Rede von
Dr.
Heinrich
von
Brentano
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Dr. Schumacher, Sie haben selber von der mangelnden Disziplin der Presse gesprochen. Ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie zu dieser mangelnden Disziplin beigetragen haben. Und wenn Sie hier in der Rede eines meiner Freunde die plötzliche Liebe für die Wiederherstellung guter Sitten festgestellt haben, dann muß ich Ihnen sagen: auch ich habe nach den Erfahrungen der letzten Wochen diese Liebe für die Wiederherstellung guter Sitten gewonnen.
Herr Dr. Schumacher, Sie haben weiter dem Herrn Bundeskanzler erklärt: was er hier mache, sei ja gleichgültig, er repräsentiere ja eine „versunkene Welt". Herr Dr. Schumacher, ist das Ihre Auffassung von Demokratie?
Wissen Sie, daß dieser versunkenen Welt am 14.
August mehr Stimmen des deutschen Volkes gegeben wurden als Ihrer „aufsteigenden" Welt?
Es ist bedauerlich, daß wir diese Dinge in dieser Form aussprechen müssen.
Ich wiederhole eines. Vorhin hat der Herr Kollege Schmid gesagt, die Mehrheit sei nicht die Inkarnation der Vernunft. Glauben Sie nicht, daß die Minderheit immer die Inkarnation der Vernunft sein muß, und glauben Sie nicht, daß wir Ihnen auf diesem Wege folgen werden!
Zum Schluß möchte ich noch folgendes sagen. Herr Kollege Schmid, Sie haben festgestellt, der Herr Bundeskanzler habe anscheinend einen defekten Kompaß. Sie haben dann erklärt, er habe die bittere Aufgabe — und wir alle —, zwischen Scylla und Charybdis zu wählen. Herr Kollege Schmid, Sie haben die Manen des Heraklit und des Parmenides zitiert. Ich darf Sie daran erinnern, daß es nicht die Aufgabe Odysseus' war, zwischen Scylla und Charybdis zu wählen, sondern den Versuch zu unternehmen, zwischendurchzufahren.
Ich hoffe, daß der Kompaß des Bundeskanzlers ihm diese Navigation gestattet.