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ID0101700800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 17. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 15. November 1949 397 17. Sitzung Bonn, Dienstag, den 15. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 397B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung 397C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 397C, 408B, 442A, 447C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 400C Dr. Schumacher (SPD) . . . 400C, 446A Dr. Gerstenmaier (CDU) 408D Dr. Schröder (CDU) . . . . . . 413B Euler (FDP) ....... . 417C Dr. von Merkatz (DP) . . . . . 421D Dr. Seelos (BP) 424A Reimann (KPD) . . , . . . . 427A Loritz (WAV) 429D Frau Wessel (Z) ...... . 431B von Thadden (NR) . . 434D Dr. Ott (Parteilos) ..... . 437B Dr. Becker (FDP) 437D Storch, Bundesminister für Arbeit 438D Dr. Schmid (SPD) . . . . . 439C Fisch (KPD) 444D Dr. von Brentano (CDU) . . . 447D Nächste Sitzung 448D Die Sitzung wird um 15 Uhr 6 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Ich habe von dem Vorschlag gesprochen, den die Herren Schumacher, Ollenhauer, Healer und Professor Baade Mr. McCloy im September die August-Thyssen-Hütte betreffend gemacht haben. Herr Dr. Schumacher hat gefragt, ob das eine Gepflogenheit werden solle, daß von ausländischen Staatsmännern — so sagte er — solche Mitteilungen weitergegeben werden.

    (Abg. Dr. Schumacher: Nein, daß Sie sie verwerten!)

    — Also, daß ich sie verwerte. Ja, verehrter Herr Kollege Schumacher, suchen Sie denjenigen, der diese Mitteilungen weitergegeben hat, unter den vier deutschen Teilnehmern der Verhandlung!

    (Abg. Dr. Schumacher: Dann sind Ihre Vertrauensleute nicht in der Lage gewesen, diese Mitteilung zu verstehen!)

    — Von Mr. McCloy weiß ich nichts, aber wenn deutsche Teilnehmer der Verhandlung diese Verhandlung weiter erzählen und es mir mitgeteilt wird, warum soll ich nicht davon Gebrauch machen?

    (Abg. Dr. Schumacher: Sie haben eine falsche Form der Mitteilung erhalten!)

    Ich habe Herrn Dr. Schumacher begründet, warum ich gerade den Vorschlag der Vereinigten Stahlwerke als Grundlage einer Erörterung weitergegeben habe. Die Stahlproduktionskapazität spielt eine große Rolle bei der Frage des Kriegspotentials. Die Vereinigten Stahlwerke produzieren 40 Prozent des deutschen Stahls, und gerade deswegen habe ich Herrn Kollegen Schumacher gesagt, daß der Gedanke einer Erörterung wert wäre, ob nicht das
    ausländische Kapital, das wir zum Wiederaufbau der Industrie brauchen,

    (Zuruf links: Das ist allerhand!)

    gleichzeitig genützt werden könnte, um den Geldgebern einen Einblick zu geben, was mit dem Stahl geschieht.

    (Zuruf links: Sind Sie Bundeskanzler oder Geschäftsminister?)

    Meine verehrten Damen und Herren! Sie sind ja in einer besseren Lage als ich! Sie können reden, was Sie wollen, ohne daß Sie deswegen zur Verantwortung gezogen werden.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte. — Zuruf links: Wer zieht Sie zur Verantwortung? Saarfrage! — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    — Ich bin gern bereit, über die Saarfrage in einer der nächsten Sitzungen zu sprechen.
    Einige Ausführungen von Herrn Kollegen Dr. Schumacher habe ich trotz allen Nachdenkens nicht verstanden.

    (Abg. Dr. Schumacher: Welche?)

    Ich habe allerhand geheimnisvolle Andeutungen nicht verstanden, die er gemacht hat. Es ist mir auch nichts davon bekannt, Herr Kollege Schumacher, daß auf der Pariser Konferenz die Personalpolitik der deutschen Regierung behandelt worden wäre.

    (Abg. Dr. Schumacher: Einer der fünf Hauptpunkte!)

    — Sie sind eben immer besser informiert.

    (Abg. Dr. Schumacher: Vielleicht ist es gar nicht so schwer, Herr Bundeskanzler!)

    — Es kommt immer darauf an, wie man versucht, die Verbindung mit dem Ausland zu halten!

    (Abg. Dr. Schumacher: Das ist sehr fein!)

    Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Kollege Dr. Schumacher mir gegenüber das, was das Ausland sagt, so nachdrücklich empfiehlt, dann möchte ich den Herrn Kollegen Dr. Schumacher darauf aufmerksam machen, was sein ihm parteipolitisch sehr nahestehender Freund Herr Grumbach sagt und was ihm die Labour Party offiziell geantwortet hat.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts. — Zurufe links: Ist das alles?)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Gerstenmaier.

