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ID0101917100

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    Deutscher Bundestag. — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1949 529 19. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1949. Nachruf des Präsidenten auf den verstorbenen Abgeordneten Sewald 530B Geschäftliche Mitteilungen 530C, 558A, 565B, 569C Eintritt des Abg. Dr. Pferdmenges in den Bundestag 530C Interpellation der Abg. Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Meyer, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Gen. betr. Abschluß der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 172) . . . 530D Einspruch des Abg. Dr. Schumacher gegen seinen Ausschluß (Drucksache Nr. 247) 530D Geschäftsordnungsmäßige Behandlung von Anträgen auf Aufhebung der Immunität von Abgeordneten 530D Antrag des Justizministeriums Rheinland-Pfalz betr. Entscheidung über die Immunität des Abg. Stauch 531A Antrag des Niedersächsischen Justizministers betr. Entscheidung über die Immunität des Abg. Onnen 531A Abänderungsantrag der KPD-Fraktion zur Tagesordnung betr. Regierungserklärung zum Gesetz der Alliierten Hohen Kommission über „strafbare Handlungen gegen Besatzungsinteressen" 531B Fisch (KPD) 531C Euler (FDP) 532A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (Initiativantrag der Abg. Strauss, Kemmer und Gen.) (Drucksache Nr. 180) 532A Strauss (CSU), Antragsteller 532A, 543A Frau Thiele (KPD) 535C Frau Dr. Ilk (FDP) 537A Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . 537B Frau Keilhack (SPD) 538B Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 539A Ribbeheger (Z) 539B Strauss (CSU) 540A Dr. Kleindinst (CSU) . . . . . 541D Dr. Besold (BP) 542B Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen für Deutsche, die in Auswirkung des Krieges im Ausland zurückgehalten werden (Drucksachen Nr. 165 und 60) . . . . . . . . 543D Dr. Gerstenmaier (CDU) Berichterstatter 543D, 547D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 545C Müller, Oskar (KPD) . . . . . . . 546A Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der DP betr. . Bevölkerung Helgolands (Drucksachen Nr 166 und 41) 548B Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 548C Walter (DP) 551D Rademacher (FDP) . . . . . . 552A Mündliche Berichte des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über die Anträge der Fraktion der BP betr. Verteilung der DPs (Drucksachen Nr. 196 und 85), betr. Inanspruchnahme der Quartierleistungen durch die Besatzungsmächte (Drucksachen Nr. 197 und 86 neu) und betr. Wohnraumbelegung durch verschleppte Personen (Drucksachen Nr. 198 und 87) 552D Dr. Gerstenmaier (CDU), Berichterstatter 553A, 557A Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 553C Dr. Seelos (BP) . . . . . . . . 553D Dr. Pfeiffer, Staatsminister und Leiter der Bayerischen Staatskanzlei . . 554B Niebergall (KPD) . . . . . . . 554C Stahl (FDP) 556A von Thadden (NR) 556C Unterbrechung der Sitzung . . 557D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit über den Antrag der Zentrumsfraktion betr. Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenhilfe für Heimkehrer (Drucksachen Nr. 190 und 121) 558A Arndgen (CDU), Berichterstatter . 558A Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über den Antrag der Fraktion der SPD betr. einheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung (Drucksachen Nr. 191 und 118) 558B Pohle (SPD), Berichterstatter . 558C, 564B Leddin (SPD) . . . . . . . . . 559C Sabel (CDU) . . . . . . . 560D, 564D Krause (Z) 561C Renner (KPD) . . . . . . . . 562A Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit . . . . . 563B Frau Kalinke (DP) . . . . . . . 563C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abg. Renner und Gen. betr. Bundesbahn (Drucksachen Nr. 170 und 105) . . . . 565A Rademacher (FDP), Berichterstatter 565B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an Ausschüsse (Drucksache Nr. 211) 565D Antrag der Fraktion der BP betr. § 103 der vorl. Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 184) 566A Dr. Arndt (SPD) . . . . . . 566A Anträge der Fraktion der SPD betr. Gleichberechtigung der Frauen (Drucksache Nr. 176), der Abg. Renner u. Gen. betr. rechtliche Gleichstellung der Frauen (Drucksache Nr. 206) und der Fraktion der SPD betr. Frauen im öffentlichen Dienst bei der Bundesverwaltung (Drucksache Nr. 177) 566B Frau Nadig (SPD), Antragstellerin . 566B Frau Thiele (KPD), Antragstellerin . 567A Frau Korspeter (SPD), Antragstellerin 568A Unterbrechung der Sitzung 565B, 569D Die Sitzung wird um 10 Uhr 17 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage der Regierung für ein Haushaltsgesetz knüpft in ihrem äußeren Aufbau an eine Empfehlung des Finanzausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz an. Man muß aber sagen, daß sie ihrem Geiste nach und nach den Voraussetzungen in wesentlichen Punkten von diesen Empfehlungen der Finanzexperten der Ministerpräsidentenkonferenz abweicht. Das läßt sich wohl aus den politischen Vorzeichen erklären, denen diese Vorlage ihr Entstehen verdankt. Es ist ja kein Geheimnis, daß die entscheidenden Unterschiede zwischen den Empfehlungen der Ministerpräsidentenkonferenz und dem vorliegenden Entwurf dort liegen, wo durch den Gang der Koalitionsverhandlungen zu Beginn der Tätigkeit dieses Hohen Hauses die Voraussetzungen verändert worden sind, unter denen seinerzeit die Ministerpräsidentenkonferenz zu ihren Empfehlungen kam. Ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und Herren, daß der Finanzausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz, als er seinen Entwurf in Anlage 6 seiner Empfehlungen der Öffentlichkeit und den neuen Bundesorganen unterbreitete, unter anderem zu dem Ergebnis kam, daß das vorläufige Haushaltsgesetz sogleich nach dem Zusammentritt des Bundestags dem Bundestag unterbreitet werden
    müßte, um für die Haushaltsführung des Bundes I eine vorläufige haushaltsrechtliche Grundlage sicherzustellen. Der Finanzausschuß wies damals darauf hin, daß neben diesem Gesetz ein Überleitungsgesetz die notwendigen organisatorischen Maßnahmen vorbereiten müsse. Man war sich damals darüber klar, daß Haushaltsgesetzgebung und Behördenaufbau untrennbar miteinander verbunden sind. Wir warten bis heute noch auf das Überleitungsgesetz. Anstatt sogleich nach dem Zusammentritt des Bundestags ein Haushaltsgesetz vorzulegen, hat man drei Monate verstreichen lassen, und heute bekommen wir dieses Gesetz in einer Farm, gegen die meine Fraktion die stärksten Bedenken anmeldet.
    Ich möchte nicht die Gelegenheit benützen, heute einen Ausflug in die zahllosen politischen Probleme zu unternehmen, die dieses Haus noch des öfteren beschäftigen werden. Es ist bedauerlich — ich möchte das sagen —, daß der Bundestag die neue Periode staatlichen Werdens nicht mit jenen wirklich großen politischen Auseinandersetzungen verbinden kann, die normalerweise in anderen Parlamenten mit Haushaltsberatungen verbunden sind.

