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ID0102201400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1949 649 22. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1949. Geschäftliche Mitteilungen . 650B, 698D, 713C Anfrage Nr. 8 der Fraktion der SPD betr. Lohn- und Gehaltserhöhung anläßlich der Einkellerung von Kartoffeln und Brennstoffen (Drucksachen Nr. 189 u. 273) . . 650C Anfrage Nr. 7 der Fraktion der FDP betr. Umquartierung im Raum Köln (Drucksache Nr. 188) 650C Antrag der Abg. Renner und Gen. betr. Erklärung des Bundeskanzlers zu seinem Interview in Fragen der Remilitarisierung (Drucksache Nr. 269) 650D Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 650D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit (Drucksache Nr. 270) . . . . 651D Dr. Oellers (FDP), Berichterstatter 651D Dr. Kopf (CDU) . . . . . . . . 655A Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . 657C Loritz (WAV) 657D Ewers (DP) . . . . . . . 659B, 661D Schoettle (SPD) (zur Geschäftsordnung) 662A Dr. Kleindinst (CSU) 662B Dr. Richter (NR) . . . . . . . 662C Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 664A Leibbrand (KPD) . . .. . . . . 664D Dr. Arndt (SPD) (zur Geschäftsordnung) 666A Arndgen (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . 666D Zweite und dritte Beratung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache Nr. 271) 667A Dr. Krone (CDU), Berichterstatter . . . . . . . 667A, 676A Rische (KPD) 667D Rümmele (CDU) 669B, 672B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 669D, 671D Dr. Fink (BP) . . . . . . . . 670B Seuffert (SPD) . . . . . . . 671B Dr. Reif (FDP) 672A Renner (KPD) . . . . . . . . 672C Neumann (SPD) . . . . . . . 673C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erstreckung der bei den Annahmestellen Darmstadt und Berlin eingereichten Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenanmeldungen auf die Länder Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern und den bayerischen Kreis Lindau (Drucksachen Nr. 152 und 272) . . . . . . . . . . . 676C Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 676C Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 241 neu) . . . . . . . . . 276D Antrag der Fraktion der BP betr. Streichung der Absätze 2 und 3 des § 103 der vorläufigen Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 184) 677A Dr. Seelos (BP), Antragsteller 677A, 687C Dr. Etzel (BP) 678B Dr. Arndt (SPD) . . . . . 679D, 686A Frau Dr. Weber (CDU) 681D Loritz (WAV) 682B, 686D Renner (KPD) 683A Dr. von Brentano (CDU) . . . . 685A Dr. Oellers (FDP) (zur Geschäftsordnung) 687B Antrag der Fraktion der SPD betr. Einsetzung eines Ausschusses für den Erwerb von Ausstattungs- und Kunstgegenständen im Raume der vorläufigen Bundeshauptstadt (Drucksache Nr. 199) 687D Erler (SPD) Antragsteller . . 633A, 691C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 690B Dr. Decker (BP) . . . . . . 690C Dr. Wellhausen (FDP) 690D Dr. Bertram (Z) 691A Kiesinger (CDU) . . . . . . 691B Antrag der Abg. Renner und Gen. betr: Stellungnahme des Vizekanzlers zu dem behaupteten Wegfall von Subventionen (Drucksache Nr. 207) . . . . . . . . 6928 Rische (KPD), Antragsteller . . . . 692C Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 695A Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Maßnahmen gegen Preiserhöhung (Drucksachen Nr. 225 und 228) 696A Etzel (CDU), Berichterstatter . 696A Rische (KPD) 697A Schoettle (SPD) 698C Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betr. Wahrung der Pressefreiheit gegenüber Zeitungsverboten der britischen Dienststellen (Drucksache Nr. 208) . . . 699A Agatz (KPD), Antragsteller 699A Cramer (SPD) . . . . . . . . . 699D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der BP betr. Biersteuergesetzgebung (Drucksachen Nr. 212 und 91); in Verbindung mit dem Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. Horlacher, Dr. Laforet und Genossen betr. Biersteuer (Drucksachen Nr. 213 und 162) 701B Seuffert (SPD), Berichterstatter 701B, 709A Dr. Besold (BP) 702A, 710B Dr. Baumgartner (BP) 704A Dr. Solleder (CSU) 706B Dr. Wellhausen (FDP) . . . 707D, 713A Dr. Bertram (Z) 708D Wilhelm Schmidt (WAV) . . . . 709D Strauss (CDU) (zur Geschäftsordnung) 712C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen betr. einheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung (Drucksache Nr. 224) . . . 711B Arndgen (CDU), Berichterstatter . 711B Krause (Z) 711D Persönliche Bemerkung: Dr. Arndt (SPD) 712A Nächste Sitzungen 713C Die Sitzung wird um 9 Uhr 43 Minuten durch Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Fritz Oellers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Namens des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht habe ich die Ehre, dem Hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit in der Form, die der Ausschuß dem Hohen Hause zur Annahme empfiehlt, vorzutragen.
    Gestatten Sie mir zunächst, mit wenigen Worten auf den bisherigen Werdegang einzugehen. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am 20. September dieses Jahres den Erlaß eines Straffreiheitsgesetzes in Aussicht gestellt. Im Anschluß daran hat das Bundesjustizministerium dem Bundesrat einen Entwurf vorgelegt, den der Bundesrat in seiner Sitzung vom 23. November 1949 behandelt und mit gewissen Abänderungsvorschlägen dem Bundesjustizministerium zurückgeleitet hat. Den ursprünglichen Entwurf und die Abänderungsvorschläge des Bundesrats sowie die daraufhin abgeänderten Vorschläge des Bundesjustizministeriums finden Sie in der Drucksache Nr. 251.
    Vorgestern hat sich nun der Rechtsausschuß in einer sehr langen und ausgedehnten Sitzung auf der Grundlage der Drucksache Nr. 251 mit diesem Straffreiheitsgesetz befaßt. Es lagen dem Rechtsausschuß gleichzeitig vor die Drucksache Nr. 17 mit dem Antrag der Zentrumsfraktion auf Erlaß einer Amnestie, die Drucksache Nr. 26 mit dem Antrag


