Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schwere Sorgen um die Gefährdung des bayerischen Wirtschaftslebens durch die allwinterlich mit äußerster Schärfe auftretende Krise in der Stromversorgung Bayerns haben uns veranlaßt, diesen Antrag zu stellen. Ich möchte Ihnen kurz einige technische Erläuterungen zur Darstellung des Sachverhalts geben.
Seit 1945 hat Bayern durch Ausfall vertraglicher Lieferungen aus Mitteldeutschland und durch Demontagen, zum Beispiel von Gendorf mit 60 000 Kilowatt, sowie durch Überlassung an Österreich einen Gesamtverlust an elektrischer Energie von 320 000 Kilowatt, daß heißt von 40 Prozent der gesamten zur Verfügung stehenden
Leistung erlitten, während im gleichen Zeitraum die Bevölkerung Bayerns um 30 Prozent zugenommen hat. Im Jahre 1944 stand Bayern eine Höchstleistung von 1230 Megawatt zur Verfügung, im September 1949, also zu einer günstigen Jahreszeit, nur noch 60 Prozent davon, und davon sind nun wieder 65 Prozent Wasserkraftleistung, nur 25 Prozent Dampfkraftleistung und 10 Prozent Einfuhr gewesen.
Weit mehr als die Hälfte der bayerischen Stromerzeugung stammt also aus Wasserkräften. Die bayerischen Wasserkraftwerke werden in der Hauptsache aus Flüssen gespeist, die ihr Einzugsgebiet im Hochgebirge haben, und daher ist im Winter mit einer außerordentlich geringen Wasserführung zu rechnen. Das bedeutet aber, daß von den 65 Prozent, die aus den Wasserkräften erzeugt werden, im Winter ein ganz bedeutender Teil wegfällt. Die Stromerzeugung in Bayern geht im Winter so einschneidend zurück, daß sich hieraus eine Krise entwickeln muß, wenn keine Abhilfemaßnahmen getroffen werden. Bayern hat das an sich von Anfang an erkannt, und es war ein weiterer Ausbau von Wasserkraftspeicherwerken und Steinkohlenkraftwerken geplant. Damit wäre der winterliche Ausfall zu decken gewesen.
An diesem Punkt setzt nun die Tragödie ein. Systematisch ist beides, der Ausbau von Wasserkraftspeicherwerken wie von Steinkohlenkraftwerken, von zentralen Stellen des Reichs und ihren Nachfolgern verhindert worden.
Selbst in jüngster Zeit noch hat die Verwaltung für Wirtschaft den Bau des von Bayern geforderten Steinkohlenkraftwerks abgelehnt. Bei Wasserkraftwerken wurde von außerbayerischen Stellen die Ausrede gebraucht, daß Dampfkraftwerke schneller zu bauen seien, und bei Steinkohlenkraftwerken entgegnete man wieder, es sei einfacher, den Strom als die Kohle zu transportieren. Beides sind Einwände, deren Fadenscheinigkeit jeder Techniker durchschaut.
Diese Behandlung Bayerns ist ein Musterbeispiel dafür, wie die zentralistische Bürokratie die gesunde Initiative der Länder unterbindet. Nachdem man verhindert hat, daß Bayern aus eigener Kraft den winterlichen Stromausfall deckt, ist es auf Einfuhr angewiesen. Um sich nach dem schon erwähnten Ausfall an mitteldeutschen Lieferungen und sonst gemachten recht üblen Erfahrungen zu sichern, hat Bayern dem Zentrallastverteilungsgesetz vom 21. 11. 1947 und dem Energienotgesetz vom 10. 6. 1949 zugestimmt, die beide eine gleichmäßige und gerechte Verteilung der elektrischen Energie auf die Länder unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Eigenart vorsehen. Die Erwartungen, welche Bayern an eine loyale Durchführung des Gesetzes knüpfen konnte, haben sich nicht erfüllt. Oder war man vielleicht auch hier wieder der Ansicht, daß die wirtschaftliche Eigenart Bayerns lediglich darin besteht, daß es zum Schröpfen da ist?
Es scheinen allerdings noch tieferliegende Gründe für dieses eigenartige Gebaren der Zentralstellen in Fragen der bayerischen Energiewirtschaft vorhanden zu sein. Warum wurde der Aus-und Aufbau der weiteren Werke in Bayern, die doch eine gewisse Unabhängigkeit Bayerns in der Stromversorgung bewirkt hätten, immer wieder systematisch verhindert? Der Schlüssel ist wohl
darin zu finden: Wer die Energieversorgung eines Landes in der Hand hat, kontrolliert damit auch dessen Wirtschaft. Bayern ist dasjenige deutsche Land, dessen Wirtschaft in Zeiten der Stromkrise am rücksichtlosesten gedrosselt wird. Ich sage mit voller Absicht: gedrosselt; denn jeder Winter seit 1945 bedeutete wegen der einseitigen Maßnahmen eine Strangulierung der bayerischen Wirtschaft.
Zum Beweis dafür, daß diese Einschränkungen tatsächlich in einseitiger Weise vorgenommen werden, darf ich zwei Zahlen anführen. Der durchschnittliche Stromverbrauch in der Bizone beträgt pro Kopf 640 Kilowattstunden, in Bayern nur 500 Kilowattstunden. Die Folgen der alljährlich im Winter über die bayerische Wirtschaft verhängten elektrischen Hungerkur sind kaum zu übersehen und in Zahlen kaum zu fassen. Produktionsausfall und Arbeitslosigkeit sind die unmittelbaren Folgeerscheinungen. Die Abwanderung ganzer Betriebe, der Abbruch langjähriger Geschäftsbeziehungen wegen unzuverlässiger Lieferungen sind weitere Folgen. Bis in die kleinsten Handwerks- und Landwirtschaftsbetriebe hinein ist die Rentabilität aufs äußerste ggefährdet Durch die einseitig Bayern benachteiligenden Kürzungen der Stromeinfuhr wird die bayerische Wirtschaft in ihrer Wettbewerbsfähigkeit in unerhörtem Maße geschädigt, ja ganz von Märkten ausgeschlossen. Ich glaube, das ist in gewissen Kreisen eine durchaus erwünschte Erscheinung und ein Grund, den systematischen Ausbau der bayerischen Energiewirtschaft zu sabotieren.