Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Das Problem der sogenannten DPs beunruhigt seit Jahr und Tag unsere Bevölkerung. Es ist deshalb an der Zeit, auch in diesem Hause die Dinge beim Namen zu nennen und zu dieser Angelegenheit richtige Maßnahmen vorzuschlagen und zu ergreifen.
Worum handelt es sich bei den verschleppten Personen? Es handelt sich in erster Linie um Leute, die Hitler und seinen Quislingen gedient haben, und Personen, die sich an ihrer eigenen Nation und ihrem Volke vergangen haben. Ein großer Teil dieser DPs gehörte der SS, dem SD oder der Gestapo an. Die wirklich von Hitler verschleppten Personen sind längst nach ihrer Heimat zurückgekehrt oder sind bestrebt, nach dort zurückzukehren; sie werden allerdings zum Teil durch die westlichen Besatzungsmächte daran gehindert.
Warum befinden sich die anderen Verschleppten immer noch hier? Weil sie bestimmten westlichen Militärregierungen Dienste leisten! Weil sie in den Kriegsplänen der Westmächte eine bestimmte Rolle spielen! Sie befinden sich noch hier, weil man sie als Streikbrecher und Terrorgarde in Westdeutschland gebrauchen will. Es gibt eine ganze Menge Instruktionsmaterial, das sehr bezeichnend dafür ist, wie man diese Leute für den zukünftigen Kampf gegen die deutschen Arbeiter instruiert. Man beläßt sie hier, weil sie dem Anti-Kommunismus dienen. Sie befinden sich noch hier, weil man sie als Herd der Zersetzung und als Hort der konterrevolutionären Umtriebe benutzen will und auch benutzt. Hierfür gibt es eine Fülle von Beispielen in der Auslandspresse.
Meine Damen und Herren, was bedeutet das weitere Verbleiben dieser Personen in Westdeutschland? Einige Beispiele von vielen!
In Mainz werden in einem deutschen Betrieb von deutschen Arbeitern Schnellboote gebaut. Die Zusammensetzung erfolgt in Speyer durch Ausländer. Abgesehen davon, daß die Kriegsproduktion in Deutschland verboten ist, - wem dient das? So frage ich Sie.
In Prüm wurde das Munitionsdepot, das vor einigen Monaten explodierte, von Ausländern bewacht. Am Tage der Explosion war die Wachmannschaft total betrunken.
Deutscher Bundestag. — 10. Sitzurig. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1940 555
— Ich spreche zum Antrag.
Abgesehen von der Tatsache, daß es verbrecherisch ist, ein solches Depot am Rande einer Stadt anzulegen, waren die Folge davon Tote, Verwundete und eine Stadt in Trümmern, und alles zu Lasten des deutschen Volkes. Die Ursache dieser Katastrophe ist bis heute noch nicht geklärt, und die Schuldigen, die zu finden wären, sind bis jetzt noch nicht gefunden.
In Kaiserslautern, inmitten der französischen Besatzungszone, befindet sich ein großes Militärlager der Amerikaner für Bomben, Tanks, Geschütze und andere Kriegswerkzeuge. Die Bewachung setzt sich aus verschleppten Personen zusammen. Abgesehen von der Gefahr, die sich daraus für unsere Bevölkerung ergibt: Kein Tag vergeht, an dem nicht in Kaiserslautern Zusammenstöße mit diesen DPs stattfinden.
Das ist also die eine Seite, die eine Bedrohung des Friedens ist. Auf der anderen Seite steht eine Bedrohung unseres Volkes. Eine sehr oberflächliche Statistik besagt, daß seit dem Jahre 1945 über 175 000 Einbrüche, Diebstähle, Erpressungen auf das Konto der sogenannten verschleppten Personen kommen.