    (Dr. Oellers)

    der WAV vom 20. September 1949 und die Drucksache Nr. 192 vom 2. November 1949, in der ein Antrag der Abgeordneten Dr. Richter und Freunde seinen Niederschlag gefunden hat.
    Das Ergebnis der Besprechungen und Beratungen des Rechtsausschusses finden Sie in der Drucksache Nr. 270, die Ihnen heute vorliegt, und in dem darin enthaltenen Antrag:
    1. den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit — Nr. 251 der Drucksachen — in der aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung zu genehmigen;
    2. die folgenden Anträge durch die Beschlußfassung zu 1 für erledigt zu erklären:
    a) Antrag der Fraktion des Zentrums vom 15. 9. 1949 betreffend Erlaß eines Amnestiegesetzes aus Anlaß der Konstituierung der Bundesrepublik und ihrer Organe
    — Nr. 17 der Drucksachen —,
    b) Antrag der Fraktion der WAV vom 20. 9. 1949 betreffend Erlaß einer Amnestie
    — Nr. 26 der Drucksachen —,
    c) Antrag der Abgeordneten Dr. Richter, von Thadden, Dr. Miessner, Dr. Leuchtgens, Frommhold und Genossen vom 2. 11. 1949 betreffend Amnestie — Nr. 192 der Drucksachen —.
    Dieser Antrag wird Ihnen vom Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht einstimmig in Vorlage gebracht.
    Bei seinen Beratungen hat der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht sich zunächst eingehend mit der Frage befaßt, ob der Bund für den Erlaß eines derartigen Straffreiheitsgesetzes zuständig ist. Diese Frage war bereits bei den Beratungen des Bundesrats Gegenstand einer eingehenden Erörterung. Der Bundesrat hat sich mit einer Mehrheit vom 25 gegen 18 Stimmen für die Zuständigkeit des Bundes entschieden. Ich darf Sie daran erinnern, daß diese Frage auch in den Debatten bei der ersten Lesung dieses Gesetzes
    in diesem Hause Gegenstand der Diskussion gewesen ist. Der Ausschuß hat sich mit dem Für und Wider beider Meinungen eingehend befaßt. Die Meinung, die die Zuständigkeit des Bundes bejaht, gründet sich auf Artikel 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes, der beinhaltet, daß die Strafgesetzgebung und der Strafvollzug Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung sind. Das Bundesjustizministerium und ein größerer Teil der Vertreter der Fraktionen im Ausschuß waren der Auffassung, daß ein derartiges Amnestiegesetz eine Angelegenheit ist, die unter Artikel 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes fällt. Es ist insbesondere auch darauf verwiesen worden, daß bereits in der Weimarer Zeit unter der Herrschaft des Artikel 7 der Weimarer Verfassung, der einen im wesentlichen mit Artikel 74 des Grundgesetzes übereinstimmenden Inhalt hatte, die Zuständigkeit des Reichstags für die Amnestiegesetzgebung von der Rechtslehre und von der Praxis des Parlaments bestätigt worden ist. Die andere Meinung geht davon aus, daß die Justizhoheit unbestritten eine Angelegenheit der Länder sei. Der Erlaß einer Amnestie sei aber kein Strafgesetz im Sinne des Artikel 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes, sondern ein in die Gesetzesform gekleideter Verwaltungsakt, ein Verzicht auf die Strafklage und auf die Vollstreckung von Urteilen, also ein Verzicht auf Rechte, die zweifellos zur Kompetenz der Länder gehörten. Nach einer sehr eingehenden und gründlichen Debatte hat sich der
    Ausschuß mit einer ganz überwiegenden Mehrheit
    für die Zuständigkeit des Bundes ausgesprochen.
    Gestatten Sie mir nun, zum materiellen Inhalt des Gesetzes überzugehen. Der § 1 befaßt sich mit dem Stichtag für die Amnestie. Ich darf Sie daran erinnern, daß der ursprüngliche Entwurf des Bundesjustizministeriums als Stichtag den 12. September 1949, also den Tag der Wahl des Herrn Bundespräsidenten, vorgesehen hat. Gegen diesen Stichtag sind seitens des Bundesrats Bedenken erhoben worden, die dahin gingen, daß es unrechtmäßig sei, mit diesem Stichtag eine Art von ,;Thronbesteigungsamnestie" zu erlassen. Im Plenum ist dann der Vorschlag gemacht worden, statt dessen den 20. September 1949 zu nehmen, nämlich den Tag, an dem der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung die Amnestie in Aussicht gestellt hat. Der Ausschuß hat sich schließlich für einen völlig neutralen Zeitpunkt entschieden, nämlich für den 15. September. Diesen Tag hat er als Stichtag für die Straffreiheit in Ansatz gebracht.
    Der § 2 befaßt sich mit dem Strafrahmen der Amnestie. In dieser Hinsicht ist er Gegenstand sehr eingehender stundenlanger Erörterungen gewesen. Ich darf Sie daran erinnern, daß der uns ursprünglich vorgelegte Entwurf eine Amnestie für die — wenn ich es so ausdrücken darf — klassischen Delikte bis zur Höhe eines Strafrahmens von sechs Monaten Gefängnis und 2 500 DM Geldstrafe vorsah. In seinem Absatz 2 legte er indessen eine Verdoppelung des Strafmaßes bei Wirtschaftsvergehen und Wirtschaftsverbrechen fest. Von einer namhaften Anzahl der Vertreter verschiedener Fraktionen wurden im Ausschuß Bedenken dagegen vorgetragen, eine unterschiedliche Handhabung zwischen den kriminellen Delikten alter Prägung und den Wirtschaftsvergehen und Wirtschaftsverbrechen walten zu lassen. Es wurde zum Ausdruck gebracht, daß damit die Vorlage in ihrer Gesamtheit möglicherweise gefährdet sein könne. Schließlich hat man sich darauf verständigt, auf den Unterschied zwischen diesen beiden Deliktarten zu verzichten und dem Hohen Hause die jetzt in § 2 vorliegende Fassung vorzuschlagen. Sie sieht im Absatz 1 eine unbedingte Amnestie für alle Straftaten vor, die mit einer Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten und zusätzlich einer Geldstrafe bis zu 5 000 DM belegt worden sind.
    Wenn ursprünglich gegen die Höhe der Geldstrafe, die gegenüber der Freiheitsstrafe nur als Nebenstrafe gelten kann, Bedenken erhoben wurden und für eine niedrigere Summe plädiert wurde, so mußten wir uns trotzdem auf eine Zahl von 5 000 DM deswegen verständigen, weil nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 50 die Mindeststrafe bei sechs Monaten Gefängnis und 5 000 DM Geldstrafe liegt und man infolgedessen die Delikte nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 50 nur bei dem jetzt vorgesehenen Strafrahmen in die Amnestie einbeziehen konnte.
    Darüber hinaus ist in dem Absatz 2 eine bedingte Amnestie vorgesehen, und zwar eine Amnestie für solche Straftaten, die mit einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu zwölf Monaten belegt sind. Diese Amnestie ist von einer doppelten Bedingung abhängig, nämlich einmal von der Bedingung, daß sich der Täter in den kommenden drei Jahren straffrei führt und das darüber hinaus seine zu amnestierende Straftat keiner Grausamkeit, keiner ehrlosen Gesinnung und keiner Gewinnsucht entsprang.