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    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Als in den Jahren des Krieges die lange genährte Hoffnung immer geringer wurde, daß wir mit eigener Kraft die Tyrannei zu brechen und die Katastrophe zu verhindern vermöchten, stand hinter uns und hinter unserer tiefen Resignation eine große Furcht und eine noch größere Hoffnung. Die Furcht galt dem Ende; nicht nur und nicht so sehr dem persönlichen als dem physischen Ende unseres Volkes und damit dem geschichtlichen Ende der deutschen Nation. Die Hoffnung aber galt einer Neugestaltung Europas, einer neuen geistigen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebensform der Völker, die im Begriffe waren, aneinander zu verbluten. Das Ende kam unerbittlich und diskussionslos, die vagen wie die krampfhaften Illusionen unter sich begrabend. Aber so schrecklich es auch war, so viele Opfer die Waffen, so viele Tote


    (Dr. Gerstenmaier)

    der Hunger und die Vertreibung darnach noch gefordert haben, so ist es heute doch erlaubt, im großen und ganzen als Bilanzergebnis zu sagen: wir sind noch einmal davongekommen. Wir brauchen hier nicht zu fragen, wie. Die Tatsache, daß wir hier in Bonn und nicht in Berlin sind, die Tatsache, daß mehr als ein Drittel des deutschen Volkes hier nicht vertreten ist, sagt genug. Aber immerhin, trotz großer Verluste: das deutsche Volk ist physisch nicht vernichtet, und schon darum allein ist es auch in Zukunft eine politische Realität eigener Größe.
    Wie aber steht es mit jener Hoffnung, die auch in den Schrecken des Untergangs in vielen von uns lebendig war? Wir reden hier nicht von den schillernden Seifenblasen jener, die eigentlich alles nicht so schlimm fanden und bis zum heutigen Tag es nicht so schlimm finden, nicht von jenen, die in den einrückenden amerikanischen Truppen damals bequeme Zigaretten- und Kaffeelieferanten sahen. Wir reden von denen, die im Bewußtsein dessen lebten und kämpften, daß der Zusammenbruch des Reiches, daß der Verlust einer geliebten Heimat und daß das Heer der Toten aus vielen Völkern einen Sinn, einen weltgeschichtlichen Sinn erhalte mit dem endlichen Aufbau einer europäischen Gemeinstaatlichkeit. Wir haben es zuweilen jenseits der deutschen Grenzen in diesen Jahren erlebt, daß man hinter das Apriori dieser Gesinnung bei uns Deutschen laute und leise Zweifel gesetzt hat, daß man unsere europäische Gesinnung in Frage stellte und in unserem Bekenntnis zu einem Vereinigten Europa nichts anderes als die letzte List der Besiegten sah. Dagegen war und ist wenig von unserer Seite zu tun. Wir hielten es darum, so wie die Dinge in den letzten Jahren lagen, für falsch, die anderen zur Gemeinschaft mit uns einzuladen. Nicht nur aus Gründen der Taktik, sondern vor allem aus Gründen des Taktes meinten wir, es den anderen überlassen zu müssen, uns zur Gemeinschaft mit sich einzuladen. Es wäre ungerecht, über den Leiden und Enttäuschungen dieser Jahre zu übersehen, daß solche Bekundungen des Willens zur dauerhaften Zusammenarbeit auch mit uns tatsächlich erfolgt sind. Den Kirchen sind im vorpolitischen Bereich die Gewerkschaften gefolgt, im Politischen waren es die Unionen der christlichen, sozialistischen und liberalen Parteien sowie die Europa-Union und andere.
