacht hat.
Wenn das eine für die britische Besatzungsmacht unbequeme Meinungsäußerung war, so lag es an ihr, durch Einstellung der Demontage die Bevölkerung zu beruhigen. Es lag an ihr, dem deutschen Volk die Sicherheit seiner wirtschaftlichen Existenz zu geben. Deswegen konnte unserer Meinung nach der deutsche Standpunkt gegen die Demontage, die aus Konkurrenzgründen vorgenommen wurde, nicht scharf genug herausgestellt werden. Wir haben unsern Antrag gestellt, weil die „Niedersächsische Volksstimme" aus Gründen ihres Kampfes im Interesse der deutchen
Wirtschaft und des deutschen Volkes, im Interesse ihres Kampfes gegen die Konkurrenzdemontage verboten wurde. Dieses Verbot ist ein Schlag gegen das Grundgesetz und gegen die darin garantierte Pressefreiheit. Darum unser Antrag auch an den Bundestag, daß die Regierung gegen dieses Verbot in Wahrung deutscher Interessen bei der Besatzungsmacht protestieren möge. Wir meinen, daß hier aus dieser Situation dem Bundestag geradezu die Pflicht erwächst, einmal die Verfassung zu schützen, die darin verankerte Pressefreiheit auch gegen die Besatzungsmächte zu verteidigen, und zweitens hier nochmals zu bekunden, daß es der Wille des ganzen deutschen Volkes ist, mit diesen Demontagen endlich Schluß zu machen. Wir möchten also bitten, daß das Parlament diesem Antrag seine Zustimmung gibt.