Meine Damen und Herren! Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Artikel 39 Absatz 3 des Grundgesetzes vielleicht bei den Gesetzgebern unbewußte Reminiszenzen an frühere Sitzungsperioden enthält, obwohl die Verfassung im übrigen die Sitzungsperiode nicht mehr kennt. Aber, meine Damen und Herren, es gilt ja im allgemeinen eine Auslegungsregel, die von Juristen selber anerkannt wird, daß nämlich die Gesetze mit Vernunft auszulegen seien.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Haus selber darüber zu beschließen hat, wann es seine Sitzungen schließt und neue Sitzungen anberaumen will. Wenn die Deduktion der Herren von der Sozialdemokratischen Partei richtig wäre, so würde dieses Recht des Bundestags, über den Schluß der Sitzung und Anberaumung der nächsten Sitzung zu beschließen, immer durch eine Mehrheit von einem Drittel vereitelt werden können, indem dies eine Drittel behaupten würde: Nein, wir sind nicht einverstanden; wir verlangen, daß die Sitzung, nicht wie die Mehrheit will, am Dienstag oder die übernächste Sitzung am Mittwoch stattfindet, sondern wir verlangen, daß die nächste Sitzung am morgigen Tage abgehalten wird. Das kann nicht richtig sein, weil es dem Recht des Bundestags widersprechen würde, über den Schluß der Sitzung und die Anberaumung der nächsten Sitzung zu beschließen.
Artikel 39 muß also etwas anderes im Sinn haben, und bei vernünftiger Auslegung hat er den Sinn, daß der Bundestag eine gewisse Zeitspanne in seinen Sitzungen einlegt. Der Bundestag hat also
das Recht, zu beschließen, daß die nächste Sitzung in 14 Tagen oder 3 Wochen stattfinden soll. Wenn dann innerhalb dieses Zeitraums ein unerwartetes Ereignis eintritt, das in der Sitzung selber nicht bekannt war, und mit Rücksicht auf dieses Ereignis entweder der Herr Präsident aus eigener Machtvollkommenheit oder auf Veranlassung eines Drittels die Sitzung vorverlegt und nicht zu dem Tag anberaumt, den die Bundestagssitzung beschlossen hatte, so muß die Bestimmung mit Sinn und Verstand ausgelegt werden.
Wenn die Herren Sozialdemokraten recht hätten, würden wir Katz und Maus spielen. Wenn wir jetzt über die nächste Sitzung beschließen würden, dann käme ein Drittel und würde verlangen, daß heute abend um 18 Uhr die Sitzung stattfinden soll. Heute abend um 18 Uhr würde mit Mehrheit beschlossen werden: Nein, wir machen Schluß und beraumen die Sitzung auf Donnerstag in acht Tagen an. Und dann käme morgen wieder die Minderheit von einem Drittel und würde sagen: Wir wollen die Sitzung schon am nächsten Montag anberaunt haben. Daß das nicht richtig sein kann, muß doch jeder einsehen.