    Weit über seine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung hinaus messen wir dem Marshallplan eine hohe politische Bedeutung für die Einbeziehung Deutschlands in die europäische Gemeinstaatlichkeit bei. Wir betrachten den Marshallplan deshalb als wesentliche Hilfe, weil er den Anstoß gab für die Wiederherstellung unserer deutschen Wirtschaft. Wir glauben, daß diese Hilfe der Vereinigten Staaten darüber hinaus aber den Start für die wirtschaftliche Kooperation Europas überhaupt darstellt, und in dieser wirtschaftlichen Zusammenarbeit erblicken wir allerdings die materielle Grundlage einer europäischen Gemeinstaatlichkeit. Wir wissen — und wir haben es ja heute gehört —, welchem Verdacht eine solche Kooperation auch in unserer Mitte ausgesetzt sein kann. Wir halten aber daran fest, weil wir wissen, daß zwar auch andere Elemente spiritueller und rechtlicher Art von hoher Bedeutung für die europäische Gemeinstaatlichkeit sind. Aber aus der unanfechtbaren Erkenntnis, daß der Mensch und mithin auch Europas Völkergemeinschaft nicht vom Brot allein lebt, folgt nicht, daß sie ohne Brot oder ohne genug Brot leben könnten. Das haben wir in der Vergangenheit ja härter denn je erfahren.
    Wir sollten von vornherein deshalb die Vereinigten Staaten von Europa nicht ohne ausreichende materielle, das heißt ohne eine gut funktionierende gemeinsame wirtschaftliche Basis anstreben. Mit einem spirituellen Gebilde allein ist auch uns nicht gedient. Aber noch einmal: Sind wir, nach dem, was uns die heutige Regierungserklärung hier zur Kenntnis gebracht hat — so fragen wir .—, berechtigt, diese letzte große Hoffnung aus den Jahren des Krieges und des Untergangs jetzt zu begraben oder ihr Leitbild in resignierter Lethargie zu betrachten — ich glaube, ich könnte auch noch hinzufügen: in zurückhaltender, unkonstruktiver und unentschlossener Reserve?
    Gewiß, die Demontagedebatte hat viele in ihrem Glauben an ein neues Europa tief erschüttert. Heute kann man wahrscheinlich den Satz wagen, daß aus der Demontage mehr noch eine Destruktion politischer als materieller Werte geworden ist. Deshalb begrüßen wir die heutige, uns hier bekanntgewordene Erklärung der Hohen Kommissare aufrichtig.
    Sowohl bei der Behandlung der Demontagefragen wie des Ruhrstatuts sind die Bundesregierung und der Bundestag vor das Kernproblem der Sicherheit oder, genauer gesagt, vor die Frage eines stabilisier ten Friedens gestellt. Auch wir fragen uns von uns aus und noch gar nicht allein im Blick auf die europäische Ballung des Problems: wie kann der Friede, wie soll der Friede in Europa garantiert werden? Wir haben die Erklärung der Bundesregierung über die Bildung eines Ausschusses zur Prüfung der Sicherheitsfragen mit Zustimmung gehört. Eines aber, glaube ich, können wir, wie auch diese Beratungen des Ausschusses gehen werden, für erwiesen halten, nämlich daß die Sicherungskonstruktionen in den Jahren zwischen dem ersten und zweiten Welt' krieg vollständig zerbrochen sind und keinem, weder dem Gesicherten noch dem, gegen den sie gerichtet waren, zum Segen gereicht haben. Es sollte nicht nur jene Deutschen, die immer noch in den Vorstellungen der vergangenen Jahrzehnte leben, sondern auch führende Persönlichkeiten in anderen Ländern nachdenklich stimmen, daß nicht ein einziges jener Instrumente, die nach dem ersten Weltkrieg zur Sicherung und im Namen der Sicherheit geschaffen worden sind, der geschichtlichen Belastung standgehalten hat. Vom Locarnopakt bis zur Maginotlinie sind sie alle zerbrochen, und es ist ein geringer Trost für diejenigen, die unter der Sturzflut des zweiten Weltkrieges beinahe ertrunken sind, daß jene, die die Dämme gesprengt haben, der Flut selber zum Opfer gefallen sind.
    Ist es nicht beunruhigend, fragen wir, daß heute wieder in allen internationalen Diskussionen, die Deutschland berühren, bis jetzt vorwiegend die Stimme vernommen wird, die das Sicherheitsproblem nach den alten, diesmal aber qualitativ und quantitativ forcierten Rezepten besser als zuvor gelöst sehen möchte? Wir beabsichtigen hier niemand anzugreifen; denn wir sind uns dessen bewußt, daß Deutschlands Friedenswille nicht nur eine strenge Selbstbeherrschung, sondern auch einen guten Willen erfordert, der bereit ist, an Vorleistungen als Beweis dieses guten Willens das Menschenmögliche zu erbringen. Es ist aber


    (Dr. Gerstenmaier)