    (Sehr gut! bei SPD und KPD.)

    Das liegt wohl an dem Umstand, daß wir in einer Übergangsperiode, in einem Provisorium leben. Aber man soll die Entschuldigung, daß wir in einer Übergangsperiode leben, nicht so weit treiben, daß die Provisorien letzten Endes die definitiven Lösungen werden.

    (Abg. Renner: Sehr gut!)

    Wenn man sich die Terminmöglichkeiten für die Haushaltsgesetzgebung dieses Parlaments ansieht, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß die Vorlage, die wir heute in der ersten Lesung beraten, wahrscheinlich so provisorisch ist, daß sie das ganze Rumpfhalbjahr 1949 decken wird und daß wir in diesem Hause, wenn es nach dieser Vorlage geht, vor der Verabschiedung des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 überhaupt keine klare Übersicht haben werden, was nun auf der Ebene des Verwaltungs- und Behördenaufbaus praktisch geschehen ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat die Vorlage der Regierung beraten und ist am 10. November 1949 zu dem Ergebnis gekommen, daß er sie der Bundesregierung zurückgeben müsse. Sie sehen der Wortlaut des Beschlusses des Bundesrats auf der ersten Seite der Drucksache Nr. 223. Ich bedaure sehr, daß dem Hohen Hause mit der Mitteilung des formellen Beschlusses des Bundesrats nicht auch die Begründung gegeben worden ist, die der Bundesrat seinem zunächst negativen Beschluß angefügt hat. Sie umfaßt sechs Schreibmaschinenseiten und ist auch vom Standpunkt dieses Hauses aus recht interessant.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die sozialdemokratische Fraktion macht sich nicht alle Gesichtspunkte zu eigen, von denen der Bundesrat bei seiner Beschlußfassung ausgegangen ist. Es ist ganz klar, daß das Parlament andere Gesichtspunkte hat, als der Bundesrat, der eben zu einem erheblichen Teil von den Interessen der Länder her bestimmt ist. Aber die Konsequenzen, zu denen der Bundesrat in seiner Begründung kommt, und die Schwierigkeiten, auf die er hinweist, sind unsere Sache ebensosehr wie die Sache


    (Schoettle)

    der Länder, die im Bundesrat ihre Vertretung sehen.
    Wenn in dieser Begründung des Bundesrats zu seinem negativen Beschluß darauf hingewiesen wird, daß zwischen der Vorlage und den gleichzeitig von der Regierung verkündeten Absichten auf eine Steuersenkung ein Widerspruch klaffe, dann können wir dieser Auffassung nur in vollem Umfange zustimmen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Da klafft in der Tat ein Widerspruch. Man kann doch nicht von der Tatsache absehen, daß die ursprünglichen Empfehlungen des Finanzausschusses der Ministerpräsidenten von acht Ministerien ausgegangen sind, die die künftige Bundesverwaltung darstellen sollten, während im Zuge der Koalitionsverhandlungen aus diesen acht Ministerien dreizehn geworden sind, und daß man auf der andern Seite eine großzügige Steuerreform mit dem Ziel einer Steuersenkung ankündigt. Man hat also auf der einen Seite zweifellos einen erhöhten Verwaltungsaufwand, tut aber auf der anderen Seite nichts, um die Steuerausfälle die zweifellos zunächst eintreten werden, auf der Verwaltungsseite durch eine zweckmäßige Behördenorganisation auszugleichen.

    (Zuruf von der SPD: Vielleicht ist der Finanzminister doch ein Zauberer!)

    — Ich weiß nicht. Ich traue dem Herrn Bundesfinanzminister Schäffer mancherlei gute Eigenschaften zu, aber ich glaube nicht, daß er in der Lage ist, das Einmaleins zu ändern und die Einnahmequellen des Bundes so zu vervielfachen, daß all die Ansprüche, die an die Bundesverwaltung gestellt werden und berechtigterweise gestellt werden müssen, in dem gleichen Atemzug befriedigt werden können, in dem man eine Steuerreform vornimmt, die im wesentlichen wohl nicht die Masse der Steuerzahler mit ihren Begünstigungen treffen wird, sondern eine ganz andere Absicht zur Grundlage hat.

    (Abg. Rische: Das ist eine Steuersubvention!)