Hinzu kommen Zehntausende Raubüberfälle, Hunderte Morde. Dafür ein Beispiel aus Hunderten! Allein für die Stadt Ulm ergibt sich für die Zeit vom 20. September bis zum 5. November folgende Bilanz: 8 Raubüberfälle, 1 Mord, 2 Mordversuche und 31 Einbrüche. Nach einem mir vorliegenden Bericht wurde bei einer Besichtigungsfahrt durch neun Dörfer in den Kreisen Minden und Bückeburg folgendes festgestellt. Es wurden dort für 15 Millionen D-Mark Werte vernichtet. 1945 mußten die Dörfer fast ausnahmslos geräumt werden, um 16 800 heimatlose Ausländer in den 713 Häusern und Gehöften unterzubringen. Die Bevölkerung mußte in den entfernt liegenden Dörfern unterkommen. 1945/46 wurden in der Umgebung der „Polendörfer" — so nannte man sie im Volksmunde — nachweislich 13 Morde, 500 Raubüberfälle und Zehntausende von Einbruchsdiebstählen verübt; 27 Großbrände vernichteten zahlreiche Gehöfte und Scheunen. Insgesamt betrug der Schaden über 15 Millionen D-Mark. Ein Kommentar dazu ist überflüssig.
Nicht anders sieht es aus in Vörde in Nordrhein-Westfalen. Die Wohnungen und Einrichtungen waren nach dem Abzug der Verschleppten vollständig demoliert, aber die Bevölkerung wurde mit Bettelpfennigen abgespeist.
So geht das nach unserer Auffassung nicht mehr weiter, und zwar um so weniger, als der Vertreter der Umsiedler Hermann in Dachau von diesen Verschleppten überfallen und mißhandelt wurde. In Ulm wurde das Parteibüro der Kommunistischen Partei von diesen Verschleppten überfallen und demoliert. Man soll ja nicht glauben, daß das nur bei den Kommunisten stehenbleibt; es gibt eine ganze Reihe von Anzeichen, und zwar auf Grund der Instruktionen, die diese Leute haben, daß in Zukunft auch andere Demokraten mit solchen Dingen von dieser Seite zu rechnen haben. Wir selbst werden uns in Zukunft zu schützen wissen.
Aber wie ist es mit Bevölkerung? — frage ich
Sie. Hier wäre eine dankbare Aufgabe für das
Innenministerium gegeben, einmal das Material über diese Vergehen und Verbrechen und über die Belastung zusammentragen, die unser Volk zu tragen hat. Aber anscheinend hat man dazu im Innenministerium wenig Zeit. Man sammelt dort um so fleißiger Material über die Kommunistische Partei und unerwünschte Demokraten.
Solche Zustände sind unmöglich. Während für die Kriegsversehrten, für die Witwen und Waisen, die Umsiedler und die Kriegsgefangenen angeblich kein Geld da ist, werden hunderte Millionen für den Unterhalt dieser verschleppten Personen ausgegeben. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß Tausende unserer Menschen in Kellern und Bunkern hausen, während 235 000 Wohnungen von verschleppten Personen bewohnt werden. Es ist unhaltbar, daß viele deutsche Studenten sich durchhungern müssen, während wir 400 000 DM für das Studium von verschleppten Personen aufbringen müssen.
Deshalb beantragt die Kommunistische Partei, die Anträge der Bayernpartei wie folgt abzuändern:
Die Bundesregierung wird beauftragt, mit der Hohen Kommission Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziele, alle sich zur Zeit noch in den Ländern der Bundesrepublik aufhaltenden DPs und Verschleppten aus dem Bundesgebiet zu entfernen.
Nächster Antrag:
Die Bundesregierung wird beauftragt, mit der Hohen Kommission Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, daß die zur Zeit von den Alliierten in Anspruch genommenen i Privatwohnungen und Hotelräume freigegeben werden.
Das ist nach unserer Auffassung der einzig richtige und mögliche Weg. Das Verschlepptenproblem ist ein Gefahrenherd für die Sicherheit der Bevölkerung. Wir wünschen und fordern aber Sicherheit für die Bevölkerung. Die Arbeiterschaft und die Angestellten haben keinerlei Interesse an einer solchen Streikbrechergarde. Wir wünschen deshalb den Abzug dieser Leute.
Das Verschlepptenproblem ist nach unserer Auffassung auch ein Gefahrenherd für den Frieden. Wir aber wünschen und fordern den Frieden. Wenn gewisse Westmächte an diesen Verschleppten interessiert sind, so steht es ihnen ja frei, sie in ihre Länder zu verschicken, sofern ihre Völker damit einverstanden sind.
Wir und unser Volk aber wünschen, daß diese Zustände im Westen so schnell wie möglich geändert werden. Deshalb bitten wir Sie, unseren Abänderungsanträgen zuzustimmen.