    eine schlechte Sache, daß auch diejenigen, die mit großer Wachsamkeit und strenger Selbstkritik allen Äußerungen nationalen Ressentiments in unserm Volk entgegentreten, zuweilen das Gefühl beschleichen mußte, daß die Lösung der Sicherheitsfrage nach diesem zweiten Weltkrieg in der Herbeiführung einer permanenten wirtschaftlichen Unselbständigkeit Deutschlands bestehen solle und in einer Abhängigkeit, wie sie der große Franzose Rodin seinerzeit in seinen „Bürgern von Calais" vor uns hingestellt hat. Noch einmal: wir sagen das hier weder anklagend noch schmollend, aber wir stellen damit ein Faktum fest, das zu überwinden unsere gemeinsame Aufgabe ist, das zu überwinden aber darüber hinaus eine Schicksalsfrage der gesamten europäischen Politik ist. Jeden Schritt über dieses Faktum weg halten wir für einen hohen Gewinn Europas.
    Mit tiefer Dankbarkeit haben wir Beweise redlichen Willens zur Zusammenarbeit mit Deutschland in diesen Jahren und bis auf diesen Tag auch aus der Mitte der Völker erfahren, bei denen die alten Sicherheitslösungen noch viele Anhänger haben. Aber wir wissen — und wenn uns nicht alles trügt, ist etwas davon in Paris laut geworden daß auch in diesen Völkern starke Kräfte vorhanden und am Werke sind, die in der Erkenntnis leben, daß die bloße Wiederholung alter Sicherungen nicht nur unerhört kostspielig, sondern auf die Dauer auch unnütz ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Wir haben Verständnis dafür, daß verantwortliche Regierungen sowohl in ihren Äußerungen wie in ihren Maßnahmen bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Umfange dem durch die Katastrophe gegangenen Deutschland wieder Vertrauen geschenkt werden könne, zurückhaltender und skeptischer sind. Wir erwarten nicht, daß diese Regierungen unseren ernsthaften und redlichen Bemühungen um die Wiedergewinnung von Vertrauen und Achtung alsbald Verständnis entgegenbringen; aber wir hof fen, sie nicht mißverstanden zu haben, daß sie auch uns jenes Lebensrecht zuerkennen, zu dem sie sich in ihren Staatsgrundlagen und öffentlichen Erklärungen über die unveräußerlichen und heiligen Rechte der Menschen selber bekannt haben. Wir hoffen, sage ich, daß wir die großen Mächte darin nicht mißverstanden haben, daß sie ihre Sicherheitsforderungen in einen tragbaren Einklang mit dem Lebensrecht des deutschen Volkes bringen wollen.
    In der bloßen Wiederherstellung eines Systems der negativen Sicherungen nämlich vermöchten wir allerdings keine Garantie für eine echte Sicherheit, für einen wirklichen Frieden zu erblicken. Dagegen sehen wir eine konstruktive Lösung auf dem Wege zu einer echten Sicherheit und damit zu einem wahren Frieden in einer wirtschaftlichen und politischen Verflechtung und Zusammenarbeit, die von überflüssigen Schranken ebenso wie von einem überholten nationalwirtschaftlichen Prestigebedürfnis befreit ist.
    Den Vereinigten Staaten von Amerika sind wir dankbar dafür, daß sie uns durch .die Idee und durch dia Initialzündung des Marshallplans auf diesen Weg gewiesen, ja geradezu gezwungen haben. Eine solche Lösung, nach dem ersten Weltkrieg angewandt, hätte die Menschheit vor den Greueln der Konzentrationslager wie vor den Schrecken eines zweiten Weltkrieges und vor den Barbareien der Massenvertreibungen bewahrt. Auch das sagen wir nicht in rückschauender Klage oder Anklage, sondern wiederum lediglich zur Klärung des Standortes, an dem wir uns befinden, und zur Fixierung des Zieles, das, wennschon von Deutschland her und von dieser Stelle aus zu den Grundfragen der Außenpolitik geredet werden soll, in unverrückbarer Klarheit feststehen muß. Dieses Ziel heißt: die Vereinigten Staaten von Europa als ein Rahmen, in dem sich die europäischen Völker gemeinsam um ihre wirtschaftlichen und politischen Bedürfnisse bemühen. Dies ist die einzige uns ausreichend erscheinende Lösung der trotz unserer völligen Ungefährlichkeit nach wie vor gestellten Sicherheitsfrage. Sicherheit heißt doch letztlich nichts anderes als eben Stabilisierung des Friedens. So tief wir auch darniederliegen und soviel wir auch gelitten haben, für dieses Ziel sind wir bereit jedes Opfer zu bringen, das Menschen und Völkern unter dem Aspekt von Recht und Freiheit zugemutet werden kann.

    (Bravorufe bei der CDU.)

    Wir fürchten uns deshalb nicht vor den kleinen oder großen Demagogen, die sich da und dort wieder unter uns erheben, um mit alten, abgestandenen Schlagworten ihr trauriges Handwerk der Verführung zu treiben. Wir werden tun, was zumutbar ist, auch wenn es Opfer, kostet. Wir sind deshalb auch bereit, das Ruhrstatut, das ohne deutsche Mitwirkung entstanden ist, einer sehr ernsthaften Prüfung im Hinblick darauf zu unterziehen, ob es uns eine Kooperation im Rahmen einer europäischen Gesamtstaatlichkeit möglich macht. Ich möchte mir im übrigen die nüchterne Frage erlauben, was eigentlich mit einer etwaigen Ablehnung des Ruhrstatuts zunächst gewonnen sein soll und welche bessere Lösung, die realisierbar und mehr ist als ein stolzer Protest, die Opposition vorzuschlagen hat. Ihre Bemühungen, für den Lebenskampf des deutschen Arbeiters Verständnis bei gleichgesinnten Regierungen und Parteien des Auslandes zu wecken, haben leider nicht gerade ein ermutigendes Ergebnis gehabt.