    (Dr. Oellers)

    Die Aufhebung der Amnestie durch eine Straftat in den nächsten drei Jahren haben wir auf Verbrechen und vorsätzliche Vergehen begrenzt. Fahrlässige Vergehen sind also ausdrücklich ausgenommen, da bei ihnen regelmäßig kein verbrecherischer Täterwille vorliegt. Um das an einem Beispiel zu erläutern: Wenn jemand das Unglück hat, durch einen Autounfall fahrlässig die Tötung eines Menschen zu verursachen, so hat das keine Aufhebung der Amnestie zur Folge. Wir haben auch bewußt in die Ausschließungsgründe den Ausdruck „Gewinnsucht" aufgenommen im Hinblick auf die sehr ausgedehnte Rechtsprechung, die über diesen terminus technicus bereits besteht und die es verhütet, daß Gewinnsucht mit einem von uns durchaus anerkannten gesunden Gewinnstreben verwechselt wird.
    Schwierigkeiten hat uns die Frage der Behandlung der Geldstrafe bereitet. Auch diese Frage ist von uns sehr eingehend erörtert worden. Ursprünglich wurde von einem größeren Teil der Abgeordneten dahin plädiert, daß man in den Fällen, in denen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt sei, die Straffreiheit auf eine Geldstrafe von 5 000 DM begrenzen müsse. Im Verlauf der Diskussion ergab sich indessen die Unmöglichkeit eines 'solchen Verfahrens. Ich darf Sie nur an die Fälle des § 27b der Strafprozeßordnung erinnern, in denen der Richter befugt ist, anstatt einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe auf eine Geldstrafe zu erkennen, eine Befugnis, die ihm nur bis zur Höhe einer Freiheitsstrafe von drei Monaten gegeben ist. Es ist auch bekannt, daß diese Ersatzstrafen vielfach die Höhe von 5 000 DM bei weitem überschreiten, wodurch der Richter zum Ausdruck gebracht hat, daß ihm eine über 5 000 DM hinausgehende Geldstrafe geringer erschien als eine Freiheitsstrafe von drei Monaten. Ich verweise auch darauf, daß in den Fällen, in denen der Richter nach dem Gesetz auf Gefängnis- o der Geldstrafe zu erkennen in der Lage ist, sehr oft auf Geldstrafen über 5 000 DM erkannt wird, obgleich der Richter durch die Wahl der Geldstrafe gegenüber der Freiheitsstrafe doch gemeinhin zum Ausdruck bringen wollte, daß ihm die Geldstrafe als die geringere Strafe gegenüber der Gefängnisstrafe erschien.
    Unter all diesen Gesichtspunkten und unter dem weiterhin auch noch in die Debatte geworfenen Gesichtspunkt, daß die Höhe der Strafe bei gleichem Delikt manchmal recht unterschiedlich zu sein pflegte, haben wir uns entschlossen, es bei Verurteilungen allein zu einer Geldstrafe auf die Abrechnung über die Ersatzfreiheitsstrafe abzustellen und die erkannte Geldstrafe dann der Amnestie zu unterziehen, wenn die Ersatzfreiheitsstrafe unter sechs Monaten liegen würde.
    Der Straferlaß erstreckt sich nach Ziffer 4 . des § 2 n u r — und diesen Ausdruck haben wir bewußt gewählt — auf die tatsächlichen Nebenstrafen, die von jeher als solche angesehen worden sind. Der Erlaß erstreckt sich also ausdrücklich nicht auf die Einziehung, auf die Abführung des Mehrerlöses, auf die Verfallserklärung und die Unbrauchbarmachung, auf Maßregeln der Sicherung und Besserung, auf die Befugnis zur Beseitigung eines gesetzlosen Zustandes und schließlich auch nicht auf Berufsverbot und Geschäftsschließung. Diese Aufzählung durch den Berichterstatter vor dem Parlament vortragen zu lassen, war die betonte Absicht des Ausschusses, um damit den Willen des Gesetzgebers im Parlamentsprotokoll auszuweisen und so der Justiz eine Handhabe für die Anwendung des Amnestiegesetzes zu geben.
    § 3 der Vorlage regelt dann das Verfahren bei anhängigen Strafsachen. Er sieht die Einstellung derartiger Strafsachen im Rahmen des Strafrahmens vor, den § 2 beinhaltet. Darüber hinaus gibt er indessen die Möglichkeit, hinsichtlich der Nebenfolgen, die ich soeben als unechte Nebenstrafen — wenn ich es so ausdrücken darf — aufgeführt habe, in einem besonderen Verfahren Erkenntnisse auszusprechen. Es ist also insbesondere auch möglich, bei der Amnestierung einer Straftat im Verwaltungsverfahren Berufsverbot und Geschäftsschließung auszusprechen.
    § 3 a befaßt sich mit dem Verfahren bei der Bildung einer Gesamtstrafe. Ich glaube, daß ich Ihnen diese rein technischen Dinge ersparen darf.
    Die §§ 4 und 4 a regeln nun das Verfahren bei der Verfahrenseinstellung selbst. Solange sich ein Verfahren noch im Stadium der Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft befindet, ist es Angelegenheit der Staatsanwaltschaft, das Verfahren zur Einstellung zu bringen. Dagegen gibt es für den Beschuldigten keine Möglichkeit zu remonstrieren, ebensowenig wie er sie bisher bei der Einstellung schwebender Verfahren durch die Staatsanwaltschaft gehabt hat. Es schien aber notwendig, dem Angeklagten von dem Zeitpunkt der Anklageerhebung ab die Möglichkeit zu geben, durch ein Verfahren seine Unschuld feststellen zu lassen. Demzufolge sehen die Bestimmungen folgendes vor. Wenn in der Hauptverhandlung das Gericht auf Grund des Straffreiheitsgesetzes das Verfahren einstellen will, so bedarf es dazu der Zustimmung des Angeklagten. Wenn außerhalb der Hauptverhandlung das Gericht das Verfahren einstellt, so hat der Angeklagte das Recht, binnen acht Tagen gegenüber diesem Beschluß die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen. Wird er dann a in dem späteren Verfahren zu einer Strafe verurteilt, die in den Strafrahmen der Amnestie fällt, so ist er zwar amnestiert; das hat aber für ihn die Folge, daß er die Kosten des Verfahrens, das er ja dann verschuldet hat, aus eigener Tasche zu zahlen hat.
    § 5 beschäftigt sich mit dem Privatklageverfahren und sieht eine Einstellung der Privatklageverfahren vor. Die Gerichtskosten werden in diesem Falle von der Staatskasse getragen.
    Schwierigkeiten haben uns die Überlegungen gemacht, was mit den Kosten der Parteien werden soll. Wir haben uns schließlich dazu entschieden, daß jede Partei ihre eigenen Kosten tragen soll, obwohl darin möglicherweise für einen Privatkläger, der zu Recht eine Privatklage anstrengt, eine Benachteiligung liegt. Wir waren aber der Auffassung, daß man ja sonst über die Untersuchung der Kostenfrage in jedem Verfahren zu einer materiellen Prüfung kommt, und meinten, daß die von uns jetzt getroffene Fassung das kleinste der Übel sei und im übrigen im Rahmen des großen Gedankens der Amnestie durchaus vertreten werden könne.
    § 6 sieht vor, daß bei Verleumdung, übler Nachrede und falscher Anschuldigung in einem besonderen Verfahren die Wahrheit oder Unwahrheit, die Erweislichkeit oder Nichterweislichkeit der Tatsachen festgestellt werden kann. Ich mache also ausdrücklich darauf aufmerksam, daß das nicht für die einfache Beleidigung nach § 185 des Strafgesetzbuches, sondern nur für die erschwerten Delikte nach § 186 f gilt. Der Ausschuß sah in dieser Bestimmung einen begrüßenswerten Ehrenschutz, eine politische Notwendigkeit und glaubt im übri-


