Rede von
Alfred
Loritz
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Nachdem das Wort erteilt ist, geht das nicht, sehr verehrter Herr Kollege, das hätten Sie eher tun müssen!
Ich habe mich nur zum Wort gemeldet, nachdem der Herr Kollege Dr. von Brentano in lässiger Art und Weise so von oben herab versucht hat, meine Ausführungen ins Lächerliche zu ziehen. Herr Kollege Dr. von Brentano, Sie haben wortwörtlich erklärt — ich habe mitstenographiert —: „Ich" — Brentano — „und meine Freunde, wir haben keine Versprechungen und Zusagen vor der Wahl gemacht."
Wie kommen Sie denn dazu, so etwas zu sagen? Haben nicht Sie und Ihre Freunde von der CDU/ CSU Ihren Wählern in einer ganz großen Anzahl von Punkten zugesagt, wie Sie stimmen werden, sagen wir einmal: auf dem Gebiet der christlichen Schule,
auf dem Gebiet der ganzen Lebensauffassung und auch auf wirtschaftspolitischem Gebiet? Sie haben erklärt, wie Sie hier stimmen werden, und Sie mußten es erklären, denn sonst wären Sie ja nicht gewählt worden; sonst hätten die Wähler Sie nicht gewählt.
Nun kommen Sie hierher und wollen sagen, Sie wären ja keinerlei Verpflichtungen gegenüber Ihren Wählern eingegangen, und deswegen bräuchte es also keiner Kontrolle von seiten Ihrer Wähler. Herr Dr. von Brentano, ich bin wirklich erstaunt, wie einem so scharfsinnigen Juristen, wie Sie es doch sind, ein solcher logischer Fehler unterlaufen konnte.
Jede Partei hat bestimmte Programmpunkte
und verspricht ihren Wählern, diese Punkte zu halten,
und sagt vor der Wahl, wie sie sich zu bestimmten grundsätzlichen Fragen auf dem Gebiete der Wirtschaft, auf dem Gebiete der öffentlichen Moral, auf dem Gebiete der Weltanschauung usw. einstellen will. Herr von Brentano, warum wollen Sie auch hier den Wählern die Möglichkeit rauben, nachzukontrollieren, ob Sie hier wirklich das vertreten, was die Wähler von Ihnen erwartet haben?
Diese Abänderung der Geschäftsordnung bezieht sich ja nicht auf solche Fragen wie Frankfurt oder Bonn — das ist ja jetzt erledigt —, sondern bezieht sich auf ganz andere und politisch viel wichtigere Entscheidungen, die in der Zukunft fällig sein werden und vor denen Sie, sehr verehrter Herr Fraktionsvorsitzender der CDU, vielleicht zittern,
weil nämlich ein Teil Ihrer Fraktion hier vielleicht ganz andere Auffassungen vertritt
— sagen wir einmal: auf sozialpolitischem Gebiet — als eine andere Gruppe Ihrer Fraktion!
Und da, meine sehr verehrten Damen und Herren
von der CDU, sollen Sie Farbe bekennen und sollen sich bekennen zu dem, was Sie — ich wiederhole es nochmals — Ihren Wählern v o r der Wahl
zugesagt und versprochen haben! Da wollen wir
Ihnen die Möglichkeit geben, daß Sie nach vier
Jahren wiederum vor Ihre Wähler hintreten und
sagen können: Seht her, wir haben uns getreu
dem Grundsatz der CDU/CSU verhalten auf sozialpolitischem Gebiet, auf weltanschaulichem Gebiet
und auf allen möglichen anderen Gebieten.
Herr Dr. von Brentano, gerade in Ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse müßten Sie sich unserem Antrag anschließen, mit dem Unfug einer geheimen Abstimmung, mit dem Unfug einer Flucht in die Anonymität gegenüber den Wählern endlich einmal aufzuräumen!