    Ich möchte auch noch betonen, daß der Bundesrat in der Begründung zu seinem negativen Beschluß auf die veränderten Grundlagen hinweist, die seit dem Ingangkommen der Bundesbehörden und des Bundestags eingetreten sind, und daß daraus die Schlußfolgerung gezogen wird, daß man den Versuch machen müßte — ich zitiere hier nicht wörtlich —, die Stellenpläne der sogenannten neuen Ministerien unter dem Gesichtspunkt zu betrachten — das ist wohl der Sinn dieser Kritik an der Vorlage der Regierung —, ob in ihnen nicht eine Reihe von Funktionen enthalten ist, die schon in den sogenannten alten Verwaltungen und ihren Rechtsvorgängern wahrgenommen worden sind, ob man sich nicht überlegen müsse, daß, um nur ein Beispiel zu nennen, für die aus politischen Gründen neugeschaffenen Ministerien — es gibt deren ja, wie wir wissen, mehrere — die Finanzierung bei den Verwaltungen gesucht werden müsse, die ursprünglich diese Aufgaben wahrgenommen haben. Man kann wohl auch unterstellen, daß Aufgaben, die heute — nehmen wir zum Beispiel das ERP-Ministerium oder das Wohnungsbauministerium — von besonderen Verwaltungen wahrgenommen werden, früher ihren Platz in der Wirtschaftsverwaltung hatten und daß deshalb das heutige Wirtschaftsministerium, das der formelle Rechtsnachfolger der Wirtschaftsverwaltung in Frankfurt ist, nicht
    unbesehen auf dem Gebiet des Haushaltsrechts in I vollem Umfange der Rechtsnachfolger sein kann, sondern daß ein Teil der Mittel zur Finanzierung der aus politischen Gründen neugeschaffenen Verwaltungen aus dieser alten gemeinsamen Verwaltung genommen werden sollte. Das ist ein Hinweis darauf, in welcher Richtung wir in den Ausschußberatungen auf eine Korrektur bestimmter Dinge drängen werden.
    Ich glaube ferner, daß wir uns sehr wohl überlegen müssen, ob nicht tatsächlich heute auch in den neugeschaffenen Ministerien zu einem Teil bereits Doppelarbeit geleistet wird, ob alle Aufgaben, die formal auf diese neuen Ministerien übertragen worden sind, nun auch tatsächlich aus dem Bereich der alten Verwaltungen, insbesondere des Wirtschaftsministeriums, herausgelöst worden sind. Wir werden vielleicht dahinterkommen, daß heute sowohl im Wirtschaftsministerium wie im ERP-Ministerium Fragen des Marshall-plans bearbeitet werden. Vielleicht kommt man da gelegentlich zu einer genaueren Untersuchung der Abgrenzung der Zuständigkeit und der Aufgaben der Behörden, ohne die wir klare Stellenpläne und einen klaren Behördenaufbau überhaupt nicht erreichen können.

    (Abg. Rische: Vielleicht gibt es sogar eine Regierungskrise!)

    — Das ist eine Frage, die mich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht interessiert, Herr Kollege Rische.

    (Abg. Rische: Das ist aber möglich!)

    Es ist auch nicht meine Sorge, es ist genau genommen die Sorge ganz anderer Leute.

    (Abg. Rische: Sie haben recht!)

    Ich möchte mich generell zu einigen charakteristischen Zügen der Vorlage äußern. Wir haben im allgemeinen Bedenken gegen den Umfang der Ermächtigungen, die dem Herrn Bundesfinanzminister übertragen werden. Wir sind der Meinung, daß in einer Periode des Aufbaus der Verwaltungen nichts so notwendig ist wie die Kontrolle des Parlaments über das, was da getan wird.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich glaube, kein Parlament kann es sich leisten, ohne auf seine eigene Daseinsberechtigung Verzicht zu leisten, auf diese seine ursprüngliche Funktion, die Kontrolle des Parlaments über die Exekutive zu verzichten. Das •widerspricht nicht dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Wenn es so wäre, dann hätte das Parlament überhaupt nur den einen Sinn, zu Vorlagen und Maßnahmen der Regierung ja oder nein zu sagen. Kein Parlament kann also auf diese, seine eigentliche, Funktion in irgendeiner Form, unter irgendeinem Vorwand, etwa durch Delegation von Zuständigkeiten auf untergeordnete Organe oder Werkzeuge des Parlaments verzichten.

    (Abg. Rische: Das gilt auch für das Notopfergesetz!)

    — Es gilt in jedem Fall, lieber Kollege Rische.
    — Ich glaube deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir gerade jene Punkte des Gesetzes im Ausschuß sehr sorgsam überprüfen müssen, in denen dem Herrn Bundesfinanzminister die Ermächtigung übertragen wird, über die Verwendung von Mitteln in einer bestimmten Richtung, zum Beispiel über die Einrichtung von Planstellen, zu entscheiden, in denen ihm im


    (Schoettle)