    (Dr. Oellers)

    gen auch, daß, nachdem in der Verfassung die Ehre als ein unabdingbares Grundrecht verankert ist, eine Bestimmung dieses Inhaltes aufgenommen werden mußte.
    Durch den Ausschuß ist dann über die ursprüngliche Vorlage in dem § 6 aa hinaus eine besondere Bestimmung eingeführt worden, die sich mit der Amnestie für Handlungen auf politischer Grundlage befaßt, die aus den Wirren der Zeit zu erklären sind. Diese Bestimmung war Gegenstand einer sehr eingehenden Erörterung und ist das Ergebnis einer Verständigung zwischen den einzelnen in dieser Richtung aufgetretenen Meinungen und Bedenken. Wir haben uns entschlossen, derartige Straftaten, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 liegen, zu amnestieren, wenn sie einen politischen Hintergrund und ihren Ursprung in den politischen Verhältnissen der letzten Jahre haben, wenn also zwei Voraussetzungen absolut objektiven Charakters vorliegen. Es ist selbstverständlich, daß gewisse Ausnahmen geschaffen werden mußten, und durch den Ausschuß sind bereits die Delikte des § 211 des Strafgesetzbuches — das ist der Mord —, des § 212 — das ist der Totschlag — und des § 213 — das ist der Totschlag bei Vorliegen mildernder Umstände — ausgenommen. Ich werde zum Schlusse meiner Ausführungen noch einmal auf diese Frage zurückkommen müssen.
    Der § 6 a sieht dann eine Amnestie von Straftaten zur Verschleierung des Personenstandes aus politischen Gründen vor. Die Begründung für diese in der letzten Plenarsitzung ursprünglich vom Herrn Justizminister vorgeschlagene Bestimmung liegt nicht so sehr darin — obwohl auch dieses Moment nicht außer acht gelassen worden ist —, daß man den Menschen, die es nach 1945 vorzogen, aus irgendwelchen Gründen in die Illegalität unterzutauchen, jetzt helfen will, sondern die überwiegende Begründung liegt in der staatspolitischen Notwendigkeit, dieses Gebiet zu bereinigen und diese illegal lebenden Menschen in die Legalität zurückzubringen. Deswegen mußten wir in der Straffreiheit auch relativ weit gehen und unter die Straffreiheit Verbrechen und Vergehen einbeziehen. Ich darf nur daran erinnern, daß bereits die Heirat der eigenen Frau unter einem falschen Namen eine Urkundenfälschung bedeutet. Ich darf daran erinnern, daß die eidliche Aussage vor einem Gericht oder vor einer Spruchkammer unter einem falschen Namen bereits einen Meineid darstellt. Daß man soweit gehen muß, mag schmerzlich sein, aber wenn man den Zweck dieser Bestimmung erreichen will, wird ein derartiges Ausmaß der Amnestie unabdingbar sein. Aber auch hier war es natürlich notwendig, die Delikte der §§ 211 bis 213 auszunehmen. Um keinem Irrtum zu begegnen, darf ich im übrigen darauf aufmerksam machen, daß unter diese Amnestiebestimmung keine Delikte fallen, die von den Tätern unter dem Naziregime begangen worden sind, sondern nur Delikte, die nach dem 8. Mai des Jahres 1945 liegen.
    Im übrigen mußte hier ein etwas anderer Weg gegangen werden, da es sich ja um Dauerdelikte handelt, die also praktisch über den Stichtag der Amnestie hinaus wirken. Es mußte infolgedessen hier der Weg der tätigen Reue gewählt werden: die Amnestie soll nur solchen Menschen gewährt werden, die ihre Straftaten bis zum 31. März des kommenden Jahres bekennen und aus der Illegalität in die Legalität zurückkehren.
    § 7 befaßt sich mit den Ordnungsstrafen und sieht den Erlaß von Ordnungsstrafen bis zur Höhe von 10 000 DM vor.
    § 8 sagt jetzt nur noch, daß Steuerdelikte nicht unter diese Amnestie fallen. Auch diese Frage ist eingehend erörtert worden. Ebenso wie bei früheren Amnestiegesetzen hat man sich entschlossen, Steuerdelikte — jedenfalls in diesem Gesetz — nicht der Amnestie zu unterwerfen.
