Meine Damen und Herren! Weihnachtsgratifikationen zu geben ist zu einem guten Brauch in fast allen Betrieben worden. Sie sind zum Teil gestaffelt nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und erreichen dadurch bei langjährigen Mitarbeitern, sowohl Angestellten als auch Arbeitern, eine zum Teil sehr beachtliche Höhe.
In diesem Jahre werden die Weihnachtsoder Neujahrszuwendungen — je nachdem, wie sie von den einzelnen Firmen bezeichnet werden — besonders sehnsüchtig erwartet, und zwar aus zwei Gründen. Zunächst einmal ist der Bedarf an allen Gütern des täglichen Lebens, der Bedarf für Anschaffungen, sei es von Kleidern, sei es Unterwäsche, sei es Hausrat oder was immer es auch sei, derartig aufgestaut und gewachsen, daß er dringend nach Befriedigung verlangt, vor allen Dingen in den Familien der Ostvertriebenen und der total Bombengeschädigten. Weiter werden wir offen zugestehen müssen, daß die Diskrepanz zwischen Preisen und Löhnen und vor allen Dingen den Gehältern, die prozentual seit 1938 nicht im gleichen Maße wie die Löhne gestiegen sind, noch nicht überbrückt ist, daß größere Anschaffungen nur gemacht werden können mit Hilfe solcher außergewöhnlichen Zuwendungen wie etwa Weihnachtsgratifikationen. Daher diese besonders dringende Sehnsucht nach solchen Weihnachtsgratifikationen.
Nun möchten die Empfänger dieser Gratifikation sie sicher ungeschmälert erhalten. Ich kann mich sehr gut in die Lage dessen versetzen, der eine solche Weihnachtsgratifikation erwartet, kann mir seine Empfindungen vorstellen, wenn ihm von dieser Weihnachtszuwendung noch Steuern abgezogen werden, und seien es auch nur wenige Mark. Das ist eine psychologische Frage, an der auch der Steuerfiskus und der Bundesfinanzminister nicht vorübergehen sollten.
Deswegen unser Vorschlag, diese Zuwendungen wenigstens bis zur Höhe eines Monatseinkommens steuerfrei zu lassen. Im Grunde genommen stellen wir damit einen Zustand wieder her, wie er bis 1941 lange Zeit gewesen ist. 1941 wurde diese Freigrenze, die damals noch bei der Höhe eines Monatseinkommens lag, erheblich herabgesetzt, und zwar aus durchaus begreiflichen Gründen: man wollte in einer Zeit zunehmender Warenverknappung, während des Krieges, die Kaufkraft schwächen. Heute aber ist gerade das Umgekehrte nötig, nämlich die Kaufkraft zu stärken und die Kauflust zu heben, und zwar aus den Gründen, die ich Ihnen eben angeführt habe; wir sind heute daran interessiert, die Wirtschaft zu beleben.
Daß die Regelung der letzten Jahre, nur 100 Mark steuerfrei zu lassen, nicht als ausreichend angesehen wird, nicht nur von den Empfängern der Weihnachtsgratifikationen, sondern auch von den veranwortlichen Regierungsstellen, beweist die Tatsache, daß eine Reihe von Ländern sowohl durch ihre Parlamente als auch durch ihre Regierungen die Steuerfreigrenze im vergangenen Jahre heraufgesetzt haben. Bayern zum Beispiel hat im vergangenen Jahre Weihnachtsgratifikationen bis zur Höhe eines Monatseinkommens von den Abgaben zur Sozialversicherung freigestellt. Diese Regelung, die Bayern im Hinblick auf die Sozialversicherungspflicht schon getroffen hat, möchten wir in diesem Jahre für die Verpflichtung zur Zahlung von Lohnsteuern getroffen wissen. Ich darf darauf hinweisen, daß die Vereinigung der bayerischen Arbeitgeberverbände sich mit einer Eingabe vom 31. Oktober an den Herrn Bundesfinanzminister gewandt hat, Weihnachts- und Neujahrszuwendungen bis zur Höhe eines Monatsverdienstes einkommensteuerfrei zu lassen.