    (Hört! Hört! und Sehr wahr! in der Mitte.)

    Ebensowenig ermutigend sind die letzten Verlautbarungen der britischen Labour Party über die Entsendung einer Kommission zum Studium der Demontagefrage.
    Weil wir die Kooperation redlich und aus ganzem Herzen wollen, sind wir auch bereit, jedes Statut und jeden politischen und wirtschaftlichen Vertrag unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob sie der europäischen Einigung dienen. Wir sind freilich der Meinung, daß die Fortsetzung der Demontagen dieses Ziel direkt gefährden würde und daß das Ruhrstatut in seiner jetzigen Gestalt nicht als eine Förderung dieses hohen Ziels betrachtet werden kann. Aber weder die Demontagen noch das Ruhrstatut noch das Besatzungsstatut sollen und können uns daran hindern, die europäische Einigung als das bestimmende Motiv unseres Tuns und Lassens im zwischenstaatlichen Bereich anzusehen.
    Erlauben Sie mir, von diesen allgemeinen Gesichtspunkten aus etwas zu der Diskussion zu sagen, die sich über einige Schritte des Herrn Bundeskanzlers entwickelt hat und deren Zeugen wir auch hier geworden sind. Man hat dem Herrn Bundeskanzler — zum Teil in Formen, die kein gerecht Denkender billigen kann und die wir nicht nur bedauern, sondern mit Nachdruck zurückweisen müssen — unterstellt, daß er Tendenzen


    (Dr. Gerstenmaier)

    entwickele, die die Zuständigkeit dieses Hohen Hauses nicht gebührend in Betracht zögen.

    (Lachen bei der SPD.)

    Ich habe die Ehre, im Namen der CDU/CSU-Fraktion zu erklären, daß es nach unserer Auffassung nicht nur das volle Recht, sondern auch die unabweisbare Pflicht des Bundeskanzlers und der Regierung ist, in Fragen, die schlechterdings von vitaler Bedeutung für Deutschland sind, initiativ zu werden.

    (Sehr richtig! und Händeklatschen in der Mitte.)

    Wir gedenken, in jedem Fall mit Nachdruck die Rechte und die Bewegungsmöglichkeit zu verteidigen, die das Grundgesetz der Bundesregierung eingeräumt hat. Wir glauben nicht, daß sich damit dieses Hohe Haus irgendeines Rechts begibt oder daß seine Einflußnahme in unzulässiger Weise begrenzt wird.
    Zu dem Inhalt der Vorwürfe möchte ich nur zweierlei sagen. Ich möchte erstens die im Zusammenhang mit dem Interview des Herrn Bundeskanzlers entstandene Debatte über die Investierung ausländischer Mittel in der deutschen Schwerindustrie herausheben, die in der Rede meines Herrn Vorredners von der Opposition eine große Rolle gespielt hat. Das zweite betrifft die Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers zum Eintritt der Bundesrepublik in den Europarat.
    Zu dem ersten Punkt möchte ich folgendes sagen. Auch die Kritiker ausländischer Kapitalinvestierungen werden nicht darum herumkommen, in den nächsten Jahren Kredite für deutsche Werke zu akzeptieren. Ja, es ist durchaus denkbar, daß sie
    eines Tages vor die Notwendigkeit gestellt werden,
    solche Kredite zu erbitten; denn das erste Problem — ob sozialisiert oder nicht sozialisiert — heißt heute für uns alle: Wiederaufbau und Modernisierung unserer Werke und Produktionsstätten. So wie die Dinge liegen, werden wir leider auf solche Investitionen nicht verzichten können, wenn wir die Werke konkurrenzfähig machen wollen. Nicht konkurrenzfähige Betriebe werden — ob sozialisiert oder nicht — für uns alle eine Last und für ihre Belegschaft ein Unglück sein. Wir vermögen es deshalb nicht für ein so schreckliches Unglück oder gar für ein Verbrechen zu halten, wenn Vorschläge und Pläne für derartige Investierungen diskutiert werden. Was ist eigentlich mehr geschehen als dies?
    Bei dieser Gelegenheit möchte ich sagen, daß wir Wert darauf legen, klar und vernehmlich zum Ausdruck zu bringen, daß wir zwar keinesfalls bereit und willens sind, die Vorstellungen über Sozialisierung oder Verstaatlichung zu übernehmen, wie sie da und dort auch in diesem Hause vertreten werden, daß wir aber zu dem Wort von der Neuordnung der Besitzverhältnisse, das in der Erklärung der Bundesregierung ausgesprochen wurde, zu stehen gedenken, soweit es an uns ist.