    Aber der § 8 ist interessant nicht hinsichtlich dessen, was er beinhaltet, sondern hinsichtlich dessen, was nicht drinsteht. Ich darf Sie darauf verweisen, daß in dem ursprünglich vom Justizministerium vorgelegten Gesetzentwurf die §§ 331, 332 und 334 Absatz 2 als Ausnahmen vorgesehen waren; das sind die Delikte der aktiven und passiven Beamtenbestechung. Fernerhin war eine Ausnahme für die Verfahren vor den Spruchgerichten der britischen Zone vorgesehen. Bereits während der Entwurf sich noch beim Bundesrat befand, wurde von verschiedenen Vertretern des Rechtsausschusses mit dem Herrn Bundesjustizminister Fühlung genommen und darauf verwiesen, daß die Verfahren vor den Spruchgerichten der britischen Zone echte Strafverfahren sind, die in erster Instanz von einem Richter und zwei Schöffen, in zweiter Instanz von drei beamteten Richtern geführt werden, von denen das Urteil gesprochen wird und bei denen die Staatsanwaltschaft die Anklagevertretung hat und regelmäßig auch eine Verteidigung stattfindet, bei denen außerdem eine Eintragung der erkannten Strafen in die Strafregister erfolgt. Unter dem Gewicht dieses Arguments hatte sich der Herr Bundesjustizminister bereits dazu verstanden, die Verfahren der Spruchgerichte der britischen Zone dieser Amnestie zu unterwerfen.
    Ein gleicher und ein darüber hinausgehender Vorschlag, auch die Beamtenbestechungsdelikte der Amnestie zu unterwerfen, wurde dann vom Bundesrat in seinen Abänderungsvorschlägen vorgetragen. Ebensowenig wie sich das Bundesjustizministerium diesen Wünschen glaubte verschließen zu sollen, verschloß sich ihnen der Ausschuß. Sie finden infolgedessen diese Delikte nicht mehr unter der Ausnahmebestimmung des § 8.
    § 9 befaßt sich mit der Frage, was werden soll, wenn bereits, wie es in einzelnen Ländern geschehen ist, Amnestiegesetze der Länder ergangen sind. In diesem Falle gilt das zeitlich früher liegende Gesetz, es sei denn, daß das jetzt vom Bundestag zu beschließende Gesetz weitergehende Strafbefreiungsmaßnahmen vorsieht.
    Der Ausschuß empfiehlt Ihnen die Annahme des Antrages in der Fassung der Drucksache Nr. 270.
    Nach Abschluß der Ausschußberatungen ergab sich dann die Notwendigkeit einiger rein redaktioneller Änderungen. Ferner wurde aus Kreisen des Bundesrats die Bitte vorgetragen, die Delikte, die nach § 6 aa die Amnestie ausschließen, um einige zu erweitern. Es handelt sich da um die Delikte des Menschenraubs — § 234 —, der Brandstiftung
    — §§ 306 und 307 —, der Freiheitsberaubung
    — § 168 —, der räuberischen Erpressung — §§ 249 bis 252 — und die Delikte nach dem Sprengstoffgesetz vom Jahre 1884. Der Vorsitzende des Ausschusses, einer der Vertreter der CDU/CSU-Fraktion, und ich als Berichterstatter haben die Überzeugung gewonnen, daß es richtig sei, diesem Wunsch des Bundesrats nachzugeben.
    Wir haben uns daher erlaubt, Ihnen in Drucksache Nr. 292 einen Änderungsantrag vorzulegen. Ich bitte Sie, zu entschuldigen, wenn ich diesen Antrag als Berichterstatter gleich mitvertrete. Es mag das etwas aus dem Rahmen fallen. Ich glaube aber, daß es in den Gesamtkomplex der Berichterstattung gehört, und glaube außerdem aus dem Ge-


    (Dr. Oellers)

    Samteindruck, den die Verhandlungen im Rechtsausschuß hinterließen, auch den Eindruck gewonnen zu haben, daß sich der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht in seiner Gesamtheit diesem Antrag nicht verschlossen hätte, wenn er ihm rechtzeitig vorgelegt worden wäre.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Berichterstatters, für die ich ihm danke, gehört.
Wir kommen nunmehr zur Aussprache in der zweiten Beratung. Darf ich, wie schon bei der ersten Beratung, das Einverständnis des Hauses damit annehmen, daß wir in Abweichung von § 40 Absatz 2 der Geschäftsordnung sofort über den Gesetzentwurf im ganzen diskutieren und nicht der Reihe nach über die einzelnen Bestimmungen einschließlich Einleitung und Überschrift? — Ich darf dieses Einverständnis wohl feststellen.
Als erster hat sich zum Wort gemeldet Herr Abgeordneter Dr. Kopf.

