Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion stimmt dem Bericht des Ausschusses zu. Heute sind in diesem Hause einmal mehr sehr viele schöne, unverbindliche Worte über das Schicksal der Kriegsgefangenen gesprochen worden. Bei der Beurteilung dieser Vorlage ist es unsere Pflicht, das Propagandistische abzutrennen und das Reale, das Tatsächliche, das in diesem Vorschlag enthalten ist, herauszustellen.
— Ich komme, Frau Kalinke, nur Geduld!
Was hier los ist, das geht schon aus der kleinen Kontroverse hervor, daß nämlich dem Sprecher der CDU die Formulierung der zu beachtenden Grundsätze schon zu weit gegangen ist.
Er will sie umgewandelt wissen in „Richtlinien, die nach Möglichkeit zu berücksichtigen sind".
Was steht nun in der Vorlage drin? Die Bundesregierung wird ersucht, ein Gesetz herauszubringen, in dem zunächst einmal die Frage des Entlassungsgeldes geregelt und in dem auch ein Überbrückungsgeld festgelegt werden soll. Was ist heute auf diesem Gebiet los? Das durchschnittliche Entlassungsgeld für einen Kriegsgefangenen beträgt 50 Mark. Das Überbrückungsgeld, das gewährt wird, bewegt sich in der Höhe von etwa 100, 110, 120 Mark bis zum Höchstbetrag von 300 Mark im Lande Hamburg. Entscheidend aber ist, daß dieses Überbrückungsgeld nur bei Vorliegen der Bedürftigkeit gewährt wird. Der rückgekehrte Kriegsgefangene wird also nach den Prinzipien unserer Wohlfahrtsbehörden erst einmal auf seine Bedürftigkeit hin überprüft. Es ist vielleicht sehr aufschlußreich, daran zu erinnern, daß, als wir Kommunisten in dem zuständigen Ausschuß die Forderung erhoben, dieses Überbrückungsgeld auch ohne Vorliegen der Bedürftigkeit zu gewähren, dieser Antrag von sämtlichen Mitgliedern dieser vereinigten Ausschüsse abgelehnt worden ist.
Wir sind der Meinung, daß, wenn man den rückgekehrten Kriegsgefangenen helfen will, dies nur auf der Basis eines Gesetzes geschehen kann, das ihnen einen Rechtsanspruch gewährt. Darum sind wir der Auffassung, daß das Problem der Betreuung der Kriegsopfer befreit werden muß vom Geruch der Wohlfahrtsämter und der Wohlfahrtstätigkeit.
In der Hauptsache handelt es sich darum, die Kriegsgefangenen wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern, ihnen Arbeit zu beschaffen. Darum halten wir es für richtig, die Betreuung grundsätzlich in die Hand der Arbeitsbehörden zu legen. Auch dieser Antrag ist im Ausschuß gegen unsere Stimmen abgelehnt worden.
Gehen wir nun einen Schritt weiter, kommen wir zu Ziffer 2! Das ist doch ein alter, bekannter Satz, den wir da lesen:
Die Heimkehrer sind bei der Zuweisung von angemessenem Wohnraum mit den in den seitherigen Gesetzen bevorzugten Gruppen gleichzusetzen.
Ja, was kauft sich der Kriegsgefangene dafür? Wie sieht es denn mit der bevorzugten Zurverfügungstellung von Wohnraum für die zu bevorzugenden Gruppen aus, etwa für die Gruppe der politisch Geschädigten? Die warten ja ebenfalls noch auf Wohnraum! Deshalb wage ich zu sagen, daß, genau wie
im Grundgesetz, diese Formulierung nichts anderes ist als eine leere wertlose Deklaration. Ehe das Problem des sozialen Wohnungsbaues nicht gelöst ist, kann man mit solchen Deklarationen den Obdachlosen und den Wohnungslosen nicht helfen.
Der dritte Grundsatz:
Der Heimkehrer hat grundsätzlich Anspruch auf seinen alten Arbeitsplatz.