    (Sehr gut! bei der CDU. — Zuruf links: In welchem Sinne? — Zuruf des Abgeordneten Schoettle.)

    übrigen muß bei allen Beteiligten völlige Klarheit darüber bestehen, daß die künftige Sozialgestaltung — ob mit oder ohne ausländische Investitionen — ausschließlich von der Legislative dieses Hauses bestimmt sein wird.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich hoffe, daß Sie das ein wenig tröstet, Herr Schoettle.

    (Abg. Schoettle: Ich bin gar nicht so niedergebrochen!)

    Die Legislative dieses Hauses wird das letzte Wort sprechen. Die Konspiration der internationalen Kapitalisten, von der hier geredet wird, fürchten wir nicht.
    Solange jedenfalls die Regierung sich von der Erkenntnis bestimmen läßt, daß der innere und der äußere Frieden in Europa von heute unteilbar sind und daß deshalb auch die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit von Bedeutung für die Dauerhaftigkeit 'des äußeren Friedens ist, solange sehen wir keinen Anlaß, der Regierung bei ihren Erwägungen und Maßnahmen in den Weg zu treten, sondern werden sie dabei mit allem unterstützen.
    Wenn die Bundesregierung die Möglichkeit eines Eintritts in den Europarat prüft, so kann — ich meine es nicht im Speziellen — nur Demagogie unterstell en, daß sic damit dem Kampf um die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie den Boden entziehe.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Niemand wird behaupten, daß Weißrußland oder die Ukraine nicht zu Sowjetrußland gehören, und doch sind sie selbständige Mitglieder mit eigenem Stimmrecht in den Vereinten Nationen. Wir halten es für notwendig, daß die Bundesrepublik die Möglichkeiten wahrnimmt, die ihr im Europarat von Schritt zu Schritt eingeräumt werden. In diesem Sinne vertreten wir die Auffassung, die der Herr Bundeskanzler in einem Interview vor kurzem dargelegt hat. Um alle Mißverständnisse zu beseitigen, zitiere ich wörtlich die Außerung des Bundeskanzlers. Er sagt:
    Ich halte es für sehr bedauerlich, daß die Saarfrage überhaupt mit der Europafrage verknüpft worden ist. Das ist nicht von uns aus geschehen. Es erscheint mir wesentlich, daß diese beiden Fragen in Zukunft getrennt gehalten werden. Ich würde es nicht für eine weise Politik halten, wenn Frankreich die Aufnahme Deutschlands in den Europarat von einer gleichzeitigen Aufnahme des Saargebiets abhängig machen sollte. Aber ebensowenig weise wäre es, wenn wir erklärten, daß eine Mitgliedschaft des Saargebietes die deutsche Mitgliedschaft ausschlösse. Man sollte aus diesen Mitgliedschaften kein Handelsgeschäft mit Bedingungen machen. Die Saarfrage kann endgültig erst in einem Friedensvertrag mit Deutschland geklärt werden, und der Europarat ist ohnehin nicht befugt, einer solchen Regelung vorzugreifen. Ich könnte mir sehr viel eher denken, daß eine unmittelbare deutschfranzösische Fühlungnahme das Saarproblem einer Lösung näherbringen könnte.
    Soweit der Herr Bundeskanzler! Mir scheint, daß das alles in der Formulierung wie in der Linie nicht so ist, daß es die massiven Angriffe, die wir in den letzten Wochen darüber erleben durften, berechtigen oder begründen könnte.

    (Zustimmung bei der CDU.)

    Selbstverständlich haben auch wir ein tiefes Empfinden für die Unangemessenheit einer Verkoppelung, wie uns überhaupt manche Dinge nicht weniger schmerzen als Sie, meine Herren, in der Opposition.


    (Dr. Gerstenmaier)

