Rede von
Willy Max
Rademacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Die Frage Helgoland ist nicht Angelenheit eines einzelnen Landes und, wie ich hoffe, auch nicht Angelegenheit einer einzelnen Partei. Helgoland ist eine deutsche Frage. Gestatten Sie mir, den Vernunftgründen des Herrn Berichterstatters noch einige andere hinzuzufügen. Helgoland ist immer ein natürlicher Schutz der Schiffahrt von Jütland bis zur Jade gewesen. Helgoland hat eine besondere Bedeutung gehabt als Station für die Rettung Schiffbrüchiger. Ich darf nur auf die Leistung eines einzelnen Mannes hinweisen, der 416 Menschenleben gerettet hat und, wie wir wissen, nicht nur deutsche Menschenleben. Tausende von Gelehrten und Studenten haben Helgoland besucht, um ihre Kenntnisse zu erweitern und ihre Studien dort zu betreiben. Außerdem ist Helgoland die einzige Heilungsstation für gewisse allergische Krankheiten, für die wir keine zweite im deutschen Staatsgebiet besitzen.
Ich möchte nicht noch einmal auf den Leidensweg der Vernichtung dieser Insel eingehen, aber ich glaube, es ist notwendig, sich noch einmal mit der angeblichen militärischen Bedeutung dieser Insel etwas näher zu befassen. Als im Jahre 1890 der Austausch Helgoland—Sansibar erfolgte, hat es — das darf angenommen werden — in England auch damals fähige Strategen gegeben, die sehr wohl übersehen konnten, ob diese Insel militärisch lediglich eine defensive oder aber eine offensive Aufgabe habe. Um wieviel mehr trifft diese Erkenntnis heute zu, im Zeitalter der Luftwaffe und der Atombombe! So gesehen hat Helgoland keine andere Bedeutung als die Inseln Sylt und Borkum und, um es an diesem Beispiel den Engländern begreiflich zu machen, keine andere Bedeutung als die Isle of Wight, auf die ich am Schluß meiner Ausführungen noch einmal zurückkommen werde. Es ist daher unverständlich, daß man unter Hinweis auf die Ereignisse zweier Kriege nunmehr Helgoland als eine Bedrohung des Weltfriedens ansieht — im Zeitalter der Luftwaffe und der Atombombe!
Der Herr Berichterstatter ist sehr ausführlich auf die Fragen des Völkerrechts eingegangen. Ich möchte hierzu nur noch eine einzige Feststellung treffen. Es ist das erste Mal in der Völkergeschichte, daß ein besetztes Gebiet planmäßig derart zerstört werden soll, daß von ihm für alle
Zeiten nichts mehr übrigbleibt. Das ist ein einmaliger Vorgang, der in völkerrechtlicher Hinsicht, wie der Herr Berichterstatter bewiesen hat, in keiner Weise berechtigt ist.
Aber, meine Damen und Herren, viel wichtiger scheint mir die menschliche und die nationale Seite zu sein, national im echten Sinne des Wortes. Es handelt sich zwar nur um ein Gebiet von 150 Hektar, es handelt sich zwar nur um 2500 Menschen. Das mag gering erscheinen in Anbetracht der Millionen von Schicksalen, die wir nach dieser Katastrophe kennengelernt haben. Aber Helgoland hat eben eine besondere Stellung im Herzen aller Deutschen. Es ist ein einmaliges Denkmal der Natur. Jeder, der einmal von Süd, Ost oder West eine Reise in den Norden gemacht hat, weiß: der Höhepunkt einer solchen Reise war immer eine Fahrt zu diesem einzigartigen Juwel der Nordsee. Darum, meine Damen und Herren, glaube ich feststellen zu dürfen, daß jede weitere Bombe auf diese Insel das echte Heimatgefühl und das echte Nationalgefühl eines jeden Deutschen verletzen muß.
Ich möchte einmal an die englische Nation die Frage stellen: Was würde sie sagen, wenn mehrere Jahre nach Beendigung der Feindseligkeiten ihre Isle of Wight vor den Kreidefelsen Englands planmäßig bombardiert würde mit dem Ziel, diese Insel, die in England eine ähnliche nationale Bedeutung wie Helgoland für uns hat, vollkommen auszulöschen?
Ich möchte daher die Hohen Kommissare, die sich ja nach dem Antrag mit dieser Angelegenheit zu befassen haben, dringend bitten, nicht nur die Gründe der Vernunft zu berücksichtigen, sondern auch jene unmeßbaren Dinge, die seit der Kapitulation im Jahre 1945 leider so häufig verletzt 1 worden sind und nichts mehr zu tun haben mit dem Geist, den man den europäischen nennt.
Die FDP wird daher dem Ausschußantrag zustimmen. Ich möchte nur hoffen, daß es zu einem einstimmigen Beschluß kommt, um der Welt zu beweisen: Helgoland ist eine deutsche Angelegenheit.