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    Rede von Dr. Hermann Kopf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Es sind zehn Jahre her seit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges, und diese zehn Jahre haben in Kriegs- und Nachkriegszeit eine Unsumme von Verwirrung, Unglück und Leid über das deutsche Volk gebracht. Nun hat sich die Bundesrepublik Deutschland konstituiert, und diese neue staatsrechtliche Lage läßt es als erwünscht erscheinen, daß ein Schlußstrich gezogen wird unter eine Reihe von Handlungen, die in den letzten Jahren unter dem Einfluß dieser Verwirrung der Begriffe begangen worden sind. So begrüßen wir es, daß die Bundesregierung sich entschlossen hat, entsprechend der Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers in der Regierungserklärung dem Hohen Hause den Entwurf einer Amnestie zuzuleiten.
    Die Vorlage der Bundesregierung hat einen mittleren Weg eingeschlagen zwischen denjenigen Wünschen, die mit einer gewissen Radikalität den Erlaß einer Generalamnestie gefordert haben, und denjenigen Auffassungen, die Bedenken getragen haben, überhaupt eine Amnestie in Berücksichtigung zu ziehen, weil jede Amnestie einen schwerwiegenden Eingriff in den geordneten Ablauf der Rechtspflege darstelle. So hat die Bundesregierung bei der Beschreitung dieses mittleren Weges mit Recht vor allem die schwere Kriminalität aus der Gewährung der Straffreiheit ausgeschlossen.
    In den Organen, die sich jetzt schon mit der Behandlung der Regierungsvorlage befaßt haben, dem Rechtsausschuß des Bundesrats, dem Plenum des Bundesrats und dem Rechtsausschuß des Bundestags, sind nun langwierige Erörterungen über die Frage der Zuständigkeit gepflogen worden, über die Frage, ob der Bund oder die Länder zum Erlaß der Amnestie zuständig seien. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, daß auch innerhalb unserer Fraktion die Meinungen über die Zuständigkeit ebenso geteilt sind wie innerhalb der von mir eben genannten Organe des Bundesrats und des Bundestags. Die Mehrheit unserer Fraktion ist bereit, die Zuständigkeit des Bundes zu bejahen. Bei den Gesichtspunkten, welche die Mehrheit unserer Fraktion zur Bejahung der Zuständigkeit des Bundes veranlassen, folgen wir der Begründung des Regierungsentwurfs. Es scheint mir so zu sein, daß die unterschiedliche Beurteilung der Bundesoder Länderzuständigkeit von der Frage abhängt, in welcher Weise die Gewährung der Straffreiheit
    rechtlich charakterisiert werden soll. Man kann sie als einen Akt der Gesetzgebung charakterisieren, man kann sie auch als einen Akt der Rechtspflege oder der Justizverwaltung charakterisieren. Betrachtet man die Straffreiheit als einen Akt der Gesetzgebung, dann ergibt sich die Zuständigkeit des Bundes aus Artikel 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes, welcher die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für die Frage des Strafrechts und des Strafvollzugs vorsieht. Es ist die Frage, ob die Amnestie sachlich zur Materie des Strafrechts gehört. Mindestens wird, wenn das zweifelhaft erscheinen mag, ein enger Zusammenhang mit dem materiellen Strafrecht zu bejahen sein. Es ist aber von den Vertretern der Bundeszuständigkeit weiterhin ausgesprochen worden, daß nach ihrer Auffassung zumindest für die noch nicht abgeschlossenen Verfahren die Amnestie einen Strafaufhebungsgrund setze und daß es durchaus zur Zuständigkeit des Bundes gehöre, durch die Schaffung dieses Strafaufhebungsgrundes materielle Bestimmungen zu schaffen, daß aber auf der anderen Seite eine Trennung zwischen den noch nicht abgeschlossenen Verfahren, für die die Bundeszuständigkeit bejaht wird, und solchen, die bereits rechtskräftig entschieden sind, wegen des engen Zusammenhangs der Amnestiegesetzgebung nicht zulässig sei. Es wird ferner darauf hingewiesen, daß auch nach dem Gesichtspunkt der Bundeszuständigkeit für den Strafvollzug die Zuständigkeit zu bejahen sei, denn der Bund könne ja durch Gesetz den Strafvollzug einschränken.
    Auf der anderen Seite sind von den Anhängern der Länderzuständigkeit Bedenken geäußert worden, auf die ich auch kurz hinweisen muß, weil ja, wie ich Ihnen sagte, die Auffassungen unserer Fraktion über die Frage der Zuständigkeit geteilt sind. Es wird von den Anhängern der Länderzuständigkeit darauf hingewiesen, daß die Gewährung der Straffreiheit ein Ausfluß der Justizhoheit sei, die ihrerseits ja eine Erscheinung der Staatshoheit ist. Diese Gewährung der Straffreiheit erfolgt in der Form eines Verwaltungs- oder Rechtspflegeaktes. Der Staat verzichtet auf das ihm zukommende Strafklage- und Strafvollstreckungsrecht, und zwar verzichtet der Staat, das Land darauf, denn den Gerichten des Landes obliegt ja die Rechtsprechung. Die Gewährung der Straffreiheit wird als ein Ausfluß der Justizhoheit aufgefaßt, die den Ländern zukommt. Gegenüber dem Argument der Anhänger der Bundeszuständigkeit wird darauf hingewiesen, daß ja die Straffreiheit keineswegs einen Strafaufhebungsgrund darstellen könne, weil die amnestierten Delikte rechtswidrig bleiben und weil beispielsweise selbst nach dem Tenor des Straffreiheitsgesetzes der Beschuldigte es in der Hand habe, den Fortgang des Verfahrens und seinen Freispruch zu verlangen. Es wird ferner darauf hingewiesen, daß durch den Straferlaß der Strafvollstreckungsanspruch aufgehoben werde, somit ein Anspruch, über den ausschließlich die Länder zu entscheiden hätten.
    Wenn schließlich seitens der Anhänger der Bundeszuständigkeit auf die Praxis der Weimarer Republik aufmerksam gemacht wird, so wird von den Anhängern der Länderzuständigkeit darauf hingewiesen, daß unter der Herrschaft der Weimarer Verfassung Amnestien zwar von der Weimarer Republik, aber stets im Wege der Verfassungsdurchbrechung mit verfassungändernder Mehrheit erlassen worden seien. Dies hat seinen Grund darin gehabt, daß die Weimarer Verfassung diese Möglichkeit der Verfassungsdurchbrechung durch


    (Dr. Kopf)

    ein verfassungänderndes Gesetz ohne gleichzeitige Änderung des Wortlauts der Verfassung zugelassen hat, während das heutige Grundgesetz eine Änderung der Verfassung nur durch eine Änderung des Wortlauts vorsieht.
    Ich glaubte, Ihnen diese beiden widersprechenden Auffassungen vortragen zu müssen, weil es wichtig ist, nicht nur die Auffassung der Mehrheit, sondern auch die der Minderheit unserer Fraktion zu kennen. Wenn die Minderheit unserer Fraktion aus Gründen der Zuständigkeit heute nicht in der Lage sein sollte, dem Straffreiheitsgesetz ihre Zustimmung zu geben, so darf daraus aber keineswegs geschlossen werden, daß diese Minderheit mit dem sachlichen Inhalt des Straffreiheitsgesetzes nicht einverstanden sei. Der sachliche Inhalt des Straffreiheitsgesetzes in der vorgelegten Form wird vielmehr von unserer Fraktion unabhängig von der Einstellung zur Zuständigkeitsfrage bejaht.

