Rede von
Dr.
Fritz
Oellers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Namens des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht habe ich die Ehre, dem Hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit in der Form, die der Ausschuß dem Hohen Hause zur Annahme empfiehlt, vorzutragen.
Gestatten Sie mir zunächst, mit wenigen Worten auf den bisherigen Werdegang einzugehen. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am 20. September dieses Jahres den Erlaß eines Straffreiheitsgesetzes in Aussicht gestellt. Im Anschluß daran hat das Bundesjustizministerium dem Bundesrat einen Entwurf vorgelegt, den der Bundesrat in seiner Sitzung vom 23. November 1949 behandelt und mit gewissen Abänderungsvorschlägen dem Bundesjustizministerium zurückgeleitet hat. Den ursprünglichen Entwurf und die Abänderungsvorschläge des Bundesrats sowie die daraufhin abgeänderten Vorschläge des Bundesjustizministeriums finden Sie in der Drucksache Nr. 251.
Vorgestern hat sich nun der Rechtsausschuß in einer sehr langen und ausgedehnten Sitzung auf der Grundlage der Drucksache Nr. 251 mit diesem Straffreiheitsgesetz befaßt. Es lagen dem Rechtsausschuß gleichzeitig vor die Drucksache Nr. 17 mit dem Antrag der Zentrumsfraktion auf Erlaß einer Amnestie, die Drucksache Nr. 26 mit dem Antrag
der WAV vom 20. September 1949 und die Drucksache Nr. 192 vom 2. November 1949, in der ein Antrag der Abgeordneten Dr. Richter und Freunde seinen Niederschlag gefunden hat.
Das Ergebnis der Besprechungen und Beratungen des Rechtsausschusses finden Sie in der Drucksache Nr. 270, die Ihnen heute vorliegt, und in dem darin enthaltenen Antrag:
1. den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit — Nr. 251 der Drucksachen — in der aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung zu genehmigen;
2. die folgenden Anträge durch die Beschlußfassung zu 1 für erledigt zu erklären:
a) Antrag der Fraktion des Zentrums vom 15. 9. 1949 betreffend Erlaß eines Amnestiegesetzes aus Anlaß der Konstituierung der Bundesrepublik und ihrer Organe
— Nr. 17 der Drucksachen —,
b) Antrag der Fraktion der WAV vom 20. 9. 1949 betreffend Erlaß einer Amnestie
— Nr. 26 der Drucksachen —,
c) Antrag der Abgeordneten Dr. Richter, von Thadden, Dr. Miessner, Dr. Leuchtgens, Frommhold und Genossen vom 2. 11. 1949 betreffend Amnestie — Nr. 192 der Drucksachen —.
Dieser Antrag wird Ihnen vom Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht einstimmig in Vorlage gebracht.
Bei seinen Beratungen hat der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht sich zunächst eingehend mit der Frage befaßt, ob der Bund für den Erlaß eines derartigen Straffreiheitsgesetzes zuständig ist. Diese Frage war bereits bei den Beratungen des Bundesrats Gegenstand einer eingehenden Erörterung. Der Bundesrat hat sich mit einer Mehrheit vom 25 gegen 18 Stimmen für die Zuständigkeit des Bundes entschieden. Ich darf Sie daran erinnern, daß diese Frage auch in den Debatten bei der ersten Lesung dieses Gesetzes
in diesem Hause Gegenstand der Diskussion gewesen ist. Der Ausschuß hat sich mit dem Für und Wider beider Meinungen eingehend befaßt. Die Meinung, die die Zuständigkeit des Bundes bejaht, gründet sich auf Artikel 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes, der beinhaltet, daß die Strafgesetzgebung und der Strafvollzug Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung sind. Das Bundesjustizministerium und ein größerer Teil der Vertreter der Fraktionen im Ausschuß waren der Auffassung, daß ein derartiges Amnestiegesetz eine Angelegenheit ist, die unter Artikel 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes fällt. Es ist insbesondere auch darauf verwiesen worden, daß bereits in der Weimarer Zeit unter der Herrschaft des Artikel 7 der Weimarer Verfassung, der einen im wesentlichen mit Artikel 74 des Grundgesetzes übereinstimmenden Inhalt hatte, die Zuständigkeit des Reichstags für die Amnestiegesetzgebung von der Rechtslehre und von der Praxis des Parlaments bestätigt worden ist. Die andere Meinung geht davon aus, daß die Justizhoheit unbestritten eine Angelegenheit der Länder sei. Der Erlaß einer Amnestie sei aber kein Strafgesetz im Sinne des Artikel 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes, sondern ein in die Gesetzesform gekleideter Verwaltungsakt, ein Verzicht auf die Strafklage und auf die Vollstreckung von Urteilen, also ein Verzicht auf Rechte, die zweifellos zur Kompetenz der Länder gehörten. Nach einer sehr eingehenden und gründlichen Debatte hat sich der
Ausschuß mit einer ganz überwiegenden Mehrheit
für die Zuständigkeit des Bundes ausgesprochen.