    Übrigens werden wir Gelegenheit haben, in der nächsten Sitzung des Bundestags zu dem Problem der Kriegsgefangenen und zu den Urteilen in den Kriegsverbrecherprozessen in den ersten Jahren nach dem Kriege etwas ausführlicher Stellung zu nehmen. Wir werden uns dann erlauben, mit Material darauf zurückzukommen.
    Aus eigener Einsicht in die internationale Situation folgen wir der Regierung aber auch darin, wie sie das Ziel der europäischen Einigung mit allem Ernst gerade dort angeht, wo der Sicherheitskomplex am schwierigsten und die Hypothek der Geschichte am schwersten ist, und das ist zweifellos das deutsch-französische Verhältnis. Wir wissen, daß hier moralische Imperative oder Sentiments wenig helfen. Hier muß ein mühsamer Weg Schritt für Schritt gegangen werden. Nirgendwo ist das Gestrüpp des Mißtrauens bis jetzt so undurchdringlich wie im deutsch-französischen Verhältnis. Erlauben Sie mir gerade in diesem Zusammenhang das Wort eines Mannes anzuführen, der seine Verse in deutscher Sprache schrieb und sein Lebenswerk in französischer Sprache vollendet hat. Rilke hat einmal davon geredet, daß, wenn etwas schwer sei, es uns ein Grund mehr sein müsse, es zu tun. Es würde mir gefährlich erscheinen, dieses Wort schlechthin aufzunehmen. Hier aber hat es seine Geltung. Wir kritisieren den Kanzler nicht, weil er sich daran gemacht hat, mit Mut und Geduld das Seine zu tun, um einen Weg zus Gemeinsamkeit zu bahnen, sondern wir unterstützen ihn dabei.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    In einer ebenso kühlen wie klugen Charakterisierung hat vor kurzem ein prominenter Sprecher der Opposition in diesem Hause Deutschland ein „politisches Agens in potentia" genannt. Wir glauben jedoch, daß diese Tatsache, die unanfechtbar ist, noch kein Grund ist, darauf so etwas wie eine Politik des nationalen Widerstandes zu bauen. Wir wissen, daß die einstweilige Überwindung der schwersten Existenzbedrohung Deutschlands in den letzten Jahren nicht nur der großzügigen Hilfe der Vereinigten Staaten, sondern auch dem Widerstand zuzuschreiben ist, den unzählige deutsche Frauen und Männer dem Hunger, der Verelendung und der Zerstückelung unseres deutschen Vaterlandes entgegengesetzt haben. In keinem anderen Zusammenhang als in diesem scheint uns das Wort vom nationalen Widerstand sinnvoll und erlaubt. Indem wir uns mit der letzten Kraft, die uns geblieben ist, den Dämonien des Chaos entgegengestellt haben, glauben wir auch einen Beitrag für die europäische Gemeinsamkeit geleistet zu haben. Der nationale Widerstand der Deutschen sollte darüber hinaus allmählich all dem gelten, was uns zum geschichtslosen Haufen machen möchte.
    Wir nehmen die Besorgnisse der Opposition ernst; aber wir hätten es für sinnvoller gehalten, wenn sie den Widerstand nicht gegen die notwendigen Maßnahmen der Regierung angerufen hätte. Diese Regierung ist im Begriff, eine unter europäischen Gesichtspunkten verantwortete deutsche Politik zu machen. Die Opposition sollte mit Nachdruck gegen jene inferioren Kräfte angehen, die in dieser seltsamen Mischung von Wut und Rührung die Deutschen um die Erkenntnisse ihrer eigenen tief durchlebten und erlittenen Geschichte zu betrügen im Begriff sind.

    (Beifall bei der CDU.)

    Wer das ist, Herr Schoettle? 'Zwingen Sie mich nicht, die Namen solcher Schmutzfinken in diesem Hause zu nennen.

    (Abg. Schoettle: Ich habe kein Wort gesagt!)

    — Zwingen Sie mich nicht, die Namen solcher Leute zu nennen, die am besten in diesem Hause nicht genannt werden. Gott sei Dank sind sie hier nicht vertreten.

    (Abg. Schoettle: Das ist aber fein!) — Muß ich den Namen Remer nennen?