    (Zustimmung bei der CDU.)

    Auf der anderen Seite allerdings glaube ich, daß man die Bedeutung der Entscheidung über die Frage der Zuständigkeit nicht unterschätzen sollte, denn es handelt sich in der Tat um eine verfassungsrechtliche Entscheidung, die eine Staatspraxis schafft. Wird die konkurrierende Zuständigkeit des Bundes für die Amnestie bejaht, so wird die notwendige Folgerung die sein, daß die Länder in Zukunft nicht mehr in der Lage sein werden, ihrerseits Amnestien zu erlassen. Wir glauben daher, daß die Entscheidung über diese Frage der Zuständigkeit nicht etwa in dem Bestreben erfolgen sollte, die Stellung des Bundes gegenüber den Ländern oder die Stellung der Länder gegenüber dem Bunde zu stärken oder zu schwächen. Es darf nicht der Wunsch der Vater des Gedankens sein! Wir glauben auch, daß die Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage nicht durch die Frage der Opportunität beeinflußt werden sollte, ob es notwendig und vordringlich erscheint, mit größter Beschleunigung dieses Gesetz zu Ende zu führen, sondern ich glaube, daß jeder Abgeordnete diese Frage auf Grund des ihm vorliegenden Textes des Grundgesetzes nach bestem Wissen und nach bester rechtlicher Überzeugung entscheiden sollte.
    Nun, meine Damen und Herren, möchte ich mich darauf beschränken, auf einige wenige, jedoch wesentliche Bestimmungen der Straffreiheitsvorlage Bezug zu nehmen. Die Regierungsvorlage hatte zunächst die Zweiteilung in die allgemein kriminellen Delikte mit einem Strafmaß bis zu sechs Monaten und die wirtschaftlichen Delikte mit einem Strafrahmen bis zu einem Jahr vorgesehen. Wir wären an sich bereit gewesen, der Regierungsvorlage hinsichtlich dieser Zweiteilung Folge zu leisten, und zwar deshalb, weil einmal die Wirtschaftsdelikte durch die außergewöhnliche Lagerung der Verhältnisse der Nachkriegsjahre bedingt waren und weil sie zweitens auch in der Wertung der Öffentlichkeit anders als rein kriminelle Delikte beurteilt worden sind. Wir haben aber, nachdem gegen diese Zweiteilung begründeter Einspruch seitens anderer Parteien erhoben worden ist, der Fassung zugestimmt, die Sie jetzt im § 2 des Entwurfs vorfinden und die eine einheitliche Fassung für kriminelle und für Wirtschaftsdelikte in der Weise vorsieht, daß außer dem allgemeinen Amnestieerlaß mit einem Strafrahmen von sechs Monaten auch anhängige und abgeschlossene Verfahren in einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu einem Jahr im Wege des bedingten Strafaufschubs unter die Straffreiheit fallen können. Hierbei ist ja bekanntlich die Einschränkung gemacht worden, daß beim Vorliegen niedriger Motive — wenn der Täter aus Grausamkeit, aus ehrloser Gesinnung oder aus Gewinnsucht gehandelt hat — die Straffreiheit nicht erteilt werden soll. Der Herr Berichterstatter hat mit Recht darauf hingewiesen, daß bei der Auslegung des Begriffs der Gewinnsucht wohl unterschieden werden muß zwischen dem gesunden Gewinnstreben, das nicht mißbilligt zu werden braucht, und der Gewinnsucht als einer Ausartung des Gewinnstrebens, welche die Gewährung der Straffreiheit ausschließt. Es wäre wünschenswert, daß auch die Gerichte, welche dieses Gesetz anzuwenden haben, über die Entwicklung der höchst richterlichen Rechtsprechung über die Abgrenzung zwischen Gewinnstreben und Gewinnsucht im Bilde wären, um das Gesetz so zu handhaben, wie es gewünscht ist, und um nicht seinen Erfolg durch eine zu extensive Auslegung des Wortes „Gewinnsucht" zu vereiteln.
    Im Verlauf der Ausschußverhandlungen sind die §§ 6 aa und 6 a neu geschaffen worden. Der § 6 a ist aus einer Anregung hervorgegangen, die seinerzeit seitens der Zentrumsfraktion unter Drucksache Nr. 17 dem Hohen Hause vorgelegt worden ist. Es ist damals vorgeschlagen worden, eine Amnestie für Delikte zu erlassen, die nach der Besetzung im Eifer für die demokratische Idee und aus Gegnerschaft zum überwundenen Nationalsozialismus begangen worden sind. Es sind dabei subjektive Tatbestände in ähnlicher Form verwendet worden, wie dies ja in der früheren nationalsozialistischen Zeit — mit umgekehrtem Vorzeichen allerdings — auch der Fall gewesen ist. Wir haben übereinstimmend mit der Mehrheit des Ausschusses Bedenken gehabt, diese subjektiven Tatbestände erneut in den Bereich der Gesetzgebung einzuführen. Es war daher richtig, daß, wenn diesem Antrag Folge gegeben wurde, er so formuliert wurde, daß der § 6 aa ausschließlich auf objektive Voraussetzungen abgestellt wurde, nämlich einerseits auf Handlungen auf politischer Grundlage und andererseits auf solche Handlungen, die auf die besonderen politischen Verhältnisse der letzten Jahre zurückzuführen sind. Wir sind uns darüber im klaren, daß diese Bestimmungen — „politische Grundlage", „besondere politische Verhältnisse" — an sich Kautschukbestimmungen von einer gewissen Vagheit sind, die der Jurist nicht liebt. Aber es war unmöglich, wenn man schon dieser Anregung Folge leisten wollte, andere Formulierungen zu finden, die der Forderung nach einer objektiven Begriffsbestimmung in gleicher Weise Rechnung getragen hätten. Es ist aber wohl der übereinstimmende Wunsch aller Parteien, die bei der Arbeit des Rechtsausschusses mitgewirkt haben, daß, wenn man schon eine derartige Amnestiegewährung für politische Straftaten nach dem 8. Mai 1945 einführt, dieser Paragraph in der Praxis nicht irgendwie als ein Gesetz zum Schutze des Nationalsozialismus gehandhabt werden soll. Diese Gefahr mußte vermieden werden, und um zu ihrer Vermeidung beizutragen, ist dem Präsidium dieser interfraktionelle Abänderungsantrag eingereicht und es ist vorgeschlagen worden, daß außer den Delikten des § 6 aa Ziffer 3 — nämlich Tötungsdelikte, Verbrechen aus Grausamkeit, aus ehrloser Gesinnung und aus Gewinnsucht — weiterhin einige Kapitalverbrechen, nämlich Menschenraub, Brandstiftung, Friedhofsschändung, räuberische Erpressung und Sprengstoffdelikte von der Amnestie ausgeschlossen werden sollen. Wir