Ich will nun einmal versuchen, kurz die Einwände zu skizzieren, die gegen unseren Antrag erhoben werden könnten, vor allen Dingen seitens des Steuerfiskus, also des Herrn Bundesfinanzministers. Da ist zunächst der Hinweis auf den Steuerausfall möglich. Man kann darauf hinweisen, daß unsere Finanzen keinerlei Steuerausfälle vertragen, weil die Decke, unter der nun der Koloß des Bundes und die einzelnen Länder untergebracht werden müssen, ohnedies zu knapp ist, und daß jedes Loch, daß hineingerissen wird, unerträglich ist, so daß ein solcher Steuerausfall nicht zumutbar wäre. Aber ist der Ausfall tatsächlich so groß, wenn nach unserem Antrag verfahren wird? Fließen nicht die Gelder, die dann, statt als Lohnsteuer abgeführt zu werden, an die Empfänger der Gratifikation gehen, in die Kanäle der Wirtschaft, da sie angesichts des starken Bedarfs ja doch in voller Höhe ausgegeben werden. Fließen sie also auf diesem Wege nicht doch wieder als Steuern zum Steuerfiskus?
Zweitens könnte darauf hingewiesen werden, daß bei der Wirrnis der Steuergesetzgebung und bei der Fülle der Steuerbestimmungen es auch dem erfahrenen Steuerfachmann und Steuerbeamten kaum mehr möglich ist, diese Fülle zu übersehen und eine klare und richtige Anwendung dieser Bestimmungen zu sichern. Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, dieser Einwand wird nicht ernstlich aufrechterhalten werden können. Wir sollten soviel Vertrauen zu unseren Finanzbeamten haben, daß sie sich mit der von uns getroffenen Veränderung durchaus zurechtfinden werden. Im Gegenteil, wir können darauf hinweisen, daß für das Finanzamt eine Arbeitserleichterung insofern eintritt, als bei den Prüfungen — und es handelt sich ja nur um eine Überprüfung der abzuführenden Beträge, die Beträge werden ja von den Betrieben selbst errechnet — sehr viel weniger steuerpflichtige Beträge zu überprüfen sind, als wenn nach dem bisherigen Modus der steuerfreien Grenze von 100 Mark verfahren wird.
Drittens könnte der Herr Bundesfinanzminister erklären, er habe bereits eine Verordnung erlassen, wonach es auch in diesem Jahr bei der steuerfreien Grenze von 100 Mark verbleiben solle. Aber ich glaube, jeder Empfänger der Gratifikation, ob Arbeiter oder Angestellter, wird dem Herrn Bundesfinanzminister nur dankbar sein, wenn er seine erste Verordung aufhebt und eine bessere an ihre Stelle setzt, eine, die in höherem Maße weihnachtlichen Charakter trägt. Jeder wird dann wohl von einem guten Ding sprechen, das sich bessert, oder — in diesem Falle modifizierend - von einem guten Mann, der sich bessert, und das sollte für den Herrn Bundesfinanzminister, der leider im Augenblick nicht auf der Regierungsbank sitzt, nicht ganz unwesentlich sein.
Um unserem Antrag eine breite Basis in diesem Hause zu sichern und es auch dem Herrn Bundesfinanzminister möglich zu machen, unserem Antrag zuzustimmen, hat sich meine Fraktion, wenn auch nicht ganz leichten Herzens, entschlossen, einen Abänderungsantrag einzubringen, der nicht einen Monatsverdienst als steuerfreie Grenze angesetzt haben will, sondern die steuerfreie Grenze beim Betrage von 300 Mark festgelegt wissen möchte. Die SPD hat im bayerischen Landtag nämlich einen gleichen Antrag eingebracht, wie ich nachträglich erfahren habe, und ihn auch durchgesetzt. Sie kann ihn nur durchgesetzt haben mit Zustimmung der CSU, also der Fraktion, der der Herr Bundesfinanzminister angehört hat. Also ich glaube, wir könnten uns, falls wir den Abänderungsantrag, den ich hiermit einreiche, zur Grundlage unserer Diskussion machen, doch wohl auf dieser Basis einigen.
Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:
In der Schlußzeile des Antrags Drucksache
Nr. 217 werden die Worte „bis zur Höhe
eines Monatseinkommens" geändert in die
Worte „bis zum Betrage von 300 DM".
Ich erlaube mir, dem Herrn Präsidenten diesen Abänderungsantrag zu überreichen, und bitte das Haus, über unseren Antrag durch Abstimmung zu entscheiden, ihn also nicht erst dem Ausschuß zur Prüfung zu überweisen. Das würde angesichts der vorgerückten Zeit zu spät sein und die Durchführbarkeit des Antrags gefährden. Nehmen Sie den Antrag an! Ich glaube, Sie werden Tausenden von Arbeitern und Angestellten eine Weihnachtsfreude machen.