    generellen die Ermächtigung erteilt wird, über den Gang des Behördenaufbaus zu entscheiden und weitgehend zum Beherrscher dieses Behördenaufbaus zu werden. Wir müssen unter allen Umständen Wert darauf legen, daß das Parlament auch in vollem Umfang über die sachlichen Unterlagen der sogenannten Verfügungssummen unterrichtet wird. Meine Fraktion und ich sind in diesem Punkt durchaus der Meinung, daß in einer gewissen Übergangsperiode nicht die normalen haushaltsrechtlichen Gepflogenheiten beobachtet werden können und daß man zu zeitweiligen Lösungen kommen muß. Aber jede zeitweilige Lösung, die den Versuch bedeutet, die Prärogative des Parlaments zu durchbrechen, es zu entmachten, und die auch nur in der Tendenz eine Ermächtigung der Regierung über das im allgemeinen übliche Maß hinaus beinhaltet, bedeutet nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion eine Verschiebung des 'Gewichts zwischen der Regierung und dem Parlament, das zur Kontrolle in diesen haushaltsrechtlichen Dingen beruf en ist.
    Lassen Sie mich zu einigen Paragraphen dieses Gesetzes noch etwas sagen. Im § 8 ist davon die Rede, daß bestimmte Verwaltungen, die bei der neuen Behördenordnung keine Rechtsnachfolger haben, von den ihnen in den alten Haushaltsplänen bereitgestellten Mitteln nur insoweit Gebrauch machen dürfen, als sie zur Abwicklung notwendig sind. Ich mache darauf aufmerksam, daß unter diesem Titel die Einzelpläne IIIa und IIId des Haushaltsplans der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets genannt werden, das Personalamt und das Deutsche Obergericht. Ich will hier nicht in die Kontroverse eintreten, die notwendigerweise in dem Augenblick entstehen wird, in dem wir hier über die sachliche Notwendigkeit eines Personalamts debattieren. Ich will nur eins sagen: die Absicht der Regierung, das Personalamt zu beseitigen, bedeutet noch nicht, daß sie ohne Vorliegen einer gesetzlichen Ermächtigung das Recht hat, dem Personalamt die Mittel zu entziehen. Das Personalamt hat noch Funktionen zu erfüllen. Solange eine Behörde Funktionen zu erfüllen hat, kann man ihr nicht einfach die Mittel entziehen, wie das hier vorgeschlagen ist. Wir werden im Ausschuß auf diesen Punkt zurückkommen. Es liegen gute Gründe für die Annahme vor, daß man in diesem Punkt auch im Lager der Mehrheit und auch bei der Regierung im Augenblick etwas anderen Sinnes geworden ist.
    Was das Deutsche Obergericht betrifft, so liegt, glaube ich, auch hier ein zwingender Grund vor, von der im Ausschuß vorgesehenen Regelung abzusehen. Denn nach Artikel 137 des Grundgesetzes — wenn ich nicht irre — ist das Deutsche Obergericht mit der Funktion einer Beschwerdeinstanz in Wahlprüfungssachen des Bundestags betraut, solange ein Bundesverfassungsgericht nicht besteht. Es handelt sich also um ein Provisorium auch dem Sinn und Wortlaut des Grundgesetzes nach. Sie haben es in der Hand, dieses Provisorium abzukürzen. Wenn Sie bei dem Bestreben der sozialdemokratischen Fraktion, so schnell wie möglich das Bundesverfassungsgericht einzusetzen, mitwirken, kann die Periode sehr kurz sein, in der das Deutsche Obergericht diese ihm im Grundgesetz übertragenen Funktionen zu erfüllen hat. Es scheint uns aber nicht möglich zu sein, einfach zu sagen, das Deutsche Obergericht gehöre zu den Behörden, die noch in der Abwicklung begriffen sind, und ihm unter diesem Titel nur die Mittel für die Abwicklung der Aufgaben zu bewilligen. Man kann Behörden, deren Funktionen nicht erloschen sind, nicht einfach dadurch liquidieren, daß man eine gute oder — vom Standpunkt meiner Fraktion aus gesehen — nicht gerade gute Absicht auf diese Weise in die Tat umsetzt.
    Ein ganz besonders schwieriger Punkt scheint mir im § 9 vorzuliegen. Hier schlägt man vor — und es könnte so scheinen, als ob man dabei über die Vorschläge des Finanzausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz hinausgeht; es scheint aber nur so —, daß bei der Bewilligung von Mitteln für die neugeschaffenen Ministerien und Verwaltungen die Haushaltsausschüsse des Bundestags und des Bundesrats eingeschaltet werden. In der Empfehlung der Finanzexperten der Ministerpräsidenten wird ausdrücklich von der Bewilligung von Verfügungssummen gesprochen und nach Gesprächen, die ich mit Mitgliedern des Parlamentarischen Rats und des Wirtschaftsrats hatte, die an diesen Sitzungen der Finanzkommission teilgenommen haben, handelt es sich hier eindeutig um die parlamentarische Bewilligung von Mitteln. Niemand hat damals daran gedacht, auf die Bewilligung durch einen Parlamentsakt zu verzichten.
    Meine Damen und Herren! Wenn es nun hier in § 9 der Regierungsvorlage - zwar nicht im Wortlaut, aber es ist ungefähr das gleiche — heißt: Mittel sollen bewilligt werden, Verfügungssummen sollen bewilligt werden, und wenn man dann wieder am Schluß dieser Ziffer 1 des § 9 sagt: die Bewilligung der Verfügungssummen sowie von Stellen für planmäßige Beamte erfolgt durch den Haushaltsausschuß des Bundestags und den des Bundesrats, dann möchten wir mit aller Entschiedenheit unsere schärfsten Bedenken gegen eine solche Delegation der Befugnisse des Parlaments an seine Ausschüsse geltend machen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich glaube, kein Ausschuß dieses Bundestags darf
    auf sich die Verantwortung dafür laden, daß er
    Beschlüsse faßt, für die er niemals legitimiert ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es muß ein Weg gefunden werden, der es möglich macht, dem Bundestag vor der endgültigen Verabschiedung dieses Gesetzes nicht nur formal ein gutes Gewissen zu geben, sondern ihm auch materiell die Möglichkeit der Überprüfung desser zu geben, was er zu beschließen hat.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Mit anderen Worten: Der Herr Bundesfinanzminister wird sich in den Ausschußberatungen vor die Frage gestellt sehen, ob er nicht dazu übergehen muß, diesem Haushaltsgesetz das hinzuzufügen, was eigentlich die Substanz eines Haushaltsgesetzes sein müßte, nämlich mindestens, wenn man schon nicht zur vollen Vorlage von Einzelplänen übergehen kann, die Schlußsummen des Haushaltsplans, die nach meiner Auffassung und Kenntnis der Dinge, Herr Bundesfinanzminister, heute im wesentlichen bekannt sind. Es ist mir weiter bekannt, daß die Einzelpläne auch der neuen Ministerien schon nahezu fertiggestellt sind, wenn sie nicht überhaupt fertig sind. Ich sehe keinen Grund dafür, daß diese Einzelpläne und ihre Endergebnisse nicht in dem möglichen und kontrollierbaren Umfange diesem Haushalts-