Gestatten Sie mir nun, zum materiellen Inhalt des Gesetzes überzugehen. Der § 1 befaßt sich mit dem Stichtag für die Amnestie. Ich darf Sie daran erinnern, daß der ursprüngliche Entwurf des Bundesjustizministeriums als Stichtag den 12. September 1949, also den Tag der Wahl des Herrn Bundespräsidenten, vorgesehen hat. Gegen diesen Stichtag sind seitens des Bundesrats Bedenken erhoben worden, die dahin gingen, daß es unrechtmäßig sei, mit diesem Stichtag eine Art von ,;Thronbesteigungsamnestie" zu erlassen. Im Plenum ist dann der Vorschlag gemacht worden, statt dessen den 20. September 1949 zu nehmen, nämlich den Tag, an dem der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung die Amnestie in Aussicht gestellt hat. Der Ausschuß hat sich schließlich für einen völlig neutralen Zeitpunkt entschieden, nämlich für den 15. September. Diesen Tag hat er als Stichtag für die Straffreiheit in Ansatz gebracht.
Der § 2 befaßt sich mit dem Strafrahmen der Amnestie. In dieser Hinsicht ist er Gegenstand sehr eingehender stundenlanger Erörterungen gewesen. Ich darf Sie daran erinnern, daß der uns ursprünglich vorgelegte Entwurf eine Amnestie für die — wenn ich es so ausdrücken darf — klassischen Delikte bis zur Höhe eines Strafrahmens von sechs Monaten Gefängnis und 2 500 DM Geldstrafe vorsah. In seinem Absatz 2 legte er indessen eine Verdoppelung des Strafmaßes bei Wirtschaftsvergehen und Wirtschaftsverbrechen fest. Von einer namhaften Anzahl der Vertreter verschiedener Fraktionen wurden im Ausschuß Bedenken dagegen vorgetragen, eine unterschiedliche Handhabung zwischen den kriminellen Delikten alter Prägung und den Wirtschaftsvergehen und Wirtschaftsverbrechen walten zu lassen. Es wurde zum Ausdruck gebracht, daß damit die Vorlage in ihrer Gesamtheit möglicherweise gefährdet sein könne. Schließlich hat man sich darauf verständigt, auf den Unterschied zwischen diesen beiden Deliktarten zu verzichten und dem Hohen Hause die jetzt in § 2 vorliegende Fassung vorzuschlagen. Sie sieht im Absatz 1 eine unbedingte Amnestie für alle Straftaten vor, die mit einer Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten und zusätzlich einer Geldstrafe bis zu 5 000 DM belegt worden sind.
Wenn ursprünglich gegen die Höhe der Geldstrafe, die gegenüber der Freiheitsstrafe nur als Nebenstrafe gelten kann, Bedenken erhoben wurden und für eine niedrigere Summe plädiert wurde, so mußten wir uns trotzdem auf eine Zahl von 5 000 DM deswegen verständigen, weil nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 50 die Mindeststrafe bei sechs Monaten Gefängnis und 5 000 DM Geldstrafe liegt und man infolgedessen die Delikte nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 50 nur bei dem jetzt vorgesehenen Strafrahmen in die Amnestie einbeziehen konnte.
