Rede von
Dr.
Conrad
Fink
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anläßlich der Informationsreise, die der Berlin-Ausschuß kürzlich nach Berlin unternommen hat, ist uns allen, die wir an dieser Reise teilgenommen haben, erschreckend vor Augen gestellt worden, wie groß heute noch die wirtschaftliche und finanzielle Not Berlins und der Berliner Bevölkerung ist, diese Not, die ihre Gründe nicht nur in den Folgeerscheinungen des verlorenen Krieges hat, sondern die zum guten und großen Teil auch auf die fast ein Jahr währende Blockade Berlins zurückzuführen ist. Wenn auch die Ber-
liner Blockade heute aufgehoben ist, so sind die Folgen dieser Blockade noch nicht überwunden. Auch heute noch tritt uns diese Not in weitem und weitestem Umfang vor Augen.
Deshalb wird sich niemand dem Gedanken der zwingenden Notwendigkeit einer materiellen Hilfeleistung für Berlin verschließen können. Wenn der Herr Kollege Rische hier die Notwendigkeit dieser Hilfe überhaupt in Frage gestellt hat, wenn er gemeint hat, die Hilfe könnte sich lediglich auf der politischen Ebene vollziehen, so kann, glaube ich, niemand sonst in dem Hohen Hause diesen Gedankengängen Folge leisten. Man kann sich dabei fast des Eindrucks nicht erwehren, daß die Hilfeleistung, die Berlin heute erhält, in den Reihen der KPD deshalb so wenig Sympathie findet, weil ihr durch diese fortschreitende Hilfe mehr oder weniger der Boden für Propagandastoff entzogen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die Bayernpartei hat sich in der Debatte, die kürzlich hier in dem Hohen Hause über Berlin stattgefunden hat, durchaus auf einen positiven Standpunkt gestellt und hat dabei durch ihren Sprecher hier im Hause fast durchwegs vollste Zustimmung gefunden. Es wird demnächst Veranlassung gegeben sein, im Berlin-Ausschuß das Resultat der Berlin-Reise genauestens unter die Lupe zu nehmen und alle Mittel und Wege in Erwägung zu ziehen, die gefunden werden können, um die Berlin-Hilfe auch wirklich und in der Tat wirksam durchführen zu können.
Eine andere Frage aber ist die der formellen o Durchführung, das heißt, wie die Hilfe für Berlin geleistet und gestaltet wird. Es sollen — wir haben das aus den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers soeben wieder gehört — auch in der Zukunft weitestgehend Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden. Unter Berücksichtigung dessen wäre es nunmehr an der Zeit, die baldmögliche — wir sagen nicht: die sofortige, aber die baldmögliche — Aufhebung des sogenannten Notopfers Berlin in Aussicht zu nehmen.
In diesem Sinne hat auch der Vertreter Bayerns
im Bundesrat, Herr Staatsminister Dr. Seidel,
sich in der Sitzung vom 23. November 1949 ausgesprochen. Er hat einer Beschränkung der
Weitergeltung bis zum 31. März 1950 das Wort
geredet und das damit begründet, daß diese Abgabe ein schweres Opfer für die Bevölkerung der
Bundesrepublik darstellt. Mögen auch — das soll
gewiß nicht bestritten werden — die wirtschaftlichen Verhältnisse in den Westzonen heute im
allgemeinen besser sein, als es in Berlin der Fall
ist, so ist doch ebenso unbestritten, daß auch im
„goldenen Westen" nicht alles Gold ist, was glänzt.
Für die Besteuerung in Form einer Briefmarke, die während der Blockade ihren Sinn haben mochte, hat heute die Bevölkerung im Westen kein so rechtes Verständnis mehr. Es ergeben sich auch bei der Beförderung der Postsachen so vielerlei Unzuträglichkeiten, wenn vergessen wird, die Marken aufzukleben, und wenn dann die Briefe und Karten an den Absender zurückbefördert werden. Sonst ist es überall gang und gäbe, daß in solchen Fällen, wenn nicht genügend frankiert ist, Strafporto erhoben wird. Das ist auch eine Belastung des ganzen Postbetriebs, die berücksichtigt werden muß. Darüber hinaus erwächst
aber auch den Finanzämtern, die an und für sich ein vollgerüttelt Maß an Arbeit haben — das, glaube ich, wissen wir alle —, durch die Notopferabgabe noch zusätzlich eine Fülle von weiterer Arbeit.
Somit muß es wohl als ein Gebot der Billigkeit bezeichnet werden, diese Form einer Sonderbesteuerung unserer Bevölkerung so schnell als möglich abzubauen. Es möge angesichts der vom Bund in Zukunft zur Verfügung zu stellenden Mittel von der Bundesregierung doch überlegt werden, wie rasch dieser Abbau dann auch erfolgen kann.
Ich wiederhole deshalb: An der Notlage, in der sich Berlin auch' heute nach Aufhebung der Blokkade noch befindet, wollen und dürfen wir nicht mit verschlossenen Augen vorübergehen. Daß hier Hilfe, und zwar wirksame Hilfe geleistet werden muß, ist jedem Einsichtigen klar. Aber diese Hilfe soll nicht in der Weise verwirklicht werden, daß man unserer eigenen Bevölkerung, die wahrlich heute auch noch nicht mit Glücksgütern gesegnet ist, länger eine solche Last aufbürdet, als unbedingt notwendig ist, weil diese Last auch für unsere Bevölkerung in den Westzonen immer drükkender wird.
Die zeitliche Beschränkung des Notopfers, wie sie im Bundesrat vom Vertreter Bayerns gefordert worden ist, ist deshalb eine zwingende Notwendigkeit. Denn hinsichtlich der Hilfeleistung für Berlin können auch andere gangbare und ebenso wirksame Mittel und Wege gefunden werden. Wenn deshalb im Gesetzentwurf der Bundesregierung eine mögliche Geltungsdauer der Notopferabgabe bis 31. Dezember gegenüber dem ursprünglichen Termin des 31. März vorgesehen ist, so können wir einer solchen neuen,. so langen Terminsetzung im Interesse der Bevölkerung unserer Westzonen nicht zustimmen. Wir bitten daher zu überlegen, ob man nicht an dem ursprünglich festgesetzten Termin festhalten soll.