    (Schoettle)

    gesetz beigefügt werden, so daß wir hier im Plenum nicht nur ja sagen dürfen

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    — sofern wir ja sagen wollen — zu einem Gesetz, das dem Herrn Finanzminister gestattet, Beamte anzustellen oder ihre Anstellung zu verweigern, das ihm gestattet, in den Gang des Behördenaufbaus fördernd oder hemmend einzugreifen, das ihm gestattet — eine formelle Bewilligung, meine Damen und Herren —, einen Betriebsmittelkredit von 500 Millionen aufzunehmen. Ich glaube, diejenigen, die das kennen, wissen, daß es sich nicht um eine neue Maßnahme handelt, sondern lediglich um die Erneuerung des Kredits, der der Finanzverwaltung schon in der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung zugestanden worden ist. Im übrigen handelt es sich, wenn man die gesamte Situation kennt, wahrscheinlich um eine unvermeidliche Maßnahme, die dem Herrn Bundesfinanzminister nicht nur Vollmachten gibt, sondern die ihn auch in vollem Umfange gegenüber diesem Hohen Hause verantwortlich macht und das Haus in den Stand setzt, seine eigene Verantwortung zu tragen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung über das weitere Verfahren mache. Der Bundesrat hat seinen Beschluß vom 10. November — der Herr Bundesfinanzminister hat schon darauf hingewiesen — am Schlusse so formuliert, daß Verhandlungen seines zuständigen Ausschusses mit dem Herrn Bundesfinanzminister und gegebenenfalls mit dem zuständigen Ausschuß des Bundestags aufzunehmen seien mit dem Ziel, eine Verständigung herbeizuführen. Nun glaube ich, es ist gleichermaßen das Interesse aller Teile des Hauses, der Bundesregierung, der Mehrheit des Hauses sowie der Opposition, so schnell wie maglich zu einigermaßen übersehbaren und soliden haushaltsrechtlichen Grundlagen zu kommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    An einer schnellen Verabschiedung des Gesetzes sind wir alle interessiert. Wir sind nicht interessiert daran, ein schlechtes Gesetz zur endgültigen Verabschiedung vorzulegen. Wir sind alle interessiert daran, ein zureichendes Gesetz unter Überlegung aller gegenwärtig hemmenden Faktoren vorzulegen. Wir sind auch nicht daran interessiert, den Konflikt über Zuständigkeiten zwischen Bundestag und Bundesrat in diesem Falle auszuspielen. Ich möchte deshalb in diesem Zusammenhang — ich tue das auch als Vorsitzender des Haushaltsausschusses — folgendes sagen: Es besteht noch nicht das Instrument, das Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat im Wege der Verhandlungen auszugleichen hat. Der im Artikel 77 des Grundgesetzes vorgesehene Zwischenausschuß ist noch nicht funktionsfähig. Es sind zwar einige Vorschläge dafür vorhanden. Ich glaube aber, wir können uns den Luxus nicht leisten, eine Vorlage im Ausschuß zu verabschieden, das Plenum des Bundestags damit zu beschäftigen und uns dann womöglich dem Risiko auszusetzen, daß der Bundesrat doch noch grundlegende Bedenken äußert und in Wahrnehmung seiner eigenen Rechte die endgültige Inkraftsetzung dieses vorläufigen Haushaltsgesetzes auf einen Zeitraum hinausschiebt, den wir alle nicht verantworten können.
    Ich sage das aus einer allgemeinen Verantwortung heraus. Ich glaube deshalb, daß das Hohe Haus sich wirklich keinen Bruch seiner eigenen Befugnisse zuschulden kommen lassen würde, wenn es seinen Haushaltsausschuß ermächtigen würde, in informelle Verhandlungen mit dem entsprechenden Ausschuß des Bundesrats einzutreten, um eventuelle Schwierigkeiten und Gegensätze zu einem Zeitpunkt auszuräumen, in dem wir noch die Möglichkeit haben, die letzte Entscheidung des Bundesrats in einem produktiven Sinne zu beeinflussen. Ich sage — und ich hoffe, daß das Haus mir in diesem Falle zustimmt —, daß der Haushaltsausschuß des Bundestags solche Verhandlungen führen kann, ohne das Haus zu präjudizieren. Selbstverständlich, meine Damen und Herren, — —

    (Abg. Dr. Wellhausen: Das braucht keine Ermächtigung!)