Darüber hinaus ist in dem Absatz 2 eine bedingte Amnestie vorgesehen, und zwar eine Amnestie für solche Straftaten, die mit einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu zwölf Monaten belegt sind. Diese Amnestie ist von einer doppelten Bedingung abhängig, nämlich einmal von der Bedingung, daß sich der Täter in den kommenden drei Jahren straffrei führt und das darüber hinaus seine zu amnestierende Straftat keiner Grausamkeit, keiner ehrlosen Gesinnung und keiner Gewinnsucht entsprang.
Die Aufhebung der Amnestie durch eine Straftat in den nächsten drei Jahren haben wir auf Verbrechen und vorsätzliche Vergehen begrenzt. Fahrlässige Vergehen sind also ausdrücklich ausgenommen, da bei ihnen regelmäßig kein verbrecherischer Täterwille vorliegt. Um das an einem Beispiel zu erläutern: Wenn jemand das Unglück hat, durch einen Autounfall fahrlässig die Tötung eines Menschen zu verursachen, so hat das keine Aufhebung der Amnestie zur Folge. Wir haben auch bewußt in die Ausschließungsgründe den Ausdruck „Gewinnsucht" aufgenommen im Hinblick auf die sehr ausgedehnte Rechtsprechung, die über diesen terminus technicus bereits besteht und die es verhütet, daß Gewinnsucht mit einem von uns durchaus anerkannten gesunden Gewinnstreben verwechselt wird.
Schwierigkeiten hat uns die Frage der Behandlung der Geldstrafe bereitet. Auch diese Frage ist von uns sehr eingehend erörtert worden. Ursprünglich wurde von einem größeren Teil der Abgeordneten dahin plädiert, daß man in den Fällen, in denen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt sei, die Straffreiheit auf eine Geldstrafe von 5 000 DM begrenzen müsse. Im Verlauf der Diskussion ergab sich indessen die Unmöglichkeit eines 'solchen Verfahrens. Ich darf Sie nur an die Fälle des § 27b der Strafprozeßordnung erinnern, in denen der Richter befugt ist, anstatt einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe auf eine Geldstrafe zu erkennen, eine Befugnis, die ihm nur bis zur Höhe einer Freiheitsstrafe von drei Monaten gegeben ist. Es ist auch bekannt, daß diese Ersatzstrafen vielfach die Höhe von 5 000 DM bei weitem überschreiten, wodurch der Richter zum Ausdruck gebracht hat, daß ihm eine über 5 000 DM hinausgehende Geldstrafe geringer erschien als eine Freiheitsstrafe von drei Monaten. Ich verweise auch darauf, daß in den Fällen, in denen der Richter nach dem Gesetz auf Gefängnis- o der Geldstrafe zu erkennen in der Lage ist, sehr oft auf Geldstrafen über 5 000 DM erkannt wird, obgleich der Richter durch die Wahl der Geldstrafe gegenüber der Freiheitsstrafe doch gemeinhin zum Ausdruck bringen wollte, daß ihm die Geldstrafe als die geringere Strafe gegenüber der Gefängnisstrafe erschien.
Unter all diesen Gesichtspunkten und unter dem weiterhin auch noch in die Debatte geworfenen Gesichtspunkt, daß die Höhe der Strafe bei gleichem Delikt manchmal recht unterschiedlich zu sein pflegte, haben wir uns entschlossen, es bei Verurteilungen allein zu einer Geldstrafe auf die Abrechnung über die Ersatzfreiheitsstrafe abzustellen und die erkannte Geldstrafe dann der Amnestie zu unterziehen, wenn die Ersatzfreiheitsstrafe unter sechs Monaten liegen würde.
Der Straferlaß erstreckt sich nach Ziffer 4 . des § 2 n u r — und diesen Ausdruck haben wir bewußt gewählt — auf die tatsächlichen Nebenstrafen, die von jeher als solche angesehen worden sind. Der Erlaß erstreckt sich also ausdrücklich nicht auf die Einziehung, auf die Abführung des Mehrerlöses, auf die Verfallserklärung und die Unbrauchbarmachung, auf Maßregeln der Sicherung und Besserung, auf die Befugnis zur Beseitigung eines gesetzlosen Zustandes und schließlich auch nicht auf Berufsverbot und Geschäftsschließung. Diese Aufzählung durch den Berichterstatter vor dem Parlament vortragen zu lassen, war die betonte Absicht des Ausschusses, um damit den Willen des Gesetzgebers im Parlamentsprotokoll auszuweisen und so der Justiz eine Handhabe für die Anwendung des Amnestiegesetzes zu geben.
