Das Wort hat der ständige Vertreter des Herrn Bundeskanzlers, Herr Bundesminister Blücher.
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin selbstverständlich deswegen besonders gern bereit, auch ohne Beschluß des Hohen Hauses auf diese Anfrage zu antworten, weil sie insofern ein trauriges Schicksal hat, als sie sich auf eine einseitige Zeitungsnachricht gründet, deren Einseitigkeit dadurch noch bemerkenswerter wird, daß an dem gleichen Tage, an dem Ihre Informationen erstmalig darüber berichteten, das gelesenste nordund nordwestdeutsche Blatt über die Inhaltsübersicht als Überschrift schrieb: „Blücher verlangt Lohnerhöhungen". Das erweist also eine so verschiedene Tendenz, Herr Kollege Rische, daß Sie daran sehen können, wie notwendig eine ausreichende Unterrichtung ist. Sie ist Ihnen in diesem Falle aber auch besonders leicht möglich, weil ich in der Zwischenzeit feststellen konnte, daß die Wirtschaftsredaktion der Tageszeitung „Die Welt" einen annähernd genauen stenographischen Bericht aufgenommen hat. Er wird Ihnen zweifellos auf Ansuchen von dort zur Verfügung stehen. Ich werde also sobald wie möglich, das heißt in wenigen Minuten, auf diese Anfrage antworten, und zwar präzis und knapp, um die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses nur gebührend in Anspruch zu n ehfnen.
Ich bin aber in den letzten Minuten von dem Herrn Abgeordneten Rische doch gezwungen worden, aus meinem Ressort, aus meinem Amt heraus einige Worte zu sagen, und zwar aus Verantwortung gegenüber dem Volk, dem zu dienen wir berufen sind. Es geht nicht an, daß ohne jede Prüfung irgendeine Zeitungsmeldung übernommen wird, die von 13 Milliarden D-Mark Verpflichtungen spricht. Übernommen werden aus dem Vertrag über die Hilfeleistung der Vereinigten Staaten zunächst nur Verpflichtungen in der Höhe, wie sie aus den bisherigen Marshallplan-Lieferungen erwachsen sind. Das ist der einzige Inhalt des Vertrags. Es wird sich also um das Jahresende um etwa 500 Millionen Dollar handeln. Das sind, wenn Sie die verschiedenen Abrechnungskurse bedenken, noch nicht 2 Milliarden D-Mark.
— Ich rede von den Schulden. Ja, das sind nur die Schulden, über die eine vertragliche Regelung besteht. Ich nehme nicht an, daß es etwa die Absicht des Herrn Kollegen Rische ist, uns als Bund zum Schuldner a der Währungsabwertung werden zu lassen. Es wird auch von der Gegenseite in keiner Weise beabsichtigt. Nur so, wie gesagt, sind wir bisher vertraglich verpflichtet.
Ich muß aber bei dieser Debatte auf ein zweites aufmerksam machen. Es wird nämlich so dargestellt, als ob hiermit eine Verschuldung eintrete, der Gegenwerte nicht gegenüberstehen. Das ist nicht der Fall. Denn der deutsche Importeur aller Arten, der die im Zuge des Marshallplans eingeführten Waren in D-Mark bezahlt, bezahlt! Und soweit wir mm aus den Gegenwertfonds Investitionskredite geben, werden diese nach kaufmännischen Gesichtspunkten ordnungsmäßig gesichert. Der Verpflichtung des Bundes auf der einen Seite stehen also die kaufmännischen Forderungen gegen den deutschen Staatsbürger oder Betrieb auf der andern Seite gegenüber. Es scheint mir notwendig zu sein, das mit Deutlichkeit darzustellen.
Und jetzt mit derselben Klarheit zu Ihrer Anfrage. Ich habe in Düsseldorf als Politiker gesprochen und als jemand, der sich um die wirtschaftlichen Dinge bemüht. Ich habe keinerlei Erklärungen im Namen der Bundesregierung abgegeben. Das ist das eine.
— Da ist kein Widerspruch. Denn jeder, der nun einmal das Unglück hat, Minister zu werden, wird politisch damit nicht entmannt.
Und das zweite. Gleichwohl befinden sich meine Erklärungen in voller Übereinstimmung mit der Regierungspolitik; denn ich habe nicht Forderungen aufgestellt, sondern ich habe über Entwicklungen einer nahen und auch ferneren Zeit gesprochen. Ich habe dabei an den Beginn gestellt, daß in solchem Falle Lohnerhöhungen notwendig sein würden. Wenn versucht wurde, eine Gegensätzlichkeit gegenüber meinem Kollegen, dem Herrn Landwirtschaftsminister Dr. Niklas darzustellen, dann wäre es ja zweifellos lohnend gewesen, nach eine seeirr kurze Zeit hinterher noch einmal gebrachte Veröffentlichung zu lesen, in der festgestellt war, daß ich gerade für das laufende Landwirtschaftsjahr sehr nachdrücklich die Notwendigkeit einer weiteren Unterstützungsaktion betont habe.
Es geht dann nicht an, aus irgendwelchen knappen Presseauszügen heraus sich irgendwie den Stoff für eine solche Anfrage zu suchen. Was die Bundesregierung will, hat sie im September erklärt. Sie hat es durch ihre Handlungen bisher bewiesen, und sie wird es weiter beweisen. Letzten Endes ist der schlüssigste Beweis immer das, was Sie im Geschäft für die bewirtschafteten Waren zu zahlen haben, hinsichtlich derer die Bundesregierung ihre Zusicherungen übernommen hat.
Daß wir im übrigen vorsichtig sein und diese Fragen in diesem Augenblick nicht allzu leichtfertig zum Gegenstand einer sehr polemischen Auseinandersetzung machen sollten, gestatten Sie mir zu betonen, wenn ich auf die Verhältnisse, die außerhalb unseres Landes bestehen, die aber schließlich bei unserem in die ganze Weltwirtschaft eingegliederten Lande auch von Bedeutung sind, hinweise oder wenn ich daran denke. Es kommt nicht darauf an, hier im Augenblick eine solche Anfrage zu stellen, deren Berechtigung oder Nichtberechtigung sich schon aus dem ganzen Wortlaut ergeben hätte. Für deren Beantwortung stehe ich gern zur Verfügung. Aber es kommt darauf an zu überlegen, in welchem Umfang nun etwa derartige Erörterungen der Sache, der deutschen Lebenshaltung, den deutschen Ein- und Verkaufsmöglichkeiten und der weiteren Unterstützung Deutschlands aus dem Marshallplan dienen.
Gestatten Sie mir abschließend noch folgendes zu sagen. Wenn Sie auf die Verhältnisse in der sowjetisch besetzten Zone hingewiesen haben, dann möchte ich allerdings betonen, daß selbst 13 Milliarden D-Mark Verpflichtungen, die niemals bestehen, letzten Endes weniger wiegen würden als das, was aus der sowjetisch besetzten Zone an Demontage von Maschinen, an Demontage von Menschen und an Demontage von Freiheit heraus' gebracht worden ist.