    Auch wenn wir mangels höherer Erleuchtung das hier bestehende System von Regierung und Opposition akzeptieren, so glauben wir doch, daß es nach den Ereignissen der letzten Wochen an der Zeit ist, freimütig auszusprechen, daß uns diese Formen nun wiederum nicht so für die Ewigkeit geschaffen zu sein scheinen, daß alles andere dahinter zurücktreten müßte. Wir haben uns hier nicht nur freiwillig zu den Grundsätzen der Demokratie, sondern auch zu ihrer mühseligen Praxis bekannt, und wir gedenken, dazu auch dann zu stehen, wenn das, was Gott verhüten wolle, mit hohem persönlichem Wagnis verbunden sein sollte. Aber ob es uns nun im einzelnen leicht oder schwer fällt, so sollten wir uns doch dazu bereit finden, den Mechanismus dieser politischen Organisation elastisch und nicht doktrinär, in jedem Falle aber so zu gebrauchen, daß dabei die res publica und ihre notwendige Autorität gestützt und gefördert werden. Es gibt deutsche Länder, in denen die Mehrheitsverhältnisse anders liegen als im Bundesgebiet. Wir sind willens, auch dort diese Grundsätze anzuwenden und in jedem Falle zu respektieren. Aber wir müssen von der Opposition verlangen, daß sie der Entscheidung des deutschen Volkes, soweit sie im deutschen Lebensbereich überhaupt in Freiheit stattgefunden hat, in ihrem Verhalten unter allen Umständen Rechnung trägt. Opposition und Regierung sind in verschiedenen Funktionen, aber jedenfalls in gleicher Intensität und Verantwortung dem Wohl der Nation und nichts anderem verpflichtet. Das gilt in allen Entscheidungen von wesenhafter Bedeutung für das deutsche Volk. Aber das gilt erst recht bei der Aufstellung und Verwirklichung eines neuen Verhältnisses der Deutschen zu ihren Nachbarvölkern und für die Bildung einer Lebensform, die diesen alten Kontinent mit Gottes Hilfe in die nächsten Jahrhunderte tragen soll.
    Was sind unter diesen Aspekten parteitaktische Gesichtspunkte? Ist es wirklich so unangemessen, von den Trägern gesamtdeutscher Traditionen so viel Distanz gegenüber ihren eigenen Parteiformationen zu verlangen, daß sie jederzeit willens und in der Lage sind, Entscheidungen, die für Deutschland gefällt und im Blick auf Europa und die Welt vollzogen werden müssen, positiv und konstruktiv mit zu fassen und mit zu tragen? Wir glauben jedenfalls, nicht nur für die Mehrheit des 14. August, sondern für eine noch weit größere Mehrheit im deutschen Volk zu sprechen, wenn wir hier an die Regierung wie an die Opposition appellieren, in Sachen einer künftigen deutschen Außenpolitik so eng und so verständnisvoll wie immer möglich zusammenzustehen und zusammen zu handeln.

    (Abg. Schoettle: Das ist ja gerade der Punkt!)

    Warum soll etwas, was in den Vereinigten Staaten und in manchem anderen Land sehr wohl mög-


    (Dr. Gerstenmaier)

    lich war, nicht auch hier möglich sein, hier unter uns, die wir unter schweren Leiden innegeworden sind, daß politische Gemeinschaft auch zwischen denen statthaben kann, die sich in besseren Zeiten nur als Gegner gekannt haben? Oder bedarf es denn immer nur eines Tyrannen und einer Schreckensherrschaft, um Männer wie Goerdeler und Leuschner, Carlo Mierendorff und Helmuth Moltke handelnd und kämpfend zusammenzubringen? Wir wissen, daß auch dann, wenn es uns gegeben wäre, die Verhältnisse im eigenen Haus und die Beziehungen zu unseren nächsten Nachbarn erträglicher und fruchtbarer zu gestalten, dies alles doch ein großer Torso bleibt, solange die großen Mächte des Ostens und des Westens über uns hinweggespannt sind als sich ausschließende Gegensätze. Wir triumphieren nicht über die offen ausgebrochene Zwietracht zwischen den ehemaligen Alliierten. Wir haben allen Anlaß, jenes Statut, das ihre gemeinsame Unterschrift trägt, für eine zweite große europäische Katastrophe zu halten, nachdem die erste kaum zu Ende war. Aber wir verstehen, daß sich die Staatsinhalte des Ostens und des Westens wie Feuer und Wasser vertragen. Und wir bleiben uns bewußt, daß Grundgesetz und Bundesrepublik nur ein Provisorium sind für ein geeintes Deutschland im Rahmen eines geeinten und freien Europas. Aber für ganz und gar nicht provisorisch halten wir die Prinzipien der Freiheit und des Rechts, die in diesem Grundgesetz verankert sind. Wir ersehnen den Tag, an dem die Vertreter der Länder der Ostzone mit Groß-Berlin hier zwischen uns erscheinen und das deutsche Land jenseits der Oder-Neiße-Linie wieder zur Heimstätte derer werden kann, denen es von Gottes und Rechts wegen gehört. Wir erstreben das mit friedlichen Mitteln und im Rahmen einer internationalen Lösung. Die Tatsache, daß dies nach menschlichem Ermessen in weiter Ferne liegt, ist uns kein Grund, in Resignation auf etwas zu verzichten. Das ist weder in unser Recht, noch in unser Belieben gestellt. In diesem Sinne Treuhänder des deutschen Volkes überhaupt zu sein, das ist das nobile officium dieses ganzen Hauses.
    Von der Bundesregierung aber erwarten wir, daß sie ihre große Aufgabe mit Geduld und Festigkeit wahrnimmt und daß sie sich des Rechts zur Initiative in jedem Falle voll bedient, des Rechts, das ihr das Grundgesetz zuweist. Möge sie dabei hoffentlich bald von ihren schon jetzt nicht mehr zeitgemäßen Fesseln durch die Einsicht der Hohen Kommissare befreit werden.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)