§ 3 der Vorlage regelt dann das Verfahren bei anhängigen Strafsachen. Er sieht die Einstellung derartiger Strafsachen im Rahmen des Strafrahmens vor, den § 2 beinhaltet. Darüber hinaus gibt er indessen die Möglichkeit, hinsichtlich der Nebenfolgen, die ich soeben als unechte Nebenstrafen — wenn ich es so ausdrücken darf — aufgeführt habe, in einem besonderen Verfahren Erkenntnisse auszusprechen. Es ist also insbesondere auch möglich, bei der Amnestierung einer Straftat im Verwaltungsverfahren Berufsverbot und Geschäftsschließung auszusprechen.
§ 3 a befaßt sich mit dem Verfahren bei der Bildung einer Gesamtstrafe. Ich glaube, daß ich Ihnen diese rein technischen Dinge ersparen darf.
Die §§ 4 und 4 a regeln nun das Verfahren bei der Verfahrenseinstellung selbst. Solange sich ein Verfahren noch im Stadium der Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft befindet, ist es Angelegenheit der Staatsanwaltschaft, das Verfahren zur Einstellung zu bringen. Dagegen gibt es für den Beschuldigten keine Möglichkeit zu remonstrieren, ebensowenig wie er sie bisher bei der Einstellung schwebender Verfahren durch die Staatsanwaltschaft gehabt hat. Es schien aber notwendig, dem Angeklagten von dem Zeitpunkt der Anklageerhebung ab die Möglichkeit zu geben, durch ein Verfahren seine Unschuld feststellen zu lassen. Demzufolge sehen die Bestimmungen folgendes vor. Wenn in der Hauptverhandlung das Gericht auf Grund des Straffreiheitsgesetzes das Verfahren einstellen will, so bedarf es dazu der Zustimmung des Angeklagten. Wenn außerhalb der Hauptverhandlung das Gericht das Verfahren einstellt, so hat der Angeklagte das Recht, binnen acht Tagen gegenüber diesem Beschluß die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen. Wird er dann a in dem späteren Verfahren zu einer Strafe verurteilt, die in den Strafrahmen der Amnestie fällt, so ist er zwar amnestiert; das hat aber für ihn die Folge, daß er die Kosten des Verfahrens, das er ja dann verschuldet hat, aus eigener Tasche zu zahlen hat.
§ 5 beschäftigt sich mit dem Privatklageverfahren und sieht eine Einstellung der Privatklageverfahren vor. Die Gerichtskosten werden in diesem Falle von der Staatskasse getragen.
Schwierigkeiten haben uns die Überlegungen gemacht, was mit den Kosten der Parteien werden soll. Wir haben uns schließlich dazu entschieden, daß jede Partei ihre eigenen Kosten tragen soll, obwohl darin möglicherweise für einen Privatkläger, der zu Recht eine Privatklage anstrengt, eine Benachteiligung liegt. Wir waren aber der Auffassung, daß man ja sonst über die Untersuchung der Kostenfrage in jedem Verfahren zu einer materiellen Prüfung kommt, und meinten, daß die von uns jetzt getroffene Fassung das kleinste der Übel sei und im übrigen im Rahmen des großen Gedankens der Amnestie durchaus vertreten werden könne.
§ 6 sieht vor, daß bei Verleumdung, übler Nachrede und falscher Anschuldigung in einem besonderen Verfahren die Wahrheit oder Unwahrheit, die Erweislichkeit oder Nichterweislichkeit der Tatsachen festgestellt werden kann. Ich mache also ausdrücklich darauf aufmerksam, daß das nicht für die einfache Beleidigung nach § 185 des Strafgesetzbuches, sondern nur für die erschwerten Delikte nach § 186 f gilt. Der Ausschuß sah in dieser Bestimmung einen begrüßenswerten Ehrenschutz, eine politische Notwendigkeit und glaubt im übri-
gen auch, daß, nachdem in der Verfassung die Ehre als ein unabdingbares Grundrecht verankert ist, eine Bestimmung dieses Inhaltes aufgenommen werden mußte.