    Ich möchte mir nicht nachher sagen lassen, Herr Kollege Wellhausen, daß wir in einen heiligen Bereich von Zuständigkeiten eingebrochen sind, in dem wir eigentlich nach der gegenwärtigen Rechtstage noch nichts zu suchen haben. Deshalb diese Bemerkung, die lediglich von der Vorsicht diktiert ist! Sie werden mir zugeben, Herr Kollege Wellhausen, daß ich als Sprecher der Opposition in einem solchen Falle noch in einer etwas schwierigeren Lage bin, als Sie es wären; denn ich habe ja in diesen Dingen auch noch einen grundsätzlichen Standpunkt wahrzunehmen, und wenn ich hier diesen Vorschlag mache, dann geschieht das einfach deshalb, weil ich aus rationellen Überlegungen der Meinung bin, daß wir so schnell wie möglich zu einem solchen Gespräch kommen müssen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß kommen. So wie die Vorlage jetzt aussieht, wird meine Fraktion nicht in der Lage sein, die Verantwortung für sie zu tragen. So wie die Vorlage jetzt aussieht, wird meine Fraktion im Ausschuß mit allen Mitteln danach streben, jene Garantien für eine solide Haushaltskontrolle dieses Bundestags zu schaffen, die wir für notwendig halten, damit wir nicht auf diesem einfachen Wege in ein Abenteuer hineinkutschieren, aus dem wir vielleicht sehr schwer wieder herauskommen.
    Wir werden uns jedenfalls gegenüber der Vorlage auf den Standpunkt stellen, daß sie in vielen Punkten, ja in entscheidenden Punkten verbesserungsbedürftig ist. Die Verbesserungsmöglichkeiten habe ich angedeutet, ohne sie zu erschöpfen. Nach unserer Auffassung kann es sich kein Parlament, auch nicht der Bundestag der Bundesrepublik Deutschland, leisten, durch die Zustimmung zu dieser Vorlage sich selber seines ureigensten Rechtes zu begeben, nämlich auf dem Wege über den Haushalt den Behördenaufbau, die Verwaltung und die Exekutive einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit und ihre Vertreter zu unterziehen. An diesem Recht werden wir festhalten, und wir hoffen, daß wir bei seiner Verteidigung die Bundesgenossenschaft aller Abgeordneten finden.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Pünder.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Pünder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Die Materie, mit der wir uns heute in dieser vorgerückten Verhandlungsstunde zu befassen haben, ist etwas spröde; sie ist aber trotzdem von einer außerordentlich, großen Bedeutung. Gilt es doch, die ersten haushaltsrechtlichen Grundlagen für das positive Wirken aller Bundesorgane hier in Bonn zu schaffen. Es handelt sich heute nicht darum, einen Haushaltsplan zu besprechen oder gar zu verabschieden. Deshalb stimme ich vollkommen Herrn Abgeordneten Schoettle zu, daß heute nicht der Augenblick ist, eine große politische Debatte zu entfachen, wie Herr Abgeordneter Rische es wohl wünschte. Wir wollen nur die Grundlagen schaffen, und zwar sind es nur vorläufige Grundsätze, die wir aufstellen können.
    Es ist natürlich eine überaus entscheidungsvolle Frage, ob wir uns dazu entschließen wollen, vorläufige
    Grundsätze aufzustellen, oder gleich darangehen, endgültige Lösungen zu linden. Meine politischen 1 freunde stimmen durchaus dem Vorschlag der Bundesregierung und dem, was der Herr Bundesfinanzminister heute ausgeführt hat, zu, daß wir unter dem Drange der Zeit im Augenblick nur eine vorläufige Grundlage schaffen können, das heißt zunächst einmal fur den Rest des Haushaltsjahrs .1949/1950, von dem ja nur noch knapp 4 Monate übrig sind. Der Schwerpunkt der künftigen haushaltsrechtlichen Beratungen muß bei der Behandlung des Haushaltsplans für 1950 liegen. Gerade um das zu ermöglichen, ist in voller Übereinstimmung mit der Bundesregierung zu sagen, daß wir sehr schnell eine vorlaufige Regelung linden müssen.
    Ich stimme also Herrn Abgeordneten Schoettle auch insofern zu, daß wir uns mit der Verabschiedung dieses vorläufigen Gesetzes sehr beeilen mussen. Es wäre sehr begrüßenswert gewesen, wenn wir diese wenigen 15 Paragraphen, über deren Aufbau, wie ich glaube, schon seit längerer Zeit ziemlich weitgehend Klarheit bestand, vielleicht schon etwas früher als Entwurf bekommen hätten. Jedenfalls befinden wir uns jetzt mit der Verabschiedung etwas in zeitlichem Druck. Aber wir wollen hoffen, daß wir doch noch vor Weihnachten mit der Vorlage zu Ende kommen werden.
    Auf die Stellungnahme des Bundesrats ist bereits vom Herrn Bundesfinanzminister und mehreren Rednern hingewiesen worden. Es ist nicht ganz so, Herr Kollege Schoettle, daß der Bundesrat eine negative Stellung eingenommen hätte.

    (Abg. Schoettle: Sagen wir: keine sehr positive!)

