Meine Damen und Herren! Zur Begründung der Vorlage Nr. 117 wurde an die Regierungserklärung angeknüpft. Vielleicht hat ein Teil der CDU-Fraktion wirklich das Bedürfnis, ein solches Gesetz zu schaffen, das einheitlich im Bundesgebiet das Mitbestimmungsrecht regelt. Aber wir haben einige Bedenken in dieser Frage, und diese möchte ich Ihnen vortragen. Sie werden auch heute ganz offen unterstrichen; Sie
dürfen nur auf die Regierungsbank schauen! Millionen Arbeiter interessieren sich für dieses Gesetz, und nicht einmal der Herr Arbeitsminister hält es für notwendig, anwesend zu sein. So ernst ist diese Sache der Regierung!
— Warum sind Sie so nervös?
— Ich freue mich außerordentlich!
Nun habe ich eine Frage an Sie zu stellen. Was haben Sie unter „zeitgemäß" verstanden? Wissen Sie: bei uns, die wir in einem Ländchen wohnen, in dem bereits ein Gesetz seit eineinhalb Jahren angenommen und nicht verwirklicht ist, weil die hohe Militärregierung uns die demokratische Freiheit gibt, die Gesetze machen zu lassen, die ihr angenehm sind, aber nicht den Herren Unternehmern, — bei uns hat diese hohe Militärregierung vor einigen Wochen erklärt, daß mit dem Zustandekommen der Bundesregierung ihr Veto fällt und die Suspendierung aufgehoben ist. Was hat dieser Antrag zur Folge? Daß dieses Gesetz in Württemberg-Baden, in Hessen, in Bremen und, ich glaube, auch in Südbaden, weiter suspendiert wird. Das ist das „Zeitgemäße" an Ihrem Antrag, daß die Gesetze weiter nicht durchgeführt werden, weil Sie jetzt dort mit Ihren Mehrheiten sagen werden: abwarten, bis die Bundesregierung ein Gesetz gemacht hat, das dann die rückständigsten Länder berücksichtigt und nicht die fortschrittlichen Maßnahmen durchführt, die bereits beschlossen sind. Das ist das „Zeitgemäße" an Ihrem Antrag, nämlich zu verhindern, daß diese Gesetze jetzt in der Praxis durchgeführt werden.
Diese Tatsache möchte ich hier vor dem Hohen Hause unterstreichen und auch eine zweite.
Wir können nicht glauben, daß Sie das Mitbestimmungsrecht wollen. Die Regierung Dr. Adenauer hat ganz klar und unzweideutig in der Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht, daß der Staat seinen Zwang auf die beiden Sozialpartner soweit wie möglich beseitigen will. Wir können nicht glauben, daß er nun gerade an dieser Stelle den Zwang vergrößern wird, und das müßte er, wenn er ein wirkliches Mitbestimmungsrecht selbst in dem bescheidenen Rahmen, wie das in Hessen und Württemberg-Baden bereits zum Gesetz geworden ist, verwirklicht wissen wollte. Deshalb haben wir kein Vertrauen dazu, daß die Regierung das machen wird, und die Praxis der 15 Sitzungen dieses Hohen Hauses hat gezeigt, daß die Mehrheit rücksichtslos ihren Willen durchsetzt, ob das draußen der Masse der Arbeitenden gefällt oder nicht.
Aus diesem Grunde glauben wir, daß es besser wäre, daß die Gesetze in den Ländern, wo sie bereits angenommen worden sind, jetzt verwirklicht werden und nicht eine neue Bremse durch diesen Antrag angelegt wird, um sie erneut, nachdem die Militärregierungen die Suspendierung aufgehoben haben, durch die Bundesregierung zu suspendieren und das Gesetz auf den Sankt-NimmerleinsTag zu verschieben oder aber vollkommen dort zu suspendieren, wo fortschrittliche Maßnahmen enthalten sind, um dann ein Gesetz zu machen, das keinen Zwang auf die Herren Unternehmer, aber weiter den Zwang auf die Arbeiter ausübt. Denn die Arbeiter fühlen es, daß von 1945 ab, als die Herren Unternehmer noch Bücklinge vor ihnen
gemacht haben, bis heute eine gewaltige Wandlung zum „Herrn-im-Hause-Standpunkt" vor sich gegangen ist, und diesen „Herrn-im-Hause-Standpunkt" wollen Sie durch ein Bundesgesetz verwirklichen. Deshalb stimmen wir gegen diesen Antrag.