Durch den Ausschuß ist dann über die ursprüngliche Vorlage in dem § 6 aa hinaus eine besondere Bestimmung eingeführt worden, die sich mit der Amnestie für Handlungen auf politischer Grundlage befaßt, die aus den Wirren der Zeit zu erklären sind. Diese Bestimmung war Gegenstand einer sehr eingehenden Erörterung und ist das Ergebnis einer Verständigung zwischen den einzelnen in dieser Richtung aufgetretenen Meinungen und Bedenken. Wir haben uns entschlossen, derartige Straftaten, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 liegen, zu amnestieren, wenn sie einen politischen Hintergrund und ihren Ursprung in den politischen Verhältnissen der letzten Jahre haben, wenn also zwei Voraussetzungen absolut objektiven Charakters vorliegen. Es ist selbstverständlich, daß gewisse Ausnahmen geschaffen werden mußten, und durch den Ausschuß sind bereits die Delikte des § 211 des Strafgesetzbuches — das ist der Mord —, des § 212 — das ist der Totschlag — und des § 213 — das ist der Totschlag bei Vorliegen mildernder Umstände — ausgenommen. Ich werde zum Schlusse meiner Ausführungen noch einmal auf diese Frage zurückkommen müssen.
Der § 6 a sieht dann eine Amnestie von Straftaten zur Verschleierung des Personenstandes aus politischen Gründen vor. Die Begründung für diese in der letzten Plenarsitzung ursprünglich vom Herrn Justizminister vorgeschlagene Bestimmung liegt nicht so sehr darin — obwohl auch dieses Moment nicht außer acht gelassen worden ist —, daß man den Menschen, die es nach 1945 vorzogen, aus irgendwelchen Gründen in die Illegalität unterzutauchen, jetzt helfen will, sondern die überwiegende Begründung liegt in der staatspolitischen Notwendigkeit, dieses Gebiet zu bereinigen und diese illegal lebenden Menschen in die Legalität zurückzubringen. Deswegen mußten wir in der Straffreiheit auch relativ weit gehen und unter die Straffreiheit Verbrechen und Vergehen einbeziehen. Ich darf nur daran erinnern, daß bereits die Heirat der eigenen Frau unter einem falschen Namen eine Urkundenfälschung bedeutet. Ich darf daran erinnern, daß die eidliche Aussage vor einem Gericht oder vor einer Spruchkammer unter einem falschen Namen bereits einen Meineid darstellt. Daß man soweit gehen muß, mag schmerzlich sein, aber wenn man den Zweck dieser Bestimmung erreichen will, wird ein derartiges Ausmaß der Amnestie unabdingbar sein. Aber auch hier war es natürlich notwendig, die Delikte der §§ 211 bis 213 auszunehmen. Um keinem Irrtum zu begegnen, darf ich im übrigen darauf aufmerksam machen, daß unter diese Amnestiebestimmung keine Delikte fallen, die von den Tätern unter dem Naziregime begangen worden sind, sondern nur Delikte, die nach dem 8. Mai des Jahres 1945 liegen.
Im übrigen mußte hier ein etwas anderer Weg gegangen werden, da es sich ja um Dauerdelikte handelt, die also praktisch über den Stichtag der Amnestie hinaus wirken. Es mußte infolgedessen hier der Weg der tätigen Reue gewählt werden: die Amnestie soll nur solchen Menschen gewährt werden, die ihre Straftaten bis zum 31. März des kommenden Jahres bekennen und aus der Illegalität in die Legalität zurückkehren.
§ 7 befaßt sich mit den Ordnungsstrafen und sieht den Erlaß von Ordnungsstrafen bis zur Höhe von 10 000 DM vor.
§ 8 sagt jetzt nur noch, daß Steuerdelikte nicht unter diese Amnestie fallen. Auch diese Frage ist eingehend erörtert worden. Ebenso wie bei früheren Amnestiegesetzen hat man sich entschlossen, Steuerdelikte — jedenfalls in diesem Gesetz — nicht der Amnestie zu unterwerfen.