    — Das wollte ich gerade sagen! Es war keine sehr positive! Im Gegenteil, er hat erklärt, er sei im Augenblick überhaupt nicht in der Lage, eme positive Stellung zu nehmen. Ich gebe ohne weiteres zu — und der Herr Bundesfinanzminister möge es mir nicht übelnehmen —, daß auch ich fur die Bedenken des Bundesrats vorerst Verständnis habe. Ich würde es begrüßen, wenn wir die sechs Schreibmaschinenseiten Begründung, die der Bundesrat seiner Entschließung zugrunde legte, zum mindesten im Haushaltsausschuß auch vorgelegt bekommen könnten. Immerhin hat der Bundesrat in dem Anschreiben, das uns vorliegt, im letzten Satz gesagt, er verfolge das Ziel, in gemeinsamen Verhandlungen mit dem Herrn Bundesfinanzminister und auch mit dem Haushaltsausschuß des Hohen Hauses zu einer Verständigung zu kommen, durch die die bestehenden Be-
    denken ausgeräumt werden sollen. Ich persönlich habe keinen Zweifel, daß sich dazu in diesen gemeinsamen Beratungen, wie sie eben auch Herr Kollege Schoettle schon umrissen hat, Gelegenheit bieten wird.
    Auch von uns wird ja heute keine positive Stellungnahme zu dieser Vorlage erbeten. Es ist die erste Lesung, und wir haben noch reichlich Gelegenheit, über die einzelnen Punkte zu sprechen. Wir haben heute nur den dringenden Wunsch, daß diese Haushaltsdebatte möglichst schnell in erster Lesung beendet wird, so daß wir im Haushaltsausschuß darangehen können, wirklich sachliche Arbeit zu leisten. Um dem zu entsprechen, was der Herr Präsident gesagt hat, werde ich mich meinerseits nur auf ganz wenige Bemerkungen beschränken.
    Meine politischen Freunde und ich stimmen den maßgeblichen Gedanken dieses Gesetzes zu: erstens, daß wir überhaupt erst einmal ein Provisorium für die Übergangszeit bis zum 1. April nächsten Jahres schaffen müssen, ferner daß für die Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltplans das Reichshaushaltsgesetz und das Grundgesetz zu gelten haben sowie daß für die Rechnungsprüfung der durch das Gesetz des Wirtschaftsrats eingesetzte Bizonale Rechnungshof tätig werden soll, vorläufig mit der Wahrung der Aufgaben des Bundesrechnungshofs sozusagen beauf tragt.
    Auch die Aufgliederung in 25 Einzelpläne scheint gut und übersichtlich, gut auch der Einzelplan Nr. XXII, der den Sonderhaushalt der Besatzungskosten bringt, wodurch diese in ihrer ungeheuren Bedeutung für unser finanz- und wirtschaftspolitisches Ergehen klar herausgearbeitet werden. Besonders begrüßen wir, daß auch die Hilfe für Berlin im Einzelplan XXV besonders ausgewiesen wird, wodurch unsere Bereitschaft, aber auch unsere Verpflichtung, für Berlin zu sorgen, ganz besonders unterstrichen wird.
    Dann ist sehr bedeutsam — das haben die Herren Vorredner ja auch bereits ausgeführt — der Vorschlag in § 3, wonach für die Bundesverwaltungen, die an die Stelle bisher schon bestehender Verwaltungen in Frankfurt getreten sind, die Frankfurter Haushaltspläne gelten sollen. Es ist keineswegs so, wie der verehrte erste Herr Vorredner — der sich hier zu Worte gemeldet hatte, ohne daß er die bizonalen Haushaltspläne kannte — sagen zu dürfen glaubte, daß wohl niemand im Hause etwas vom bizonalen Haushaltsplan wisse. Ich glaube, es gibt manchen in diesem Hohen Hause, der sogar recht viel von diesen Dingen versteht. Es ist ja in diesem Entwurf des Herrn Bundesfinanzministers ausgeführt, um welche Gesetze es sich handelt; wer es nicht weiß, kann sie sehr schnell nachlesen. Es handelt sich um die Gesetze vom 22. Juli, vom 15. und 26. August dieses Jahres. Ich nenne diese Daten mit voller Absicht, weil ich in völligem Gegensatz zu dem, was der erste Herr Vorredner sagte, hier ein Wort besonderer Anerkennung für die Arbeit des Wirtschaftsrats einflechten möchte. Ich habe dem Wirtschaftsrat nicht angehört, fühle mich aber verpflichtet, hier auszusprechen: der Wirtschaftsrat hat bis in die Wahlzeit hinein, ja bis über den 14. August hinaus an diesen Haushaltsplänen schwer geschafft, und zwar nicht seiner Existenz wegen — denn es stand ja fest, daß er in wenigen Tagen zu existieren aufhören würde —,


    (Dr, Pünder)

    sondern nur, um die Voraussetzungen zu schaffen, daß jetzt die Bundesregierung hier überhaupt arbeiten kann. Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit, und die schnellebigen Zeiten haben es manchmal an sich, daß die in ihr Lebenden an einer grausamen Vergeßlichkeit leiden. Deshalb möchte ich jedenfalls, nachdem es von anderer Seite nicht gesagt worden ist, dem verblichenen Wirtschaftsrat hier ein hohes Lied singen

    (Abg. Rische: Ein hohes Lied, ein garstig Lied!)

    und ihm dafür danken, daß er noch in jener Wahlzeit diese wichtige politische Arbeit geleistet hat.

    (Bravorufe.)

