Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Wenn man die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff zu Ende denkt, dann hat er von den Befugnissen einer Mehrheit in einem Parlament eine Auffassung, die es dieser Mehrheit erlauben könnte — ich unterstelle Ihnen keinen bösen Willen —, Beschlüsse zu fassen, die den Rhythmus der Sitzungen dieses Parlaments bis auf die Größenordnung Null reduzieren könnten. Denn er hat den Standpunkt vertreten: Dieses Haus kann mit Mehrheit beschließen, was es will. Es kann mit Mehrheit beschließen, wann
es tagen will. Gerade um das zu verhindern, haben wir im Parlamentarischen Rat die Bestimmung eingefügt, über die wir diskutieren!
Herr Kollege von Brentano, Sie erinnern sich — ich hoffe, daß Sie sich erinnern werden —, daß wir über diesen Fall ausgiebig diskutiert haben.
Es ist dort in vollkommener Klarheit gesagt worden, daß man das bisher geltende Recht der Weimarer Verfassung abändern wollte, daß man einen neuen Rechtszustand schaffen wollte — jawohl! —, daß man einer Minderheit von einem Drittel die Möglichkeit geben wollte zu erzwingen, daß eine Sitzung vom Präsidenten einberufen werden muß.
— Halten Sie doch die Leute hier nicht für so albern!
— Herr Kollege Strauss, ich habe Sie immer für viel gescheiter gehalten! —
Das kann nicht bestritten werden, Herr Kollege von Brentano. Sonst hätte die Bestimmung ja keinen Sinn. Wenn Herr Kollege Höpker-Aschoff sagt, die Bestimmungen müßten mit Vernunft ausgelegt werden, so ist das vollkommen richtig. Man sollte aber die Vernunft nicht so strapazieren,
daß man sie so dehnt, daß aus der Interpretation einer unklaren Stelle eine Abänderung des Inhalts der Verfassung wird.
— Wenn ich das versuchen wollte, Herr Kollege — dessen Name ich leider nicht kenne —, dann hätte ich mich mehr angestrengt.
Meine Damen und Herren, die Sache ist so: Sie können bestimmen: die nächste Sitzung wird dann und dann sein — ja, das können Sie —, und solange der Herr Präsident nicht erklärt hat: „Die Sitzung ist geschlossen", können Anträge zur Geschäftsordnung gestellt werden.
Darunter kann auch ein Antrag sein, wegen Eintritts einer neuen Situation auf einen früheren Termin einzuberufen. Sie können dann einen Beschluß fassen, aber erst nachdem der Herr Präsident den Termin bestimmt hat.
— Möglich! — Das ist der Weg, der hier beschritten werden muß. Einen anderen können Sie nicht beschreiten. Wenn Sie es tun sollten, meine Damen und Herren, treten Sie aus dem Umkreis heraus, den Grundgesetz und Geschäftsordnung in Ihre Ermessensfreiheit stellen.