Aber der § 8 ist interessant nicht hinsichtlich dessen, was er beinhaltet, sondern hinsichtlich dessen, was nicht drinsteht. Ich darf Sie darauf verweisen, daß in dem ursprünglich vom Justizministerium vorgelegten Gesetzentwurf die §§ 331, 332 und 334 Absatz 2 als Ausnahmen vorgesehen waren; das sind die Delikte der aktiven und passiven Beamtenbestechung. Fernerhin war eine Ausnahme für die Verfahren vor den Spruchgerichten der britischen Zone vorgesehen. Bereits während der Entwurf sich noch beim Bundesrat befand, wurde von verschiedenen Vertretern des Rechtsausschusses mit dem Herrn Bundesjustizminister Fühlung genommen und darauf verwiesen, daß die Verfahren vor den Spruchgerichten der britischen Zone echte Strafverfahren sind, die in erster Instanz von einem Richter und zwei Schöffen, in zweiter Instanz von drei beamteten Richtern geführt werden, von denen das Urteil gesprochen wird und bei denen die Staatsanwaltschaft die Anklagevertretung hat und regelmäßig auch eine Verteidigung stattfindet, bei denen außerdem eine Eintragung der erkannten Strafen in die Strafregister erfolgt. Unter dem Gewicht dieses Arguments hatte sich der Herr Bundesjustizminister bereits dazu verstanden, die Verfahren der Spruchgerichte der britischen Zone dieser Amnestie zu unterwerfen.
Ein gleicher und ein darüber hinausgehender Vorschlag, auch die Beamtenbestechungsdelikte der Amnestie zu unterwerfen, wurde dann vom Bundesrat in seinen Abänderungsvorschlägen vorgetragen. Ebensowenig wie sich das Bundesjustizministerium diesen Wünschen glaubte verschließen zu sollen, verschloß sich ihnen der Ausschuß. Sie finden infolgedessen diese Delikte nicht mehr unter der Ausnahmebestimmung des § 8.
§ 9 befaßt sich mit der Frage, was werden soll, wenn bereits, wie es in einzelnen Ländern geschehen ist, Amnestiegesetze der Länder ergangen sind. In diesem Falle gilt das zeitlich früher liegende Gesetz, es sei denn, daß das jetzt vom Bundestag zu beschließende Gesetz weitergehende Strafbefreiungsmaßnahmen vorsieht.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen die Annahme des Antrages in der Fassung der Drucksache Nr. 270.
Nach Abschluß der Ausschußberatungen ergab sich dann die Notwendigkeit einiger rein redaktioneller Änderungen. Ferner wurde aus Kreisen des Bundesrats die Bitte vorgetragen, die Delikte, die nach § 6 aa die Amnestie ausschließen, um einige zu erweitern. Es handelt sich da um die Delikte des Menschenraubs — § 234 —, der Brandstiftung
— §§ 306 und 307 —, der Freiheitsberaubung
— § 168 —, der räuberischen Erpressung — §§ 249 bis 252 — und die Delikte nach dem Sprengstoffgesetz vom Jahre 1884. Der Vorsitzende des Ausschusses, einer der Vertreter der CDU/CSU-Fraktion, und ich als Berichterstatter haben die Überzeugung gewonnen, daß es richtig sei, diesem Wunsch des Bundesrats nachzugeben.
Wir haben uns daher erlaubt, Ihnen in Drucksache Nr. 292 einen Änderungsantrag vorzulegen. Ich bitte Sie, zu entschuldigen, wenn ich diesen Antrag als Berichterstatter gleich mitvertrete. Es mag das etwas aus dem Rahmen fallen. Ich glaube aber, daß es in den Gesamtkomplex der Berichterstattung gehört, und glaube außerdem aus dem Ge-
Samteindruck, den die Verhandlungen im Rechtsausschuß hinterließen, auch den Eindruck gewonnen zu haben, daß sich der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht in seiner Gesamtheit diesem Antrag nicht verschlossen hätte, wenn er ihm rechtzeitig vorgelegt worden wäre.