    (Dr. Kopf)

    sind uns aber bewußt, daß, nachdem objektive Gesichtspunkte hier in diesen § 6 aa eingeführt worden sind, diese Bestimmung sich dann unabhängig von den Motiven, auch den politischen Motiven des Täters für und gegen ihn auswirken wird, wenn eben diese objektiven Voraussetzungen
    politische Grundlage, politische Verhältnisse der letzten Jahre — gegeben sind. Wir haben dieser Bestimmung zugestimmt, aber nicht ganz ohne Bedenken.
    Der § 6a geht zurück auf eine Anregung, die der Herr Bundesjustizminister seiner Vorlage als Anregung beigefügt hat. Es soll eine Möglichkeit geschaffen werden zur Bereinigung unklarer Personenstandsverhältnisse, und zwar für den Fall, daß der Delinquent tätige Reue beweist und bis zum 31. März 1950 seine Personenstandsfrage der Wahrheit gemäß regelt. Wir sind uns darüber im klaren, daß diese Bestimmung nicht die schweren politischen Sünder veranlassen wird, sich in den regulären Personenstand einzugliedern. Aber es wird immerhin ein Teil derer, für die es gelten soll, vermutlich davon Gebrauch machen. Die Bestimmung des § 6a trifft ja nun allerdings nicht allein die falsche Namensangabe. Es hat sich in der Praxis gezeigt, daß das erstmalige Untertauchen in der Illegalität sozusagen eine strafrechtliche Kettenreaktion ausgelöst hat und daß eine ganze Reihe von Verschleierungsdelikten der ursprünglichen falschen Namensangabe gefolgt sind. Es müssen, wenn eine Bereinigung des Personenstands herbeigeführt werden soll, dann nicht nur das erste Delikt der falschen Namensangabe, sondern auch die ferneren Delikte, die aus politischen Gründen zur Verschleierung des Personenstandes — nicht gelegentlich der Verschleierung des Personenstandes — begangen worden sind, darin inbegriffen sein. Der Regierungsentwurf hat nun allerdings diese Bestimmung auf Übertretungen und Vergehen beschränken wollen, und vieles hätte dafür gesprochen. Es ist aber auf der anderen Seite mit Recht darauf hingewiesen worden, daß im Falle der Durchführung dieser Beschränkung gerade die üblichen Verschleierungsdelikte, nämlich die der schweren Urkundenfälschung und .des Meineids, die mit einer falschen Personenstandsangabe verbunden sind, nicht darunter fallen können. Aus diesem Grunde hat man sich entschlossen, auch für Straftaten, die Verbrechen sind, jedoch mit der Ausnahmebestimmung des Absatzes 2, diese Straffreiheit zu gewähren.
    Von der Straffreiheit sind in dem Gesetz die Steuerdelikte ausgeschlossen. Wir bedauern das in gewisser Hinsicht. Es ist wohl angeführt worden, daß die Gewährung der Straffreiheit für Steuerdelikte unberührt bleiben soll, soweit sie bereits jetzt in den Gesetzen der Bizone und in eventuell entsprechenden Gesetzen der französischen Zone ausgesprochen worden ist. Wir glauben allerdings, daß diese Straffreiheit, die ja regelmäßig an die Bedingung der tätigen Reue geknüpft war, unzulänglich ist und daß es vielmehr notwendig sein wird, im Anschluß an die vorzunehmende Steuerreform auch eine umfassende Steuerstraffreiheit, mindestens für Steuervergehen vor der Währungsreform, in Erwägung zu ziehen. Es darf nicht vergessen werden, daß der Gesetzgeber durch die Überspannung der Steuerschraube dazu beigetragen hat, daß das Verhalten der Steuerschuldner stärker aus dem Rahmen der Legalität herausgegangen ist, als es in einem geordneten Rechtsstaat der Fall sein soll.
    Wenn das Hohe Haus am heutigen Tage zur Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung kommt, dann besteht die Aussicht, daß dieses Gesetz noch vor Weihnachten in Kraft treten und dem Personenkreis zugute kommen kann, für den es bestimmt ist. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß dieses Gesetz dann zu einer inneren Befriedung beitragen möge. Ich möchte allerdings daran erinnern, daß in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vorgesehen war, daß sich die Bundesregierung außer mit der innerdeutschen Amnestie — die ja durch diese Vorlage gewährt werden soll — auch damit befaßt, sich mit der Militärregierung in Verbindung zu setzen, um eine Straffreiheit für die von den alliierten Militärgerichten ausgesprochenen Strafen zu erreichen. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß diesen Bemühungen der Bundesregierung ein Erfolg beschieden sei. Dieser Erfolg wird dann ein verheißungsvoller und entscheidender Schritt auf dem Wege zur Befriedung der Welt sein.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)