Soweit er noch besteht, was in einer großen Zahl von Fällen nicht mehr zutrifft! Aber dann soll er von den Arbeitsämtern bevorzugt in Arbeit vermittelt werden. Heute morgen ist hier im Saal gesagt worden, daß 30 Prozent der in den letzten Monaten zurückgekehrten Kriegsgefangenen arbeitslos sind. Was kauft sich, so frage ich, der Kriegsgefangene für diese Deklaration in den Richtlinien? Nichts kauft er sich dafür!
Gehen wir noch einen Schritt weiter zu dem Problem der Unterstützung im Fall der Arbeitslosigkeit nach den Grundsätzen der Arbeitslosenversicherung. Anzuerkennen ist, daß hier zum ersten Mal das Prinzip verankert ist, daß ein bestimmter Wochenlohn zugrunde gelegt werden muß. Wir Kommunisten machen aber darauf aufmerksam, daß die Verpflichtung der Arbeitsämter, die arbeitslosen Kriegsgefangenen nach diesen Prinzipien zu unterstützen, nicht zur Notwendigkeit einer Beitragserhöhung führen darf.
Nun ein weiterer Grundsatz:
Ruhe- und Wartegelder sowie Renten von Heimkehrern sind mit größter Beschleunigung wieder zu gewähren.
Als wir in der vorvergangenen Sitzung uns über das Problem der Kriegsopferversorgung unterhalten haben, ist unwidersprochen festgestellt worden, daß bei den Versorgungsbehörden, das heißt bei den Dienststellen, die die Versorgungsanträge zu bearbeiten haben, Hunderttausende von unerledigten Anträgen schon seit Jahr und Tag liegen und daß diese Zahl von Monat zu Monat anschwillt. Was kauft sich der Kriegsgefangene dafür, wenn ihm hier rein deklamatorisch zugesagt wird, daß sein Antrag, sein Anspruch auf Pension und Wartegeld beschleunigt erledigt bzw. befriedigt werden soll?
Nun zu der Forderung:
Soweit für die Schaffung neuer oder zur Sicherung bestehender Existenzen Mittel zur Verfügung gestellt werden, sind die Heimkehrer den Vertriebenen und Bombengeschädigten gleichzustellen.
Was kauft sich der heimgekehrte Kriegsgefangene dafür, wenn er etwa nach den Prinzipien und Richtsätzen der Soforthilfe, des Hausrats- und des Beschaffungsgesetzes befriedigt wird? Wer wagt hier in diesem Hause zu behaupten, daß damit auch nur ein Bruchteil der Not der Heimkehrer behoben werden kann?
Ich komme zu dem letzten Problem, dem Problem, das seinen Niederschlag in Punkt 8 dieser Richtlinien gefunden hat:
Für die berufliche Ausbildung, Fortbildung und Umschulung der Heimkehrer ist besonders Sorge zu tragen.
Im Ausschuß hat uns der Vertreter des Arbeitsministeriums eine erschütternde Zahl genannt. Er hat uns gesagt, daß 27 Prozent der Heimkehrer vor ihrer Einziehung zur Wehrmacht weder eine Berufsausbildung hinter sich, noch ihre Schulung abgeschlossen hatten. Wir stehen also vor dem Problem, daß rund 30 Prozent der rückgekehrten Kriegsgefangenen heute aus Staatsmitteln ent-
weder umgeschult werden müßten oder daß ihnen die Möglichkeit gegeben werden müßte, ihre Berufsschulung überhaupt zu betreiben.
Alles in allem: wenn der Herr Berichterstatter seinen Bericht mit dem Satz eingeleitet hat, daß der Zurückgekehrte sagen konnte: ich war gefangen, und daß er dann nach wenigen Wochen des Aufenthalts in Westdeutschland sagen kann: ich bin wieder gefangen, dann meine ich, ist er nicht nur in dem Gestrüpp der bürokratisch-behördlichen Anordnungen gefangen. Er ist gefangen in der Not, in dem sozialen Elend, in der Erwerbslosigkeit, die im Gebiet der sogenannten Deutschen Bundesrepublik auf ihn wartet.