    Meine Damen und Herren, nun komme ich zu dem berühmten Kapitel der Verfügungssummen. Nach § 9 ist vorgesehen, daß den neuen Organen der Bundesregierung zur Bestreitung ihrer Ausgaben Verfügungssummen bewilligt werden, und zwar, wie es da heißt, durch die beiden Haushaltsausschüsse des Bundesrats und des Bundestags. Ich gebe ohne weitere zu, daß dieser Vorschlag etwas sehr Ungewohnliches an sich hat und mit der Wahrung des Budgetrechts des Parlaments eigentlich nicht recht vereinbar ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Aber da es sich zunächst einmal darum handelt, daß wir in dieser Not und Eile zunächst einmal einen Übergang schaffen müssen, um dann wirklich einen richtigen Haushaltsplan 1950 besprechen zu können, werden wir auch hierfür Verständnis haben. Trotz reichlicher Überlegung und Besprechungen mit manchem Sachverständigen ist mir, ehrlich gesagt, auch noch nichts Besseres eingefallen. Ich möchte glauben, daß man mit diesem Vorschlag, Verfügungssummen durch die beiden Haushaltsausschüsse, den des Bundesrats und des Bundestags, zu bewilligen, auf dem rechten Wege ist. Es ist eben tatsächlich alles noch sehr in Fluß, und eine gewisse Elastizität ist notwendig. Ich nehme an, daß durch die jetzt notwendig werdenden Verhandlungen — notwendig auf Grund der Vorschrift des § 9 — manche der Bedenken sich beheben lassen werden, die namentlich auch der Bundesrat hatte und die Herr Abgeordneter Schoettle vorhin mit Recht vorgebracht hat.
    Ich meinerseits möchte zur Vorbereitung dieser Verhandlungen einige wenige Punkte unterstreichen. Wenn wir uns über Verfügungssummen unterhalten sollen, dann ist es unbedingt notwendig, einen Gesamtüberblick über den materiellen Bereich des gesamten Haushaltsplans zu erhalten. Nicht mit langen Worten, sondern wirklich durch die Tat muß auch das Parlament und muß die Bundesregierung beweisen, daß sich niemand über die Schwere der gegenwärtigen finanzpolitischen Lage hinwegtäuscht. Die in vielen Ländern zu beobachtende Bewilligungsfreudigkeit der Parlamente muß unter allen Umständen eingedämmt werden. Ebenso wie der Bundesrat es auf diesen sechs Schreibmaschinenseiten, die ich auch gelesen habe, ausgeführt hat, müssen auch wir im Haushaltsausschuß und im Plenum die absolute Überzeugung haben, daß die Haushaltspolitik der Bundesregierung diesen Erfordernissen hinreichend Rechnung trägt.
    In der Vorlage wird an einer Stelle — der Herr Bundesfinanzminister hat es auch getan — auf die Empfehlungen der Herren Ministerpräsidenten hingewiesen, und die Herren Ministerpräsidenten wieder fußten auf den Vorschlägen des Organisationsausschusses in Schlangenbad. Aber ich muß auch betonen, daß die Grundlage dieser Schlangenbader Vorschläge sich ganz wesentlich verändert hat, schon allein durch die Tatsache, daß damals 8 Bundesministerien vorgesehen waren, sich jetzt aber, wie wir feststellen müssen, 14 Nothelfer um die Sorgen und Nöte unserer Bundesrepublik bemühen!
    Gerade diese hohe Zahl der Ministerien umschließt zweifellos eine sehr große Gefahr: es geht um die Schwierigkeit der Abgrenzung parallel laufender Bereiche zwischen den einzelnen Bundesministerien. Infolgedessen können leicht an verschiedenen Stellen Verwaltungskosten für gleiche Ausgaben veranschlagt werden. Ich weiß nicht, ob im Schoße der Bundesregierung über diese Dinge im Augenblick schon völlige Klarheit geschaffen ist. Man hört hin und wieder, es sei noch nicht ganz der Fall. Wenn es nicht der Fall sein sollte, kann der zuständige Herr Bundesfinanzminister unserer Mithilfe jedenfalls absolut gewiß sein.
    Wir werden auch vom Haushaltsausschuß aus
    seine Stellung unter allen Umständen zu stützen
    und dabei gleichfalls das Budgetrecht des Parlaments zu wahren suchen. Es besteht eben zweifellos die Gefahr, daß durch solche Verfügungssummen, wenn sie nicht ganz solide überlegt und berechnet sind, leicht präjudizielle Tatbestände in der Personalwirtschaft geschaffen werden.
    Im übrigen erinnere ich mich auch sehr gern der häufigen Erklärungen aus offiziellem Munde, daß der Personalbestand der Bundesministerien insgesamt keineswegs höher sein werde als der der Frankfurter Verwaltungen, wahrscheinlich sogar niedriger. Wenn - woran ich keinen Zweifel haben möchte — das auch in der Praxis durchgeführt werden wird, hat der Herr Abgeordnete Schoettle durchaus recht, daß jedenfalls für den Personalhaushalt Verfügungssummen vielleicht überhaupt nicht erforderlich wären. Aber, wie gesagt, über diese Dinge wollen wir uns sehr gern im Haushaltsausschuß bei aller Anerkennung der Richtigkeit der Grundsätze des Herrn Bundesfinanzministers und hoffentlich auch in Zusammenarbeit mit dem Bundesrat unterhalten.
    Der erste Herr Vorredner, Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens, hat gemeint, § 10 sei doch sehr bedenklich. In diesem § 10 heißt es, daß, soweit die Ausgaben in den Einnahmen — in dieser Übergangszeit — noch keine Deckung finden, der Bundesfinanzminister die erforderlichen Mittel mit Zustimmung des Bundesrats von den Ländern einfordern kann. Es ist zuzugeben, daß diese Bestimmung zweifellos nur für eine solche Übergangszeit verständlich ist. Aber sie ist, wie ich glaube, auch notwendig; denn der Bund verfügt eben noch nicht über die ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Einnahmen. Es wird deshalb für diese Übergangszeit, wenn dem Herrn Abgeordneten Dr. Leuchtgens nicht etwas anderes einfällt, nichts übrigbleiben, als über den § 10 mit den Ländern eine solche Einigung herbeizuführen. Ich habe auch keinen Zweifel, daß mit dem Bundesrat, der ja selber erklärt, er verfolge das Ziel der Verständigung, über diese Frage des § 10 eine völlige Einigung erzielt werden kann, wenn im übrigen über seine Bedenken, die ich ja auch kurz gestreift habe, eine Einigung erzielt sein wird.
    Am Schluß habe ich noch eine kleine technische Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister zu richten, nämlich die Anregung, er möchte bereits jetzt seinen Entwurf, der sprachlich wirklich nicht


    (Dr. Pünder)

    sehr schön und auch für den Sachverständigen etwas schwer zu lesen ist, vielleicht noch einmal etwas überprüfen lassen. Satzungetüme mit über 60, ja 78 und sogar 86 Wörtern mit drei bis vier Verschachtelungen sollten in deutschen Bundesgesetzen nicht zu finden sin.
    Im Grundsatz also stimmen wir der Vorlage zu, wünschen dringend ihre baldige Verweisung an den Ausschuß und geben der zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck, daß wir auf der Basis dieser Grundsätze, die der Herr Bundesfinanzminister entwickelt hat, zusammen mit dem Ausschuß des Bundestags und dem Bundesrat zu einer Einigung kommen werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)